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Müssen Handlungsstränge demselben zeitlichen Rhythmus folgen?

Begonnen von Sanjani, 02. Juni 2012, 19:01:48

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Sanjani

Hallo ihr Lieben,

seit einigen Tagen quält mich eine Frage, von der ich glaube, dass sie hier noch keine Antwort gefunden hat. Falls doch, bitte nicht hauen. Und zwar geht es um folgendes: Wenn ich 2 oder mehr Handlungsstränge habe und diese abwechselnd schreibe, müssen diese dann demselben zeitlichen Rhythmus folgen? Ich bin ja so ein Liebhaber von Symmetrie und Strukturen, aber immer funktioniert das für mich auch nicht. Mal angenommen ich hab Szene A in Handlungsstrang A, die heute stattfindet, Szene B aus Handlungsstrang B, die auch heute stattfindet. Szene C aus Handlungsstrang A, die 2 Wochen später stattfindet, aber Szene D aus Handlungsstrang B, die sich gleich an Szene B anschließt. Dadurch ist der eine Handlungsstrang schon um einiges weiter als der andere, aber am Ende treffen sie sich natürlich, nur die Szenenverteilung ist halt unterschiedlich. Was meint ihr, wie ist es gut, wie eher nicht oder ist man da ganz frei?

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Arcor

Ich halte das vom Prinzip für nicht weiter schwierig. Mein High-Fantasy Projekt hat selber mehrere Handlungsstränge, die eine asymmetrische Szenenanzahl aufweisen und sich somit auch nicht von Szene zu Szene abwechseln. Das halte ich nicht für weiter schlimm. Dann legt man eben das Gewicht mehr auf einen Strang.
Allerdings würde ich versuchen, die Szenen in eine einigermaßen chronologische Reihenfolge zu bringen. Also in deinem Beispiel Szene D direkt hinter Szene B setzen und erst danach Szene C anfügen. Gelegentlich kann man sicherlich Zeitsprünge machen (hab ich auch schon gemacht), aber diese sollten nicht zu häufig stattfinden, das verwirrt nur. Außerdem sollten sich diese Sprünge in der Zeit vielleicht auf einen Handlungsstrang beschränken, dass du also Strang A z.B. als Hauptstrang wählst und die Sprünge von Strang B in Relation zu A setzt.

Achronologisch ist andererseits natürlich super, wenn man einige Kapitel lang mit Geheimnissen spielen möchte und dem Leser dann in Rückblende eine Auflösung für das gibt, was er zuvor nicht verstanden hat. Da mag ein achronologisches Vorgehen nützlich sein, um Spannung zu erzeugen und dem Leser einige Fragen aufzuwerfen.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Alessa

In meinem aktuellen Projekt habe ich auch mehrere Handlungsstränge, sie jedoch so miteinander verknüpft, dass sie im chronologischen Ablauf stimmig sind. Da ich wenig mit Rückblenden arbeite und sie weitgehenst vermeide, halte ich das persönlich so für mich besser. Ich habe kein Problem damit, wenn zwei nachfolgende Szenen zur gleichen Zeit spielen, ist aber Handlungsstrang A schon zwei Tage im Vorlauf, Handlungsstrang B aber noch zurück, dann verwirrt mich das als Leser mehr, als das es mir Spannung bringt. Aber das ist, denke ich, Geschmackssache.

caity

Hallo Sanjani,

an sich finde ich das nicht problematisch.
Allerdings muss meiner Meinung nach erstens der Autor den Überblick behalten und zweitens der Leser auch darüber informiert werden, dass er bei einem Strang weiter ist als bei einem anderen. Ärgerlich finde ich es, wenn der Leser später zurück blättern muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Sollten die Handlungsstränge aber an sich nicht weiter berühren, finde ich es wiederum überhaupt nicht schlimm. So oder so würde ich dir in jedem Fall raten: Plotte den Roman gut durch, sonst verzettelst du dich bei so etwas *gg*

Bye,
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Alana

#4
Ich sehe darin prinzipiell kein Problem, nur würde ich dann die Szenen auf jeden Fall streng chronologisch anordnen und dann lieber mal einen Handlungsstrang auslassen.
Wenn man nur zwei Perspektiven hat, kann man es auch anders machen und mit dem Zeitrahmen spielen, aber wenn man so viele Perspektiven hat, dann halte ich das für zu verwirrend.
Alhambrana

Rakso

Hallo Sanjani  :winke:

Eigentlich habe ich mir den Rhythmus von Szenen oder Handlungssträngen noch keine allzugroßen Gedanken gemacht. Ich finde nicht, dass Handlungsstränge immer dem selben zeitlichen Ablauf folgen müssen. Wieso denn auch? Wenn man zwei Handlungsstränge hat, die parallel spielen ist das in Ordnung. Sind die Fäden aber assymetrisch, z. B. hat Strang A eine jeden Tag eine Szene, während Strang B nur alle zwei Wochen aufgenommen wird, ist das auch nicht problematisch.

Hier finde ich es wichtig, dass man die Szenen in chronologischer Reihenfolge aufnimmt, also zum Beispiel Szene A, Szene A, Szene B, usw., und sie nicht abwechselt nur weil es so sein sollte. Das würde mich als Leser schon etwas irritieren. Natürlich ist es etwas ganz anderes, wenn der Autor oder die Autorin, die Szenen in Reihenfolge anordnet um einen speziellen Effekt zu erzielen. Dieser Effekt müsste dem Leser aber auch irgendwie rübergebracht werden, beziehungsweise einen Grund haben.

Naudiz

Chronologisch ist bei mir selten etwas, was wohl auch durch die Menge an Charakteren bedingt wird, die von mir unbedingt ein PoV haben wollen  ::) Meistens spielen zwei oder mehr Szenen zur selben Zeit. Ich achte darauf, den Leser nicht zu verwirren, was ich dadurch erreiche, dass ich möglichst früh in der Szene sage, wenn jetzt ein anderer Tag ist. Vielleicht doof, aber ich wüsste mir jetzt nicht besser zu helfen, außer, ich klau bei anderen Autoren und schreib eine Zeit- und Ortsangabe als Zwischenüberschrift zwischen jede Szene (was ich zumindest bei den Göttertötern wohl auch machen werde).

Wichtig ist bei einem achronologischen Handlungsverlauf, dass du dich als Autor nicht selbst verzettelst (so wie caity schon sagte). Wem plotten nicht liegt, der sollte vielleicht auch die Finger von sehr komplexen Werken mit vielen PoV's, die zeitlich parallel zu einander laufen, lassen. Wobei man das natürlich auch nicht pauschalisieren darf... es gibt Leute wie z.B. meine Wenigkeit, die auch ohne detaillierten Plot mit so etwas zurande kommen.

Alana

#7
Zeitlich parallel, wenigstens so ungefähr, finde ich völlig in Ordnung, es kommt nicht auf die Stunde an. Unter Umständen auch nicht auf einen Tag hin oder her, vor allem, wenn es sich zeitlich überschneidet. Aber Persepktive A im März, Persektive B im Feburar und Perspektive C im Mai, das wäre mir zu verwirrend. Außer, es hat einen ganz bestimmten Grund, dass es so angeordnet ist, und nicht nur den, dass man die Reihenfolge der Perspektiven einhalten will.
Alhambrana

Sanjani

Hallo ihr Lieben,

danke für euere vielen Antworten. Ich selber tendiere auch eher zu chronologisch, aber dann wird es halt teilweise etwas unausgewogen sein, weil mal beim einen mehr passiert als beim anderen und so etwas mag ich auch nicht. Aber da werde ich wohl das geringere Übel in Kauf nehmen müssen. Und das hier soll ja auch kein Hilfe-Thread werden, sondern allgemein bleiben. Ich muss mir meinen Plot auf jeden Fall noch mal genau überlegen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Lavendel

Es geht bei der Anordnung der Szenen mehrerer Handlungsstränge meiner Meinung nach nicht ausschließlich um die Frage, ob sie nun chronologisch "richtig" laufen oder nicht. Natürlich, die zeitlichen Abläufe sollten für den Leser irgendwo verständlich bleiben, aber das versteht sich ja eigentlich von selbst. Viel wichtiger ist aber die Dramaturgie, der Aufbau, der Spannungsbogen, das Timing. Das muss in sich schlüssig sein, dann wirds ein guter Roman. ;)

Zanoni

Lavendel hat das sehr gut auf den Punkt gebracht! Ich denke auch: den eigentlichen "Rhythmus" bringt die Dramaturgie mit sich. Ansonsten ist es nur wichtig, dass der Leser nicht den Überblick verliert, wenn allzu sehr in der Zeit hin- und hergesprungen wird.

Ach, und eines würde ich noch berücksichtigen: Dass Leser immer mehr daran interessiert sind, wie die Geschichte weitergeht und weniger, was vorher war. Wenn also in die Vergangenheit zurück gekehrt wird, dann sollte da idealerweise etwas geschehen, was die Geschichte im Jetzt voran bringt.

Lemonie

Also mich stört es eigenltich überhaupt nicht, wenn das Verhältnis der Handlungsstränge nicht ausgewogen ist und sie nicht demselben Rhytmus folgen.
Ich mache es eigentlich meistens chronologisch, außer in einer Szene sind Informationen, die ich nicht für eine andere Szene vorgreifen möchte, die eigentlich danach käme. Dann stelle ich das auch um.
Aber ich denke, dass das in Ordnung ist, wenn die Handlungsstränge nicht viel miteinander zu tun haben und sich erst am Ende kreuzen, und solange es keine riesigen Zeitunterschiede sind (wie Alana schon geschrieben hat).

Zitat von: LavendelViel wichtiger ist aber die Dramaturgie, der Aufbau, der Spannungsbogen, das Timing. Das muss in sich schlüssig sein, dann wirds ein guter Roman. ;)

Das würde ich direkt so unterschreiben ;) Ich würde den zeitlichen Ablauf da immer unterordnen (bzw meistens hängt das ja zusammen und der zeitliche Ablauf passt dann sowieso, wenn alles andere passt...)

Aphelion

Hallo Sanjani,

ich kann mich dem bereits Gesagten anschließen; *aber* es sollten keine allzu großen Sprünge entstehen und keine zeitlichen Lücken klaffen. Wenn beide Handlungsstränge in der "Gegenwart" spielen, sollte sich nicht der eine Strang schnell vorwärts bewegen und der andere hinterherhinken. Stunden, Tage, Wochen sind noch problemlos, aber bei Monaten oder gar Jahren wird es wirklich problematisch. (Etwas anderes ist es, wenn man mit zwei Zeitebenen arbeitet.)

Bei zu großen Unterschieden fallen die chronologischen Differenzen dem Leser auf; aber kleine Abweichungen werden vermutlich ohnehin überlesen.

Sanjani

Hallo noch mal,

ich finde, da ist gerade so ein bisschen die Krud. Es soll dramaturgisch passen, aber dazu müsste man dann ja z. B. auch mal die Perspektive wechseln. Z. B. wenn man in Handlungsstrang A einen Cliffhanger einbauen möchte, aber Handlungsstrang B dann schon zwei Wochen weiter ist. Oder man fügt in B noch eine Szene ein, die zur selben Zeit spielt, aber nur um der Zeit willen so etwas zu machen, davon halte ich persönlich nichts. Ich werde es mir bei meinem Projekt auf jeden Fall noch mal gut überlegen, wie ich es aufbaue.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Elona

Huhu

Ein paar Dinge konnte ich aus dem Thread schon rausziehen, dennoch hier meine Frage (vielleicht wurde sie hier auch schon beantwortet und ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht):

Ich zerbreche mir nun schon seit ein paar Tagen den Kopf darüber und mich würden eure Erfahrungen, Meinungen und Anregungen dazu interessieren.

Ein Buch kann so aufgebaut sein, dass ein Ereignis die nächste Szene bedingt, unabhängig vom Perspektivwechsel. Start A, B, C, D, E, usw. Die Zeit liefe hierbei chronologisch ab und eine Gliederung ist kein Thema.

Es könnten aber auch zwei (oder mehrere?) Haupthandlungsstränge parallel zueinander laufen, an verschiedenen Orten und erst einmal unabhängig voneinander. Also wirklich bezogen auf die Haupthandlungen, nicht auf Nebenplots.   
Meine Gedanken dazu waren, dass man sich entweder für die Zeit oder den Ort entscheidet.
Beispiele:
Buchstaben: Haupthandlungsstrang 1 / Zahlen: Haupthandlungsstrang 2
Zeit: (Gemeinsamer) Startpunkt, A, B, 1, C, 2 usw. (Neues Kapitel ergibt sich aus dem Ablauf/ der Zeit heraus)
Ort:  (Gemeinsamer) Startpunkt, A, B, C, D (Neues Kapitel=>) 1, 2, 3, 4 (Neues Kapitel=>) E, F usw.
Stellt sich dann die Frage, welche Verwirrung über Ort oder Zeit größer wäre? Beispielsweise könnte bei ,,Zeit" sich B und 1 in unterschiedlichen Ländern abspielen und bei ,,Ort" B parallel zu 4 stattfinden.

Was würdet ihr wählen und warum? Oder gibt es vielleicht sogar eine weitere Möglichkeit, an die ich überhaupt nicht gedacht habe?

Kleine Zusatzfrage:
Soweit so gut, aber was wäre, wenn man zusätzlich mehrere PoV Charaktere für beide Handlungsstränge hätte (neben den beiden Hauptcharakteren)? Würde das eure zuvor getroffene Aussage ändern oder nicht?

Liebe Grüße und bin gespannt auf eure Gedanken
Aurora