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"Und wann kaufst du dir das Haus am See?"

Begonnen von gbwolf, 03. April 2013, 12:41:13

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gbwolf

Als ich vor Jahren einer Freundin erzählte, dass ich ein Hörbuch veröffentlichen würde und schon in einigen Anthologien vertreten war, da freute sie sich ehrlich für mich und begann, von meinem Häuschen am See zu träumen. Ich schüttelte den Kopf und erklärte, dass ich schon mehr als zufrieden wäre, einen sehr bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, obwohl auch das nicht wirklich realistisch ist.
Mein erster Roman ist gerade erschienen und in einem anderen Forum stolperte ich über ein Foto, das Alice Gabathuler von ihren Büchern geschossen hat. War ich bislang schon auf dem Teppich der Realität angekommen, liege ich mittlerweile darauf und kaue auf den Teppichfransen. Mit meinen Büchern habe ich das Bild einmal nachgestellt: Das alles muss ich verkaufen, um mir "Der Ruf der Tiefe" leisten zu können (Tun wir einfach mal so, als ob ich keine Steuern, keine Renten- und Krankenversicherung zahlen müsste, sonst wäre der Stapel mehr als doppelt so hoch.).

Da ich gerade aus Zeitgründen den Schritt gehen musste, mich selbständig zu machen, werde ich mich noch mehr um Lesungen bemühen. Leider schreibe ich für eine Altersgruppe, bei der Bibliotheken und Schulen wenig Lesungen veranstalten und ich habe ein kleines Kind, kann also nicht einfach eine Woche oder zwei auf Lesetournee gehen.

Man muss sich wirklich vor Augen halten, wie schwierig es ist, sein Leben mit dem Schreiben zu finanzieren, wenn man kein Spitzentitel ist - und selbst dann wird man selten allein von den Tantiemen leben können. Ob das mit den eBooks und der höheren Tantiemen besser wird? Oder machen die 99 Cent-Selfpublisher das letzte bisschen Verdienst für Autoren kaputt? Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, 10 Jahre älter zu sein. "Damals", als alle Bücher noch als schönes Printbuch erschienen und die Verlagswelt noch heil war.

Oder wie seht ihr das? Ist es heutzutage überhaupt noch realistisch, sich völlig auf den Berufswunsch des Schriftstellers einzuschießen? Werden wir neue Strategien in Sachen Marketing und Publizieren ohne Verlag erleben?

Ich läute hier eine lockere Diskussionsrunde ein. Vielleicht weniger, um die harten Fakten zu besprechen - dafür haben wir andere Threads -, sondern mehr, um mal zu schauen, wie eure Gefühlslage ist. Optimistisch, der Zukunft gegenüber? Ängstlich, ob des propagierten "Gesundschrumpfens" des Fantasymarktes? Oder vielleicht habt ihr auch einfach Lust, euren Bücherturm zu fotografieren und zu zeigen, was ihr euch davon leisten könnt.  ;)

Edit: Vor lauterlauter habe ich glatt das Foto vergessen anzuhängen.

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

Thaliope

Ich hör immer "heutzutage". War es früher wirklich anders? Konnte man wirklich von den Tantiemen leben, wenn man einen Verlagsvertrag hatte? Oder erfahren wir nur einfach mit der Zeit immer mehr darüber, wie es wirklich im Verlagsleben zugeht, weil Autoren ihre Erfahrungen im Internet miteinander teilen?
Wie sich der eBookmarkt entwickeln und auf die Verkäufe von Printbüchern auswirken wird, wie sich Selfpublishing auf die Verkäufe der großen Verlagshäuser auswirken wird... das weiß ich nicht. Ich persönlich bin den Verlagen für eine Vorselektion dankbar, möchte mich nicht durch Berge von unlektorierten Büchern wühlen, um ein paar Perlen zu finden. Aber da kann ich die ausschlaggebende Masse nicht einschätzen.

Ob es "heutzutage" realistisch ist, ganz vom Schreiben zu leben? Die Frage wurde schon vor zehn, vor fünfzehn Jahren genau so gestellt und beantwortet: Die meisten Autoren brauchen einen Brotberuf. Nur die wenigsten können vom Schreiben leben.
Es sei denn, man ist Auftragsschreiber (wertungsfrei) und reißt da einen Acht-Stunden-Tag ab. Aber das ist, nach allem, was ich hier so lese, nicht unbedingt die Vorstellung, die die meisten vom Schriftstellerdasein haben.

Worauf ich hinauswill: Ich glaube, es ist keine Frage von früher oder heutzutage, sondern eher, wie nahe man der Realität kommt und wie viel man von ihr sieht.

Aber dass man sich vor Augen halten sollte, wie schwer es ist, allein vom Schreiben zu leben ... da geh ich mit dir konform.
GLG
Thali


gbwolf

Zitat von: Thaliope am 03. April 2013, 12:56:21Worauf ich hinauswill: Ich glaube, es ist keine Frage von früher oder heutzutage, sondern eher, wie nahe man der Realität kommt und wie viel man von ihr sieht.
Ja, das ist der Punkt, denke ich. Wobei man "früher" wirklich den Vorteil hatte, in jedem Fall im Print zu erscheinen.

Zitat von: Thaliope am 03. April 2013, 12:56:21Es sei denn, man ist Auftragsschreiber (wertungsfrei) und reißt da einen Acht-Stunden-Tag ab. Aber das ist, nach allem, was ich hier so lese, nicht unbedingt die Vorstellung, die die meisten vom Schriftstellerdasein haben.
Selbst dann wird es oft schwer, denke ich. Und mir kommt immer mehr der Gedanke: Ist es denn schön, ganz viel zu produzieren, nur um leben zu können? Die Buchhandlungen mit Blah zu überschwemmen, statt mich auf Bücher zu konzentrieren, die mir persönlich etwas wert sind? Also, natürlich meine ich damit nicht, komplett vom Leser weg zu schreiben, ich unterhalte gern, aber manchmal habe ich das Gefühl, wir Autoren produzieren selbst die Schwemme, in der wir untergehen.

Und mit der Vorauswahl ... das wird ein ewiges Problem bleiben. In anderen Threads ist ja schon einiges über eine Art von TÜV geredet worden, aber bislang gab es weder handfeste Modelle, noch Initiativen, diesen umzusetzen.

Thaliope

Zitat von: Nadine am 03. April 2013, 13:04:34

Selbst dann wird es oft schwer, denke ich. Und mir kommt immer mehr der Gedanke: Ist es denn schön, ganz viel zu produzieren, nur um leben zu können? Die Buchhandlungen mit Blah zu überschwemmen, statt mich auf Bücher zu konzentrieren, die mir persönlich etwas wert sind? Also, natürlich meine ich damit nicht, komplett vom Leser weg zu schreiben, ich unterhalte gern, aber manchmal habe ich das Gefühl, wir Autoren produzieren selbst die Schwemme, in der wir untergehen.


Ja, dass es auch als Auftragsschreiber (Heftromane etc.) schwer ist, glaube ich auf jeden Fall. Aber da ist es prinzipiell möglich, halbwegs planbar Geld zu verdienen.

Wie viel Output man mit welchem Anpsruchslevel produziert ... Tja, die Frage muss man sich als Schriftsteller wohl stellen. Ob das "schön" ist, viel zu veröffentlichen, was einem nicht so am Herzen liegt, hängt wohl ganz stark von der Persönlichkeit des Schreibenden ab.
Die seichte Unterhaltung wird nunmal viel gelesen und gekauft und gibt damit einen einigermaßen verlässlichen Markt ab, mit Viellesern, die schnell Nachschub brauchen. Die große Masse an solchen Romanen sehe ich daher eigentlich nicht als problematisch an, weil es dafür ja eine ganz klare Zielgruppe gibt, die sich mit anderen nur bedingt überschneidet. Nur manchmal wäre es schön, die "guten" Romane leichter darin aufspüren zu können - aber was "gut" ist und was nicht, darüber gehen die Meinungen ja auch so meilenweit auseinander ... :)

Für mich ist mir klargeworden, dass ich versuchen muss, meine Geschichten und meinen Stil zu finden. Falls sich das eines Tages verkaufen sollte, wäre das großartig und ein Traum. Aber mich würde es, glaube ich, nicht glücklich machen, andere Geschichten zu schreiben, um vom Schreiben zu leben. Ich glaube, das würde mich aushöhlen. Dann übersetze ich lieber zum Leben.

Aber wie gesagt, das kann man wohl nicht pauschal für alle Schreibenden beantworten.

LG
Thali

Mogylein

Hm, ich weiß nicht, inwiefern ich mir ein Urteil erlauben darf, denn ich bin weiter entfernt von einem Verlagsvertrag, einer Veröffentlichung und alledem (auch gedanklich) als viele andere. Ich habe keine Ahnung von dem Gefühl, wenn man eine Zusage kriegt und keine Ahnung davon, wie es ist, zu sehen, dass man viel weniger Tantiemen kriegt, als erwartet. Deswegen ist alles, was ich jetzt sagen werde, reinste Mutmaßung plus meine eigene Einstellung und ich hoffe, damit niemandem auf den Schlips zu treten.

Ich frage mich, wenn ich solche Threads hier lese, immer wieder: Warum ist "vom Schreiben leben" immer das Ziel? Liegt es daran, dass man für nichts anderes so eine Passion hat, dass jeder andere Brotberuf einen unglücklich machen würde? Irgendwie glaube ich, dass das nicht auf den Großteil der Autoren zutrifft. Ich denke, abgesehen vom Schreiben haben wir doch meistens noch andere Ziele im Leben, die wir verfolgen können (ob das jetzt Politiker, Konditor oder Biologe ist...) und die uns auch erfüllen. Und welche uns - im besten Fall - das Schreiben nicht nehmen können.
Ich halte es für einen durchaus legitimen Weg, zweitausend Euro im Monat durchs Kuchenbacken zu erwirtschaften und das dann durch (ich habe, wie gesagt, keine Ahnung und wähle jetzt eine random Zahl) 500€ monatlicher Buchverkäufe aufzubessern. Ehrlich gesagt halte ich das sogar für besonders erstrebenswert, denn: Ich persönlich kann mir vorstellen, dass es mir komplett den Elan für die Schreiberei rauben würde, wenn ich wüsste dass ich einfach produzieren muss, um zu überleben. Dass ich vielleicht meine mittelmäßigen Ideen so lange polieren muss, bis sie als "gut" durchgehen, nur, damit Brot auf dem Tisch steht. Ganz zu schweigen von der Angst, die mir immer im Nacken säße, ob ich denn in zehn Jahren immer noch so kreativ bin, oder ob ich irgendwann einfach leer bin und mir dann vielleicht mit 40 oder 50 noch einen neuen Beruf suchen muss.
"Vom Schreiben leben" klingt für mich nur dann interessant, wenn ich mit einem Buch einen richtig großen Wurf lande - und das ist noch viel unrealistischer, als überhaupt erstmal ein professioneller Autor zu werden.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Grummel

ZitatOder wie seht ihr das? Ist es heutzutage überhaupt noch realistisch, sich völlig auf den Berufswunsch des Schriftstellers einzuschießen? Werden wir neue Strategien in Sachen Marketing und Publizieren ohne Verlag erleben?

Ich bin ja, wie Nadine erst kürzlich treffend bemerkte, "alt" und trotzdem gebe ich den Berufswunsch nicht auf. Ich habe einen sehr fordernden und zeitraubenden Job, der ausgesprochen gut bezahlt wird. Allerdings auf Kosten der Gesundheit und auf Kosten sehr vieler privater "Dinge", die auf der Strecke bleiben.
Deshalb habe ich mir ein für mich realistisches Ziel gesetzt. Ich möchte mit dem Schreiben bis zu meinem 50. Lebensjahr soviel verdienen, dass ich ab da nur noch 2-3 Tage die Woche arbeiten gehen muss.
Wäre ich 20 Jahre jünger, wäre ich den Weg eines z. Bsp.: Tom Daut gegangen und hätte mich selber platziert.
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Coppelia

#6
Vor einigen Jahren - als ich hier aus dem Forum weggegangen bin - wollte ich noch unbedingt vom Schreiben leben. In der Zwischenzeit ist viel passiert, und ich will es nicht mehr. Einerseits habe ich eingesehen, dass ich es wohl nicht kann, aber selbst wenn ich könnte, würde ich jetzt (wo ich tatsächlich einen größeren Verlag gefunden habe) nicht mehr wollen.

Man braucht außer Talent noch sehr großes Glück, um überhaupt ein Buch zu verkaufen, und gerade unbeschreiblich großes Glück, um einen Spitzentitel zu landen. So ist es meiner Meinung nach wirklich: Talent kann noch so viel vorhanden sein, wenn kein Glück dazu kommt, ist alles Essig. Und kein Mensch kann dir garantieren, dass du dieses Glück haben wirst, und vor allem nicht, dass es anhält. Ich bin kein Mensch, der gerin Risiken eingeht. Ich möchte sicher sein, dass ich auch nächstes Jahr noch in der Lage bin, meine Sockenwolle zu bezahlen.

Ich war noch nie "mainstream", meine Projekte waren immer etwas "anders". Das ist das erste Problem: Solche Bücher verkaufen sich immer schlechter. Aber ich möchte meine Ideen auch nicht zu sehr anpassen müssen oder die Projekte, die mir am Herzen liegen, gar nicht schreiben, weil ich noch 5 Auftragsarbeiten zu erledigen habe. Für den günstigen Fall, dass ich überhaupt Auftragsarbeiten erhalte.

Ich glaube, ich wäre auch gar nicht glücklich, wenn ich immer nur schreiben, schreiben müsste: Dann würde ich viel zu wenig mit anderen Leuten erleben.

Mir wäre das Risiko und die Unannehmlichkeiten viel zu groß, um zu versuchen, vom Schreiben zu leben. Für mich ist es eine Berufung und eine Möglichkeit, eventuell etwas Geld hinzu zu verdienen - für Urlaub oder ein neues Sofa. Falls ich meinen Traum vom Haus auf dem Land einmal verwirklichen kann, dann sicher nicht durch das Schreiben. Ich bin zufrieden, wenn mir neben (oder in meinem Fall eher: vor) meinen Brotberuf genug Zeit bleibt, mein tägliches Pensum zu schreiben und das, was ich so produziere, eventuell mal zu verkaufen. Ganz vielleicht könnte ich vielleicht später mal auf einer halben Stelle arbeiten. Aber auch das halte ich für unrealistisch.
Ich glaube auch nicht, dass das vor 10 Jahren anders war, allerdings denke ich, dass sich die Probleme verschärft haben. In meinem Fall heißt das: dass ich mich mit dem, was als Mainstream gilt, noch weniger identifizieren kann.

edit: Oh Gott, 4 neue Beiträge, seit ich meinen angefangen habe. :gähn:

Nycra

Eigentlich wollte ich bis heute Abend warten und ein entsprechendes Foto posten, aber wie ich mich kenne, komm ich ohnehin nicht dazu, daher gleich meine 5 Cents.

Mein Debüt ist seit September letzten Jahres auf dem Markt, das Ebook seit Dezember 2012 - im Kleinverlag nicht zu vergessen. Bis zum Jahresende hab ich tatsächlich ein wenig Geld zusammenbekommen. Wobei das Gros über den Ebookverkauf im Dezember lief.

Sagen wir es mal so, ich kann (wie bei Nadine ohne Abzug von Steuern (Krankenkasse etc. läuft über meinen Brotjob)) mir einen sehr, sehr, sehr schönen gemeinsamen Urlaub mit meinem Mann für circa 10 Tage All inclusive davon leisten. (Weiß ich deshalb so genau, weil ich gerade dazu recherchiere *hüstel*.) Das ist in etwa so viel, wie mein Mann im Monat netto verdient. Bekäme ich das jeden Monat, könnte ich davon leben (oder mein Schatz bliebe daheim), keine Frage. Aber für Januar schon komme ich nicht mehr auf diese Summe, aber ich denke auch hier kann ich nicht klagen. Fakt ist jedoch, das alles habe ich nur dem Ebook zu verdanken. Die Taschenbuchausgabe ist zwar mein persönliches Highlight, aber fällt nicht ganz so sehr ins Gewicht.

Von dem Traum vom Schreiben leben zu können, hab ich mich aber mehr oder weniger nie einlullen lassen. Klar, träum ich ab und zu noch davon, aber im Grunde bin ich Realistin genug zu wissen, dass man dafür sehr viel Glück benötigt - in Deutschland sogar noch mehr als in den USA.

Ich habe gerade erst an Ostern mit meinen Eltern über das Thema gesprochen. Wenn ich es schaffe, mit meiner Schreiberei meinem Mann und mir jedes Jahr einen tollen Urlaub zu finanzieren, meine laufenden Kosten für Recherche, Lesereisen, Conventions und Messen sowie Schreibutensilien zu decken, ohne an mein Erspartes zu müssen, wäre ich glücklich. Klar habe auch ich einen Traum (wie dein Haus am See, Nadine), doch den zu erfüllen würde mich mindestens 200.000 verkaufte Shatis bedeuten (und ich spreche hier vom Ebook, da der Verdienst für das TB über Amazon ein Witz ist). Dann wäre mein Haus abbezahlt, fertig renoviert und ich könnte trotzdem noch eine schöne Reise davon machen und hätte ein bisschen was auf der hohen Kante. Darauf zu hoffen, ist aber Blödsinn, denn mein Erstling hat sich nur aufgrund des strategisch perfekt gewählten Datums zur Ebookveröffentlichung vor Weihnachten so gut ausgenommen. Und diese Summe ist auch nur über den Vertrag mit dem Kleinverlag möglich.  Bei einem der Großen müsste ich wahrscheinlich deutlich mehr verkaufen.

[Verdammich, ich hab zu lange zum Formulieren gebraucht ... ::)]

Runaway

Zitat von: Mogylein am 03. April 2013, 13:25:02
Ich frage mich, wenn ich solche Threads hier lese, immer wieder: Warum ist "vom Schreiben leben" immer das Ziel? Liegt es daran, dass man für nichts anderes so eine Passion hat, dass jeder andere Brotberuf einen unglücklich machen würde?
Kann ich für mich so unterschreiben. Ich übe zwar immerhin meine "Zweitwahl" als Beruf aus, kann meine Passion für neue Medien, Online und Gestaltung ausleben - aber trotzdem schiele ich jede gottverdammte Minute des Tages auf die Uhr und sehne den Feierabend herbei, um nach Hause zu eilen und weiterzuschreiben.
Das fühlt sich so an, als würde ich meine Zeit verschwenden und mein Leben verpassen. Nicht so schön. Ich hoffe, daß ich irgendwann nicht mehr drauf angewiesen bin.

Wobei natürlich dann immer noch das Problem besteht: Tötet es einem die Lust am Schreiben, wenn man schließlich muß? Davon leben muß? Kann auch sein. Weiß ich nicht.

gbwolf

Zitat von: Mogylein am 03. April 2013, 13:25:02Ich frage mich, wenn ich solche Threads hier lese, immer wieder: Warum ist "vom Schreiben leben" immer das Ziel?
Das ist eine völlig berechtigte Frage. Und ich glaube, sie rückt im Laufe des Lebens immer weiter in den Hintergrund, eben wenn man sieht, welche Möglichkeiten einem andere Berufe/Nebenberufe bieten (außer Geld).
In vielen Vorstellungen im Willkommensboard liest man "... möchte eines Tages nur vom Schreiben leben ... richte mein Leben/Studium ganz darauf aus ... weil ich nichts anderes kann ...". Ich habe das viele Jahre lang selbst mit mir herumgetragen. Und ich habe immer in Teilzeit gearbeitet, um Raum für das Schreiben zu haben.
Jetzt bin ich allerdings in der Situation, dass ich mit einer selbständigen Tätigkeit wenigstens etwas Geld verdienen sollte, weil ich die Flexibilität brauche. Meine Kleine kommt erst im Herbst in die KiTa und mein Brotberuf hat zu unflexible Arbeitszeiten.
Und es ist natürlich mein Traum, wenigstens ein paar Jahre lang ausschließlich zu schreiben. Für ein ganzes Leben, ich glaube, da wäre mir das ganze Geschäft mit dem Hoffen, Bangen, Warten und "können wir nicht ein paar mehr Küsschen im Roman haben?" zu viel. Und ich brauche noch andere Tätigkeiten für den Kopf. Momentan leide ich unter der ständigen Handbremse, ob Projekte, für die ich mich gerade warmschreibe, verkauft werden, und unter der Realität des Einkommens aus Büchern.

Zitat von: Grummel am 03. April 2013, 13:25:17Ich bin ja, wie Nadine erst kürzlich treffend bemerkte, "alt" und trotzdem gebe ich den Berufswunsch nicht auf.
Das Fettnäpfchen hängt mir jetzt auch ewig nach ... gemessen daran, was andere Schreiberisch oder in anderen Berufsfeldern schon erreicht haben, bin ich übrigens auch ziemlich alt.  :ithurtsandstings!:

So. Ich muss jetzt füttern, was mir bei Roman Nr. 1 schlafend auf der Brust lag. Sonst beißt sie mir noch ins Knie.

Snöblumma

Ich wollte niemals nur vom Schreiben leben, insofern hat sich bei mir die Frage nie gestellt. Klar, es gibt diverse Bekannte, die meinen, nur weil man einen Verlagsvertrag hat, wäre man Ken Follet oder J.K. Rowling, aber die meisten Freunde wissen dann doch, dass es sich eher um mickrige Löhnchen handelt im Vergleich zu der Arbeit, die man in ein Manuskript steckt. Wenn ich mir den Stundensatz ansehe, weiß ich, dass ich mit diversen anderen Arbeiten besser fahren würde.

Aber: Ich will schreiben. Ich mache es aus reinem Spaß an der Freude, und wenn genug dabei rüberspringt, um Unkosten wie Buchmesse und Stammtischfahrten zu decken, mir ab und zu neue Klamotten außer der Reihe zu gönnen oder einen Urlaub, dann ist das schön. Aber das Geld ist für mich keines, mit dem ich plane, noch welches, das ich brauche.

Zugleich hänge ich zu sehr an meinem Brotjob und vor allem dem damit verbundenen Stress, als dass ich ihn aufgeben würde, selbst wenn ich allein vom Schreiben leben könnte. Ich merke immer wieder, dass ich in Phasen, in denen ich keinen beruflichen Input habe, auch keinen schriftstellerischen Output produziere. Ich brauche beides, und insofern ist das bisher jedenfalls ideal (ja, ich weiß, irgendwann wird mir die Familienplanung dazwischenfunken, aber darüber mache ich mir dann Gedanken). Ich brauche beides, und ich hoffe, irgendwann mit meinem Brotjob genug zu verdienen, um mir die Schriftstellerei auch leisten zu können. Meine Horrorvorstellung wäre es ja, zuhause zu bleiben, meinetwegen auch mit einem Kind, und nur noch schreiben zu dürfen. Wir könnten es uns wahrscheinlich leisten, wenn ich denn mal mit der Ausbildung fertig bin, aber ich glaube, ich würde dann kein einziges Wort mehr zustande bringen.

Was ich mich allerdings frage, ist, ob es nicht genau diese Haltung ist, die die Löhne so mickrig macht. Wir alle schreiben primär, weil es uns Spaß macht. Nicht, um davon zu leben. Entsprechend geben sich Autoren relativ kollektiv - von Bestsellerausnahmen abgesehen - mit Löhnen zufrieden, die den Ausdruck Lohn eigentlich gar nicht verdienen. Jedenfalls mit Löhnen weit unter allem, was als Mindestlohn gefordert wird ;). Die Gesellschaft wiederum sieht keinen Grund, jemanden für etwas zu entlohnen, dass er primär aus Spaß an der Freude macht. Ich zahle ja auch niemandem Geld dafür, dass er joggen geht und ab und an semiprofessionell Marathon läuft, oder in Nischensportarten bei Weltmeisterschaften antritt, usw. Die radikale Professionalisierung fehlt in unserem Business, und entsprechend fallen die Löhne aus. Niemand fordert mehr, vor allem nicht kollektiv, weil die meisten von vornherein nicht damit rechnen, auch noch Geld zu verdienen mit dem, was ihnen Spaß macht. Ich überspitze, zugegeben, aber ich stelle mir diese Frage relativ oft. Könnten wir nicht vielleicht sogar sehr gut vom Schreiben leben, wenn wir nur klarmachen, dass es zwar auch Spaß ist, aber primär ein Job wie tausend andere auch? Und: Gab es so eine Situation jemals? Die meisten Autoren, deren Lebensläufe ich so kenne, waren entweder von einem Gönner abhängig (oder von der Kirche, wenn wir mal ganz weit zurückgehen), oder sie hatten bürgerliche Berufe, und betrieben die Schriftstellerei nebenbei. Sogar Goethe war primär Jurist, sekundär ein Meister der Selbstvermarktung und dann erst Schriftsteller ;). Eichendorff, Novalis, Heym, Benn, Fontane, Storm, und so weiter und so weiter - sie alle lebten nicht vom Schreiben, jedenfalls nicht primär. Vielleicht ist es also, anders herum gewendet, auch ein Irrweg zu glauben, man könne von der Kunst alleine leben, und das Bild des Nur-Künstlers ein ziemlich junges, ziemlich verkitschtes und ziemlich überzeichnetes Bild?

Ich habe für mich in meiner derzeitigen Lebenssituation die Antwort gefunden, dass es zu mir auch einfach nicht passen würde, vom Schreiben alleine leben zu wollen. Das hält mich nun aber nicht davon ab, mir diese Fragen immer wieder zu stellen (und im Zweifel einfach mehr Geld abzugreifen, so ist es ja nicht ;) ). Und leider habe ich noch keine Antwort gefunden, die ich als der Weisheit letzter Schluss verkaufen könnte...

Tinnue

Mittlerweile kann ich vom Schreiben leben, allerdings eben nicht vom phantastischen Schreiben - dem, was ich gern täte - sondern Auftragsarbeiten, kleine und große Projekte für verschiedene Kunden. Vom "anderen Schreiben" würde ich erst dann leben wollen, wenn es halbwegs sicher ist bzw. wenn da schon so viel gelaufen ist, dass es kein "knapp am Existenzminimum" ist. Äh, ist das verständlich?  ???

Mit meiner Selbstständigkeit jetzt hab ich ein paar Vorteile (persönliche Freiheit usw.) kennengelernt, aber eben auch einige Nachteile oder Schattenseiten, wie man es nennen kann. Ich hab eigentlich die typisch deutsche Einstellung oder das, was ich dafür halte: Ich mag es, wenn die Dinge sicher sind. Wenn ich keine Angst haben oder ständig zweifeln muss. ABER genau das erlebe ich eben immer wieder, obwohl ich den Job so mag. Je nachdem, wie lange meine Projekte gehen, weiß ich nicht, wie es in zwei, drei, vier ... Monaten aussieht. Kommt auch in der nächsten Zeit Geld rein? Wenn ja, wie viel? Was steht außer den normalen abgaben im Alltag noch an (Katzen impfen, neue Möbel...)? Ich musste in der Vergangenheit öfter mal verzichten.

All diese Dinge sind nicht unbedingt schön. Deshalb würde ich für mich persönlich nicht hingehen wollen und sagen "So, jetzt kann ich gerade davon leben, also mach ich es" sondern eben beides noch eine Weile parallel laufen lassen. Wenn ich überhaupt jemals in die Verlegenheit komme, mir darüber Gedanken zu machen. Auch da bin ich typisch deutsch: Lieber erstmal keine Hoffnungen machen, freuen kann ich mich ja dann immer noch (Ja, ich bin komisch  :schuldig:)


Alana

#12
Interessant, wie sehr die Vorstellungen vom Leben mit dem Schreiben auseinander gehen.

Für mich persönlich ist die Sache ganz einfach: Ich würde gern vom Schreiben leben. Nicht wegen des Geldes, auch wenn ich es mir leider nicht leisten kann, darauf zu verzichten, sondern einfach, um die Rechtfertigung zu haben, nichts anderes mehr tun zu müssen.
Klar, es ist anstrengend und es gibt sicher mal Durststrecken, aber das ist in jedem Job so. Warum erwartet man also, dass es beim Schreiben anders ist, falls man es tatsächlich mal als Beruf ausübt?

Dass die Realität anders aussieht und ich diese Rechtfertigung wahrscheinlich nie haben werde, ist mir auch klar. Wobei der Verdienst in meinem erlernten Beruf so unglaublich schlecht und mit so viel negativen Begleiterscheinungen verbunden ist, dass ich nach jedem Strohhalm greifen würde. Wenn ich mich also mit dem Übersetzen und dem Schreiben halbwegs in dem Bereich bewegen würde, was ich in meinem erlernten Beruf verdienen könnte, dann würde mir das schon reichen, denn dann hätte ich wenigstens die ganzen negativen Begleiterscheinungen nicht.

Natürlich braucht man dafür sehr viel Glück, aber ich denke, dass auch Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit wichtig sind. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass es mir fast egal ist, welches Genre ich schreibe (auch wenn mein Herz der Fantasy gehört), solange ein paar Grundelemente dabei sind, die ich einfach brauche, und solange ich einfach nur schreiben kann.

Das Problem, das ich bei dem ganzen aber vor allem sehe, ist die Kontinuität. Selbst wenn ich mich jetzt als Autor etablieren und irgendwie genug dazu verdienen könnte, dass es für die Familie insgesamt reicht, wer sagt mir, dass das so bleibt? Niemand.
Alhambrana

gbwolf

Danke übrigens für eure Kommentare. Ich grüble und brüte so vor mich hin und es ist immer sehr interessant, ein Problem (So es denn eins ist und kein Selbstgebackenes.) von vielen Seiten zu betrachten.

Für mich ist das Momentan so ein Kopf gegen Herz-Ding. Als ich Alanas Satz las, dachte ich, der könnte so von mir sein:

Zitat von: Alana am 03. April 2013, 19:50:31Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass es mir fast egal ist, welches Genre ich schreibe (auch wenn mein Herz der Fantasy gehört), solange ein paar Grundelemente dabei sind, die ich einfach brauche, und solange ich einfach nur schreiben kann.
Die meisten Auftragsarbeiten machen viel Spaß und man kann zumindest ein paar seiner Ideen unterbringen und wird normalerweise nicht komplett in ein Korsett gebügelt - außer vielleicht, man schreibt für eine Heftchenserie. Wahrscheinlich sticht mich vor allem, dass ich auch um Auftragsarbeiten ringen muss, wie um ein Hezensprojekt. Aktuell geht es schon seit Oktober hin und her und die neusten Pitches enthalten zwar noch immer Dinge, die mir am Herzen liegen, aber der nächste Roman wird immer mehr zur Auftragsarbeit. Seit eineinhalb Jahren habe ich keinen Vertrag mehr unterschrieben, keinen Vorschuss bekommen (Ich zähle mal den Roman für einen Kleinverlag nicht, weil der mir weniger einbringen wird als eine Geschichte in der c't.). Das zehrt an den Nerven. Man wird mies bezahlt und muss auch noch auf diese paar Brosamen endlos warten. Für ein Herzensprojekt - okay. Aber bei einer Auftragsarbeit erwarte ich eigentlich, dass man sich über das Thema einigt, das Exposé bespricht und ein Angebot macht. Zack und fertig. Diese Herumeierei ist es, die mir jede Lust nimmt, jemals komplett nur vom Schreiben leben zu wollen.

Feuertraum

Ich möchte das ganze für mich ein wenig erweitern, in dem ich meinen Traum äußere, dass ich vom Unterhalten leben möchte.
Schreiben, schön und gut, und wenn ich tatsächlich einmal das Glück haben sollte zu veröffentlichen, ist das super.
Aber wenn ich nur schreiben müsste (sagen wir spaßeshalber mal, das ich damit soviel Geld verdiene, dass ich ein bescheidenes Leben führen kann), dann wäre ich auch etwas unglücklich, weil es noch so viele andere Sachen gibt, die ich machen möchte, sei es, Hörspiele zu produzieren, sei es, auf der Bühne ein Comedyprogramm zu spielen, sei es, dass ich im Rundfunk moderiere oder an einem gebauten Beitrag bastele.
Ich weiß nicht, ob ich gut genug bin, jemals veröffentlicht zu werden.
Ich weiß nicht, ob meine Gags gut genug sind, um einen ganzen Saal zum Lachen zu bringen.
Ich weiß nicht, ob meine Regieanweisungen gut genug sind, um anspruchsvolle Hörspiele zu produzieren.
Ich weiß aber, dass ich versuchen will, diese Richtungen einzuschlagen, einfach weil ich es brauche und am Ende meines Weges sagen kann: Du hast Dir Deine Träume erfüllt.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?