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Verwertungsrechte (Nachdenklichkeiten)

Begonnen von Tintenweberin, 13. April 2012, 12:39:24

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Faol

Auch in der Gefahr, dass ich auch wieder in die Richtung steuere, dass wir mehr über die Piraten reden als über das Urheberrecht, fällt mir gerade bei treogens Beitrag etwas auf. Er sagt, er hat das Gefühl das da Leute reden, die keine Ahnung habe über das Verlagswesen. Andersrum waren mir die Piraten aufgefallen als "endlich mal eine Partei, die Bescheid weiß, was im Internet alles möglich ist und nicht vollkommen idiotische Gesetzte durchsetzen will, die das eigentliche Probelem gar nicht lösen".

Und genau da ist das Problem. Die Piraten kennen sich vielleicht nicht im Verlagswesen, dafür in den Möglichkeiten des Internets. "Die anderen Parteien" haben vielleicht mehr Ahnung im Verlagswesen und kennen sich da allgemein besser aus, dafür fehlt ihnen zum Teil einfach das technische (und emotionale) Verständnis des Internets.
Um das Problem zu Lösen müssten sich halt die Parteien an einen Tisch setzen und von dem Wissen der Anderen profitieren. Das tut man in der Politik aber nicht, weil man ja Konkurrent ist.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Tintenweberin

Zitat von: Faol am 14. April 2012, 19:02:26
Um das Problem zu Lösen müssten sich halt die Parteien an einen Tisch setzen und von dem Wissen der Anderen profitieren. Das tut man in der Politik aber nicht, weil man ja Konkurrent ist.

In der Politik tut man genau das wenn man irgendwann einen Schritt voran kommen will. Aber im Wahlkampf tut man so, als ob man das auf keinen Fall täte, weil jeder Kompromiss Stimmen kostet ...   8)

Faol

Ich sehe heute in der Politik an sich wenig, dass man das tut, weil immer irgendwo der nächste Wahlkampf ansteht, aber dazu jetzt nicht mehr mehr, denn das gehört jetzt nicht ins Thema.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Lomax

Zitat von: treogen am 14. April 2012, 17:31:55Allerdings ist es schwer, so etwas zu trennen, da gerade uns als Urhebern (und teilweise auch als Rechteverwertern) dieses Thema natürlich besonders wichtig ist. Und wenn man dann immer wieder Interviews mit Piraten hört oder liest, bei denen man schlichtweg den Eindruck hat, dass da absolut uninformierte Leute sprechen würden und die nennen sich dann so was wie "kulturpolitischer Sprecher der Piratenpartei", da fragt man sich da schon, ob man denen vielleicht mal einen Kurzkursus im Büchermachen schenken sollte, damit die überhaupt wissen, von was sie reden.
Und dieses ... Gefühl, es mit absoluten Hohlrollern zu tun zu haben (ok, das Gefühl hat man bei Politikern ja allgemein recht häufig, hier aber habe ich es noch häufiger als häufig), macht es mir nicht einfach, mir den Rest des Parteiprogramms mit wohlwollender Neugier durchzulesen.
Nun ja, wie oben geschrieben - mir fällt es leicht, das Gesamtprogramm mit Wohlwollen zu betrachten und gerade die abwegigsten Einzeläußerungen erst mal mit einem Lächeln zur Kenntnis zu nehmen, weil sie, je radikaler sie sind, auch umso weiter davon entfernt liegen, in dieser Form ernsthaft umgesetzt zu werden. Gerade bei Dingen wie der Dauer von Urheberrechten hat man sich in den letzten Jahrzehnten ohnehin um möglichst international vergleichbare Standards bemüht, und da wird es nicht so einfach werden, national mit Radikalvorstellungen auszuscheren. Abgesehen davon, dass selbst national die Maximalforderungen der Piraten nur eine Verhandlungsbasis sind, die sich ohnehin relativieren wird, bis sie eine Mehrheit findet, die zur praktischen Umsetzung führt.
  Und wenn man es so betrachtet, einfach nur als Maximalforderung, von der ausgehend sich in Auseinandersetzungen mit den Maximalforderungen der anderen Positionen ein gesunder Mittelweg herauskristallisieren kann, dann finde ich auch die abwegigeren Forderungen der Piraten gar nicht mal absurd, sondern durchaus eine Verhandlungsbasis, die der Diskussion und den Gegenpositionen, gegen die sie sich behaupten muss, angemessen ist.

Denn man darf auch nicht vergessen, dass die Positionen der Urheber und Verwerter zum Teil auch nicht "vernünftiger" sind, sondern ebenso radikal, dass da recht leichtfertig über in Jahrhunderten erkämpfte und meiner Ansicht nach höherwertige, verfassungsrelevante Rechtsgüter hinweggegangen wird, wie die Unverletzlichkeit der Privatsphäre, Unschuldsvermutung ... und, ja, durchaus auch über das Urheberrecht und die angemessene Vergütung. Das sind nämlich keine Punkte, die nur durch die Positionen der Piraten bedroht werden.
  Das derzeit diskutierte "Leistungsschutzrecht" beispielsweise ist der Realisierung viel näher als alles, was die Piraten anstreben, und das empfinde ich durchaus als massive Bedrohung und Verwässerung meiner Rechte als Urheber. Immerhin wird derzeit gerade im Pressewesen mit harten Bandagen um die Rechteübertragungen zwischen Urhebern und Verwertern gefochten, und was nutzt es da, wenn die Urheber in den letzten Jahren in vielen Prozessen erfolgreich ihr Recht verteidigt haben, selbst über die übertragenen Verwertungsrechte zu entscheiden, und dieses Recht dann durch ein "Leistungsschutzrecht" unterminiert wird, das geeignet ist, auch die Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers massiv zu beschneiden - und sei es nur, indem es für eine Verflechtung von Verwertungsrechten sorgt, die eine Nutzung dieser Rechte unter ständiges Prozessrisiko stellt und damit den Urheber doch zu einem kostengünstigen Buyout nötigt?
  Mein derzeitiges Hauptfeindbild auf diesem Gebiet, den Vorschlag zum Thema Urheberrecht, den ich am "uninformiertesten" und "hohlrollerigsten" empfinde, weil am schädlichsten und undurchdachtesten in seinen potenziellen Auswirkungen und als größte Enteignung meiner Besitzstände als Urheber, das ist derzeitig eindeutig das "Leistungsschutzrecht" - eine CDU-Position, die kurz vor der Verabschiedung steht, und nicht irgendwelche unverbindlichen Arbeitskonzepte der Piratenpartei. Wenn der Standpunkt zum Urheberrecht also das wäre, was mir am wichtigsten ist und was allein ausreicht, meine Wahrnehmung von einer Partei zu bestimmen ... läge der "Schwarze Peter" aus meiner Sicht derzeit trotzdem nicht bei den Piraten, sondern tatsächlich bei den "Schwarzen". ;)

Tintenweberin

Ich möchte noch einmal einen halben Schritt zurück gehen und über die Moral der Konsumenten nachdenken. Ich glaube nicht daran, dass unsere Leser mit den oft beschworenen Geiz-ist-geil-Dumpfbacken identisch sind. Wenn wir transparenter machen würden, wieviel Zeit und Geld in einem Buch steckt, würden sie uns vielleicht sogar mehr geben, als wir dafür verlangen.

Lacht nicht. Das habe ich genau so auf der Mainzer Minipressenmesse erlebt und zwar nicht nur einmal. Unsere Kurzromane kosten 4,50 €, also wirklich nicht die Welt, trotzdem gab es immer wieder Interessenten, die an dem Preis herumgemeckert haben. Ich habe ihnen jedesmal geduldig erklärt, wie der Preis zustande kommt und angeboten, ihnen ein Exemplar zu schenken, wenn sie denken, dass sie das Geld wirklich nötiger haben als ich. Kein einziger hat dieses Angebot angenommen, aber es gab etliche Käufer, die uns einen fünf-Euro-Schein gegeben und auf das Wechselgeld verzichtet haben.

Selbst mit Internet-Bekanntschaften habe ich eine ähnliche Erfahrung gemacht. In einem anderen Forum, in dem ich schon lange aktiv bin, habe ich skeptischen Interessenten angeboten, dass ich ihnen ein Heft zuschicke, wenn es ihnen gefällt, sollen sie mir das Geld überweisen, wenn es ihnen nicht gefällt, sollen sie mir ein paar kritische Zeilen dazu schreiben und das Heft einem Menschen schenken, der uns auf einem anderen Weg vermutlich nie kennengelernt hätte. Ausnahmslos alle, denen ich unter dieser Prämisse ein Heft zugeschickt habe, haben das Geld überwiesen.

Lomax

Zitat von: Tintenweberin am 15. April 2012, 07:33:52
Ich möchte noch einmal einen halben Schritt zurück gehen und über die Moral der Konsumenten nachdenken. Ich glaube nicht daran, dass unsere Leser mit den oft beschworenen Geiz-ist-geil-Dumpfbacken identisch sind. Wenn wir transparenter machen würden, wieviel Zeit und Geld in einem Buch steckt, würden sie uns vielleicht sogar mehr geben, als wir dafür verlangen.
Da gibt es eine Menge Geschäfte und auch sehr unterschiedliche Experimente, die diesen Ansatz versuchen oder versucht haben und ähnliche Erfahrungen dabei machen konnten. Aber: Es deutet eine Menge darauf hin, dass ein gewisser als persönlich empfundener Kontakt nötig ist, um so ein Verhalten zu provozieren. Der anonyme "Drive-by-Konsument" fühlt sich eher nicht angesprochen - und wenn man ein "Zahl, was du für angemessen hältst"-Modell wählt, findet zudem eine nichtrepräsentative Selektion statt, sprich: Da wird nicht jeder Kunde, egal ober er viel oder wenig zahlen wird, vorbeikommen und das geben, was er angemessen hält; es werden auch nicht dieselben Kunden, die du mit einem festen Preismodell anlockst; viele Kunden, denen das "zu persönlich" ist, werden einfach fernbleiben.
  Solche Modelle mögen also in Einzelfällen überraschende Erfolge bringen, aber sie erreichen nur einen Teilbereich des Marktes. Ob das im Einzelfall erfolgreich ist, hängt dann wohl von vielen Faktoren ab - nicht zuletzt davon, wie groß dieser Teilbereich im angesprochenen Markt und für das angebotene Produkt ist, und ob womöglich gerade dieses Produkt eine Zielgruppe anspricht, die mehr oder minder affin für so eine Ansprache ist. Ob es bei Büchern klappt, weiß ich nicht.
  Für durchaus vergleichbar mit unserem Betätigungsfeld, und damit für einen aussagekräftigen Großversuch für die Funktionsfähigkeit dieses Modells gegenüber anonymen Kunden auf einem "Massenmarkt" halte ich den Webcomic-Bereich, wo es ja regelmäßig "Donations" gibt. Da kann man feststellen, dass im Einzelfall durchaus erkleckliche Beträge zusammenkommen können, die je nach Ausgestaltung seitens des Betreibers sehr unterschiedlich sind - die aber insgesamt eher den Schluss nahelegen, dass nur ein winziger Teil der Kundschaft überhaupt auf diese Weise freiwillig Geld da lässt, und dass auch meist in eher geringem Umfang. Die Diskrepanzen zu den "Zahl-was-du-willst" Modellen, die man bei einzelnen Aktionen erzielt und die manche Real-Life-Läden erzielen können, sind jedenfalls erheblich ... erheblich geringer, um es deutlich zu sagen.
  Dennoch habe ich gerade in letzter Zeit ein paar Beispiele erlebt, wo Betreiber von Webcomic-Seiten auf diese Weise ganz erhebliche Summen mobilisiert haben. Summen, die mich förmlich aus den Stiefeln gehauen haben, um das auch deutlich zu sagen  :o. Aber all diese Summen wurden nicht über kursorische Aufforderungen an den Leser erzielt, einen angemessenen Betrag für seinen üblichen Konsum zu bezahlen, sondern über spezielle Ansprache und Sonderaktionen, über gezielte Aufrufe auf dem Blog der Comics oder auch über Kickstarter-Aktionen (wie beispielsweise http://www.kickstarter.com/projects/599092525/the-order-of-the-stick-reprint-drive oder http://www.kickstarter.com/projects/1554093685/erfworld-motion-comic-project).
  Das zeigt, dass da durchaus Geld drinsteckt in dem Ansatz, Kunden anzusprechen und ihnen zu überlassen, wie viel ihnen eine Sache wert ist. Es zeigt aber auch, wie sehr der Erfolg von der einzelnen Ansprache und von der "Besonderheit" dieses Modells abhängt und hinterlässt alles in allem ein zwiespältiges Gefühl, wie gut sich das Modell für den Day-to-Day-Handel eignet, und für Produkte, die nicht auf einen sehr großen festen "Kundenstamm" und hohe Kundenbindung zurückgreifen können.

Snöblumma

Guten Morgen, ihr Lieben!

Mich juckt es ja seit diese Diskussion aufgekommen ist, eine Antwort zu schreiben. So als Urheberrechtler und Bücherfreund gleichzeitig... ;). Aber weil ich mich wahrscheinlich immer dogmatisch voreingenommen mit dem Thema beschäftige, fand ich es spannend, auch einfach mal zuzusehen, was alles auf den Tisch kommt, wenn wirklich die Betroffenen selber reden, und nicht die Wissenschaft über die Betroffenen.

Vorweg sei gesagt: die Piraten sind eine ganz andere Diskussion für mich. Ich habe meine Sympathien mit ihnen, ganz ehrlich. Sie haben das Thema wieder hoch gebracht, sie haben ausgesprochen, was viele bewegt, und sie richten den Blick auf etwas, was vielen Mainstream-Parteien verloren gegangen ist: den Wert der individuellen Freiheitsrechte. Dass ein Großteil der Vorschläge undurchführbar, unrealistisch oder schlicht Unsinn ist, finde ich erst einmal zweitrangig. Solange die Diskussion endlich anläuft, darf der Ausgangspunkt meinethalben ein nicht Vertretbarer sein.

So, und weil ich schon mal dabei bin und es mich so in den Fingern juckt, verliere ich jetzt ein paar Worte zum geltenden Recht und hoffe, dass ich ein paar Punkte klären kann, die weiter oben aufkamen. Wer sich mit Urheberrecht auskennt, darf gerne die nächsten Seiten überspringen ;). Ich hoffe, ich werde nicht zu lecturer-haft, ich reiße mich zusammen – und ich vereinfache an manchen Stellen und verschone euch mit den letzten Feinheiten deutscher Urheberrechtsdogmatik.

Wovon reden wir eigentlich?
Das Urheberrecht ist ein Recht des Urhebers. Es besteht aus den Verwertungsrechten und den Urheberpersönlichkeitsrechten. Als ganzes ist es nicht veräußerlich, d.h. es können immer nur Nutzungsrechte eingeräumt werden. Das Urheberrecht bleibt beim Urheber, egal, was er macht. Die Verwertungsrechte beziehen sich auf die wirtschaftliche Seite, also auf die Vergabe von Nutzungsrechten an Verlage, Filmproduzenten, und so weiter. Die Persönlichkeitsrechte umfassen vor allem das Recht darauf, Entstellungen des eigenen Werkes zu verhindern und das Werk mit dem eigenen Namen zu versehen. Beide zusammen sind, um es mit den Worten Ulmers auszudrücken, die Äste an einem Baum, während das Urheberrecht gewissermaßen den Stamm bildet. Nichts ist ohne das andere denkbar, und beides gehört zusammen.
Darum endet in Deutschland auch das Urheberpersönlichkeitsrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. In Frankreich ist das beispielsweise anders, dort enden nur die wirtschaftlichen Befugnisse, das Persönlichkeitsrecht bleibt für immer. Unendlich. Und in den USA ist es nochmals ganz anders: das Copyright besteht maßgeblich aus wirtschaftlichen Rechten. Persönlichkeitsrechtliche Befugnisse gibt es grundsätzlich nicht, auch wenn die wissenschaftliche Diskussion die Einführung solcher Rechte durchaus im Blick hat.

Wieso gibt es das Urheberrecht?
Tja. Das ist die Frage, bei der es zum Schwur kommt. Wir wissen es nicht.
Die traditionell deutsche Sicht: wir schützen ein aus dem Naturrecht herrührendes Recht des Urhebers, das dadurch entsteht, dass der Urheber seine Persönlichkeit in sein Werk legt. Also eine Art verlängerter Ehrschutz. Das Problem daran: wenn das die einzige Wahrheit ist, dürften gerade wirtschaftlich erfolgreiche, in Teams produzierte Werke nicht geschützt sein. Alle auf Auftrag geschriebenen Werke auch nicht. Und alle für den Markt geschriebenen Werke auch nicht. Das kommt zwar dem deutschen Geniekult entgegen, hilft aber in einer modernen Kreativwirtschaft nicht weiter. Außerdem können wir das Urheberrecht dann ehrlicherweise nicht einschränken, selbst wenn es gute Gründe gibt. Denn wenn die Persönlichkeit des Urhebers das ist, was wir eigentlich schützen, dann steht auch seine Menschenwürde dahinter, und damit wäre Ende der Diskussion.
Wir schaffen einen Anreiz zum kreativen Schaffen.
So, das klingt erstmal gut, wird auch gerne so gesagt. Aber ist das wirklich so? Schaffen wir, weil wir ein Urheberrecht bekommen, oder weil wir kreative Menschen sind, die sich gerne ausdrücken? Auch Goethe hat geschrieben, ganz ohne Schutz. Er hat Sachen produziert, die als Weltkultur gelten, während heute der tausendste Abklatsch eines Bestsellers geschrieben wird in der Hoffnung auf Gewinn. Fakt ist: das können wir empirisch weder belegen noch entkräften, weil wir keine vergleichbare Situation haben. Wir wissen nicht, ob es genauso viel Kulturschaffen gäbe ohne das Urheberrecht, ob es vielleicht sogar mehr gäbe, weil mehr auf andere Werke zurückgegriffen werden würde, oder ob es qualitativ besser (weil die Menschen das schaffen, was sie wollen, und nicht der Markt) oder schlechter (weil nur noch Mashups und Mixware entstünde) wäre. Die Anreizthese ist nicht wirklich haltbar, weil die empirische Grundlage fehlt. Müssen wir die Künstler wirklich bezahlen für ihre Tätigkeit? Klar, die Urheber haben Herstellungskosten, nicht nur an Material, sondern vor allem an Zeit. Wieso aber wenden sie diese Zeit auf? Und wieso müssen wir zwangsläufig jemanden dafür bezahlen, dass er freiwillig seine Tätigkeit für Sache A investiert, wenn er auch in Sache B investieren könnte? Wenn er eine Fehlinvestition erbringt, die der Markt nicht honoriert, ist das eigentlich nicht Aufgabe des Gesetzgebers, ihn dafür zu schützen – freie Marktwirschaft. Freie Entscheidungen. Freies Risiko. Ungut für uns, die wir auf eine Zukunft als gut verdienende Bestsellerautoren hoffen, aber so ist das eben, in einer freien Welt.
Ökonomisch gesehen ist das Urheberrecht ein trade-off zwischen Verbreitung und Schutz.  Schutz ist nach traditioneller Lesart notwendig, um eine Übernutzung zu verhindern (tragedy of the commons): Wäre alles frei, würde jeder nach Gutdünken damit verfahren, das Gut würde heruntergewirtschaftet und verliert an Wert. Klassisches Beispiel: die Kuhweide, die jeder uneingeschränkt nutzen darf. Wenn alle ihre ganze Herde darauftreiben, ist die Weide bald abgegrast.
Nun ist das geistige Gut aber nicht begrenzt wie die Kuhweide. Wir können es beliebig oft nutzen, ohne dass es an Wert verliert. Wir können alle dasselbe Lied zeitgleich singen, aufführen, im Radio hören oder umdichten. Einmal abgesehen von möglichen Lärmbelästigungen stören wir uns gegenseitig in unseren Nutzungen nicht. Und das Lied an sich stört es auch nicht. Es bleibt so, wie es ist. Anders herum ist es aber Ziel urheberrechtlich geschützter Werke, kommuniziert zu werden und Kommunikation zu betreiben. Jede Nutzung, die nicht stattfindet, schmälert den kommunikativen Wert dieser Werke. Jeder Schutz, der zu viel gewährt wird, führt zu einer Unternutzung, indem nicht jeder, der auf die Werke zugreifen möchte und daraus etwas kreatives schaffen würde, darauf zugreifen kann. Das nennt sich die tragedy of the anticommons.
Und irgendwo in diesem Trade-off steckt das Urheberrecht fest, und wir fragen uns alle, wieso und weshalb wir was eigentlich schützen.

Fakt ist, wir schaffen mit den Rechten des geistigen Eigentums künstliche Märkte. Bei Sacheigentum ist es jedem klar, wie es entsteht. Besitz wird jedem begreifbar (ich sage nur: mein Bagger!!!! Nicht deiner!!!). Das Eigentum ist daraus abgleitet, aus der Notwendigkeit, die Sachherrschaft auch dann sicherzustellen, wenn man den Bagger mal ablegt und kurz zur Schaukel geht. Aber alles ist irgendwie greifbar und abgrenzbar. Der wirkliche Wert des geistigen Eigentums dagegen, die Gedanken, Inhalte und Ideen, ist an sich dazu da, weitergegeben zu werden und anderen als Grundlage für eigene Gedanken, Inhalte und Ideen zu dienen – sonst würden wir jeden Fortschritt verhindern. Früher einmal war die Verbreitung allein deshalb begrenzt, weil das Kopieren und das Trägermaterial unwahrscheinlich viel kostete. Man könnte also auch sagen: indem wir die körperlichen Begrenzungen überwunden haben, kommt das geistige Eigentum endlich seiner Bestimmung nach: sich zu verbreiten.
Die Träger sind endlich kostengünstig zu haben, mit Transaktionskosten, die gegen Null tendieren. Die Formgebung ist das einzige, das noch eine Leistung darstellt – und da kommt das Anreizdilemma ins Spiel. Wahrscheinlich würden die Menschen ihre Gedanken auch dann formen, wenn sie keinen Schutz dafür bekommen würden. Einfach, weil es in unserer Natur liegt, zu schaffen und zu formen.
Wenn man es auf die Spitze treibt, könnte man sogar behaupten, dass durch den Schutz Fehlinvestitionen bestärkt werden. Wir schützen eine Leistung, und zwar sehr, sehr stark und sehr, sehr weitgehend, zum Teil viel rigoroser als Sacheigentum. Das führt dazu, dass eine Goldgräberstimmung aufkommt, in der die Menschen lieber in Werke investieren statt in materielle Produktion, Landwirtschaft oder Konsumgüter. Das führt zu einer Fehlallokation von Kapital, auf Deutsch zu Verschwendung und Blasenbildung. Und über kurz oder lang zum Crash. Man könnte durchaus auch nachweisen, dass das, was gerade geschieht, nur geschieht, weil die Goldgräberstimmung zu viele Investoren angelockt hat und der Markt sich bereinigt. Ökonomisch kommen wir also bei der Begründung des Urheberrechts nicht weiter.
Ich finde nur, wir sollten immer im Blick behalten, dass wir von einer künstlichen Begrenzung eines Marktes sprechen, den es natürlicherweise nicht gibt. Und der dem eigentlichen Zweck der Kommunikation und kulturellen Fortentwicklung immer ein klein wenig im Weg steht. Protektion kann nicht die Antwort darauf sein, dass manche Leute nicht von ihrer Tätigkeit leben können. Nicht in einer freien Welt.

Was haben die Verlage damit zu tun?
Mit dem geistigen Eigentum: erst einmal nicht. Die Verlage bringen Investitionsleistungen, keine kreativen Leistungen. Sie senken, ökonomisch gesprochen, die Suchkosten für den Kunden. Statt fünf Stunden zu suchen, was ein tolles Buch ist, können wir in den Laden gehen und sicher sein, dort ein Buch unseres gewünschten Genres zu bekommen, das halbwegs qualitativ ist und nicht vor Rechtschreib- und Logikfehlern strotzt. Die Verlage senken die Kosten für Urheber und Nutzer, indem sie beide Seiten zusammenbringen. Damit nehmen sie eine sehr wichtige Funktion auf einem freien Markt wahr, die sich auch bezahlt gehört. Aber: das ist eine reine Investitionsleistung, keine Kreative! Darum haben die Verlage auch kein eigenes Urheberrecht, sondern nur abgeleitete Rechte. Weil wir Deutschland keinen reinen Investitionsschutz kennen. Anders wiederum: die USA. Da sieht die Sache ganz anders aus. Aber unser Recht ist nun mal so aufgebaut, und daran zu drehen würde eine fundamentale Neuordnung des Geistigen Eigentums erfordern.
Darum sind m.E. auch die Leistungsschutzrechte, die man Tonträgerherstellern und Filmproduzenten eingeräumt hat, aus dem Urheberrecht zu entfernen. Weil: sachfremd, systemwidrig und zu einem Großteil überflüssig. Darum darf es kein Leistungsschutzrecht für Verleger geben. Punkt.

Wieso endet das Urheberrecht und das Eigentum nicht?
Weil es an eine einmalige Leistung des Urhebers geknüpft ist. Und hier wird der Vergleich mit der Firma, der oben gelegentlich gebracht wurde, schief. Die Firma wirft nur dann Geld für die Erben ab, wenn sie weiter eine Leistung erbringt, die auf dem Markt gefragt ist. Der Urheber hat einmal ein Buch geschrieben. Dafür soll er entlohnt werden. Nicht seine Frau, nicht seine Kinder – die haben diese Leistung auch nicht erbracht. Wenn das Buch (bzw. die Firma) genug einbringt, damit alle davon bis auf weiteres leben können, sei es drum. Das kommt in beiden Bereichen vor. Aber wenn keine weitere Leistung mehr erbracht wird, dann gibt es auch nichts, das geschützt werden muss. Wenn die Erben nichts für die Firma tun, geht sie vor die Hunde. Wenn das Haus nicht mit Investitionen modernisiert wird, haben die Erben nichts davon. Wenn keine weitere Leistung des Urhebers mehr erfolgt, gibt es nichts schützenswertes. Und nochmals: die Leistung, die wir schützen, ist das Erschaffen, nicht das Marketing, die Marktstruktur oder der Markterfolg.
Der Schutz nach dem Tod ist insofern etwas sehr atypisches, das es sonst nirgends gibt. Es waren tatsächlich sozialpolitische Erwägungen (Versorgung der – in der Regel nicht arbeitenden – Witwe), die dazu geführt haben, überhaupt wirtschaftliche Rechte nach dem Tod zu gewähren. In einer Zeit, in der jeder für sich selbst sorgen kann, und es außerdem so etwas wie Rentenversicherung gibt, ist diese Erwägung, ketzerisch gesprochen, überflüssig...
Und was die Persönlichkeitsrechte angeht: die Erinnerung an eine Persönlichkeit, so sagt man, ,,verblasst". Wir können ihrer Ehre nicht mehr schaden, indem wir sie beleidigen und ihr Werk entstellen. Weil: Mensch tot, Ehre weg. Ein Rest bleibt im Andenken erhalten, und darum soll er für eine Zeit lang noch Schutz genießen. Nicht für immer, aber eine typisierte Zeit lang eben.

Was genau schützen wir eigentlich?
Das weiß auch niemand. Klassischerweise schützen wir die Leistung, die in der Formgebung steckt. Nicht und niemals die Inhalte. Wir schützen das, was der Urheber selbst schafft – aber was ist das? Wir alle wissen, dass es eigentlich nichts neues unter der Sonne gibt, und wollen trotzdem Bücher schreiben. Hat Tolkien nicht eigentlich Schutz für sein Volk der Orks verdient? Für die Leistung, sich aus allen möglichen Heldensagen Versatzstücke zusammenzunehmen, eine eigene Welt zu bauen und darin eine klassische Heldensaga ablaufen zu lassen? Hat der Urheber einer Bedienungsanleitung Schutz dafür verdient, dass er sie besonders verständlich schreibt? Was ist mit dem Wissenschaftler, der eine ganz neue Theorie aufstellt, mit bedeutender Geistesarbeit und Leistung dahinter?
Fakt ist: das geistige Eigentum hat einen Schutzgegenstand, den wir immer nur konstruieren können. Er ergibt sich nicht von selbst, sondern ist erst durch den Gesetzgeber geschaffen worden. Um bestimmten Zwecken zu dienen (womit wir wieder bei der Frage wieso wären). Um gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu steuern. Aber er ergibt sich nicht von selbst und aus der Sache heraus – anders als beim Sacheigentum, das ziemlich sehbar begrenzt ist.

Und wo liegen die Probleme?
Die Abmahnerei:
Das ist in der Tat ein ganz eigenes Problem. Dass es nur fair ist, wenn man seine Rechte wahrnimmt, keine Frage. Das Problem daran sind auch nicht die Strafzahlung selber (gedeckelt), sondern die Anwaltskosten. Und die bekommt man nicht in den Griff, weil diese Fälle in aller Regel durchaus einiges an Sachkunde und Ermittlungsarbeit erfordern. Tja. Problem.
Die Akzeptanz:
Liegt m.E. daran, dass die Regelung viel zu kompliziert geworden ist. Wer weiß schon genau, was er wann darf und was nicht? Da würde eine radikale Neuregelung vielleicht gut tun ;).
Die Bezahlung in Zeiten einfacher Kopien:
Ich bin gegen Pay-per-click oder andere Modelle, die mit Wasserzeichen und so weiter arbeiten. Ganz ehrlich: die Freiheit, die wir dafür aufgeben, ist viel mehr wert als jedes wirtschaftliche Gut. Wir stellen mit solchen Zwangsmodellen jeden unter Generalverdacht und zwingen ihn dazu, das Recht zu achten. An der Stelle bin ich (auch wenn ich es hasse, das sagen zu müssen, ich linke Socke) marktgläubig. Wenn die Leute nichts dafür zahlen, ist die Leistung, die ihnen angeboten wird, am Markt vorbei und sollte nicht künstlich aufrecht erhalten und protegiert werden. Aus welchem Grund das so ist, ist an anderen herauszufinden. Vielleicht gibt es keine passenden, einfachen Bezahlmodelle. Vielleicht wollen die Leute zwar die fünftausendste Twilight-Abklatsche lesen, wissen aber, dass das eigentlich keine großartige Leistung ist, für die zu bezahlen sich lohnt. Vielleicht sammeln sie einfach nur Sachen, ohne sie je anzuschauen. Vielleicht wurde ihnen nicht kommuniziert, wie viel Arbeit hinter einem Werk steckt. Aber das sind alles nicht Probleme, die man mit Zwang und Überwachung lösen sollte. Sondern marktimmanente Vorgänge, auf die man reagieren muss, wenn man weiter Geschäfte machen will. Seit Amazon den einfachen MP3-Download hat, ist die Hemmschwelle, mal eben 89 Cent für ein Lied zum Probehören auszugeben, gesunken. Man muss nicht ewig suchen (Kosten!), hat keine schlechte Qualität und kann sichergehen, dass es funktioniert. Amazon hat ein marktfähiges Modell entwickelt. Andere haben nicht so schnell reagiert und müssen mit Umsatzeinbußen rechnen. Marktwirtschaft, Baby. So läuft das – was nicht heißen soll, wiederum, dass ich die Entwicklung von Amazon und Google toll finde. Aber das ist Aufgabe des Kartellrechts, nicht des Urheberrechts, und darum halte ich nicht auch noch ein Co-Referat zum Kartellrecht ;).

So, das mal zum Urheberrecht an sich. Und meine eigene Meinung? Um ganz ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Vor meiner Diss war ich sehr überzeugt davon, dass wir viel zu viel schützen und sich das alles reduziert gehört. In der Mitte meiner Diss war ich überzeugt davon, dass wir zu wenig schützen. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass das geltende Urheberrecht ein ziemliches Chaos ist, das noch dazu mit tausenden Nebenrechten und ideologischen Streitigkeiten behaftet ist.
Was mich besonders nachdenklich gemacht hat: gerade die neoliberalen Kräfte in den USA müssen nach ihren eigenen Berechnungen zugeben, dass wir weit über das Ziel hinausgeschossen sind. Wir schützen künstlich, wo es keinen Markt gibt, erschaffen Monopole, die zu volkswirtschaftlichen Einbußen führen. Darum schwenken viele Wissenschaftler in den USA auf die alte, kontinentaleuropäische Sichtweise des Persönlichkeitsrechtes um – und ich finde mich auf einmal mit neoliberalen Argumentationssträngen wieder, um die Freiheit zu verteidigen. Dass mir das mal passieren würde, hätte ich auch nicht gedacht...

Nun ja, das wäre es an Gedanken meinerseits erst einmal. Ich hoffe, ich habe euch nicht mit der Urheberrechtsdogmatik erschlagen. Und ich hoffe, ihr diskutiert munter weiter, weil: ich finde es wahnsinnig spannend, mir anzuhören, wie breit die Spannweite unter den Betroffenen ist. Ich denke, den Punkt ,,Interessen der betroffenen Kreise" in meiner Diss muss ich unbedingt um ein Unterkapitel erweitern ;).

Und: ich hoffe auf Widerspruch. Auf Diskussion. Darauf, dass ihr mir zeigt, wo ich falsch liege. Mein wissenschaftlicher Eros ist gerade geweckt und ist auch gerne zu weitergehenden Diskussionen und Erläuterungen bereit. Ich liebe das Urheberrecht einfach....

Tintenweberin

Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54
Und: ich hoffe auf Widerspruch. Auf Diskussion. Darauf, dass ihr mir zeigt, wo ich falsch liege. Mein wissenschaftlicher Eros ist gerade geweckt und ist auch gerne zu weitergehenden Diskussionen und Erläuterungen bereit. Ich liebe das Urheberrecht einfach....

Ich muss dich enttäuschen, liebe Snö. Was du schreibst ist spannend, verständlich und nachvollziehbar. Außerdem trifft es genau den Kern im schmodderigen Wust des Unbehagens, in dem ich schon seit einiger Zeit ergebnislos herumstochere. Vielen Dank für diese Ausführungen.

Feuertraum

Auch von mir einen schönen Guten Morgen!

@ Snöblumma: Vielen lieben Dank für die sehr ausführliche Erörterung und die Bitte, dazu etwas zu sagen (das möchte ich nämlich jetzt tun  ;D)

Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54


Wovon reden wir eigentlich?
Das Urheberrecht ist ein Recht des Urhebers. Es besteht aus den Verwertungsrechten und den Urheberpersönlichkeitsrechten. Als ganzes ist es nicht veräußerlich, d.h. es können immer nur Nutzungsrechte eingeräumt werden. Das Urheberrecht bleibt beim Urheber, egal, was er macht. Die Verwertungsrechte beziehen sich auf die wirtschaftliche Seite, also auf die Vergabe von Nutzungsrechten an Verlage, Filmproduzenten, und so weiter. Die Persönlichkeitsrechte umfassen vor allem das Recht darauf, Entstellungen des eigenen Werkes zu verhindern und das Werk mit dem eigenen Namen zu versehen.

Und hier möchte ich einen kleinen Einwurf einbringen, wobei man jetzt eine Definition des Wortes "Entstellung des eigenen Wertes verhindern" klären müsste.
Es gibt das Genre "Parodie", die eben von diesen "Entstellungen" lebt, und da sollte es möglich sein, Gandalf der Graue statt mit Pfeifchen eben mal mit einem Joint auszustatten. Oder aus Sherlock Holmes einen Sir Lock Homes zu machen.

ZitatWieso gibt es das Urheberrecht?
Tja. Das ist die Frage, bei der es zum Schwur kommt. Wir wissen es nicht.
Die traditionell deutsche Sicht: wir schützen ein aus dem Naturrecht herrührendes Recht des Urhebers, das dadurch entsteht, dass der Urheber seine Persönlichkeit in sein Werk legt. Also eine Art verlängerter Ehrschutz. Das Problem daran: wenn das die einzige Wahrheit ist, dürften gerade wirtschaftlich erfolgreiche, in Teams produzierte Werke nicht geschützt sein. Alle auf Auftrag geschriebenen Werke auch nicht. Und alle für den Markt geschriebenen Werke auch nicht.

Warum nicht? Steckt in Auftragsarbeiten/Arbeiten für den Markt nicht auch ein wenig der eigenen Persönlichkeit?

ZitatKlar, die Urheber haben Herstellungskosten, nicht nur an Material, sondern vor allem an Zeit. Wieso aber wenden sie diese Zeit auf? Und wieso müssen wir zwangsläufig jemanden dafür bezahlen, dass er freiwillig seine Tätigkeit für Sache A investiert, wenn er auch in Sache B investieren könnte? Wenn er eine Fehlinvestition erbringt, die der Markt nicht honoriert, ist das eigentlich nicht Aufgabe des Gesetzgebers, ihn dafür zu schützen – freie Marktwirschaft. Freie Entscheidungen. Freies Risiko. Ungut für uns, die wir auf eine Zukunft als gut verdienende Bestsellerautoren hoffen, aber so ist das eben, in einer freien Welt.

Jetzt einmal davon abgesehen, dass diese Passage so gar nichts mit dem Urheberrecht zu tun hat...Ich kann mich ganz dunkel daran erinnern, dass sich manche Banken und manche (große) Firmen noch vor der Eurokrise ins Abseits gewirtschaftet haben, und der Staat war da, um sie finanziell zu stützen/unterstützen. Auch wir Autoren sind indirekt geschützt, weil es immer noch ein soziales Netz gibt, das uns auffängt.
Aber wie gesagt: andere Spielkarten... ;)

Zitat
Wenn man es auf die Spitze treibt, könnte man sogar behaupten, dass durch den Schutz Fehlinvestitionen bestärkt werden. Wir schützen eine Leistung, und zwar sehr, sehr stark und sehr, sehr weitgehend, zum Teil viel rigoroser als Sacheigentum. Das führt dazu, dass eine Goldgräberstimmung aufkommt, in der die Menschen lieber in Werke investieren statt in materielle Produktion, Landwirtschaft oder Konsumgüter. Das führt zu einer Fehlallokation von Kapital, auf Deutsch zu Verschwendung und Blasenbildung. Und über kurz oder lang zum Crash. Man könnte durchaus auch nachweisen, dass das, was gerade geschieht, nur geschieht, weil die Goldgräberstimmung zu viele Investoren angelockt hat und der Markt sich bereinigt. Ökonomisch kommen wir also bei der Begründung des Urheberrechts nicht weiter.

Das ist eine Aussage, die ich so nicht unterschreiben will. Selbst wenn ein Autor sich hinstellt und Geld "in sein Werk" investiert, ist es ja nicht wirklich weg. Es hat ja in dem Moment ein anderer, der nun wiederum die Möglichkeit hat, sich etwas davon zu kaufen, sprich in (Luxus)-Produkte "investiert", die er sich vorher nicht leisten konnte, weil ihm das Geld dazu fehlte.
Das, was Sie beschreiben, sehe ich eher als ein: "Alle machen nur noch Kunst", und das trifft ja nicht zu.

ZitatIch finde nur, wir sollten immer im Blick behalten, dass wir von einer künstlichen Begrenzung eines Marktes sprechen, den es natürlicherweise nicht gibt. Und der dem eigentlichen Zweck der Kommunikation und kulturellen Fortentwicklung immer ein klein wenig im Weg steht. Protektion kann nicht die Antwort darauf sein, dass manche Leute nicht von ihrer Tätigkeit leben können. Nicht in einer freien Welt.

:jau:

ZitatDarum sind m.E. auch die Leistungsschutzrechte, die man Tonträgerherstellern und Filmproduzenten eingeräumt hat, aus dem Urheberrecht zu entfernen. Weil: sachfremd, systemwidrig und zu einem Großteil überflüssig. Darum darf es kein Leistungsschutzrecht für Verleger geben. Punkt.

Auch hier ein  :jau:



ZitatFakt ist: das geistige Eigentum hat einen Schutzgegenstand, den wir immer nur konstruieren können. Er ergibt sich nicht von selbst, sondern ist erst durch den Gesetzgeber geschaffen worden. Um bestimmten Zwecken zu dienen (womit wir wieder bei der Frage wieso wären). Um gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu steuern. Aber er ergibt sich nicht von selbst und aus der Sache heraus – anders als beim Sacheigentum, das ziemlich sehbar begrenzt ist.

Eigentlich sehe ich das ganze überhaupt nicht als konstruiert an. Wenn ein Arbeiter seine Hände einsetzt und körperlich (mehr oder minder hart) arbeitet, dann genießt er einen gesetzlichen Schutz davor, dass man ihn nicht ausbeutet und fair bezahlt (naja, okay, in der Theorie. Die Praxis sieht anders aus...). Da ist es mbMn. nur fair, wenn auch der geistig Schaffende für seine Arbeit einen Schutz verdient.

ZitatAn der Stelle bin ich (auch wenn ich es hasse, das sagen zu müssen, ich linke Socke) marktgläubig. Wenn die Leute nichts dafür zahlen, ist die Leistung, die ihnen angeboten wird, am Markt vorbei und sollte nicht künstlich aufrecht erhalten und protegiert werden. Aus welchem Grund das so ist, ist an anderen herauszufinden. Vielleicht gibt es keine passenden, einfachen Bezahlmodelle. Vielleicht wollen die Leute zwar die fünftausendste Twilight-Abklatsche lesen, wissen aber, dass das eigentlich keine großartige Leistung ist, für die zu bezahlen sich lohnt. Vielleicht sammeln sie einfach nur Sachen, ohne sie je anzuschauen. Vielleicht wurde ihnen nicht kommuniziert, wie viel Arbeit hinter einem Werk steckt. Aber das sind alles nicht Probleme, die man mit Zwang und Überwachung lösen sollte. Sondern marktimmanente Vorgänge, auf die man reagieren muss, wenn man weiter Geschäfte machen will. Seit Amazon den einfachen MP3-Download hat, ist die Hemmschwelle, mal eben 89 Cent für ein Lied zum Probehören auszugeben, gesunken. Man muss nicht ewig suchen (Kosten!), hat keine schlechte Qualität und kann sichergehen, dass es funktioniert. Amazon hat ein marktfähiges Modell entwickelt. Andere haben nicht so schnell reagiert und müssen mit Umsatzeinbußen rechnen. Marktwirtschaft, Baby. So läuft das – was nicht heißen soll, wiederum, dass ich die Entwicklung von Amazon und Google toll finde. Aber das ist Aufgabe des Kartellrechts, nicht des Urheberrechts, und darum halte ich nicht auch noch ein Co-Referat zum Kartellrecht ;).

Das ist eine Aussage, die in mir zwei Seiten hervorruft. Einerseits gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht: Wenn ein Produkt auf den Markt kommt, das keinen Menschen interessiert, hat der Hersteller einen Griff ins Klo getan. Das kann aber auch großen Firmen passieren, die eine Süßigkeit auf den Markt werfen, die dann aber nach 6 Monaten wieder verschwunden ist, weil die Resonanz nicht so groß ist wie erhofft (ich verfluche Gubor dafür, dass sie eine bestimmte Schokoladenspezialität deswegen rausgeschmissen haben - dies war nämlich die einzige Schoki von denen, die für mich als Hochgenuss empfand und bereit war, meine 6,80 DM dafür auszugeben  :brüll:)
Andererseits ist es vielleicht verkehrt, von vornherein zu sagen, dass man ein totes Pferd nicht mehr reiten kann. Beispiel Kirschcola. Als sie das erste mal rauskam (da war ich 18 Jahre), hielt sie sich nur ein paar Monate auf dem Markt und wurde dann wieder gestoppt, weil sie keiner haben wollte. 10 - 12 Jahre (?) später kam sie erneut auf den Markt - und hält sich seitdem. Interessanterweise, wo doch für diese Sorte keine Werbung gemacht wird...
Apropos Werbung: Wenn diese nur intensiv ins Hirn des Konsumenten gehämmert wird, kann es ebenfalls passieren, dass ein eigentlich totes Produkt zum Verkaufsschlager wird.

So, das waren meine zwei Cents dazu. Ich habe übrigens noch einen Hinweis an Debbie und eine Frage an Lomax:

@ Debbie: Sie schrieben, wer ein Kunstwerk fotografiert oder es nachmacht, der begeht Diebstahl.
Das ist allerdings nicht richtig - ich dürfte - wenn mir danach ist - eine Badewanne mit Butter beschmieren oder ein Bild von Picasso nachmalen und bei mir aufhängen. Es darf nur nicht in die Öffentlichkeit.
Sprich: Privatkopien sind erlaubt (http://de.wikipedia.org/wiki/Privatkopie#Deutschland)

@ Lomax: Ich habe einiges zum Thema "Leistungsschutzrecht" gehulbeet und gefunden, allerdings aus den ganzen Beiträgen wird mir nicht ersichtlich, in wie weit das Urheberrecht davon betroffen ist.
Sind Sie so lieb, mir das kurz zu erklären?




Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Snöblumma

Zitat von: Feuertraum am 15. April 2012, 12:33:10
Und hier möchte ich einen kleinen Einwurf einbringen, wobei man jetzt eine Definition des Wortes "Entstellung des eigenen Wertes verhindern" klären müsste.
Es gibt das Genre "Parodie", die eben von diesen "Entstellungen" lebt, und da sollte es möglich sein, Gandalf der Graue statt mit Pfeifchen eben mal mit einem Joint auszustatten. Oder aus Sherlock Holmes einen Sir Lock Homes zu machen.
Darum ist es auch höchst umstritten, ob die Parodie zulässig ist und unter welchen Bedingungen. Das ist eines der Probleme umfassenden Schutzes: eine kreative Beschäftigung mit einem Werk, wie die Parodie, ist dann theoretisch nicht möglich. Wäre schade, nicht?

Zitat
Warum nicht? Steckt in Auftragsarbeiten/Arbeiten für den Markt nicht auch ein wenig der eigenen Persönlichkeit?
Im Idealfall: nein. Nehmen Sie einen beliebigen Werbefilm. Da geht es darum, das Image der Marke zu transportieren und beim Publikum ein gutes Bild zu hinterlassen. Ob der Werber Autos mag oder für umweltpolitischen Wahnsinn hält, ist vollkommen irrelevant. Ob er lieber blaue Autos mag statt graue, ist irrelevant. Im Idealfall ist das kreative Schaffen für den Markt unabhängig von der Persönlichkeit des Urhebers. Und es findet in Teams statt, jedenfalls dort, wo wirklich Geld gemacht wird. Was dann?

Zitat
Jetzt einmal davon abgesehen, dass diese Passage so gar nichts mit dem Urheberrecht zu tun hat...Ich kann mich ganz dunkel daran erinnern, dass sich manche Banken und manche (große) Firmen noch vor der Eurokrise ins Abseits gewirtschaftet haben, und der Staat war da, um sie finanziell zu stützen/unterstützen. Auch wir Autoren sind indirekt geschützt, weil es immer noch ein soziales Netz gibt, das uns auffängt.
Aber wie gesagt: andere Spielkarten... ;)
Es hat mit dem Urheberrecht zu tun, wenn man es als Schutz der Arbeits- und Investitionsleistung auffasst. Das mit den Banken ist eine andere Frage - auch das war eine Fehlallokation von Kapital, die sich spektakulär aufgelöst hat. Ob man da hätte retten sollen, hat ja nichts mit unserem Thema zu tun ;).

Zitat
Das, was Sie beschreiben, sehe ich eher als ein: "Alle machen nur noch Kunst", und das trifft ja nicht zu.
Gegenfrage: Aber vielleicht machen zu viele zu viel Kunst? Oder vielleicht machen zu viele die falsche Kunst, nämlich solche, die das Publikum nicht mag? Das wissen wir einfach nicht. Aber wir schützen es einfach mal. Weil wir glauben, dass Kunst geschützt werden sollte. Nicht, weil wir wissen, wieso.

Zitat
Eigentlich sehe ich das ganze überhaupt nicht als konstruiert an. Wenn ein Arbeiter seine Hände einsetzt und körperlich (mehr oder minder hart) arbeitet, dann genießt er einen gesetzlichen Schutz davor, dass man ihn nicht ausbeutet und fair bezahlt (naja, okay, in der Theorie. Die Praxis sieht anders aus...). Da ist es mbMn. nur fair, wenn auch der geistig Schaffende für seine Arbeit einen Schutz verdient.
Der Arbeiter wird dafür bezahlt, dass er für einen anderen seine Zeit investiert und für diesen anderen etwas herstellt, dass dieser andere haben will. Der Autor geht in Vorleistung, ist also der Unternehmer. Er ist nicht wirklich vergleichbar mit dem angestellten Arbeiter, der fremdbestimmt, aber bezahlt etwas leistet. Wieso also sollte der Autor geschützt werden wie ein Arbeiter? Wenn er angestellter Arbeiter ist, beispielsweise in einer Werbefirma, genießt er auch Arbeitsschutzrechte. Dem Arbeiter gehört das Ergebnis nicht - wieso sollte es dem angestellten Urheber gehören? Dafür gibt es nicht wirklich eine stringente Erklärung.
Die Locke'sche Eigentumstheorie vielleicht: dass das, was wir mit unserer Hände Arbeit schaffen, uns als Eigentum zusteht, weil wir dafür etwas leisten (und arbeiten). Sprich: Zeit und Arbeit führen zu Eigentum. Nun würde dies dazu führen, dass wir dem Urheber immer dann Schutz und Eigentum zusprechen müssten, wenn er nur lange genug dafür gearbeitet hat. Machen die Engländer. Führt im Ergebnis dazu, dass sehr kreative, spontan hinge"rotzte" Ergüsse, beispielsweise ein Gedicht, weniger Schutz genießen müssten als eine lange geplante Werbekampagne. Gefühlt ist uns das künstlerisch wertvolle Gedicht dann aber doch mehr wert als der Werbeslogan "Nichts ist unmöglich", "Vorsprung durch Technik" oder "Freude am Fahren". Weil diese Werbeslogans zwar mit unwahrscheinlichem Aufwand an Kapital, Psychologie und Kreativität entstanden sind, aber Georg Heyms Gedichte uns irgendwie doch wertvoller erscheinen...selbst wenn er sie innerhalb von fünf Minuten in einer sponanen Gedankenregung hingeschrieben hätte. Gerade das Genie, das wenig Arbeit und Zeit investiert, wäre dann nicht geschützt. Dilemma, ich seh dir trapsen ;).


Zitat
Das ist eine Aussage, die in mir zwei Seiten hervorruft. Einerseits gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht: Wenn ein Produkt auf den Markt kommt, das keinen Menschen interessiert, hat der Hersteller einen Griff ins Klo getan. Das kann aber auch großen Firmen passieren, die eine Süßigkeit auf den Markt werfen, die dann aber nach 6 Monaten wieder verschwunden ist, weil die Resonanz nicht so groß ist wie erhofft (ich verfluche Gubor dafür, dass sie eine bestimmte Schokoladenspezialität deswegen rausgeschmissen haben - dies war nämlich die einzige Schoki von denen, die für mich als Hochgenuss empfand und bereit war, meine 6,80 DM dafür auszugeben  :brüll:)
Andererseits ist es vielleicht verkehrt, von vornherein zu sagen, dass man ein totes Pferd nicht mehr reiten kann. Beispiel Kirschcola. Als sie das erste mal rauskam (da war ich 18 Jahre), hielt sie sich nur ein paar Monate auf dem Markt und wurde dann wieder gestoppt, weil sie keiner haben wollte. 10 - 12 Jahre (?) später kam sie erneut auf den Markt - und hält sich seitdem. Interessanterweise, wo doch für diese Sorte keine Werbung gemacht wird...
Apropos Werbung: Wenn diese nur intensiv ins Hirn des Konsumenten gehämmert wird, kann es ebenfalls passieren, dass ein eigentlich totes Produkt zum Verkaufsschlager wird.
Tja, Marketing ist eine andere Sache. Kann man auch als Urheber machen. Erfordert Kapital...
Und wenn der Markt gerade nicht reif ist, ist das eben auch Marktwirtschaft. Wie viele Firmen sind schon gescheitert, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren? Ich sage nur IBM, das den PC fast verschlafen hätte - und andere verdienen daran? Auch das richtige Timing ist Teil des marktwirtschaftlichen Erfolges. Bitter, aber so ist es.

Ich sage ja, ich werfe immer mehr mit wirtschaftlichen Argumenten um mich, obwohl mir das zutiefst widerstrebt. Ich bin kein Freund hemmungsloser Marktwirtschaft, nie gewesen. Aber je mehr ich im Urheberrecht gemacht habe, umso mehr gefielen mir diese Gedanken - weil sie dazu führen, dass die Freiheit betont wird, und nicht die Protektion. Keiner von uns weiß, wohin der Fortschritt laufen sollte, weil keiner klüger ist als der andere. Und der selbstzerstörerische Prozess des freien Marktes hat wenigstens den Vorteil, dass niemand sich sagen lassen muss, was angeblich besser für ihn ist.
Und: es heißt ja nicht, dass es gar kein Urheberrecht geben sollte. Nur mit dem Urheberrecht können Marktprozesse überhaupt wirken. Nur wo es aufhören sollte, ist möglicherweise ein Punkt, an der im Interesse der Freiheit, der Allgemeinheit und anderer Urheber neu nachgedacht werden muss.

Kaeptn

Zitat von: Feuertraum am 14. April 2012, 09:49:30
Angenommen, Sie spielen mit dem Gedanken, sich...sagen wir mal...eine neue Stereoanlage zuzulegen. Sie gehen also in ein Geschäft, dass solche Geräte verkauft und lassen sich von dem Verkäufer intensiv beraten. Am Ende des - sagen wir mal halbstündigen - Gesprächs bedanken Sie sich und verlassen mit den Worten "Ich muss da noch mal eine Nacht drüber schlafen" das Geschäft.
Natürlich, das ist legitim, keiner kann gezwungen werden, etwas zu kaufen (ja, okay, von der GEZ mal abgesehen). Dennoch haben Sie als potentieller Kunde die 30 Minuten Nutzen und nichts dafür bezahlen brauchen.
Wahrscheinlich wird jetzt der eine oder andere von Ihnen sagen, dass dafür doch der Arbeitgeber zuständig ist, dass sein Verkäufer entlohnt wird.
Natürlich, aber wie der Autor sich hinstellt und sagt, ich muss zusehen, dass ich von meiner Arbeit leben kann und deswegen so gut schreiben, dass ich möglichst viele Nutzer/Käufer finde, so muss auch der Verkäufer sagen, ich muss möglichst viel verkaufen, dass soviel Geld in die Kasse gespült wird, dass Chef mich weiterhin bezahlen kann.

Den Beitrag wollte ich nochmal hochziehen, denn da fehlte mir die passende Antwort.
So wie es dem Verkäufer geht, geht es doch auch sehr vielen Autoren, die Bücher schreiben, die kein Verlag will. Die Zeit, die sie darin investiert haben, bekommen sie ja auch nicht entlohnt. Folglich geht es dem verkäufer auch nicht schlechter als den Autoren.
Bekannte Autoren verkaufen dann alles, genauso wie Verkäufer in bekannten Märkten alles verkaufen (denn wer lässt sich schon im MediaMarkt beraten?), weniger bekannten Autoren geht es da aber eher so wie Verkäufern in kleinen Läden. Viel Aufwand, nur manchmal ein Verkauf.

Einen lieben Dank an dieser Stelle an treogen für die vielen Einblicke. Ich frage mich allerdings, warum sich da keine Gegenbewegung zu den Monopolisten in Groß- und Einzelhandel andeutet? Warum schließen sich nicht Dutzende Klein- und Mittelgroße Verlage zusammen und machen einen eigenen Großhändler als Genossenschaft auf? Wenn alle Verleger auf die Grossisten so einen Hals haben, müsste man sich doch eigentlich zusammenfinden können. Oder ist der Konkurrenzkampf untereinander dann doch wieder so groß, dass man sowas nicht durchsetzen kann? Gerade jetzt wo z.B. Weltbild verkauft werden soll, böte sich doch die Gelegenheit, als Genossenschaft einen funktionierenden Betrieb (zumindest in Teilen) zu übernehmen, der dann im Sinne der Verlage handelt. Aber das ist wohl zu sehr OT.

Lomax

Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54ich hoffe auf Widerspruch.
So richtig widersprechen kann ich nicht. Das meiste könnte ich mehr oder minder unterstreichen, und wo ich im Einzelfall das Gefühl habe, dass ich manches womöglich anders sehen würde, betrifft das eher die Schlussfolgerungen - bei denen du ja auch sagst, dass du da nicht recht weißt, was die beste Lösung für alle Probleme wäre  ;)
Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54Dafür soll er entlohnt werden. Nicht seine Frau, nicht seine Kinder – die haben diese Leistung auch nicht erbracht. Wenn das Buch (bzw. die Firma) genug einbringt, damit alle davon bis auf weiteres leben können, sei es drum. Das kommt in beiden Bereichen vor. Aber wenn keine weitere Leistung mehr erbracht wird, dann gibt es auch nichts, das geschützt werden muss. Wenn die Erben nichts für die Firma tun, geht sie vor die Hunde. Wenn das Haus nicht mit Investitionen modernisiert wird, haben die Erben nichts davon. Wenn keine weitere Leistung des Urhebers mehr erfolgt, gibt es nichts schützenswertes. Und nochmals: die Leistung, die wir schützen, ist das Erschaffen, nicht das Marketing, die Marktstruktur oder der Markterfolg.
Der Schutz nach dem Tod ist insofern etwas sehr atypisches, das es sonst nirgends gibt.
Wenn überhaupt, dann bin ich am ehesten damit unzufrieden. Denn ich habe das Gefühl, dieser Standpunkt speist sich ein wenig allzu sehr aus der Ableitung des Urheberrechts als "Persönlichkeitsrecht" - was in der Diskussion eher eine vernachlässigte Perspektive ist gegenüber der Rechtfertigung des Urheberrechts als Honorierung der Leistung des Urhebers.
  Und wenn man die Ertragsmöglichkeiten, die sich aus dem Urheberrecht ableiten lassen, vor allem als Honorierung des Urhebers versteht, dann ist die Vererbbarkeit des Urheberrechts keinesfalls fremd, sondern im Gegenteil sehr analog zu anderen Eigentumsschutzrechten. Denn ein Erwerb vollzieht sich ja nicht nur fürs Individuum, sondern es liegt regelmäßig im Interesse des Einzelnen, dass der von ihm erworbene Besitz auch der Familie zu tun hat. Wenn ich arbiete, bekomme ich etwas dafür. Dass damit meine Familie absichern will, auch über meinen Tod hinaus, ist ein legitimes und auch in anderen Bereichen geschütztes Rechtsinteresse.
  Und wenn man die Legitimation des Urheberrechts vor allem aus der "Honorierung der Leistung" bezieht, ist der Schutz über den Tod des Urhebers durchaus folgerichtig. Denn die Leistung ist ja dieselbe, ob ich ein Buch jetzt mit zwanzig schreibe und dann fünfzig Jahre selbst alle Verwertungsrechte ausbeuten kann, oder ob ich es einen Jahr vor meinem Tod herausgebe - während ich im ersten Fall ja auch den Ertrag von 50 Jahren Nutzen vererben könnte, ist schwer einsehbar, warum im zweiten Fall die Erben leer ausgehen und andere an meiner Leistung verdienen sollen. Der von dir angesprochene Sachverhalt, dass die Erben diese Leistung ja nicht erbringen und beispielsweise auch dann nicht honoriert würden, wenn sie eine Firma erben und damit nicht zu wirtschaften verstehen, spricht m.E. nach nicht gegen eine Vererbbarkeit von Urheberrechten.
  Denn auch im Fall von Urheberrechten verdienen die Erben ja nichts, wenn sie mit den Rechten nicht zu wirtschaften verstehen. Damit ist nach meiner Einschätzung der vererbare Schutz nach dem Tod nichts "atypisches", sondern ganz im Gegenteil 1:1 vergleichbar mit der Vererbbarkeit von Sachbesitz im Güterrecht. Ich vererbe die Schutzrechte genauso wie im materiellen Bereich eine "Firma" oder ein "Haus" - als ein (in dem Fall nur immaterielles) Gut, das bei entsprechender Bewirtschaftung und Verwertung meinen Erben die Möglichkeit gibt, von meinen Leistungen zu profitieren. Wenn die Erben das verkommen lassen und nicht nutzen, kann ihnen dieses Erbe in beiden Fällen zwischen den Fingern zerrinnen - aber in beiden Fällen ist es immer erst mal eine vom Gesetzgeber gesicherte Übertragung, die es den Erben überhaupt erst erlaubt, damit zu Wirtschaften, und die ihnen einen geschützten Start für dieses Wirtschaften garantiert.

Zitat von: Feuertraum am 15. April 2012, 12:33:10@ Lomax: Ich habe einiges zum Thema "Leistungsschutzrecht" gehulbeet und gefunden, allerdings aus den ganzen Beiträgen wird mir nicht ersichtlich, in wie weit das Urheberrecht davon betroffen ist.
Sind Sie so lieb, mir das kurz zu erklären?
Eigentlich hat Snö, nach meinem Empfinden, die Frage schon sehr klar beantwortet, und hat vor allem mit dieser Aussage genau den Kern des Problems getroffen:
Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54Darum haben die Verlage auch kein eigenes Urheberrecht, sondern nur abgeleitete Rechte.
So ist das derzeit.
Aber ein Leistungsschutzrecht ist im Unterschied zu den Verwertungsrechten eben kein aus dem Urheberrecht abgeleitetes Recht, sondern ein originäres Recht, das der Verlag an dem Werk erhält - unabhängig und in Konkurrenz zum Urheberrecht.

Alana

#57
@Snö und treogen: Vielen Dank für diese ausführlichen Informationen. Ich finde das Alles unheimlich spannend.

ZitatIm Idealfall: nein. Nehmen Sie einen beliebigen Werbefilm. Da geht es darum, das Image der Marke zu transportieren und beim Publikum ein gutes Bild zu hinterlassen. Ob der Werber Autos mag oder für umweltpolitischen Wahnsinn hält, ist vollkommen irrelevant. Ob er lieber blaue Autos mag statt graue, ist irrelevant. Im Idealfall ist das kreative Schaffen für den Markt unabhängig von der Persönlichkeit des Urhebers. Und es findet in Teams statt, jedenfalls dort, wo wirklich Geld gemacht wird. Was dann?

Bei Werbefilmen mag das zutreffen, weil man sie in den meisten Fällen gar nicht als Kunst begreift. Ein Werbefilm, der einen künstlerischen Anspruch hat, wird immer auch die Persönlichkeit des Teams widerspiegeln, das ihn produziert hat. Außerdem würde ich auch bezweifeln (mal abgesehen von Werbung), dass es der Idealfall ist, dass bei Auftragsarbeiten die Persönlichkeit des Urhebers nicht in das Produkt fließt. Das wäre meines erachtens nur dann der Fall, wenn der Auftraggeber die komplette Handlung vorgibt und der Autor nur noch schreibt. Aber auch dann könnten man mit stilistischen Elementen argumentieren.
Der Auftraggeber beauftragt doch einen Künstler, weil er sich selber nicht mit der Erschaffung dieses Produkts befassen kann oder will. In den Branchen, über die wir reden, wird normalerweise ein ganz bestimter Autor/Künstler beauftragt, eben weil der Auftraggeber dessen persönliche Interpretation eines Themas wünscht.
Deswegen finde ich schon, dass es legitim ist, dass auch Auftragsarbeiten einem Urheberrecht unterliegen. Ich frage mich schon länger, ob dies nicht auch in anderen Bereichen so sein sollte. Es gibt Firmen, die ihre Ingenieure für Patente über das normale Gehalt hinaus entlohnen und zwar lebenslang, solange das Patent Gewinn erzielt. Das ist, soweit ich weiß, aber freiwillig. Argumentiert wird damit, dass derjenige das Patent in seiner Arbeitszeit erstellt hat und es daher dem Arbeitgeber gehört. Urheberrechte (auch ohne Verwertungsrechte) werden hier, glaube ich, nicht gewährt..
Marktechnisch ist das sicher die einzig praktikable Möglichkeit, ob das aber moralisch auch so ist, sei dahingestellt. In der Industrie wäre alles andere aber auch wahrscheinlich nicht duchführbar.
Im Bereich der bildenden Kunst ist das Anders. Da IST es durchführbar und dort halte ich es auch für sinnvoll.
Dass Änderungen nötig sind, sehe ich auch so, dennoch sehe ich nicht, warum Erben nichts von dem Werk ihrer Eltern oder Großeltern haben sollten. Die Argumentation, dass sie es ja nicht erschaffen hätten, erschließt sich mir nicht, (auch wenn ich die Argumente nachvollziehen kann). Das trifft doch auf die meisten Dinge zu, die vererbt werden.
Die 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers könnte man meiner Meinung nach allerdings wirklich abändern. Es wäre vielleicht eher eine Frist angebracht, die sich nach dem Zeitpunkt richtet, an dem das Werk erschaffen wurde oder sogar nach dem, an dem es der Öffentlichkeit präsentiert wurde.



Alhambrana

FeeamPC

@Kaeptn:

Warum die Kleinverlage sich nicht zusammenschließen?

Vermurlich, weil wir Kleinverleger ein Haufen merkwürdiger individualisten sind, die mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, sehr unterschiedlichen Ideen und sehr unterschiedlichem Kapital arbeiten. Ganz zu schweigen vom unterschiedlichen Arbeitseifer.

Flöhe hüten ist vermutlich einfacher, als 100 Kleinverlage unter ein Dachzu bekommen.

Es wird immer welche geben, die nur ihre eigene Art und Weise gelten lassen und deswegen wieder ausscheeren.

Weshalb die meisten von uns lieber gleich Einzelkämpfer bleiben.

Was sinnvoll wäre: gemeinsame Aktionen im Marketing. Das könnte gehen, ohne allzuviel Zwist.
z.B. eine gemeinsame Webseite für den Buchverkauf, oder zumindest ein gemeinsamer Webring...

Dass sich allerdings dazu welche zusammenfinden, halte ich für sehr sehr entfernte Zukunftsmusik.

Alia

Zitat
Bei Sacheigentum ist es jedem klar, wie es entsteht. Besitz wird jedem begreifbar (ich sage nur: mein Bagger!!!! Nicht deiner!!!). Das Eigentum ist daraus abgleitet, aus der Notwendigkeit, die Sachherrschaft auch dann sicherzustellen, wenn man den Bagger mal ablegt und kurz zur Schaukel geht. Aber alles ist irgendwie greifbar und abgrenzbar.
Besitz und Eigentum sind meiner Erfahrung nach nicht jedem begreifbar. Sobald es mit mittelbarer Sachherrschaft, Eigenbesitzer, Fremdbesitzer, etc. anfängt, steigen etlich aus. Gleiches gilt für das Abstraktionsprinzip. (Wie ich habe das doch gekauft? Warum gehört mir das jetzt nicht?)
Beim Eigentum fällt mir noch der Eigentumserwerb durch Verarbeitung ein.
Der Hersteller einer Sache erlangt das Eigentum daran. Das gilt ausdrücklich auch für Malen, Beschreiben, Gravieren, etc. Wenn ich also ein Blatt Papier nehme und ein Bild male, ist es mein Bild. Egal wem vorher Papier und Farben gehört haben. Wenn ich aus fremdem Ton eine wunderschöne Statuette mache, ebenfalls meins. Automatisch, per Gesetz.

ZitatGefühlt ist uns das künstlerisch wertvolle Gedicht dann aber doch mehr wert als der Werbeslogan "Nichts ist unmöglich", "Vorsprung durch Technik" oder "Freude am Fahren". Weil diese Werbeslogans zwar mit unwahrscheinlichem Aufwand an Kapital, Psychologie und Kreativität entstanden sind, aber Georg Heyms Gedichte uns irgendwie doch wertvoller erscheinen.
Vorallem greift hier noch etwas anderes. Bei angewandter Kunst legt man andere Maßstäbe an. Sprich: ein für einen Konzern  erstelltes Logo genießt i.d.R. keinen Urheberrechtsschutz (kann aber anders geschützt werden), weil die Schöpfungshöhe hier nicht erreicht wird, während ein absolut identisches Werk eines Künstlers evtl. als Kunst angesehen würde, weil hier bei "nur Kunst" geringere Maßstäbe gelten. (Stichwort: kleine Münze)