• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Krieger: Ist das Geschlecht bei euch auch austauschbar?

Begonnen von Fianna, 19. Juni 2012, 02:56:45

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Fianna

#15
Zitat von: Kisara am 19. Juni 2012, 13:20:39
Kriegerinnen sind egal bei was immer Charaktere, die meiner Auffassung nach überquellen von: Kenn-ich-schon- und Was-für-ein-Klischee-Momenten.
Entweder wir bedienen das Amazonenbild oder wir haben Brienne of Tarth (stark, unsagbar ritterlich, aber leider hässlich, unfraulich und unglücklich verliebt) oder wir haben RedSonja ("oh, ich wurde so schlecht behandelt, jetzt kämpfe ich, damit das nie wieder passiert!"). Wirklich andere Kriegerinnen zu schreiben ist ungemein schwierig.
Da kenne ich aber ganz viele andere Kriegerinnen  ;D Aber ich habe auch eine Vorliebe für Kriegergeschichten, wie man an meinem Nicknamen merken kann. (Die meisten merken es nicht *seufz*)


Vielleicht sollte ich meine Frage umformulieren: Muss ich einer weiblichen Kriegerin unbedingt einen geschlechtsbezogenen Konflikt verpassen?
In diesem speziellen "Land", in dem sie sich aufhält, ist das Geschlecht vollkommen nebensächlich. Natürlich wäre es in anderen Ländern und anderen Umgebungen direkt ein Thema, aber ich brauchte eben nunmal besondere Umstände für die Geschichte. Ein vollkommen unbeabsichtigter Nebeneffekt ist, dass niemand groß hinterfragt, wenn sie mit einem Schwert auf dem Rücken rum rennt. Sämtliche Akzeptanz-Probleme, die sie hätte, sind die Probleme eines 1,70 m großen Mannes (das ist jetzt nur mal ins Blaue, ich weiß nicht exakt, wie groß sie ist), also nicht geschlechtsbezogen. Also, es gibt natürlich einige Konfliktszenen mit anderen Kriegern, speziell eine schon geschriebene Kampfszene, allerdings habe ich diese nicht auf ihr Geschlecht bezogen sondern auf ihre Stellung, die in einer (besseren) Ausbildung gründet. Natürlich bleibt es dem Leser unbenommen, dass auf ihr Geschlcht zurück zu führen ;) wobei eigentlich deutlich heraus kommt, dass man ihr "Privilegien" ihrer Stellung neidet.
Kinder hat sie nicht, amouröse Verwicklungen kommen aufgrund der Hintergrundgeschichte nicht in Frage, weswegen sich der Punkt "Ich bin schwanger!" direkt ausschließt.

Im Prinzip ist es bei diesem Projekt (nicht generell auf meinem Kontinent) zufälligerweise so, dass alle Konflikte geschlechtsneutral sind, weil es in einem speziellen Gebiet/Gesellschaft spielt. Es ist nicht relevant, dass der Protagonist eine Frau ist.
Ich habe zum Zeitpunkt der Thread-Eröffnung mich gefragt, ob das direkt eine wichtige literarische Regel verletzt. Muss man denn unbedingt der Frau einen auf den Latz hauen, nur weil sie ne Frau ist?
Eine 1,60-m-Elfe, die vor 2 Jahren Schwertkampf erlernte, gegen einen 2-Meter-im-Quadrat-Söldner antreten lassen und zack!, natürlich gewinnt sie, klar, das ist ein extrem bescheuerter konstruierter Übelegenheit (oder Gleichstellung) und vollkommen überzogene Fähigkeiten.
Nur - die Fähigkeiten meiner Prota sind nicht überzogen, sie ist auch in einem im Durchschnitt schlechter ausgebildeten Krieger-Umfeld, und Liebe/Sex kommt mal eben nicht in Frage.
Ich empfinde es als unnatürlich, ihr jetzt auf Teufel komm raus einen geschlechtsspezifischen Konflikt reinzuwerfen. Ich habe schon genug innere und äußere Konflikte.

Ich habe mich nur gefragt, ob außerhalb des Fianna-Kopfes sowas vielleicht erwartet wird: ein geschlechtsbezogener Konflikt bei einer weiblichen Kriegerin.


[EDIT:] Ich habe z.B. ein Kriegerpärchen, sie ehemalige Elitesoldatin, er Söldner. Sie hat eine bessere Ausbildung und (früher) einen höheren Rang, außerdem gehörte sie einer höheren Gesellschaftsklasse an als er (was sich natürlich in Bildung etwas niederschlägt).
Trotzdem ist in den meisten Umgebungen grundsätzlich er der erste Ansprechpartner, weil er der Mann ist. Also ich bastel nicht Frauen immer als die Überlegenen oder gleichwertigen Krieger, das ist eben nur in obigem Szenario so.  Bzw. in Sub-Gesellschaften, so könnte man vielleicht alle (wenigen) Umgebungen in einem Wort zusammen fassen, die weiblichen Kriegerinnen nicht direkt einen Strick draus drehen, dass sie Brüste haben.

Churke

Zitat von: Zitkalasa am 26. Juni 2012, 17:08:52
Innerhalb der Kriegertruppe? Sicherlich. Oder auch nicht. Hängt sicher auch wieder vom System ab und allgemein der Haltung gegenüber Sex.

Mit frivol habe ich keinen Sex gemeint. Aber es gibt Situationen, die erotisch aufgeladen sein können. Zum Beispiel habe ich einen Ordensritter, der von einer Drachenmeisterin versklavt wird. Die Herrin behandelt ihn wie einen zugelaufenen Hund.

Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 17:34:51
In diesem speziellen "Land", in dem sie sich aufhält, ist das Geschlecht vollkommen nebensächlich.
Ich behaupte, dass es das nicht gibt. Biologische Unterschiede sind nicht unwichtig. Man kann natürlich aus propagandistischen Gründen etwas anderes behaupten, aber das ist dann eben Propaganda. Ich bin darüber hinaus auch der Meinung, dass sich Frauen typischerweise anders verhalten als Männer.  Ich versuche dem subtil Rechnung zu tragen.
In einer MilitarySF-Sache habe ich z.B. folgende Situation: Ein Mechaniker und eine verwundete Geheimdienstoffizierin (Profilerin) werden von einer Elitekriegerin gefangen genommen. Die Profilerin hat ein Vibromesser im Stiefel und textet den Mechaniker mit Psycho-Geschwätz zu, dass er die Elitekriegerin abstechen soll. Die Profilerin ist der Archetyp "intrigantes Miststück". Also "typisch Frau".  :engel:
Natürlich hätte ich auch einen ProfilER nehmen können. Aber der hätte sich in dieser Situation anders verhalten.


ZitatIch habe mich nur gefragt, ob außerhalb des Fianna-Kopfes sowas vielleicht erwartet wird: ein geschlechtsbezogener Konflikt bei einer weiblichen Kriegerin.
Die Frage, die ich mir als Leser stelle: Warum ist es eine KriegerIN? Was will der Dichter damit sagen?  ;D Immerhin präsentierst du dem Leser eine Figur, die in der heutigen Lebenswirklichkeit nicht wirklich typisch ist.
Ich kann die Sache auch mal herum drehen: Nehmen wir einmal an, der Protagonist ist Hausmann der Ritterin von X. Während sie auf Aventüre ausreitet, widmet sich der Prota seinen häuslichen Pflichten und fühlt sich zu einer geheimnisvollen Minnesängerin hingezogen....  ;D
Selbst wenn ich die geheimnisvolle Minnesängerin weg lasse, stellt sich unweigerlich die Frage, was das soll und warum der Protagonist ein HausMANN ist. Dem mitteleuropäischen Leserkreis schuldet ich da eine Erklärung.

Fianna

#17
Ich bin irritiert. Muss man immer was damit sagen wollen? Spricht es nicht für sich selbst, dass es kleine Subgesellschaften gibt, wo das kein Thema ist?

Genauso gut könnte ich doch eine Maschinenbau-Spezialistin in einem Thriller einsetzen, ohne dass sie direkt frauenspezifische Probleme kriegt. Darf das nicht eine Frau sein, ohne dass direkt geschlechtsbezogene Probleme auftauchen?
Mich würde das stören, wenn die Maschinenbau-Spezialisten direkt der Aufhänger für solche Probleme ist. Als ob alle Frauen vergewaltigt werden oder Kinder kriegen, es gibt tatsächlich welche, denen passiert weder das eine noch das andere im Leben, und die Zahl ist gar nicht mal so klein.
Und dass die sich nur verlieben muss weil sie ne Frau ist  :-X :-X :-X


Und das gleiche Prinzip greift für mich bei der Kriegerin.
Die ist auch nicht einfach Kriegerin, weil sie dachte, ihr steht die Rüstung gut. Sie wurde nicht freiwilig zu dem, was sie ist. Aber weder Vergewaltigungen noch sonstige "frauentypische" literarische Probleme spielen dabei eine Rolle.

[EDIT:] Churke, ich finde Dein Beispiel passt nicht ganz zu mir. Bei mir ist ja keine Umkehrung da, die steht ja für sich alleine.

Malinche

#18
Na ja, ich würde jetzt einfach mal sagen: Du drückst in dem Fall mit der Beliebigkeit des Geschlechts ja durchaus etwas aus, wie du selbst sagst. Denn gewissermaßen sprichst du ja über die gesellschaftlichen Umstände deiner Welt. Du sagst also durchaus etwas mit der Tatsache, dass es eine Frau ist - womit deine Frage doch eigentlich beantwortet ist.

Was geschlechtsspezifisch ist und was nicht, ist da natürlich auch bis zu einem gewissen Punkt relativ, weil Geschlecht eben nicht nur biologisch ist, sondern auch sehr (!) viel mit sozial zugeschriebenem Rollenverhalten zu tun hat. Wenn das in deiner Welt anders ist als bei uns oder im historischen Mittelalter, halte ich es auch für müßig, aus unsriger oder historisch-mittelalterlicher Perspektive über geschlechtsspezifische Probleme zu diskutieren, die sich der Kriegerin auftun könnten. :)

Also kurz gesagt: Nur, weil sie im Prinzip ein Mann sein kann, muss sie für mich noch lange keiner sein. Wenn die Geschichte, wie du sagst, genug andere Konflikte hergibt, brauche ich auch keine zusätzliche Konfliktlinie, die im Prinzip nur aus unserer eigenen Perspektive frauenspezifisch ist. In erster Linie würde es für mich darum gehen, ob der Charakter an sich und die Handlung fesselnd sind. Wenn das gegeben ist, wäre ich schon zufrieden. Darüber hinaus kann ich zu der Diskussion nicht viel beitragen, denn ich habe kaum Kriegerfiguren, und bei meiner kleinen Revolverheldin spielt es sehr wohl eine Rolle, dass sie ein Mädchen ist. Da ist aber auch die Voraussetzung gegeben, dass die Umwelt entsprechend tickt und sie sich über ein von Männern dominiertes Terrain bewegt. Ich denke also, Figuren lassen sich nicht isoliert von ihrem Kontext sehen.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Fianna

#19
Vielen Dank für Deine Meinung! Es ist beruhigend. Natürlich will ich nicht nur Meinungen haben, die mir das sagen, was ich hören will.
Aber es ist ja schön, wenn mal welche dabei, die das nicht seltsam finden.

Zitat von: Malinche am 26. Juni 2012, 21:07:35
Na ja, ich würde jetzt einfach mal sagen: Du drückst in dem Fall mit der Beliebigkeit des Geschlechts ja durchaus etwas aus, wie du selbst sagst. Denn gewissermaßen sprichst du ja über die gesellschaftlichen Umstände deiner Welt.
Von einer bzw. 2 speziellen Sub-Kulturen.

Zitat von: Malinche am 26. Juni 2012, 21:07:35
Was geschlechtsspezifisch ist und was nicht, ist da natürlich auch bis zu einem gewissen Punkt relativ, weil Geschlecht eben nicht nur biologisch ist, sondern auch sehr (!) viel mit sozial zugeschriebenem Rollenverhalten zu tun hat.
Sie ist sozial isoliert aufgewachsen. Also schon mit Menschen, aber die waren komplett außerhalb normaler Maßstäbe (keine Krieger).
Sie hat also gewissermaßen kein "normales" weibliches Rollenverhalten gelernt.

Zitat von: Malinche am 26. Juni 2012, 21:07:35Wenn das in deiner Welt anders ist als bei uns oder im historischen Mittelalter, halte ich es auch für müßig, aus unsriger oder historisch-mittelalterlicher Perspektive über geschlechtsspezifische Probleme zu diskutieren, die sich der Kriegerin auftun könnten. :)
Mir gings ja darum, ob man(n) das erwartet. Also für Churke wäre das schonmal nichts.

Sollte das Ding jemals an die Reihe kommen und fertig werden, wills vielleicht deswegen keiner haben - kein Buch für Männer, zu wenig geschlechtsspezifische Konflikte für Frauen  ;D

Malinche

Was sich eventuell einbauen ließe, wäre vielleicht die Tatsache, dass die Frauen der dominanten Kultur (so sie mal welchen auf der Straße begegnet) ihr doch etwas komisch nachsehen, weil sie eben nicht in das von dieser Kultur vertretene Frauenbild passt. Aber das müsste keineswegs ein Hauptkonfliktpunkt sein, eher ein Detail, über das sich auch wieder viel über das gesellschaftliche und kulturelle Gefüge deiner Welt zeigen lässt. (Und für mich persönlich wäre das nicht rein geschlechtsspezifisch, sondern auch ein kulturell bedingter Konflikt, weil mit solchen Seitenblicken ja im Prinzip jeder rechnen kann, der sich quasi als Fremdkörper in einer Gesellschaft bewegt und nicht den dort verankerten Rollenbildern entspricht.) :)
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Fianna

Es gibt keine richtige Kultur.
Es ist eine Gegend (Land passt nicht, da gehören diverse Dinge zu, die verbindlich für alle gelten, wie Herrschaft, Recht etc), in der es einige Burgen gibt die verlassen waren. Im Prinzip wurde das Gebiet dann von Banditen beherrscht, die zwar alle ihren eigenen Herrschaftsbereich eingerichtet haben und teilweise es sogar schaffen zu vererben - dort gilt das Gesetz des Stärksten.
Insofern rotten sich da alle Leute zusammen, die ihr Schwert vermieten wollen, und meine Heldin mit ihrer kontinuierlichen und fundierten Ausbildung und ihren Referenzen wird als Leibwächter eines Sohnes eines Obermackers angestellt (Fürst passt nicht, obwohl die es verwenden).
Sie ist vielen Kämpfern durch ihre Ausbildung überlegen. Im Prinzip gehts da nicht nach Geschlecht, sondern nach Ausbildung.

Und ein "weibliches Rollenverständnis" gibt es auch nicht wirklich, weil es keine richtig gewachsene Kultur gibt.

Ludovica

Nachdem ich mich seit ein paar Monaten sehr viel mit feministischer Sozialkritik auseinandersetze, wird mir immer ein bisschen flau im Magen, wenn ich Sachen lese wie 'Muss ich rechtfertigen, dass ein Charakter eine Frau ist'. Ich würde unglaublich gern sagen 'NEIN, du würdest ja auch nicht rechtfertigen, dass ein Charakter ein Mann ist, oder? Und du würdest auch keine geschlechtspezifischen Themen einbauen, nur weil ein Charakter ein Mann ist?' aber leider wird 'männlich' immer noch als 'default'/Standard gesehen... Darum wird es schnell Leute geben, die sagen 'Was hat der Charakter so überhaupt für einen Sinn? Warum hat die Autorin nicht einfach einen Mann genommen? Könnte doch ohnehin genauso gut ein Mann sein - es gibt keine Romanze, sie muss sich nicht gegen Unterdrückung behaupten, da macht es doch keinen Sinn, eine Frau zu nehmen'.

Ich versuche momentan, so viele starke weibliche Charaktere wie möglich zu gebrauchen. Das bedeutet allerdings weder, dass alle Hauptfiguren sind, oder dass alle Kriegerinnen sind (das passt leider nur in etwa der Hälfte der Welten, die ich benutze, obwohl ich Anführerinnen von Questgroups wirklich interessant finde). Ich versuche einfach, mir zu überlegen, was ich an Charakteren toll finde, ganz generell - wenn sie irgendwelche Ticks haben, zum Beispiel, oder wenn sie innerhalb einer begrenzten sozialen Rolle oder auch von den Seitenlinien die ganze Handlung manipulieren (generell habe ich einen Faible für manipulative Charaktere). Oder auch Krieger mit Herzen aus Gold, aber riesigen Scheuklappen.

Und dann gebe ich weiblichen Charakteren diese Eigenschaften.

Weibliche Kriegerinnen benutze ich momentan nur in zwei Fällen (ich schreibe generell eher weniger mit Kriegern); in einem gehört die Kriegerin zu einer Kaste einer Gesellschaft, in der es keine wirkliche Geschlechtsteilung gibt (sie kennt das Konzept von 'Frau als schwächeres Glied' allerdings aus den anderen Kasten); im anderen Fall handelt es sich dabei um eine Kriegsgöttin. Ich glaube nicht, dass ichs übers Herz bringen würde, eine 'Kriegerin gegen alle gesellschaftlichen Widerstände' zu schreiben. Das hab ich einfach schon zu oft in zu vielen verschiedenen Varianten gelesen und gesehen. Und irgendwie nervt mich einfach die Botschaft, die so oft dahintersteht, nämlich dass eine Frau nur dann heldenhaft sein kann/ der Demütigung eines 'normalen' Frauenlebens entfliehen kann, wenn sie sich völlig an männliche Konventionen anpasst... Deshalb sind starke Frauen in meinen High-Fantasy-Geschichten MIT durchgehender Geschlechtertrennung auch meist Priesterinnen, Magierinnen, Assassininnen/Spioninnen/Agentinnen (auch recht klischeehaft, aber damit kann ich mich eher anfreunden) oder Adlige, die aus ihrer Position heraus die Geschehnisse lenken.

Sollte sich irgendwann mal eine Kriegerin in kompletter Rüstung in meinen Kopf verirren, in deren Welt Frauen noch eine untergeordnete Position haben und sie nur durch eigene Stärke zur Kriegerin geworden ist, dann würde ich sie zwar auch nicht sofort wieder wegschicken, aber sie bräuchte schon eine verdammt gute Hintergrundgeschichte....

Malinche

#23
Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 21:26:01
Es gibt keine richtige Kultur.
Es ist eine Gegend (Land passt nicht, da gehören diverse Dinge zu, die verbindlich für alle gelten, wie Herrschaft, Recht etc), in der es einige Burgen gibt die verlassen waren. Im Prinzip wurde das Gebiet dann von Banditen beherrscht, die zwar alle ihren eigenen Herrschaftsbereich eingerichtet haben und teilweise es sogar schaffen zu vererben - dort gilt das Gesetz des Stärksten.
Ach so! Ich  dachte, da du von Subkulturen sprichst, gibt es auch so etwas wie eine dominante Gruppe. (Kultur irgendeiner Art gibt es aber immer, wenn Menschen zusammenkommen. ;)) Und auf das weibliche Rollenverständnis kam ich jetzt nur deswegen:
Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 21:14:30
Sie ist sozial isoliert aufgewachsen. Also schon mit Menschen, aber die waren komplett außerhalb normaler Maßstäbe (keine Krieger).
Sie hat also gewissermaßen kein "normales" weibliches Rollenverhalten gelernt.

:) Das hatte ich irgendwie so gelesen, dass es in deiner Welt noch eine andere Gruppe gibt, in der dann andere Rollenvorstellungen herrschen, die man als "normal" ansieht.

So oder so - ich denke nach wie vor, dass du mit der Figur Aussage genug über die Beschaffenheit dieser Welt / Gegend aussagst. Eben, weil das Geschlecht in dem Zusammenhang unerheblich zu sein scheint.

Zitat von: LudovicaNachdem ich mich seit ein paar Monaten sehr viel mit feministischer Sozialkritik auseinandersetze, wird mir immer ein bisschen flau im Magen, wenn ich Sachen lese wie 'Muss ich rechtfertigen, dass ein Charakter eine Frau ist'. Ich würde unglaublich gern sagen 'NEIN, du würdest ja auch nicht rechtfertigen, dass ein Charakter ein Mann ist, oder? Und du würdest auch keine geschlechtspezifischen Themen einbauen, nur weil ein Charakter ein Mann ist?' aber leider wird 'männlich' immer noch als 'default'/Standard gesehen... Darum wird es schnell Leute geben, die sagen 'Was hat der Charakter so überhaupt für einen Sinn? Warum hat die Autorin nicht einfach einen Mann genommen? Könnte doch ohnehin genauso gut ein Mann sein - es gibt keine Romanze, sie muss sich nicht gegen Unterdrückung behaupten, da macht es doch keinen Sinn, eine Frau zu nehmen'.

Da sprichst du mir aus der Seele, Ludovica. Das ging mir auch durch den Kopf, ohne dass ich es in Worte fassen konnte.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Fianna

Zitat von: Ludovica am 26. Juni 2012, 21:37:20
Ich glaube nicht, dass ichs übers Herz bringen würde, eine 'Kriegerin gegen alle gesellschaftlichen Widerstände' zu schreiben. Das hab ich einfach schon zu oft in zu vielen verschiedenen Varianten gelesen und gesehen. Und irgendwie nervt mich einfach die Botschaft, die so oft dahintersteht, nämlich dass eine Frau nur dann heldenhaft sein kann/ der Demütigung eines 'normalen' Frauenlebens entfliehen kann, wenn sie sich völlig an männliche Konventionen anpasst... ´
Das finde ich auch ganz fürchterlich, dass Frauen sich immer durchkämpfen müssen. Marion Zimmer Bradley sagte einmal: man muss starke Frauen in der Fantasy einfach voraussetzen und von da an weitermarschieren. (In Anlehnung an einen Mann, der über SciFi sagte, man solle sich mehr auf Menschen und Konflikte konzentrieren und müsse die Technoloigie einfach voraussetzen, ohne sich darin so literarisch zu suhlen).

Ich weiß jetzt gar nicht ob das auf mich bezogen war, falls ja, fühle ich mich mal nicht angesprochen. Ich sehe es nicht so, dass sich meine Prota an "männliche Konventionen" anpasste, um einem "normalen Frauenleben" zu entgehen. Ein normales Frauenleben stand nie zur Debatte, und der Weg, den sie eingeschlagen hat, war einfach der Einzige, der langfristig als Option offen stand.


Zitat von: Ludovica am 26. Juni 2012, 21:37:20
Deshalb sind starke Frauen in meinen High-Fantasy-Geschichten MIT durchgehender Geschlechtertrennung auch meist Priesterinnen, Magierinnen, Assassininnen/Spioninnen/Agentinnen (auch recht klischeehaft, aber damit kann ich mich eher anfreunden) oder Adlige, die aus ihrer Position heraus die Geschehnisse lenken.
Ich hab eine Bordellwirtin, bei der ich überlege, sie zum Zentrum der Informationsverteilung zu machen. Immerhin ist da ein Kommen und Gehen und es gibt viele abgetrennte Separées wo man konspirative Treffen abhalten kann. Somit wäre die ja auch relativ einflußreich. Andererseits sollte ihr daran gelegen sein, stabile Machtverhältnisse zu haben. Da muss ich noch nach einer Motivation suchen, inwiefern ihr das weiter hilft mit dem Umsturz.

Churke

Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 20:58:08
Ich bin irritiert. Muss man immer was damit sagen wollen? Spricht es nicht für sich selbst, dass es kleine Subgesellschaften gibt, wo das kein Thema ist?
Deine Subgesellschaft hat ein stark abweichendes Koordinatensystem von unserer Gesellschaftsrealität. Da wäre ich als Leser mit einem "ist halt so" nicht zufrieden. Warum hast du diese Subgesellschaft so konstruiert? "Weil ich Bikini-Mädchen mit Kettensägen geil finde" wäre jetzt nicht besonders intelligent, beantwortete aber die Frage nach der Austauschbarkeit des Geschlechts.  ;)

ZitatGenauso gut könnte ich doch eine Maschinenbau-Spezialistin in einem Thriller einsetzen, ohne dass sie direkt frauenspezifische Probleme kriegt. Darf das nicht eine Frau sein, ohne dass direkt geschlechtsbezogene Probleme auftauchen?
Wie viele Maschinenbauerinnen gibt es? 10 Prozent? 15 Prozent? Da hat sie alle Chancen, die erste Frau im Team zu sein und mir kann keiner erzählen, dass da so alles weiter läuft wie bisher..

Kurz, knapp und provokativ lautet meine These, dass Geschlechter in einer guten Geschichte nicht austauschbar sind.

Ludovica

Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 21:59:46


Ich weiß jetzt gar nicht ob das auf mich bezogen war, falls ja, fühle ich mich mal nicht angesprochen. Ich sehe es nicht so, dass sich meine Prota an "männliche Konventionen" anpasste, um einem "normalen Frauenleben" zu entgehen. Ein normales Frauenleben stand nie zur Debatte, und der Weg, den sie eingeschlagen hat, war einfach der Einzige, der langfristig als Option offen stand.

War nicht auf dich bezogen, keine Sorge ;) Aber das ist einfach das, was mir leider Gottes als erstes in den Sinn kommt, wenn die Leute nach Erklärungen schreien, warum eine weibliche Figur Kriegerin ist...

Zitat von: Fianna am 26. Juni 2012, 21:59:46

Ich hab eine Bordellwirtin, bei der ich überlege, sie zum Zentrum der Informationsverteilung zu machen. Immerhin ist da ein Kommen und Gehen und es gibt viele abgetrennte Separées wo man konspirative Treffen abhalten kann. Somit wäre die ja auch relativ einflußreich. Andererseits sollte ihr daran gelegen sein, stabile Machtverhältnisse zu haben. Da muss ich noch nach einer Motivation suchen, inwiefern ihr das weiter hilft mit dem Umsturz.

Das wäre zum Beispiel ein Charakter ganz nach meinem Geschmack. Vor allem nachdem ich Bordellbesitzerinnen als Charaktere generell interessant finde. Schon allein wegen der ganzen Grauzonen  :wolke:




Und Churke: Es gibt eine ganze Reihe von Charakteren, gerade in Filmen, die ursprünglich männlich sein sollten, dann aber doch von weiblichen Schauspielern übernommen / umgeschrieben wurden. Ich hab grad zehn Minuten nach der Seite gesucht (normalerweise speichere ich sowas eigentlich, aber naja...), aber eines der berühmtesten Beispiele funktioniert meiner Meinung nach SEHR gut, und das ist Lara Croft.

Dealein

#27
Aber ob Lara Croft nun so realistisch ist . . . ich weiß nicht  8). Ich habe alle Teile gespielt und im Nachhinein denke ich mir schon : "Kann DAS der weibliche Körper wirklich?" Man muss doch auch ein bisschen die Evolution betrachten und nicht einfach etwas vorsetzen. Wenn es gut erklärt ist, dann passt ja alles. Man kann es ja gut erklären, indem die Person anderen Kulturen begegnet und sieht, dass es dort anders ist, um dann zu sagen: "Nun, das würde bei uns so ja garnicht funktionieren, weil . . . " Selbstverständlich schöner formuliert.

Wenn man Kriegerinnen hat, dann muss man sich auch an das Mögliche halten. Und die Sache mit den Kindern und was weiß ich ist doch völlig klar. Man kann sich auch einfach so gegen Kinder entscheiden. Ich finde Frauen können genau das Gleiche wie Männer, nur manches schlechter und manches besser. Würdet ihr es gut finden, wenn in Wettbewerben Frauen gegen Männer antreten? Meint ihr, dass beim Sperwurf oder sonstiger Sportart die Frauen nicht im Nachteil wären? Sie sind es wohl schon, trotzdem können sie es tun.

Theoretisch könnte ich meine Prota auch durch einen Kerl eintauschen. Was sie zur Zeit nicht kann ist stundenlang ein Schwert schwingen, geschweige denn überhaupt lange halten. Wäre sie männlich könnte sie das wohl länger und wäre dann vielleicht in anderen Dingen nicht so begabt. Aber ich könnte jetzt nicht erklären wieso meine Figur unbedingt weiblich sein muss. Ich habe es einfach so gewählt. Wahrscheinlich, weil ich mich besser hineinversetzen kann? Bei mir wäre sie schon austauschbar . . .

Ludovica

'Möglich' ist immer relativ. Es gibt genug Frauen, die unglaublich flexibel sind (vor allem ging es mir eigentlich eher um die Lara's Charakter, nicht um ihren Körper....), und es gibt Frauen, die ihr ganzes Leben lang Kampfsport betrieben haben. Technik ist vollkommen geschlechtsunabhängig, und man kann damit einiges an Schwächen in der Ausdauer wettmachen. Und (und das hab ich mir grad von einem Bekannten bestätigen lassen, der sehr lange verschiedene Arten von Martial Arts betrieben & unterrichtet hat) Frauen können Techniken, die auf Flexibilität und Beinarbeit aufbauen, leichter erlernen als Männer, und haben insgesamt eine größere Palette an Bewegungen zur Verfügung. (Vor allem Flexibilität in Beinen- und Hüftgegend ist bei Frauen höher als bei Männern, großteils wegen der Position und Größe der Knochen in der Hüftgegend (Becken + Oberschenkel vor allem))

Männer haben den Vorteil von mehr Muskelmasse und einer größeren Reichweite. Eine geschulte Kriegerin wäre sich dessen wahrscheinlich bewusst, und wüsste, wie sie damit umgehen muss.

Soviel nur mal zum Biologischen... Man muss seine Charaktere halt anpassen, aber wenn man einer Kriegerin besondere Wendigkeit oder so etwas gibt, dann hat man schon einen großen Teil des 'eine Frau sollte Schwierigkeiten haben, gegen einen Mann zu gewinnen' aus dem Weg räumen.

Churke

Die Kriegerin ist halt generell auffälliger als der KriegER.
Ich habe mal mit einer Niten-Ichi-Ryu-Schülerin Bokken gesparrt. Ich habe etwa 1/3 ihrer Schläge nicht gesehen. Die Leute, die so schnell sind, kann ich an einer Hand abzählen. Technisch sicherlich austauschbar, aber die psychologische Wirkung sollte man nicht unterschätzen.