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[link] Eine Lanze für Fantasy brechen: Artikel in der Stuttgarter Zeitung

Begonnen von Maria, 01. Juli 2012, 06:41:55

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Aphelion

Mit dem Artikel werden nur Fantasy-Freunde bedient. Schon alleine der Umstand, dass der Autor sich die Frechheit heraus nimmt, Nicht-Fantasy-Lesern "intellektuelle Beschränktheit" (2. Absatz) zu unterstellen, ist extrem kontraproduktiv. Hui, toll, da hat er es den bösen Nicht-Fantasy-Lesern ja mal so richtig gezeigt... Beleidigen geht imho gar nicht.  :nöö: Auch nicht, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Und Menschen, die etwas nicht mögen, haben auch das Recht, das zu äußern. Macht der Autor des Artikels ja auch. Er mag offensichtlich keine Menschen, die keine Fantasy mögen... Im Gegensatz zu den von ihm Zitierten schafft er es offensichtlich jedoch nicht, seine Meinung ohne Abwertung anderer zu äußern.

(Und *der* meint klugscheißen zu müssen, dass Hobbits behaarte Füße und nicht behaarte Ohren haben... Ja, toll. Ist das jetzt eine intellektuelle Höchstleistung?  :hmmm: )

Mit dem Artikel wurde der Fantasy-Literatur jedenfalls kein Gefallen getan. Schade eigentlich.

Smaragd

Ja, er polemisiert schon ziemlich, auch mit dem Vorschlag, Bücherregale doch bitte in Fantasy und Nicht-Fantasy aufzuteilen (letztere für die "Nichtschwimmer"). Als gäbe es sonst keine Genres *kopfschüttel* Der Kommentar, dass die Kirche schon immer auf Seite der Drachentöter stand, hat mich allerdings zum Kichern gebracht.

Zit

Ich weiß nicht, wenn der Artikel ohne Wertungen auskäme, würden er dann funktionieren bzw. gäbe es ihn dann überhaupt? Ob jemand Fantasy mag oder nicht ist ebenso als würde ich rot lieber mögen als blau. Das ist eine Tatsache und lässt sich nicht logisch erklären. Genauso kann ich den ganzen Genrediskussionen nicht mit Logik beikommen und tatsächlich soetwas wie eine Rangliste erstellen, welche Genres die logischsten und damit "besten" sind.

Ich denke, um die ganzen Fantasyvorurteile aufzuweichen, wäre es wichtig über die verschiedenen Fantasyspielarten zu berichten. Gibt ja nicht nur Elfen und Vampire -- und auch nicht nur Liebesplots. Ich find es immer etwas schade, wenn Fantasy nur auf HdR, Harry Potter und Twilight reduziert wird.
Auf der anderen Seite: Wenn jemand Fantasy nicht lesen will, kann ich schlecht daher kommen und ihn bekehren wollen. Ich hab ja auch meine Genres, die ich nicht lese, weil sie mir nichts geben.

Also am besten die ganzen Genrediskussionen für lächerlich befinden, sie sein lassen und einfach das lesen und schreiben, was einem gefällt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Franziska

Ich mag Denis Scheck und ich finde es toll, dass er sich für Fantasy einsetzt. Und wenn man  sagt, dass man es ignorant findet, sich eine Meinung zu bilden, bevor man sich überhaupt mal mit Fantasy auseinandergesetzt hat, finde ich das nicht beleidigend.
Dass er überhaupt als Literaturkritiker Fantasy empfielt ist ja schon eine große Ausnahme in Deutschland.
Was ich weniger gut finde ist, dass er im Artikel nicht die Chance nutzt, zu sagen, dass Fantasy eben nicht nur Eskapismus ist und vor allem, dass Fantasy nicht nur aus Elfen, Drachen und Hobbits besteht. Ich weiß ehrlich nicht, wann ich das letzte Mal ein Buch mit solchen Wesen gelesen habe. War wahrscheinlich Herr der Ringe. ::) Und Denis Scheck müsste das auch wissen.

edit: Zit war schneller.
Es geht ja auch nicht darum, dass Elke Heidenreich jetzt Fantasy lesen muss. Aber sich ohne sich damit zu beschäftigen abfällig darüber zu äußern und alles abzutun, dass es keine "Literatur" sein kann. Aber das wird sich in Dtl. wohl nie ändern.

Ryadne

Ich finde es bemerkenswert, wie unterschiedlich der Artikel aufgenommen wird. Bei Facebook wurde der innerhalb weniger Stunden auch schon ordentlich verteilt und kommentiert.

Also, nehme ich ihn auch mal auseinander.

Punkt 1:
Zitatbegegne ich Menschen, die ganz genau wissen, was ein Gedicht ist und was nicht. Oder was Literatur ist und was nicht. Und Fantasy[...] so viel stehe doch bitte schön schon mal fest, Fantasy sei keine Literatur.
Ich teile den Unmut des Verfassers.

Punkt 2: Das Elke Heidenreich-Zitat darüber, was in den Belletristik-Listen zu finden ist
Als es aktuell war, hat mich das auch tierisch aufgeregt, aber nun mit einigem Abstand, muss ich zugeben, dass ich sie halbwegs verstehen kann. Wenn ich mal so tue, als würde ich sie nicht so verstehen, dass sie Fantasy allgemein blöd findet (dem widerspricht natürlich, was weiter oben im Artikel von ihr zitiert wird), sondern nur das, was zu diesem Zeitpunkt in den Bestseller-Listen zu finden war - naja, dann muss ich zugeben, dass da schon ein üble Sachen zusammenkamen. Allerdings glaube ich nicht, dass sie sich wirklich mit dem Inhalt dieser Bücher auseinandergesetzt hat, noch finde ich es sonderlich klug, einfach so unbegründet über Geschmäcker herzuziehen, wenn man sich als führende Literaturkritikerin Deutschlands sieht.

Punkt 3:
ZitatHartnäckig hält sich das Gerücht, es gäbe so etwas wie eine realistische Literatur.
Stimme im folgenden Abschnitt dem Verfasser zu, und freue mich, dass es mal jemand ausspricht, auch wenn er das ruhig etwas mehr hätte ausführen können.

Punkt 4: Das Kirchenzeug
Nichts Neues, spätestens seit der Harry Potter-Debatte (Magie ist böse vs. Das Gute sieht über das Böse) kann ich das gar nicht mehr ernst nehmen, deshalb kam es mir hier erst deplatziert vor. Die Einbindung in den Kontext finde ich aber gelungen.

Punkt 5: Verteidigung der Fantasy gegen die Reduktions-etc-Vorwürfe
Passt. Ich mag, dass der Verfasser im Folgenden den Postmoderne-Knüppel rausholt, der ist auch mein Liebling in solchen Diskussionen  ;D (kein Sarkasmus, auch wenn es vielleicht gerade so klingt)

Insofern: Oberflächlich betrachtet ein schöner Artikel, der eine Lanze für die Fantasy zu brechen scheint.
ABER: Ich muss auch Aphelion zustimmen, letztlich bestätigt der Artikel auch wieder die Vorwürfe gegen die Fantasy. Nichts davon, wie sie Bezug nimmt auf reale gesellschaftliche Probleme. Nichts davon, wie man sie als Metapher verstehen kann. Nichts von ihrer Vielfalt (wie Franziska und Zitkalasa ja schon sagen), immer nur das Rumwühlen in der High Fantasy! Das finde ich äußerst ärgerlich, da wurde eine Chance meiner Meinung nach vertan. Gewiss wird dieser Artikel keinen Kritiker zum Umdenken bringen.

Zit

Nein, natürlich muss Frau Heidenreich das jetzt nicht unbedingt lesen, weil der Herr Scheck da eine Lanze bricht (im Übrigen mag ich beide). Mir ging es ja auch nicht darum.

Es ist ja nur so: Warum will man denn eine Lanze brechen? Weil man sich als Fantasyleser diffamiert fühlt? Weil man sich verteidigen will, warum man Fantasy liest? Für mich lesen sich solche Sachen immer so zwischen den Zeilen: Als Verteidigungshaltung, weil man sich in die Ecke getrieben fühlt. (Überspitzt gesprochen.) Sonst würde man sich ja kaum darüber aufregen, dass andere etwas doof finden. Ich hatte mal eine Freundin, die hat sich mir gegenüber voller Inbrunst abfällig über Manga und Animes ausgelassen, dass das doch der absolute Kinderquark sei. Was sie nicht wusste: Dass ich aus der Ecke komme und mich natürlich auf den Schlips getreten fühlte -- aber eher wegen der Inbrunst, denn der Tatsache, was sie davon hält. Ich habe es mir damals aber geschenkt, da jetzt in Diskussionen auszubrechen und ihr zu erzählen, dass es eben kein Kinderkram ist, dass es da eben auch Pornografie gibt und Manga, die Themen wie Krieg, Verlust oder die Frage "Was ist die Seele?" aufarbeiten. Eben weil ich gemerkt habe, dass sie ihre Vorurteile hat und es sie gar nicht interessiert, diesen nachzuspüren und wirklich heraus zu finden, was Manga und Animes tatsächlich alles sind.

Das ist hier genauso: Im Grunde erzählt der Artikel nur gegen die Wand, gegen die Leute, die eh nicht zuhören wollen. Wer aber zuhören will, findet eben nichts, was seine Vorurteile "widerlegt" bzw. mehr als diese bietet. Und das ist einfach schade.

edit: Jetzt war doch Ryadne schneller.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

KaPunkt

Ich habe mir beim Lesen auch gedacht: Er hat ja mit allem Recht, nur ändern wird sich durch Artikel solcher Art auch nichts.

Es wäre vielleicht sinnvoller gewesen, Leuten, die Fantasy für Kinderquark oder Gewaltverherrlichend halten, ein paar sachliche Argumente zu liefern, ohne irgendjemand anzugreifen. Nur hätte sich das nicht so unterhaltsam gelesen, vermutlich.

Das einzige, was mich an der Haltung der 'Hoch-Literaten' stört, ist die Willkür, mit der da eine Linie gezogen wird: Da kommt etwas nicht Reales vor: Dass kann kein gutes Buch sein.

Genau so gut kann jemand urteilen: Die Geschichte spielt in Usbekistan? Dass kann keine gute Geschichte sein. :zombie:

Was hat die Verpackung mit der Qualität des Inhaltes zu tun?

Ich bin im Allgemeinen nur maßlos enttäuscht, wenn ich gebildeten Menschen begegne, die genau diese Trennung nicht leisten können.

Aufregen habe ich mir abgewöhnt. Aber vor langer Zeit mal einen Artikel in mein blog gestellt, nachdem ich mit einem Mitglied in einem anderen Forum mal wieder genau die gleiche Diskussion hatte.
http://luftschlossarchitektin.wordpress.com/2010/10/21/warum-fantasy/
(Falls das unter unerwünschte Eigenwerbung fällt, tut es mir leid, aber ich finde mein Gedanken von damals durchaus noch interessant im Rahmen dieser Diskussion. Im Zweifels bitte ich einen Mod, es einfach zu löschen, okay?)

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Aphelion

Zitat von: Franziska am 01. Juli 2012, 13:02:58
Und wenn man  sagt, dass man es ignorant findet, sich eine Meinung zu bilden, bevor man sich überhaupt mal mit Fantasy auseinandergesetzt hat, finde ich das nicht beleidigend.
Um diese Äußerung geht es ja auch gar nicht - aber schau dir bitte mal die Wortwahl an. ;) Wenn man etwas *nicht* tun sollte, wenn man jemanden überzeugen will oder wenn man etwas richtig stellen will, ist ihm (ich zitiere nochmal, wörtlich) "intellektuelle Beschränktheit" an den Kopf zu werfen. Der Ton macht die Musik...

Ein anderes Beispiel wäre "Handicap". (Seit wann ist es ein Handicap, wenn man etwas nicht mag?) Weiß der Autor des Artikel eigentlich, was er da schreibt? Auf der Straße hätte er wahrscheinlich zu seinem Kumpel gesagt: "Hey, voll behindert, die ganzen Nicht-Fantasy-Leser!" (Behinderungen sind nichts, was man jemandem andichtet, der eine andere Meinung hat. Punkt. Was für ein Bild von Behinderten wird da nebenbei eigentlich transportiert? Spätestens da hört es einfach auf. Das ist nicht einmal mehr polemisch. Das ist nur noch... Nein, ich schreib es jetzt nicht. Das kann sich jeder selbst denken. :) )

Ich wäre ja nicht hier, wenn ich Fantasy nicht gut fände. ;) Aber man muss auch aufpassen, wie man mit Menschen jenseits der eigenen Meinung umgeht. *Daran* misst man einen Menschen, nicht, ob er nett zu denen ist, die die eigene Meinung teilen.

Lavendel

Zitat von: Ryadne am 01. Juli 2012, 13:04:54
ABER: Ich muss auch Aphelion zustimmen, letztlich bestätigt der Artikel auch wieder die Vorwürfe gegen die Fantasy. Nichts davon, wie sie Bezug nimmt auf reale gesellschaftliche Probleme. Nichts davon, wie man sie als Metapher verstehen kann. Nichts von ihrer Vielfalt (wie Franziska und Zitkalasa ja schon sagen), immer nur das Rumwühlen in der High Fantasy! Das finde ich äußerst ärgerlich, da wurde eine Chance meiner Meinung nach vertan. Gewiss wird dieser Artikel keinen Kritiker zum Umdenken bringen.

Wieso aber? Das ist doch mit dem Exkapismus-Argument schon abgedeckt. Fantasy ist eben genauso viel bzw. wenig real wie jedes andere Genre der fiktionalen Literatur, und damit kann sie genauso viel oder wenig Bezug auf reale gesellschaftliche Probleme nehmen wie eben jedes andere fiktionale Genre.
Mal davon abgesehen, ist der Bezug zu "gesellschaftlichen Problemen" für mich auch nicht unbedingt ein Kriterium um einer Geschichte, das Prädikat "wertvoll" zuzugestehen (ich mag Bücher mit erhobenem Zeigefinger eh nicht besonders). Wertvoll ist für mich eher Geschichten, die sich um menschliche "Probleme" drehen, die etwas in mir ansprechen (um es mal pathetisch zu formulieren), und die vielleicht auch mehr als eine Bedeutungsebene haben.

Und warum man niemanden angreifen sollen dürfte, verstehe ich ehrlichgesagt nicht. Wenn Leute dummes und unreflektiertes Zeug von sich geben, dann kann man ihnen das auch ruhig direkt sagen. Mag sein, dass man sich in der Welt der Literaturkritiker wenig davon beeindrucken lässt oder dass sojemand wie Elke Heidenreich sich davon nicht umstimmen lässt. (Helmuth Karasek ist da ja zum Beispiel schon ein bisschen gemäßigter. Ich habe irgendwann mal ein Interview mit ihm gelesen, in dem er meinte, er könne mit sowas wie Fantasy zwar eigentlich nichts anfangen, aber genaugenommen sei "Gullivers Reise" eines der wichtigsten Bücher gewesen, die er in der Hand gehabt hätte. Also... ::))
Also ich unterstelle jetzt mal, dass Scheck überhaupt nicht vorhat, z.B. Elke Heidenreich zu überzeugen. Wenn ihr den Artikel allerdings noch mal lest, dann werdet ihr merken, dass weder Heidenreich noch irgendein anderer Literaturkritiker Adressaten sind ... Der Artikel ist nicht als sachliche Argumentation konzipiert, das heißt aber nicht, das er keine Berechtigung hätte. Man sollte nicht vergessen, dass es der Job von Journalisten und Literaturkritikern ist, kontroverse Diskussion zu führen. Gesprochen wird nicht über Dinge, die nett gesagt werden, sondern über die Dinge, die polarisieren.  Also, was hat der Scheck jetzt noch mal falsch gemacht? ???

Und als Fantasyleser in die Ecke gedrängt fühlt sich Scheck wohl kaum. Ich kann natürlich nicht sagen, was er privat so liest, aber er ist ja nicht so ein Typ aus dem Fandom, der sich ärgert, weil er wegen seiner zehn Silberringe, seiner Thor-Hammer Kette und seiner schwarzen Klamotten nicht ernstgenommen wird. Er rezensiert in seiner Sendung ziemlich viel "anpruchsvolle" Literatur.

Übrigens hat Scheck so ziemlich das Selbe schon in einer "Druckfrisch" Sendung Ende letzten Jahres gesagt, als er Patrick Rothfuss vorgestellt hat, also ist das eigentlich auch schon "von gestern". ;)

Ich finde auch vieles von dem, was unter dem Label Fantasy läuft, unter aller Kanone, aber vieles, was von irgendwelchen "Literaturmenschen" für Preise oder Stipendien vorgeschlagen wird, weil es ach so "problembewusst" ist, ist genauso stumpf und tausendfach von Leuten reproduziert, die sich für furchtbar tiefgründig und talentiert halten, nur weil sie im Schnitt zehn Mal mehr Metaphern in ihre Texte einbauen als Autoren, die für Leser und nicht für Stipendien schreiben (entschuldigt die Polemik ...)

Ich halte es schon lange für einigermaßen bedenklich, wie tief bei uns oft die Lücke zwischen dem, was die Leute lesen und dem was mit Stipedien und Preisen ausgestattet wird. Das ist so eine Subkultur, die eigentlich nur sich selbst fördert und die gar nicht begreift, dass sie sich damit langsam aber sich selbst überflüssig macht. Es gibt immer irgendwo Lichtblicke, das ist klar, aber insgesamt betrachtet ist der ganze Betrieb schon längst in weiten Teilen eine Farce, weil Kunst und Elite einfach zwei Dinge sind, die nicht zusammengehen. Selbst im Wikipediaartikel zur deutschsprachigen Literatur ist das offensichtlich. Gnädicherweise werden da Frank Schätzing und Andreas Eschbach aufgelistet, und dann eine Menge Leute, die wahrscheinlich (mit Ausnahmen) hauptsächlich von Germanisten und eben Literaturkritikern gelesen werden. (Die englischsprachige Wiki listet jedenfalls den ein oder anderen bekannteren Namen, so wie Hohlbein oder so ;)).

Und jetzt noch mal zum Punkt: Solche Sachen müssen eben angesprochen werden. Ich finde Scheck eigentlich noch viel zu freundlich, und ehrlichgesagt sollte jedem klar sein, dass es viel mehr bringt, Sachen zu sagen, als sie nicht zu sagen ... (auch wenn wir das alles schon längst wissen).

Thaliope

@Aphelion: Wenn man das "Handicap" aber nicht darauf bezieht, dass man etwas nicht "mag", sondern darauf, dass man etwas erst gar keines Blickes würdigt - und ich denke, das ist eigentlich der springende Punkt - ist der Vergleich schon eher angebracht. Dann gleicht es nämlich einem blinden Fleck, einer eingeschränkten Wahrnehmung, und das ist durchaus ein Handicap.

Es geht ja nicht unbedingt um persönlichen Geschmack - über den ließe sich tatsächlich nicht streiten - sondern darum, dass Fantasy oft aus Prinzip als nicht literarisch wertvoll angesehen wird. (Das mag zwar in ganz vielen Fantasy-Büchern der Fall sein, aber das ist auf der "Realo"-Seite wohl kaum anders :))

Klar ist es nicht besonders diskussionsförderlich, so offensiv vorzugehen, wenn man jemanden von etwas überzeugen möchte. Andererseits ... finde ich die Provokation in diesem Falle sogar ein klein weing reizvoll :) Wer lässt sich schon gerne intellektuelle Beschränktheit vorwerfen - nicht, weil man etwas nicht mag, sondern weil man sich weigert, es zu probieren? Dem lässt sich ja leicht Abhilfe schaffen :) Es gibt so viele Leute, die behaupten, mit Fantasy nichts anfangen zu können, ohne zu wissen, was es eigentlich ist. Und sich einfach nur hinzustellen  und zu sagen "ich finde Fantasy aber toll, solltest du auch unbedingt mal lesen" - damit erreicht man in bestimmten etablierten Kreisen einfach ... wenig. Also, ich bin gespannt auf die Reaktionen :)

LG
Thali

Ryadne

Zitat von: Lavendel am 01. Juli 2012, 15:54:15
Wieso aber? Das ist doch mit dem Exkapismus-Argument schon abgedeckt. Fantasy ist eben genauso viel bzw. wenig real wie jedes andere Genre der fiktionalen Literatur, und damit kann sie genauso viel oder wenig Bezug auf reale gesellschaftliche Probleme nehmen wie eben jedes andere fiktionale Genre.
Mal davon abgesehen, ist der Bezug zu "gesellschaftlichen Problemen" für mich auch nicht unbedingt ein Kriterium um einer Geschichte, das Prädikat "wertvoll" zuzugestehen (ich mag Bücher mit erhobenem Zeigefinger eh nicht besonders). Wertvoll ist für mich eher Geschichten, die sich um menschliche "Probleme" drehen, die etwas in mir ansprechen (um es mal pathetisch zu formulieren), und die vielleicht auch mehr als eine Bedeutungsebene haben.


Aber mir mangelt es hier an Überzeugungskraft, so wie er das alles oberflächlich kommentiert. Natürlich kann man unter den gegebenen Umständen nicht erwarten, dass er hier einen ultravielseitigen Artikel abliefert, aber das hier hat einfach keine Überzeugungskraft.

Natürlich nimmt nicht jedes Fantasybuch Bezug auf gesellschaftliche Probleme (was nur mal ein Beispiel sein sollte). Natürlich gibt es Fantasybücher, die gar nicht irgendwie anspruchsvoll sein wollen und es auch nicht zu sein brauchen, die einfach nur unterhalten wollen. Natürlich gibt es auch jede Menge Fantasybücher, die totaler Mist sind. So wie bei jedem anderen Genre auch, sicher.
Aber genau das führt Scheck doch kaum aus, diese Vielseitigkeit klingt höchstens mal an, erreicht aber sicher niemanden, der sich mit der Fantasyliteratur nicht auskennt. Wie wäre es mal mit ein paar Beispielen fern des "Herrn der Ringe"? Wie wäre es mal mit Details? Wie wäre es damit, den Eskapismus durch solche zwar nicht zu widerlegen, aber doch als relativ darzustellen?

Wie gesagt, die "gesellschaftlichen Probleme" waren nur ein Beispiel aus eben jenem Themenbereich "menschlicher Probleme", den du ansprichst und der auch für mich bedeutend ist. Wobei ich nicht die Verbindung zum "erhobenen Zeigefinger" sehe, nur weil ein Buch die Gesellschaft kommentiert, heißt das doch nicht, dass es mit dem Zeigefinger daherkommt. (Vielleicht habe ich das Wort "Problem" unglücklich gewählt, ich meinte eher "Gegebenheiten" oder sowas.)

Übrigens fände ich es auch nicht schlecht, in Bezug auf die Fantasyliteratur einfach mal auf die unglaublichen Möglichkeiten menschlicher Vorstellungskraft hinzuweisen. Ich meine, das hätte jetzt nicht so gut in den Artikelkontext gepasst, aber bei all den Versuchen, Fantasy in die Literatur einzuordnen, fehlt mir dieser Punkt irgendwie häufig. Warum sollte man die Möglichkeiten nicht nutzen, die einem die Vorstellungskraft bietet?


Lomax

Zitat von: Aphelion am 01. Juli 2012, 12:40:38Mit dem Artikel werden nur Fantasy-Freunde bedient. Schon alleine der Umstand, dass der Autor sich die Frechheit heraus nimmt, Nicht-Fantasy-Lesern "intellektuelle Beschränktheit" (2. Absatz) zu unterstellen, ist extrem kontraproduktiv. Hui, toll, da hat er es den bösen Nicht-Fantasy-Lesern ja mal so richtig gezeigt... Beleidigen geht imho gar nicht.  :nöö: Auch nicht, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Und Menschen, die etwas nicht mögen, haben auch das Recht, das zu äußern. Macht der Autor des Artikels ja auch. Er mag offensichtlich keine Menschen, die keine Fantasy mögen... Im Gegensatz zu den von ihm Zitierten schafft er es offensichtlich jedoch nicht, seine Meinung ohne Abwertung anderer zu äußern.
Nun ja, ehrlich gesagt sehe ich da nichts, was nicht von den Nicht-Fantasylesern gegenüber Fantasylesern vorgebracht wird. Und Augenhöhe ist ja erst erreicht, wenn das fantastische Genre sich dieselbe Überheblichkeit erlauben kann wie die Kontrahenten  ;). Ich würde also sagen, politische Korrektheit ist nicht unbedingt das maßgebliche Kriterium in einer Diskussion, bei der es vor allem um Diskurshoheit geht (zumal im vorliegenden Fall die "intellektuelle Beschränktheit" ja gar nicht pauschal einer Personengruppe zugeschrieben wird, sondern einem konkret gezeigten Verhalten, für das ich den Ausdruck sogar für sachlich begründbar halte - nicht, dass es letztlich irgendeine Rolle spielt).
  Überzeugungskraft darf bei solchen Artikeln ohnehin nicht überschätzt werden. Wen will man überzeugen? Die Leute, die keine Fantasy mögen? Den Versuch kann man sich schenken, das schafft man weder durch Polemik noch durch gute Argumente. In der Literatur kann man allenfalls durch Werke überzeugen - und damit, indem Leute, die durch Werke überzeugt wurden, in Schlüsselstellungen des Diskurses gelangen. Rezensenten und Essayisten überzeugen keine "Andersdenkenden", egal was sie schreiben. Diese Aufgabe nimmt uns Autoren niemand ab. Nur Autoren können Leser überzeugen und die Akzeptanz des Genres erhöhen, indem sie genug Leser überzeugen, die Rezensenten, Essayisten oder Literaturprofessoren sind oder irgendwann sein werden.
  Woraufhin sie dann gerne auch Polemiken schreiben dürfen :snicker: - denn das ist nicht der Ort, wo der Diskurs geführt und entschieden wird, sondern nur der Ort, wo man sehen kann, wie weit man gekommen ist und wie viel Akzeptanz das Genre erreicht hat.

Ach ja, und auch das Argument von der Abtrennung der "Nicht-Fantasy" anstelle der Fantasy in den Buchhandlungen sollte man durchaus mit etwas mehr Bedacht erwägen. Ich sehe darin auch einen Hinweis auf den Umstand, dass sich erstaunlich viele fantastische Elemente auch in der anerkannten Literatur finden. Da entscheidet oft nur das Etikett, ob ein Buch nun "Fantasy" ist oder nicht, und weniger der Inhalt.

Und, ceterum censeo, natürlich sind Zeilen ohne rhythmisierte Sprache kein Gedicht (Ich konnte den Artikel nicht vorbeiziehen lassen, ohne das noch zu erwähnen >:D)

Zanoni

Ach, sooooo sehr überzogen finde ich den Artikel auch nicht. Klar, der Autor formuliert provokant, aber durchaus noch im Rahmen des Vertretbaren.

Und im Grunde spricht er ja auch nur Tatsachen an. Die Geschmäcker sind nun mal unterschiedlich, und das ist auch gut so. Niemand muss alles mögen oder irgendetwas lesen müssen, was er nicht mag. Natürlich erfordert Fantasyliteratur mehr Offenheit, Toleranz und Vorstellungsvermögen. Die Phantasie wird beim Lesen phantastischer Literatur aber nicht nur gefordert, sondern gleichzeitig auch gefördert. Klar, dass das nicht jeder mag. ;-)

Besonders interessant finde ich in diesem Zusammenhang aber, dass sich ausgerechnet diejenigen, die offensichtlich über das am stärksten begrenzte Vorstellungsvermögen, Offenheit und Toleranz verfügen, sich Richter und höchsten Maßstab alle Bereiche und Aspekte der Literatur aufschwingen. Das erscheint mir etwas merkwürdig. Und wenn es nicht so wäre, dann würde dieser Artikel niemanden interessieren und er kaum Beachtung finden.

Überrascht hat mich nur, dass dieser Artikel von Herrn Scheck stammt. Zwar habe ich seine Sendung bisher nur wenige Male gesehen, aber da war er mir eher als jemand aufgefallen, bei dem es phantastische Belletristik grundsätzlich sehr schwer hat. Also habe ich entweder einen völlig falschen Eindruck von ihm gehabt, oder dieser Artikel war nicht ganz ernst gemeint ... wobei Letzteres ja eigentlich keinen Sinn macht.


Franziska

@Zanoni: Scheck "analysiert" ja immer die Bestsellerlisten. Da hatte er zwangsläufige viel Vampirromantasy. Stephenie Meyer landete bei ihm immer in der Kiste. Sehr gelobt hat er aber "Der Name des Windes" und auch Tolkien empfielt er hin und wieder. Er sortiert eben gute und schlechte Bücher. ;)