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Worauf es beim Überarbeiten sprachlich/stilistisch ankommt

Begonnen von Franziska, 17. Juli 2012, 16:09:15

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Lazlo

#15
Ich hoffe, ich habe nichts übersehen und es gibt keine Redundanzen  ;)


statt durch das Wasser – durchs Wasser

Eigennamen kursiv setzen

statt Passiv-Satz Aktiv-Satz: das Tor wurde geöffnet – das Tor öffnete sich

keine Modalverben wie:Dürfen, können, mögen, müssen, sollen und wollen, verwenden
Beispiel: Statt: "Ich kann mich nicht daran erinnern" - "Ich erinnere mich nicht"

statt ein prickelndes Gefühl, besser ein Prickeln

statt ,,Ja, genau", besser: Sie nickte.


wörtliche Rede .... Einschub inquit ....wörtliche Rede:

Beispiel:  ,,Ich kann nicht mehr!", rief Paul, ,,Ich kann nicht mehr!"
falsch ist: ,,Ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr!", rief Paul.

statt war beschäftigt – beschäftigte sich

statt ich würde vorschlagen – ich schlage vor



Leann

Von diesen Hinweisen verstehe ich einige nicht. Warum sollen Eigennamen kursiv gesetzt werden? Modalverben würde ich nicht unbedingt immer vermeiden. Das Beispiel mit Paul verstehe ich überhaupt nicht. Davon abgesehen, dass ich die Wiederholung in beiden Fällen für unnötig halte - was ist denn am zweiten Satz falsch? Die Beispiele mit "beschäftigt" drücken meiner Meinung nach Unterschiedliches aus.

Pauschale Verbote gefallen mir sowieso nicht. Meistens macht die Dosis das Gift.

Lazlo

@Leann: zu den Eigennamen hätte ich ein Beispiel geben sollen. Wenn z.B. "Die Sirenen" der Name einer Band ist, dann kursiv schreiben, wenn es sich um Figuren der griech. Mythologie handelt natürlich nicht. Das war eine Anmerkung einer Lektorin, die mein erstes Manuskript lektoriert hat.

Bei Modalverben vermeiden, fehlte vielleicht noch das "so gut wie es geht"  ;)

anderes Beispiel wörtliche Rede:

,,Wörtliche Rede", sagte er und zündete sich die Zigarette an. ,,Weiterführende wörtliche Rede. Beliebig viele Sätze."  Den Mittelteil bezeichne ich hier als erweitertes Inuit.
das bedeutet, dass der Einschub schon nach dem ersten Satz kommen sollte.

Es ging doch hier um Überarbeitung, oder? Was meinst Du mit pauschalen Verboten? Hatte nur Beispiele gegeben, wie man es besser machen könnte.

Sanjani

Hallo zusammen,

danke für die interessanten Punkte. Spontan habe ich bei einigen gedacht, dass ich da auch mal mehr drauf achten sollte. Bei anderen war ich wiederum nicht einverstanden.

Beispiel: Erschrecken und danach schreiben, wovor man sich erschreckt hat. Warum? Das erschrecken kann ebenso gut als Vorausdeutung genutzt werden. Ich persönlich mag das zwar nicht, aber Vorausdeutungen sollen laut Ratgeber gut sein :)

Anderes Beispiel: Ich spürte, wie ich errötete. Eigentlich spürt man das ja, weil die Wangen oder das Gesicht heiß werden. Wenn ich schreibe, ich errötete, klingt das für mich eher so, als würde jemand von außen drauf schauen. Auch beim Herzschlag, finde ich, kann man beides machen. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich zu viel achtsamkeitsbasierte Selbsterfahrung genossen und deshalb einen inneren Selbstbeobachter großgezogen habe - na ja, er wächst eigentlich noch ;)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Leann

@Lazlo: Danke für die Erläuterung, jetzt habe ich das verstanden mit dem Kursiv und der wörtlichen Rede. Mit "Verboten" meinte ich zum Beispiel das pauschale Ablehnen von "plötzlich", das war nicht auf deinen Post bezogen.

@Sanjani: So sehe ich das auch. Nicht alle Ratschläge passen immer, man muss schon noch selbst überlegen.  ;) Und bei vielen Formulierungen spielen persönliche Vorlieben und Erfahrungen hinein. Möglicherweise sogar die Erfahrungen und der Charakter der Figuren, über die man gerade schreibt.

Mir missfällt immer sehr der Ausdruck "welche". Zum Beispiel: Die Statue, welche auf dem Friedhof stand, ...
Ich glaube aber, dass dies gerade ein Beispiel für persönlichen Geschmack ist. Was mir gestelzt und bemüht erscheint, gefällt vielleicht sogar so manchem Lektor als Variation des einfachen "der, die, das".

Sehr unschön finde ich auch ständige unpassende Variationen von Namen. Ganz übel: "die Blonde". Aber auch so Sachen wie "der angesehene Arzt", "der geschickte Handwerker", etc.. Das halte ich höchstens noch für möglich, wenn sich der Satz auf die Variation bezieht, wie in "Der geschickte Handwerker flickte im Nu den Fahrradreifen." Aber auch da halte ich diese Art von Formulierung für grenzwertig. Seht ihr das auch so oder ist das zu streng?

Shedzyala

Zitat von: Leann am 07. September 2015, 21:07:41
Sehr unschön finde ich auch ständige unpassende Variationen von Namen. Ganz übel: "die Blonde". Aber auch so Sachen wie "der angesehene Arzt", "der geschickte Handwerker", etc.. Das halte ich höchstens noch für möglich, wenn sich der Satz auf die Variation bezieht, wie in "Der geschickte Handwerker flickte im Nu den Fahrradreifen." Aber auch da halte ich diese Art von Formulierung für grenzwertig. Seht ihr das auch so oder ist das zu streng?

Das würde ich nicht so eng sehen, irgendeine Varianz zum einfachen Namen muss ja schon da sein. Wobei ich auf Haarfarben eigentlich nur dann zurückgreife, wenn der Perspektivträger so gut wie nichts über seinen Gegenüber weiß. Zum Beispiel: "Der Blonde der drei Räuber kam auf mich zu ..." Was ich da viel schlimmer finde, ist die Benennung nach Augenfarben: die Grünäugige. Das liegt vielleicht aber auch daran, dass ich selbst bei mir Nahestehenden nicht unbedingt die Augenfarbe wüsste.

"Der geschickte Handwerker" würde ich auch versuchen zu vermeiden, aber weil man geschickt eben auch einfach gut darstellen kann. "Der junge Handwerker" ist hingegen zumindest bei einem ersten Treffen nicht schlimm, finde ich. Allgemein finde ich, dass man aber bei den Namensvariationen nichts pauschal abschließen kann, hängt die richtige Bezeichnung doch auch sehr stark von der aktuellen Perspektive ab.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Sanjani

Der angesehene Arzt würde für mich nur Sinn machen, wenn es im Kontext irgendwie wichtig ist, dass er angesehen ist und eben nicht jeder x-beliebige. Wenn überhaupt, würde ich wohl "Der Arzt" schreiben oder "der Handwerker", also ohne das Adjektiv. Aber das klingt alles ziemlich blöde, finde ich. Nur manchmal klingt es halt auch richtig schlecht, wenn ständig der Name verwendet werden muss, weil z. B. sonst falsche Bezüge entstehen. Und man kann halt auch nicht jeden Satz so umbauen, dass es passt. Manchmal geht es aber, finde ich, wenn die Rollen der Person auch entsprechend wichtig sind. Wenn z. B. mein Priester gerade einen Zauber ausführt, schreibe ich statt des Namens auch mal "der Priester". Ich habe aber bei meiner Hellseherin nie "Die Hellseherin" geschrieben, weil diese Eigenschaft nie im Vordergrund stand. Oft ist es aber bei mir auch eine Frage des Sprachklangs. Der Priester fügte sich für mich klanglich besser in den Text als die Hellseherin. Ist aber alles nicht optimal und im Zweifelsfall ist es wohl besser, einfach den Namen der Person zu benutzen.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Feuertraum

Zitat von: Franziska am 17. Juli 2012, 16:09:15


Einige Sachen, wie Wortwiderholungen, Bezugsfehler und Füllwörter sind klar und fallen auch schnell auf, wobei ich denke, dass es da auf die Menge ankommt. Ich bin doch immer wieder überrascht, wie viele Füllwörter mir noch entgehen, die ich problemlos streichen könnte.

Diese Aussage sehe ich sehr kritisch. Das heißt, ich bin konform mit Ihnen, was Bezugsfehler angeht, aber Füllwörter zum Beispiel wäre ich nicht bereit zu streichen, wenn sich dadurch die Sprachmelodie in eine Disharmonie verwandelt. Ich bin ohnehin ein Verfechter der Sprachmelodie, ja, sogar davon überzeugt, dass es die Sprachmelodie ist, die den Leser in seinem Fluss hält. Genauso ist es mit Wortwiederholungen. Sie können nicht nur ein Stilmittel sein, auch können sie dazu beitragen, die Sprachmelodie noch harmonischer zu komponieren.
Auch das häufig geforderte: Streicht sämtliche Adjektive, sie behindern die Fantasie des Lesers! halte ich für maßlos übertrieben.
Zum einem sind sie in meinen Augen wichtig für die Sprachmelodie, auf der anderen Seite halte ich die Forderung deswegen für falsch, weil ich als Autor etwas ganz Spezielles verfolge bzw. etwas ganz spezielles vor Augen habe. Hat der Leser eine ganz andere Vorstellung, rennen Autor und Leser aneinander vorbei. Darum halte ich Adjektive schon für sehr wichtig.

Zitatdoppeltgemoppeltes wie: grüne Wiese, blauer Himmel, weißer Schimmel etc. streichen.

Auch hier ist Vorsicht geboten. Gerade das Beispiel "weißer Schimmel" ist ein klassisches Beispiel, wie schnell man einen Irrtum begehen kann. Ein Schimmel ist nicht zwangsläufig weiß, auch wenn es einige Pferde mit einem speziellen Gen gibt, die dann tatsächlich weiß werden (ausschimmeln). Aber auch da gibt es noch kleine aber feine Unterschiede. Von daher: weißer Schimmel ist tatsächlich nicht doppelt gemoppelt.


ZitatDas Gegenteil von Wortwiederholungen: nicht nur beim Namen wirkt es verkrampft, wenn man versucht sie auf Teufel komm raus zu vermeiden.

Da bin ich mit Ihnen DÀccord  :)

Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Franziska

Da haben wir aber ähnlich Ansichten, Feuertraum. Ich meine mit Füllwörtern, Wörter, die man wirklich streichen kann. Ich benutze auch öfter Wörter, die angelich Füllwörter sind (aber, wirklich ...) man sollte nur eben zweimal prüfen, ob man die Wörter wirklich braucht, oder ob es anders besser klingen würde. Es geht ja nicht darum, stur irgendwelche Regeln zu befolgen, sondern das beste aus dem Text rauszuholen.

canis lupus niger

#24
In den vorangegangenen Beiträgen waren unzählige Tips aufgelistet, mit denen ich mich sehr gut identifizieren kann, bzw. die ich mir als neu und unbedingt zu beachten im Hinterkopf speichern werde. Aber einige kleine Anmerkungen möchte ich doch noch gerne machen.

Manche sprachliche Fehler oder scheinbare "no-go´s" sind nur in bestimmten Contexten falsch. In einem Dialog kann eine "falsche" Grammatik oder Wortwahl absolut sinnvoll sein, um z.B. den Sprecher zu charakterisieren. Auch im Text kann die Sprache einen Perspektivträger von denen der anderen Kapitel zu unterscheiden helfen  -hoffe ich zumindest, denn ich habe es in meinem aktuellen Manuskript so gehalten. Falsch kann deshalb meiner Meinung nach also auch richtig sein. Ebenso kann die Sprache auch das Setting schon indirekt charakterisieren, eine etwas "steife, hölzerne" Sprache also zum Beispiel die Atmosphäre an einem mittelalterlichen Hof, in einer Behörde oder in einem anderen förmlichen Umfeld andeuten. Priorität hat natürlich bei der Sprachwahl immer die angenehme Lesbarkeit des Textes.

Zur Überarbeitung allgemein habe ich aus verschiedenen Ratgebern für mich mitgenommen, dass es sinnvoll sein kann, auf bestimmte Fehlerarten hin jeweils in separaten Überarbeitungsgängen zu prüfen. Andreas Eschbach empfielt das in seiner 10-Punkte-TextÜV in einem beinahe extremen Ausmaß (, dem man ja nicht zu 100 Prozent folgen muss). Und auch Stephen King zum Beispiel schreibt über seine Arbeitsweise, dass er grundsätzlich zwei Überarbeitungsgänge mit jeweils bestimmten Schwerpunkten durchführt. Das liest sich nach einem ungeheuren Zeit-Aufwand, und ich sehe die Gefahr (zumindest für mich persönlich), dass einem der zu überarbeitende Text bei jedem weiteren Durchgang langweiliger und belangloser vorkommt, so dass man anfängt zu "verschlimmbessern". Aber dann muss man sich bei der Überarbeitung eben wirklich zwingen, explizit "in diesem Durchgang nur nach Füllwörtern zu suchen". Das heißt ja nicht, dass man sie alle restlos entfernen muss. Manche Füllwörter können ihre Berechtigung haben (s. der vorherige Absatz), aber es ist nützlich, sie sich mal alle bewusst anzuschauen.

Und dann muss man sich auch ebenso zwingen, das Manuskript wirklich einige Zeit (mehrere Wochen mindestens) ganz aus der Hand zu legen, damit man es danach noch einmal so lesen kann, als wäre es das Buch eines Fremden. Wenn man dann zu dem Schluss kommt, dass es eigentlich ein ziemlich gutes Buch ist, dann muss man sich dazu zwingen, es loszulassen und an den Verlag, bzw. ins Lektorat (so man eines hat) zu schicken.

Trippelschritt

Ich möchte anraten, einen Korrekturvorgang nur mit Kürzen zu verbringen. Das geht aber erst, wenn der Text schon recht gelungen erscheint. Je gedrängter ein Text ist, je weniger Luftmaschen er hat, desto eindrucksvoller kommt er rüber. Das gilt für fast alles. Für die Bilder ebenso wie die Dialoge oder die Actioszenen. Ich habe das mal gemerkt, als ich eine fertige Kurzgeschichte um 20% kürzen musste, damit sie der Ausschreibung entsprach. Böser Ärger am Anfang und triumph am Ende. Die Luftlöcher stecken nicht in die Füllwörtern. Die sind nicht die schlimmsten.

Liebe Grüße
Trippelschritt

chaosqueen

Trippelschritt, generell ein guter Hinweis - aber auch hier gilt, dass es sehr davon abhängt, wie jemand schreibt. Ich neige eher dazu, durch meinen ersten Entwurf zu hetzen, nicht nach links und rechts zu sehen und nur die direkte Handlung im Blick zu haben. Daher muss ich erstmal "Fleisch auf die Rippen" meiner Geschichte bringen. Und dann irgendwann kann ich schauen, ob es wieder etwas zu kürzen gibt (immer. Ich kann durchaus auch schwafeln, ohne viel auszusagen ;D ).

Als einer der lwtzten Durchgänge vor dem letzten Korrektur-Durchgang halte ich Kürzen aber für genauso wichtig wie Du. Und es ist einer der schwersten Durchgänge, weil man als Autor an jedem Wort, an jeder Szene hängt.

Schneerabe

Also ich bin mir nicht ganz sicher, ob das hierher gehört, aber ich hoffe mal, weil es mit dem (stilistischen) Überarbeiten zutun hat...

Ich habe gerade einen Editingdurchgang abgeschlossen bei dem ich vor allem den Ausdruck korrigiert habe, wo er mir komisch vorkam. Und jetzt wo ich die Kommentare und Anmerkungen durchgehe schlägt bei mir wieder dasselbe Phänomen zu, wie schon beim letzten Manuskript: (fast) jeder Satz klingt auf  einmal irgendwie komisch, schwerfällig oder schief... Ich habe das Manuskript mittlerweile bestimmt schon 4 mal (während diverser Überarbeitungen) komplett durchgelesen und frage mich jetzt, ob mein Problem mit all diesen Sätzen vielleicht einfach daran liegt, dass ich sie schon so oft gelesen habe. (Sie haben mich beim ersten und auch beim 4. Mal lesen immerhin nicht gestört und auch meine Betaleser nicht, wobei die wohl eher großzügig bei so etwas sind, da sie nicht selbst schreiben.)

Bin ich einfach "überarbeitungsgeschädigt" oder sind diese Sätze wirklich schief und ich bemerke es erst jetzt? Kennt jemand von euch dieses Gefühl auch?
"To hell or to Connacht."

Araluen

Ich glaube, das Phänomen ist ganz normal. Gönn dir etwas Pause. Leg das Manuskripg zwei oder drei Wochen in eine Schublade und dann schau es erst wieder an.

Carolina

Wenn es falsch klingt, dann ist es auch meistens nicht sehr schön. Es ist normal, dass einem bei jeder Runde neue Sachen auffallen. Weglegen verschiebt dein Problem nur, ich würde mir die Sachen gezielt ansehen und sie einem Kollegen zeigen.