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Sind Kurzgeschichten überhaupt noch "in"?

Begonnen von Farean, 02. August 2012, 13:10:26

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Kaeptn

#15
Zu Anthos kann ich nix sagen, die haben mich nie interessiert.

Aber was Romane angeht, gebe ich dir völlig recht. Man hat manchmal den Eindruck unter 500 Seiten geht gar nix mehr, am liebsten mehr. Allerdings hat Linda da schon recht, es wird heutzutage viel großzügiger gedruckt und manches Buch ist was die Dicke angeht ein Blender und hätte bei "normalem" Satz sicher 100 Seiten weniger - was dann wegen der Kosten auch wieder wundert.

Ich tue mich auch immer schwer damit, etwas Neues anzufangen, wenn ich gleich sehe "800+ Seiten" - selbst wenn es mir von allen Seiten empfohlen wird. Um Otherland hab ich bis heute immer einen Bogen gemacht. Soll ja wirklich lohnenswert sein, aber 4 Bände mit insgesamt knapp 4000 Seiten, bitte, wann soll ich das jemals lesen?

Dabei ist es in England vermutlich sogar noch schlimmer, denn in D werden ja gern engl. Romane auf 2 Bände aufgeteilt. Ich denke da an Rad der Zeit oder aktuell "Die Furcht des Weisen".

Aber was die Diebeswelt-Anthologien angeht:
Gesehen? http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,10683.0/topicseen.html

Ingroscha

#16
@Farean: Bist du auch an englischsprachigen Anthologien interessiert? Da gibt es nämlich eine tolle Reihe: "Legends" herausgegeben von Robert Silverberg. In den "Legend"-Bänden finden sich Storys von erfolgreichen Genre-Autoren, deren Geschichte im Allgemeinen an eine ihrer eigenen Reihen angelehnt ist. So schreibt G. R. R. Martin über die Sieben Königslande, Tad Williams taucht ab in sein Otherland und Anne McCaffrey bereichert ihren Pern-Zyklus. Alle Storys sind exklusiv für die Anthologien geschrieben worden. Die Übersetzungen des zweiten Bandes gibt es noch zu kaufen (Legenden, erschienen bei Piper). Bei den englischen Ausgaben musst du aufpassen, da gibt es ganz unterschiedliche und manchmal ist der Inhalt auf drei Bände verteilt, manchmal auf zwei. Schau am besten immer, welche Geschichten drin sind, dann kaufst du nichts doppelt.

Es gibt auch noch mehr in der Richtung, so z. B. die Sammlung "Warriors", die Kriegergeschichten versammelt oder auch "999", die Horrorstorys enthält.
Ansonsten fallen mir noch die großartigen Kurzgeschichten von Neil Gaiman ein, da gibt es einige Bände.

Achja, ich mag Kurzgeschichten einfach sehr gerne  :)

Fianna

Oh, diw muss ich mir direkt holen, ich hab nen Krieger-Tick momentan :-)

Hoffentlich versteh ich des... Eigentlich bin ich gut im Englisch lesen, aber da gobts immer wiedr Unterschiede. Jim Butcher hab ich grad so verstanden, die Atmosphaere ging ganz floeten. Bei P. N. Elrod, Jennifer Roberson oder Elizabeth Peters hatte ich keine Probleme.

Lomax

Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum hatten Kurzgeschichten hierzulande schon immer einen schlechten Stand. Das war tendenziell in den 80ern nicht anders als heute. Aber weil es im englischsprachigen Raum nun mal mehr Plattformen für KGs gibt, existieren auch viele "Klassiker" von bekannten Autoren - nicht zuletzt auch in der SF. Und da haben sich natürlich auch die deutschen Verlage noch mehr oder minder Mühe gegeben, die für ein deutsches Publikum zugänglich zu machen. Das mag ein Grund sein, warum heute Anthologien möglicherweise seltener sind als vor 30 Jahren - damals wurde noch häufiger "quersubventioniert", sprich, "Liebhaberprojekte" gerade in den SF-Lektoraten mit den besseren Einnahmen von populäreren Romanen finanziert. Gerade die Heyne SF war bekannt dafür, und davon haben neben den als "wertig", aber vielleicht nicht so verkaufsträchtig empfundenen SF-Titeln gerade auch die SF-Kurzgeschichtensammlungen profitiert.

Ein weiterer Punkt sind die Druckkosten. Verglichen mit den 70ern ist bei entsprechender Auflage der Anteil der Druckkosten an den Gesamtkosten deutlich geringer geworden. Deswegen hat man damals sogar Romane bei Übersetzung gerne noch gekürzt, weil dicke Bücher einfach teurer waren, während heute die großen Verlage ganz bewusst dicke Bücher zur Marktabgrenzung mögen. Denn nur die auflagenstärksten Verlage können dicke Wälzer fast ohne Mehrkosten rausbringen, und damit kann man preislich deutlich "mehr" bieten als die kleineren Verlage - und die Kunden springen darauf auch an und kaufen lieber 800 Seiten für 15 Euro als 200 Seiten für 12 Euro.
  Während also in den 70er und 80er Jahren ein dickes Buch noch vor allem ein Kostenfaktor war, über den auch ein großer Verlag erst mal zweimal nachgedacht hat, bevor er ihn rausgebracht hat, hat sich diese Situation heutzutage zumindest teilweise gedreht, und auch das ist ein Grund, dass man damals tendenziell sicher mehr dünne Bücher fand als heute.
  Soviel zu den ganz öden "geschäftlichen" Ursachen - ob es daneben und davon unabhängig auch eine literarische Tendenz zu anders erzählten Geschichten gibt, darüber mag ich jetzt erst mal nicht spekulieren  ;)

Linda

#19
Zitat von: Farean am 02. August 2012, 20:40:07
??? Wie soll Otto Normalleser dann jemals darauf stoßen? Und wer kauft sie dann?

Und warum such(te)st du nach dem Löschbutton?

Hallo erst mal ;-),

also, ich bin vielleicht in einer etwas privilegierten Sitation, aber ich bewege mich als Autorin (und Rollenspielerin) nun schon seit 20 Jahren in der entsprechenden Szene. Da hineinzukommen war keine Geheimwissenschaft.
Ich habe an Ausschreibungen teilgenommen, für Fanzines gearbeitet und schreibe seither auch für kleine Verlage. So etwa einmal im Jahr bin ich auf Veranstaltungen wie dem Bu(chmesse)Con oder dem FeenCon. Ich bilde mir ein, einen ganz guten Überblick über die Szene zu besitzen, und das nur von, in den letzten Jahren, leider sehr sporadischer Mitarbeit.
Ich denke, in Foren wie diesem, wo jede Ausschreibung einen gewaltigen Thread hervorbringt, kann man sich die Infos über kleine Verlage und ihre Erzeugnisse auch prima und ohne Mühe besorgen.*
Der Normalleser kann (bzw tut) das nicht. Der ist allerdings auch idR. kein Autor, der sich mit so etwas auskennen sollte.
Dass die kleinen Publikationen vom Publikum nicht wahrgenommen werden, ist allerdings ein Trauerspiel. Aber so ist Marktwirtschaft außerhalb geschützter Refugien wie dem Fandom.

Sag mir, was du speziell suchst, und ich schau gerne mal, ob ich was für deinen Geschmack finde.
Wenn du Fantasy-Themenanthologien suchst, so sind bspw dieses Jahr zwei ganz klassische Sammlungen mit meiner Beteiligung herausgekommen:

die Einhörner (Torsten Low-Verlag)
und Drachen, Drachen (Blitz Verlag)

Steampunk ist momentan auch ein großes Thema ...


Gruß,
Linda

PS: den Löschbutton gab es letzte Woche noch, ich wollte mein Doppelpost entsorgen.

*Es wäre sicherlich hilfreich, wenn sich Rezensenten fänden, die hier im Zirkel die verlegerischen Früchte der vielen Einsendungen auch kritisch unter die Lupe nähmen.

Farean

#20
@Ingroscha: Englischsprachig würde mir auch gut passen, danke für die Tips! :)

@Lomax: Danke für die Einblicke in die wirtschaftliche Seite. Aber sag mal, kommt diese Logik ("Kurzgeschichten verkaufen sich in Deutschland nicht gut") nur mir merkwürdig vor? :hmmm: Ich meine, mich haben die großen Verlage damals ja gerade über Kurzgeschichten und kleinere Romane als "Appetithäppchen" für das Genre gewonnen, bevor ich mich auf die ganz dicken Wälzer eingelassen habe. Bin ich da der einzige (potentielle) Leser, der so denkt, oder lassen sich die Verlage da möglicherweise eine ganz große Chance auf Zugewinn an neuen Lesern entgehen?

@Kaeptn: Danke für den Link zu der Ausschreibung! :) Ich hab da zwar grad selbst keine passende Inspiration in der Pipe, werde aber verfolgen, was hinterher an Lesestoff dabei rausspringt.

@Linda: Interessant, daß du mit der "Szene" offenbar ca. 500% mehr Glück hattest als ich. :-\ Zu meinen aktivsten Zeiten als Zweimal-die-Woche-Rollenspieler habe ich ebenfalls selbst in der Redaktion eines Fanzine mitgearbeitet, Artikel zum Phantastik-Kalender vom Pegasus-Verlag beigesteuert, mehrere Fanzines regelmäßig gekauft usw. usf. ... und immer, wenn ich mich an eines davon gewöhnt hatte und mich schon auf die nächste Ausgabe freute, machte es dicht. Irgendwie hielt ich das nach ein paar Jahren für ein Naturgesetz: Fanzines sterben immer, bevor es am schönsten wird. (Nachdem ich dann für meinen ersten Brotjob aus meiner Heimatstadt wegzog und ohnehin kaum noch Zeit hatte, brach der Kontakt zur "Szene" dann mehr oder weniger ganz weg.)

Aber wenn du da ein besseres Händchen hast und mir Lesestoff besorgen kannst, wäre das natürlich prima. :) Was ich im Moment suche, ist: in der Fantasy Geschichten aus dem Bereich Sword & Sorcery (Abenteuer, Schatzsuche, "Conan-style", so diese Richtung), bei der Science Fiction was aus dem Gebiet Space Opera (im weitesten Sinne; es muß nicht unbedingt alles draußen im All spielen, aber es sollte diese Aufbruchsstimmung "zu den Sternen" darin mitschwingen).

Jammy


Hi Farean,

da ich mir diese Frage in letzter Zeit auch öfters gestellt habe, gehe ich ebenfalls kurz daruf ein.
Es ist m.E. tatsächlich auffällig, wie viele Schmöker mit mindestens 500 Seiten derzeit zu finden sind. Gerade bei Heyne fällt mir das auf. Außerdem unterschreibe ich bei Linda und Kaept'n, was die teilweile sehr großzügige Schrift und das Layout betrifft. So manches Buch wird dadurch gefühlt um 100 Seiten länger als nötig. Vielleicht soll man ja als Leser den Eindruck gewinnen, "mehr" für sein Geld zu bekommen.

Vor ca. 10-15 Jahren habe ich durchaus Anthologien gelesen. Zum Welttag des Buches lagen mal in den Buchhandlungen welche aus: Zunächst wurden sie verschenkt und ein Jahr später günstig verkauft (den genauen Preis habe ich allerdings vergessen). Nicht alle Geschichten trafen meinen Geschmack, aber die eine oder andere fand ich durchaus sehr lesenswert.


Auch sonst habe ich auch diesem Zeitraum noch immer Anthologien, z.B.:
-  "Geschichten des Grauens" mit u.a. E.T.A. Hoffmann, Edgar Allan Poe, Arthur Conan Dolyle und Gustav Meyrink
- "Lesensgefährlich", 1999 im Ravensburger Buchverlag erschienen
- Agatha Christie: Rolltreppe ins Grab und andere Geschichten
- Hexengeschichten (Heyne): mit Beiträgen u.a. von Praetorius, Lovecraft, King,...  Laut Klappentext handelt es sich hierbei um eine Reihe von Anthologien.
Es waren noch mehr (Geistergeschichten, Rittergeschichten, etc), aber viele Bücher verstauben derzeit in Umzugskartons, so dass ich die Titel nicht mehr weiß. Die meisten Anthologien habe ich gern gelesen, aber leider waren auch einige Enttäuschungen dabei. So beispielsweise eine, in der meine damalige Lieblingschriftstellerin vertreten war. Ich freute mich riesig, doch es stellte sich heraus, dass es sich bei besagtem Beitrag nicht um eine Kurzgeschichte handelte, sondern um den Auszug aus einem Roman, den ich schon fast auswendig kannte, weil so oft gelesen. Eine Sammlung an Leseproben zu kaufen, fand ich nicht sonderlich prickelnd.

Anthologien findet man nach wie vor, aber wie bereits gesagt wurde, sind sind sie eher thematisch gebunden (Weihnachten, Halloween, ...) oder bei kleineren Verlagen erschienen. Im Bereich sword & sorcery und auch Space opera kenne ich mich leider nicht gut aus, deswegen ein paar allgemeinere Hinweise in der Hoffnung, dass du darunter vielleicht doch was Interessantes findest:

- Das bereits erwähnte "P.S. Ich töte dich", herausgegeben von Sebastian Fitzek
- "Erinnerung an meine Großeltern" (mit Isabel Allende, Renate Welsh, Hans Fallada, Natalia Ginzburg, ...)
- "Tödliche Gaben" (Weihnachtskrimi)
- "Und nachts der Werwolf", herausgegeben von Frank Festa
- "Drachengift"

Ansonsten haben wie gesagt auch kleine(re) Verlage Anthologien im Programm. Beispiele hierfür sind:

Ulrich Burger: Stop!, Uhrwerk Venedig, Ley Lines, ...
Torsten Low: Geisterhafte Grotesken,  Die Klabauterkatze, ...
Nerdpol Verlag: Die Untoten (Ebook)

In den Geschäften habe ich diese Bücher allerdings (noch) nicht gesehen.

LG Jammy
"Als ich 25000 Wörter im Kasten hatte, merkte ich, dass ich mich in eine Sackgasse geschrieben hatte. Mein Roman hatte zwei Charaktere, und zu meiner Bestürzung stellte ich fest, dass ich beide umgebracht hatte. Das war ein ziemlich gravierender Handlungsfehler."

J. Simpson: The beckoning silence

Linda

#22
Das ist nicht gerade ein In-Thema, soviel kann ich jetzt schon sagen. Abenteuergeschichten klassischer Prägung sind momentan wohl eher out, ich finde das auch schade. Nachtgeschöpfe, Düstervölkerschlachten und anderes, wie Steampunk, kommt in den letzten Jahren halt verstärkt heraus.

Es gab ein sehr engagiertes Storyfanzine, die Legendensänger-Edition (über 150 Ausgaben) das diese Sparte abgedeckt hat, von unserer Mitzirklerin Arielen. Sie hat das aber vor einigen Jahren eingestellt, aber möglicherweise sind noch Restbestände vorhanden. Einfach mal anfragen ;-)

Daneben fällt mir das Shared World-Projekt zu Saramee ein. Eigentlich eine Kurzromanreihe, gibt es davon auch (allgemeinverständliche) Anthologien vom Atlantis-Verlag mit entsprechenden Texten und auch hochkarätigen Namen.

Eine große Empfehlung geht auch zu den bereits genannten Sword and Sorceress-Anthologien von Marion Zimmer Bradley, in deutsch die "...-schwester". Das ist dann halt nicht Conan, sondern eher Red Sonja ;-)) Schwert und Magie in Reinkultur, oft auch mal witzig.

Soviel erst mal auf die Schnelle. Ich höre mich gern mal weiter um.

Lomax

Zitat von: Farean am 03. August 2012, 14:57:23@Lomax: Danke für die Einblicke in die wirtschaftliche Seite. Aber sag mal, kommt diese Logik ("Kurzgeschichten verkaufen sich in Deutschland nicht gut") nur mir merkwürdig vor? :hmmm: Ich meine, mich haben die großen Verlage damals ja gerade über Kurzgeschichten und kleinere Romane als "Appetithäppchen" für das Genre gewonnen, bevor ich mich auf die ganz dicken Wälzer eingelassen habe. Bin ich da der einzige (potentielle) Leser, der so denkt, oder lassen sich die Verlage da möglicherweise eine ganz große Chance auf Zugewinn an neuen Lesern entgehen?
Ich mag Anthologien auch sehr gern. Genau wie die meisten Lektoren, die ich bisher kennen gelernt habe. Die würden durchaus gern mehr Anthologien herausgeben, wenn es möglich wäre. Leider ist die Marktlage anders.
  Was die Logik angeht, sage ich selbst ja immer, Empirie schlägt Logik - ich habe keine Ahnung, warum Kurzgeschichten hierzulande schlechter laufen. Vielleicht liegt es daran, dass in jeder Anthologie immer auch etwas dabei ist, was einem nicht gefällt, und dass Leser sich leichter abschrecken lassen, wenn sie von einem Text oder Autor darin hören, den sie nicht mögen, als dass sie so ein Buch kaufen, weil ja auch jeder was findet, was ihm Gefällt? Aber das ist Spekulation. Feststellen lässt sich nur, dass eine Anthologie sich immer gleich deutlich schlechter verkauft als ein Roman mit ähnlichem Thema und ähnlichen Rahmenbedingungen; genau wie eine Sammlung von Kurzgeschichten eines Autors weniger gekauft wird als ein Roman desselben Autors. Da entgeht den Verlagen also wenig, sondern sie machen im Gegenteil bessere Geschäfte, wenn sie auf Anthologien verzichten - die Zahlen sind da leider sehr eindeutig, wie ich durch meine Arbeit bei Lübbe feststellen konnte.
  Ausnahmen sind da nur Sammlungen zu ganz speziellen nachgefragten Themen, die gerade in der Luft liegen und bei denen sich dann die Antho (hoffentlich) allein über das Thema verkauft. Und über die (bekannten) Autoren darin. Wenn sich da eine Gelegenheit bietet, nutzen die Verlage das auch - denn wie gesagt, Lektoren mögen in der Regel Anthologien und experimentieren immer gerne, wenn sich ein Hebel anbietet, um Kurzgeschichten an den Markt zu bringen. Aber selbst dann ist es meist (wenn auch, zum Glück, nicht immer - es gibt nun mal Themen, die sich, wenn auch auf nicht so hohem Niveau, eben doch gut für Anthologien eignen) so, dass ein Roman zu selben Thema besser läuft, und der Spielraum für Liebhaberprojekte ist in den Verlagen nun mal dünner geworden.
Zitat von: Farean am 03. August 2012, 14:57:23Fanzines sterben immer, bevor es am schönsten wird.
Tja, die Regel findet mal auch bei den Kleinverlagen oft bestätigt - da sind wir auch misstrauisch geworden und glauben auch oft erst wirklich an die Existenz des Verlags, wenn er ein paar Jahre am Markt war und sein Durchhaltevermögen bewiesen hat ;). Und selbst dann kommt es vor, dass scheinbar etablierte Kleinstverlage nach vielen Jahren durchaus engagierter Tätigkeit plötzlich dicht machen oder langsam dahinsterben - was einfach daran liegt, dass so eine Verlegertätigkeit eben doch harte Arbeit ist und kleine Verlage häufig am Engagement einzelner oder weniger Personen hängen, deren Leben sich nun mal auch ändern kann.
  Trotzdem gibt es da eine recht lebendige Szene - obwohl man gerade bei den ganz neuen Verlagen oft gar nicht einschätzen kann, wie gut sie ihre Produkte überhaupt hinkriegen, und die Verlage, die sich im Laufe der Jahre einen Ruf erwerben konnten und die sich länger am Markt halten, oft ein sicherer Anlaufpunkt sind. Wo man da allerdings konkrete Sword-&-Sorcery- bzw. Space-Opera-Anthos findet, kann ich dir allerdings auch nicht sagen - in den letzten Jahren habe ich so wenig Zeit zum Lesen abseits der beruflich diktierten Titellisten gefunden, dass ich da auch den Überblick über die "sonstigen Neuerscheinungen" verloren habe  :-X

Farean

Zitat von: Lomax am 05. August 2012, 13:12:13
Was die Logik angeht, sage ich selbst ja immer, Empirie schlägt Logik - ich habe keine Ahnung, warum Kurzgeschichten hierzulande schlechter laufen.[...] Da entgeht den Verlagen also wenig, sondern sie machen im Gegenteil bessere Geschäfte, wenn sie auf Anthologien verzichten - die Zahlen sind da leider sehr eindeutig, wie ich durch meine Arbeit bei Lübbe feststellen konnte.
Merkwürdig. Es bleibt die Frage, ob das tatsächlich am Lesergeschmack liegt oder daran, was die Großhändler (als eigentliche Abnehmer der Verlage) ein bestimmtes Bild davon haben, was die Buchhändler glauben, was der Endkunde kaufen würde. Aber vielleicht bin ich als Leser tatsächlich einfach nicht repräsentativ. :-\

@Jammy, @Linda: auch euch noch mal vielen Dank für die Tips! :) Ich geh dann mal auf die Jagd...

Linda

Zitat von: Farean am 06. August 2012, 10:43:28
Merkwürdig. Es bleibt die Frage, ob das tatsächlich am Lesergeschmack liegt oder daran, was die Großhändler (als eigentliche Abnehmer der Verlage) ein bestimmtes Bild davon haben, was die Buchhändler glauben, was der Endkunde kaufen würde. Aber vielleicht bin ich als Leser tatsächlich einfach nicht repräsentativ. :-\

ich fürchte, letzteres ...

Man merkt es halt auch so immer. Es schreiben zwar eine Menge Leute Kurzgeschichten (aus verschiedensten Gründen, sicherlich, weil sie schnell fertig sind, während man bei einem Roman wenigstens einige Monate warten muss. Vor allem aber, weil es eben noch eine lebendige Szene gibt, in die leichter einzusteigen ist, als in Großverlage).  Lesen tun sie Anthologien aber eher in den seltenen Fällen, sonst würden die kleinen Verlage ganz andere Verkaufszahlen haben. 500 Einsendungen für eine Anthologie, aber am Schluss nur 140 verkaufte Exemplare, das ist bestimmt nicht selten.

Selbst in Autorenforen hört man oft das Argument, dass gerade Fantasy unter 500 Seiten, 6 Hauptfiguren in drei Erzählsträngen, zwanzig Fremdvölkern und 28.000 Jahren fortlaufender Geschichtsschreibung ja wohl undenkbar wäre.
Tja, so ist das dann wohl für diese Leute auch, und genau das sind diejenigen, die zu den epischen Werken in den Buchregalen greifen.

Und auch als Autor bekommt man mit, dass sich Freunde und Bekannte in der Regel eher für einen Roman begeistern lassen, als für einen Band mit Geschichten, in dem man nur einmal vertreten ist. 

Gruß,
Linda

Fianna

#26
Ich denke, es ist auch wieder so eine Henne-und-Ei-Sache.

Die meisten Leser kaufen ja in Buchhandlungen (oder bei amazon -bekannte Sachen, die auch im Buchhandel ausliegen).
Dort werden keine Anthos mittlerer und kleinerer Verlage ausgelegt, da man keine Nachfrage erwartet und sie sich statistisch gesehen eh schlecht verkaufen.
Wenn man das der grössten Lesergruppe aber nicht anbietet, können sie es auch nicht kaufen.

Wie bei den deutschen Fernsehsendern: es laeuft immer mehr Müll, und da die Leute ihne zahlpflichtige Zusatzkanäle keine grosse Auswahl haben, wird eben sowas beim Bügeln nachmittags eingeschaltet. Daraufhin gibts mehr u nd schlechtere Sendungen dieser Art.
Dabei spiegeln die Einschaltquoten nicht die Beliebtheit, es ist einfach die Alternativlosigkeit, die die Leute haben.

Vielleicht ein blödes Beispiel. Aber ich bilde mir ein, dieses Prinzip 'Der Umsatz ist kein Hinweis auf Nachfrage, sondern kommt durcj das Angebot umstande" auch im Buchhandel zu sehen.
Ausserdem glauve uch, dass gerade im

Fianna

Bereich Geschenke gerne Anthologien genommen würden, wenn man fuer jemanden ein Buch braucht und nur das bevorzugte Genre kennt...
Mir fallen direkt 6 oder mehr Kleinverlags-Anthos ein, die dann gerne mitgenommen wuerden.

(Sorry Mods, das Handy wollte nicht mehr scrollen, konnte es nicht in einen Beitrag machen).

Farean

Zitat von: Linda am 06. August 2012, 12:31:43
Selbst in Autorenforen hört man oft das Argument, dass gerade Fantasy unter 500 Seiten, 6 Hauptfiguren in drei Erzählsträngen, zwanzig Fremdvölkern und 28.000 Jahren fortlaufender Geschichtsschreibung ja wohl undenkbar wäre.
Kommt mir trotzdem immer noch etwas merkwürdig vor. Ich hatte schon häufiger sponate Unterhaltungen in Buchläden, die darauf hinausliefen, daß der/die andere ebenfalls verzweifelt nach etwas nicht-epischer Sword & Sorcery suchte und die Tolkien-Plagiate satt hatte.

Könnte da der Teufelskreis greifen, wie ihn Scott McCloud in "Reinventing Comics" beschreibt? Daß durch die Verengung des Angebots praktisch nur noch diejenigen in Buchläden gehen, die nach genau diesem engen Angebot suchen und daß alle, die nach "was anderem" Ausschau halten, schon resigniert haben? Ich meine, es gibt sie ja anscheinend, die Leute mit dem "schwer verkäuflichen" Geschmack. Oder entspringen die nur meiner allzu lebhaften Phantasie? ???

Lomax

Zitat von: Farean am 06. August 2012, 16:37:31Kommt mir trotzdem immer noch etwas merkwürdig vor. Ich hatte schon häufiger sponate Unterhaltungen in Buchläden, die darauf hinausliefen, daß der/die andere ebenfalls verzweifelt nach etwas nicht-epischer Sword & Sorcery suchte und die Tolkien-Plagiate satt hatte.

Könnte da der Teufelskreis greifen, wie ihn Scott McCloud in "Reinventing Comics" beschreibt? Daß durch die Verengung des Angebots praktisch nur noch diejenigen in Buchläden gehen, die nach genau diesem engen Angebot suchen und daß alle, die nach "was anderem" Ausschau halten, schon resigniert haben?
Meine Theorie dazu ist eine andere - ich meine, die habe ich irgendwo auch schon mal geäußert: Man kann keine Bücher an Leute verkaufen, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, dass sie "etwas anderes wollen". Denn dass man jede Menge Leute findet, die mit dem "Mainstream" nicht zufrieden sind, kann man in der Tat oft beobachten; viele sind sich einig, wenn es gegen "Tolkien-Plagiate" geht, gegen "klassische epische Fantasy" oder was auch immer gerade zuhauf am Markt zu finden ist.
  Aber bei jeder Diskussionen kann man beobachten, dass die Einigkeit schnell zerbricht, sobald die Diskussion weitergeht und Bücher genannt werden, die die Leute lieber wollen. Und selbst die Leute, die prinzipiell "was anderes" wollen, kaufen ein Buch nicht, nur weil es "anders" ist - sie wollen dann auch genau ihre persönlichen positiven Merkmale erfüllt sehen, und da ist es halt viel schwieriger, genug Leser in ein Boot zu bekommen, weil gerade die unzufriedenen Leser meist sehr individualistische Vorstellungen haben und halt auch bei Alternativen schnell wieder abspringen.

Ich habe also eher das Gefühl, bei Anthologien ist es letztlich ähnlich. Würde jeder, der "prinzipiell gerne" eine Anthologie kaufen möchte, das dann auch tun, dann würden Kurzgeschichten vielleicht auch besser laufen. Aber in der Praxis finden die meisten Interessenten bei jeder konkreten Anthologien vermutlich doch besonders schnell irgendein Haar in der Suppe, das sie vom Kauf abhält, und am Ende bleibt das Buch dann doch liegen.  :(