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Krimi: Muss der Leser den Mord beobachten?

Begonnen von Fianna, 26. Januar 2013, 16:32:52

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Fianna

 Jetzt habe ich schon wieder eine Frage, dirsmal zu meinem Hauptprojekt.

Erst allgemein: Ist es in Krimis wichtig, dass der Leser den Mord "beobachtet", dass er das Ableben und den Todeskampf hautnah mitverfolgt?



Und jetzt speziell: ich fein-plotte einen Fantasy-Krimi mit 2 Opfer-Typen: Typ 1 war nicht das Hauptziel und stirbt versehentlich (3 Personen), Typ 2 stirbt später,  war das Hauptziel des Mörders nd ist auch in seiner sozialen/politischen/wirtschaftlichen/jedweger Funktion "wichtiger" als die anderen Opfer.

Die ersten Opfer bekommen keine Todesszene von mir. Das zweite (eigentliche) Opfer interagiert mit der Polizei und dort wird man später eine Sterbeszene zu lesen bekommen...
... ist mein Konzept jetzt doof, weil ich den Tod der ersten Opfer nicht hautnah beschreibe oder kann mans machen? Okay, Agatha Christe lässt das auch oft wegfallen. Sie treten aber auch nicht in Person auf, wie es bei Christie meist der Fall ist. Der Leser wurd sie nur als Leichen und aus Erzählungen kennen lernen.

Sprotte

#1
Schau bei Agatha Christie nach: Ich kann mich spontan an keinen vom Leser miterlebten Mord erinnern. Leiche wird gefunden, Ermittlungen starten. Ebenso bei Georgette Heyers Kriminalromanen. Beides klassische Whodunits, die sehr gut ohne Todeskampf und viel Blut auskommen.

"Five little Pigs" ist so ein Roman von Christie, in dem der Mord zwei Jahrzehnte zurückliegt und von Poirot aufgerollt wird.

Tintenweberin

Ich würde es von der Erzähl-Perspektive abhängig machen, ob und wie der Leser den Mord miterlebt. Wenn einer deiner Ermittler der Pespektiveträger ist, dann kann er den Tod des Opfers gar nicht miterlebt haben, sonst gäbe es nicht viel zu ermitteln. Wenn die Perspektive beim Täter liegt, ist der Mord vermutlich eine Schlüsselszene des Romans.

Fianna

#3
Das hatte ich auch so in Erinnerung.
Ich wollte das Whodunnit-Prinzip ins Fantasy-Segment übertragen, frage mich jetzt aber, ob ich den Mord zeigen muss.

Theoretisch könnte ich Zeitpunkt und Ort der Vergiftung geheim halten und nur die Todesszene schreiben... Der Knackpunkt ist auch, dass alle 4 zum selben Zeitpunkt vergiftet wurden und einer später stirbt. Unterschiedliche Todesbeschreibungen würden also evt gut ins Konzept passen.

ABER ich hatte nicht vor, die ersten 3 Leichen in Person auftreten zu lassen. Nur die Todesszenen ist ja schon etwas horrormässig...


@Tintenweberin:
Ich habe 2 Perspektivträger, beides Ermittler.
Bisher hab ich Prolog -> ErmittlerB, Szene 1 --> ErmittlerA mit Mentor festgelegt und in Szene 3 soll der Tod bekannt gegeben werden und Ermittlungen eingeleitet werden. ErmittlerA ist in der Stadtwache.
Die darf man sich aber nicht als richtige Wache vorstellen, sondern eher als... verlängerter Arm der Herrschenden (aus diesem ebgen Oersonenkreis stammen die Toten).

Und als ich überlegte, wie ich anhand der "Einsatzbesprechung" zeigen kann, dass es keine richtigen Gesetzeshüter sind... kam mir der Gedanke, dass sich evt Leser um die ersten Morde betrogen fühlen könnten.

Tintenweberin

#4
Zitat von: Fianna am 26. Januar 2013, 16:56:14
Ich habe 2 Perspektivträger, beides Ermittler.
Bisher hab ich Prolog -> ErmittlerB, Szene 1 --> ErmittlerA mit Mentor festgelegt und in Szene 3 soll der Tod bekannt gegeben werden und Ermittlungen eingeleitet werden. ErmittlerA ist in der Stadtwache.

Ich denke, in diesem Fall werden die Toten in genau diesem Zustand die Bühne deiner Geschichte betreten. Die Ermittler werden irgendwohin gerufen, weil dort tote Leute herumliegen. Wenn die Todesursache relativ schnell klar ist (Gift) und eins der Opfer deutlich später sterben soll, könnte "man" (wer immer das auch sein mag) noch auf die Idee kommen, dass der zukünftige Haupttote ja auch in Gefahr ist. Die Ermittler laufen (oder fahren) so schnell wie möglich zu seinen Haus und treffen ihn dort gerade eben noch lebend an. Dann kannst du dessen Tod beliebig publikumswirksam gestalten ...   ;)

Pestillenzia

Ich lese sehr viele Krimis und in vielen erlebt der Leser den Tod nicht mit. Das hat mich nie gestört. Ich habe in meinem Krimi auch zwei Leute umgebracht, ohne dass der Leser dabei war. Wenn ich es genau überlege, habe ich auch in meinen Kurzkrimis nie beschrieben, wie die Opfer umgebracht werden. Vermutlich bin ich in den Tiefen meines Herzens ein Sensibelchen.  :engel:

Fianna

#6
Vielen Dank für eure Meinungen! Das finde ich sehr beruhigend, dann folge ich dem ursprünglichen Plotverlauf beim Szenen planen :)

Zu dem Haupt-Opfer rasen ist aber nicht, der stirbt eine ganze Weile später. Die Opfer waren in unpopuläre Geschäfte verwickelt (bei Konkurrenten unpopulär), so dass Sorge um den Ober-Typ nicht auf dem Plan standen.

Aber Du hast recht, da alle derselben Familie/Schicht angehören (Schicht auch im engsten Sinn), wäre es nur logisch, sich beim Tod von 3 (!) Mitgliedern auch Sorge um den Obermacker zu machen.


Also stürmen sie zu ihm - aber er lebt noch.
Und dann vergiftet er sich etwas spätwr, 1 Tag oder so, versehentlich selbst (Wechselwirkung von zu geringe Giftdosis + etwas, was er selbst einnimmt).

Arne

Klingt gut und gibt das Potenzial für die obligatorischen Fehlvermutungen der Ermittler, bis sie auf die richtige Fährte kommen. Ein Gedanke nur, als ich das Wort "Einsatzbesprechung" las. Pass auf, dass Du Dich da nicht zu einem Infodump verleiten lässt! Solche Besprechungen finde ich stilistisch meist weniger schön, wenn sie das Hauptmittel zur Informationvermittlung an den Leser sind. Wie hast Du Dir diese Besprechung genauer vorgestellt?

Fianna

#8
Die 'Einsatzbesprechung' ist ein Witz, wenn man das Wort krimitechnisch betrachtet. Ich hoffe ich hatte es oben auch in Anführungszeichen gesetzt.

Ziel dieser Szene ist, ErmittlerA&Wach sowie den Leser vom Mord zu informieren.
Und zu zeigen, dass die Stadtwache nur ausführendes Organ ist.

Ihre Aufgaben sind in erster Linie das Freihalten der Verkehrswege, Marktkontrolle, evt Zoll-Kassierung am Stadttor... Ermittlerisch tätig werden sie nur auf Anweisung des Magistrats, und genau auf die Weise, die vorgegeben wird.

Anzeigen werden nicht an die Wache gerichtet, sondern an den Magistrat, der auch nicht immer ein Ermittlungsverfahren anordnet. Bei einfachen Fällen wird direkt eine Entschädigung oder/Bussgeld oder sowas bezahlt.


Informationen des Wortführers (Magistratsmitglied) werden sein:
- Es gab mehrere Morde.
-Opfer sind A, B und C.
- Vermutlich wegen [falsches Motiv].
- Das heisst, verantwortlich sind sicher [unschuldige Verdächtige].
- Überwacht die mal.
- Und geht mal zum Patriarch der Familie, der sie kürzlich sah, vllt weiss der was.


Alles weitere an anderen Motiven und somit Verdächtifen, Entlastungs-Indizien, Belastungs-Indizien, kommt in weiteten Szenen.

Maran

Gegenfrage: Schreibst Du eine Dedektivgeschichte, oder einen Thriller? ;)

Fianna

Ähem, einen Krimi.
Vielleicht habe ich zuviel Tatort geschaut, da wird ja immer am Anfang gemordet.

Schreinhüter

#11
Die gleiche Frage, wie auch bei Maran, kam mir auf. In einem Thriller ist es durchaus üblich immer wieder zu den Opfern zu switchen, als auch Passagen in den Mörder hinein. Der Erzählform geschuldet ist es näher an den Personen, als an der Handlung. Ein Krimi wiederum lebt von der Faktenlage und deren richtiger Aufschlüsselung. Meist ist das Hauptpersonal zwar sympathisch, aber es neigt nicht zu großen Charakterentwicklungen im Roman selbst. Ein guter Thriller hingegen vermittelt dir, gerade über die Opfer und Täter, wie stark die Neigungen zur Handlung auch das Personal verändern können. Frustrieren, beglücken, oder in Zweifel bringen können.

Fianna

Okay, dann weiss ich Bescheid :)

Ich schreibe einen Krimi mit Charakterentwicklung. Täter-Szenen (aus Sicht des Täters meine ich) gibt es gar nicht.

Schreinhüter

Die Antwort sollte eigentlich suggerieren, dass es problematisch werden könnte, sich für eine Synthese aus beiden zu entscheiden. Sieh, zum einen ist die Faktenlage deutlich interessanter für den Krimi, als der Prota, der sich ihrer annimmt. Das Problem ist komplexer, ausgefallener und der Prota muss eben zurück stecken dafür. Wiederum ist der Thriller mit Obsession darauf ausgerichtet in das Innere der Menschen zu blicken, die sich angesichts des schwierigen Falles verändern. Wir sollten daher versuchen zu verstehen, welche Lesegewohnheit bedient werden soll und auf welche Aspekte der Fantasy du es anwenden willst.

Fianna

#14
Puuuhhh.....
Also ich habe bei der Planung mir eine Symbiose aus Krimi & Fantasy überlegt, im Sinne von: FAKTEN aber mit Persönlichkeitsentwicklung.
Ich denke aber, es wird dadurch leichter bzw. für euch unermüdliche Ratgeber (danke!!) etwas verständlicher, wenn ich nochmal den Aspekt "Stadtwache" aufgreife. Ich habe mich dazu entschieden, eine sehr lockere Form von Gerechtigkeit und Ermittlungsverfahren anzuwenden. Es gibt sicher genug Bücher, die das Prinzip der ausgefeilten Ermittlungstaktiken in eine Fantasywelt übertragen, ich fand den Entwicklungsprozess spannender.
Und dadurch, dass der Ermittler sich von dem gewöhnlichen Befehlsempfänger-procedere (mal ganz drastisch gesagt) abwendet, hänge ich direkt in seiner Persönlichkeit: WARUM macht er das? Mit welchem ZIEL macht er das? Was treibt ihn an?


Ich wollte nicht 1:1 "Whodunnit + Fantasy", das ist in meinen Augen nur schwer möglich, wenn man eine ausgedachte Welt ohne Bezug zu uns nimmt.
Ich wollte eine Symbiose aus beidem erschaffen.
Da geht beim Whodunnit ein Schnipsel verloren und es ist nicht 1:1 diese Definition, aber im Gesamtergebnis ist es dann besser als die blosse Summe der Teile...



Habe ich die Frage jetzt beantwortet? :)