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"er zeigte sich", "es zeigte" und "er wirkte, als"

Begonnen von Zurvan, 20. September 2012, 12:24:50

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Zurvan

Seit ich mein neues Projekt gestartet habe, zeige (<-) ich eine furchtbare Entwicklung, mit der ich gar nicht einverstanden bin.
Überall finde ich die Formulierungen "er zeigte sich", "es zeigte" und "er wirkte verstört", "er wirkte, als würde er..."
Ich durchwühle regelmäßig Synonymwörterbücher und Thesauri, was den Schreibfluss sehr stört.
Trotzdem bin ich nur halbwegs erfolgreich. Meist muss ich gleich den ganzen Satz umstellen, um diese beiden Unwörter aus meinem Text zu verbannen und manchmal steck ich vollkommen festgefahren im Satz.
Langsam fängt es an, zu frustrieren.

Bsp:
[...]hingen zwei Banner am Eingang des Zeltes. Eines der Beiden zeigte die schwarze Schlange Ahrimans. Das andere sah man selten und zeigte zwei kämpfende Schneewölfe[...]
Das geht gar nicht.   :wart:

Hat jemand einen Rat, wie man sich ungeliebte Formulierungen wieder abtrainiert?
Ist es sinnvoll einfach runterzuschreiben und solche Probleme im Nachhinein zu verbessern, damit der Schreibfluss nicht ins Trudeln gerät?
Weiß jemand, wie man diese zwei Wörter mithilfe bestimmter Satzsstellungen zuverlässig umgehen kann?

Ich bin kein grammatikalisches Genie.

Antigone

Zitat von: Zurvan am 20. September 2012, 12:24:50
Ist es sinnvoll einfach runterzuschreiben und solche Probleme im Nachhinein zu verbessern, damit der Schreibfluss nicht ins Trudeln gerät?

Unbedingt! Es gibt nichts Gnadenloseres, den Schreibfluss umzubringen, als über eine bestimmte Forumulierung nachzugrübeln. Schreib einfach mal drauflos; fürs Ausfeilen ist die Überarbeitung da!

ZitatWeiß jemand, wie man diese zwei Wörter mithilfe bestimmter Satzsstellungen zuverlässig umgehen kann?

Auf einem der beiden prangte die schwarze Schlange....
Auf dem anderen kämpften zwei Schneewölfe...
Von dem einen leuchtete/drohte die schwarze Schlange...

lg, A.

pink_paulchen

Und vielleicht - falls Menschen etwas zeigen, kannst du diese Formulierungen einfach später ganz streichen.
ZitatSeit ich mein neues Projekt gestartet habe, zeige ich eine furchtbare Entwicklung, mit der ich gar nicht einverstanden bin.
-> Mit meiner Entwicklung seit dem Beginn des neuen Projekts bin ich gar nicht einverstanden.
Das macht es aktiver. Es funktioniert mit allen Wahrnehmungsverben.
Ich sah die Aasgeier bereits von weitem und fragte mich, was dort wohl passiert war.
-> Die Aasgeier kreisten in zweihundert Meter Entfernung. Was war dort wohl passiert?

Thaliope

Dann gäbe es da noch die ganz schlichten Möglichkeiten:

war zu sehen, sah man, war abgebildet. Oder "eine Fahne mit dem und dem Motiv (darauf)".

Wenn ich an solchen Sachen hänge (gerade beim Übersetzen), achte ich beim Lesen anderer Bücher immer besonders auf die entsprechenden Formulierungen und schreib sie mir auch manchmal raus. 

Und dann gibt es da in deinem Satz noch ein anderes grammatikalisches Problem ..., ich hoffe, es ist okay, wenn ich hier darauf aufmerksam mache:
Zitat von: Zurvan am 20. September 2012, 12:24:50

Bsp:
[...]hingen zwei Banner am Eingang des Zeltes. Eines der Beiden zeigte die schwarze Schlange Ahrimans. Das andere sah man selten und zeigte zwei kämpfende Schneewölfe[...]


Das "Das andere" am Anfang ist nämlich im ersten Teilsatz das Akkusativobjekt und soll im zweiten Teilsatz gleichzeitig das Subjekt sein. Das geht leider nicht gleichzeitig - außer vielleicht mit satirischen Absichten. Du müsstest den Satz also umformulieren in "Das andere sah man selten, es zeigte zwei kämpfende Schneewölfe."

LG
Thali

Möchtegernautorin

Zitat von: pink_paulchen am 20. September 2012, 12:49:35
Und vielleicht - falls Menschen etwas zeigen, kannst du diese Formulierungen einfach später ganz streichen.-> Mit meiner Entwicklung seit dem Beginn des neuen Projekts bin ich gar nicht einverstanden.

Das ist mir auch gerade durch den Kopf gegangen. Das ,,zeigte" ist eine passive Formulierung, wenn ich mich nicht irre, oder? Ok, gerade bei den Bannern ist es blöd, aber deine anderen Beispiele kann man einfach umformulieren.

Je nachdem, wie du das mit dem Schreiben hältst kann es auch sinnvoll sein, wenn du gleich darauf achtest, ob du die dein ungeliebtes ,,zeigte" reinschreibst. Gerade solche Passivität habe ich mir auch abgewöhnen müssen. Das ging, indem ich mir bei den Überarbeitungen bewusst gemacht habe, was ich falsch ausdrücke und verbessern kann. Während des Schreibens sind mir diese Stellen dann vermehrt schon aufgefallen und ich habe sie im Schreibfluss umformulieren können, ohne groß nachzudenken.
Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Debbie

#5
Zitat von: Zurvan am 20. September 2012, 12:24:50
Seit ich mein neues Projekt gestartet habe, zeige (<-) ich eine furchtbare Entwicklung, mit der ich gar nicht einverstanden bin.
Überall finde ich die Formulierungen "er zeigte sich", "es zeigte" und "er wirkte verstört", "er wirkte, als würde er..."

Darauf würde ich lieber ganz verzichten - die drei oben markierten Begrifflichkeiten, sind ein eindeutiges Zeichen für zuviel "Telling". Nicht sagen, dass es verstört wirkt, sondern zeigen, wie sich die Verstörtheit äußert: "nervös fuhr er sich mit der Hand immer wieder über den Oberschenkel und blickte zu Boden"  oder "den Blick ins Leere gerichtet, wippte er mit dem Oberkörper vor und zurück, vor und zurück..."

Die Beispiele waren jetzt vielleicht nicht sonderlich originell, aber ich denke das Prinzip wird klar. Wann immer solche Sachen wie "es/er sah aus, als", "er wirkte, als", etc. auftauchen, wird zuviel suggeriert, bzw. erzählt. Das nimmt dem Text die Lebendigkeit und erhöht die Distanz zum Leser - also lieber, wo immer es geht, drauf verzichten  ;)


Churke

Zitat von: Zurvan am 20. September 2012, 12:24:50
Seit ich mein neues Projekt gestartet habe, zeige (<-) ich eine furchtbare Entwicklung, mit der ich gar nicht einverstanden bin.
Überall finde ich die Formulierungen "er zeigte sich", "es zeigte" und "er wirkte verstört", "er wirkte, als würde er..."
Ich durchwühle regelmäßig Synonymwörterbücher und Thesauri, was den Schreibfluss sehr stört.

Ich denke, das ist eher ein stilistisches Problem. Da helfen Synonymwörterbücher wenig. Man  muss seine Erzählweise ändern.

Ergänzend zu Debbie finde ich, dass solche Formulierungen generell umständlich und deskriptiv sind.
Man kann z.B. schreiben:
...hingen zwei Banner am Eingang des Zeltes. Rechts die schwarze Schlage Ahrimans, links zwei kämpfende Schneewölfe.

Und was nun Personen betrifft, die "wirken" nicht irgendwie oder "zeigen sich" irgendetwas - in den allermeisten Fällen sind sie einfach. Eine Person, die "nervös wirkt", ist es vielleicht nicht. Jemand, der sich "optimistisch zeigt", kann ein Hochstapler sein. Ich denke, in der Regel fährt man als Autor am besten, wenn man schreibt, was ist, und nicht, wie etwas wirkt. Die Wirkung überlassen wir dem Leser.  :)

Nayoni

Ich finde auch, dass "wirkte" und "zeigte" ersatzlos gestrichen werden kann, da ich als Leser wissen möchte, wie jemand ist und nicht, wie jemand wirkt.


Aber vielleicht hilft dir meine Herangehensweise ans Abtrainieren: Mein persönliches Steckenpferd ist die Konjuntkion "als" als Zeitangabe, das schreibe ich ständig, ist ganz furchtbar. Ich schreibe es aber trotzdem ständig wieder, weil ich den Schreibfluss nicht stören will. Beim Überarbeiten geht es dann ganz einfach: alle "als" suchen und jedes zweite bis dritte "als" ersetzen oder rausstreichen. Dadurch beschäftige ich mich dermaßen intensiv mit diesem Satzkonstrukt, dass ich es in meinem nächsten Buch vielleicht nicht mehr so oft nutzen werde. Ich hoffe zumindest, dass ich es mir dadurch abtrainiere... Vor allem weil es ein extrem nerviger Überarbeitungsschritt ist, den ich nie nie wieder machen will ;)

Notrya

Zitat von: Churke am 20. September 2012, 14:33:19
Und was nun Personen betrifft, die "wirken" nicht irgendwie oder "zeigen sich" irgendetwas - in den allermeisten Fällen sind sie einfach. Eine Person, die "nervös wirkt", ist es vielleicht nicht. Jemand, der sich "optimistisch zeigt", kann ein Hochstapler sein. Ich denke, in der Regel fährt man als Autor am besten, wenn man schreibt, was ist, und nicht, wie etwas wirkt. Die Wirkung überlassen wir dem Leser.  :)

Richtig. Vorausgesetzt, ich erzähle aus der Perspektive genau dieser Figur, dann sollte ich als Autor natürlich auch beschreiben, wie die Person tatsächlich ist. Ansonsten stelle ich, wie Debbie schon schrieb, Distanz zum Leser her, und genau das will ich ja vermeiden, wenn ich genau diese Figur als Perspektivträger auswähle, um schreiben zu können, was sie denkt und empfindet. Wenn ich allerdings aus der Sicht eines meiner Perspektivträger schildere, wie er andere Figuren wahrnimmt, komme ich doch um ein paar "wirkte", "schien", etc. gar nicht herum, oder habe ich da jetzt etwas übersehen?

Rynn

#9
Zitat von: Notrya am 20. September 2012, 15:41:32
Wenn ich allerdings aus der Sicht eines meiner Perspektivträger schildere, wie er andere Figuren wahrnimmt, komme ich doch um ein paar "wirkte", "schien", etc. gar nicht herum, oder habe ich da jetzt etwas übersehen?
Ich denke, das macht keinen großen Unterschied. Auch da sollte man meiner Meinung nach die Nutzung wenigstens einschränken. Wie oft sagt man über seine Mutter "Die schien echt sauer zu sein" oder über seinen besten Freund "Es wirkte, als wäre er echt aufgeregt"? Nie. Man sagt, "Meine Mutter war verdammt sauer" oder "Mein Freund war total aufgeregt" und all solche "schien", "wirkte", "macht den Eindruck", "war, als ob" schwächt die Satzaussage ab. Deswegen sollte man sich wirklich jedes Mal fragen, ob die Schwächung nötig ist. Denn dass das ein gefilterter Eindruck ist, den der Perspektivcharakter wiedergibt, das weiß ich als Leser ja sowieso. :)
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Churke

Zitat von: Notrya am 20. September 2012, 15:41:32
Wenn ich allerdings aus der Sicht eines meiner Perspektivträger schildere, wie er andere Figuren wahrnimmt, komme ich doch um ein paar "wirkte", "schien", etc. gar nicht herum, oder habe ich da jetzt etwas übersehen?

Jeder Mensch nimmt seine eigene Realität wahr. Die Interpretation wird zur Gewissheit. Stell dich doch mal selbst auf die Probe: Wenn der Partner die entsprechenden Symptome zeigt, dann ist er eifersüchtig. Obwohl er objektiv nur eifersüchtig wirkt. Die Distanzierung mit "wirkt" und "scheint" verwendet man im Alltag, um eigene Zweifel und Ungewissheit auszudrücken. Wenn man das als Autor macht, wird der Prota zum ewigen Zweifler:

"Das Mädchen schien ihm zuzulächeln."
oder
"Das Mädchen lächelt ihm zu."
Frage: Welches Mädchen spricht der Prota an?


Notrya

@Rynn: Ja, stimmt, an sowas habe ich jetzt gar nicht gedacht. :wums: Danke. Ich hatte gerade nur die Szene im Kopf, die ich gestern geschrieben habe, da wundert sich meine Prota über das Verhalten einer anderen Figur und spekuliert ein wenig herum, was wohl mit ihr los ist, weil sie das Verhalten nicht deuten kann. Irgendwie kam ich in der Szene um "wirkte" und "schien" nicht herum... aber das ist dann wohl eher ein Sonderfall, weil sich aus dem Verhalten kein eindeutiger Gemütszustand ableiten ließ.

In dem Beispiel, was du beschreibst, würde man natürlich nie "wirkte" etc. benutzen. Man könnte höchstens ein "Ich glaub, die war verdammt sauer" davor stellen, wenn man es abschwächen will, ohne dass es im Dialog gestelzt klingt.

@Churke: So eine Zweifler-Figur hab ich sogar mal geschrieben; in dem Fall war es dann natürlich schon ein Stilmittel und ließ meine Figur viel reflektierter und distanzierter wirken, was auch Sinn der Sache war.