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Wie schreibe ich spannende Kampfszenen?

Begonnen von Haru, 03. Mai 2021, 19:56:50

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Maubel

Zitat von: NatNat am 29. Juni 2021, 21:49:27
Das Innenleben des Kämpfers sollte man auch nicht vernachlässigen - je nach Konzentration und Adrenalinpegel nimmt man ja auch was wahr. Gefühle, Gerüche, Gedanken - sollte man nicht vergessen, aber auch nicht zu stark mit einbauen, weil sonst die Spannung wieder flöten geht. Ich finde, das ist der größte und schwierigste Spagat an der ganzen Sache.  ;D

Weil ich es gerade in einem Lektorat habe ;D Auf keinen Fall sollte man im Kampf dann aber mit der traurigen Hintergrundgeschichte anfangen. Charaktere, die über etwas anderes als den unmittelbaren Kampf nachdenken, sind zu abgelenkt, um zu überleben. Also Gedanken ja, aber knapp und kampfbezogen. Dialoge übrigens auch möglichst knapp, teilweise verkürzt.

NatNat

Zitat von: Maubel am 29. Juni 2021, 23:22:13
Weil ich es gerade in einem Lektorat habe ;D Auf keinen Fall sollte man im Kampf dann aber mit der traurigen Hintergrundgeschichte anfangen. Charaktere, die über etwas anderes als den unmittelbaren Kampf nachdenken, sind zu abgelenkt, um zu überleben. Also Gedanken ja, aber knapp und kampfbezogen. Dialoge übrigens auch möglichst knapp, teilweise verkürzt.

Du lektorierst? :)

Ja, so habe ich das gemeint. Wer kämpft, fokussiert sich für gewöhnlich auf das vor ihm.  ;D

Maubel

Zitat von: NatNat am 30. Juni 2021, 18:09:40
Du lektorierst? :)

Jup  :engel:

Ein Tipp, den ich mal aufgeschnappt habe, ist: einen Treffer eher aus der Sicht des Getroffenen beschreiben, als des Treffenden ist oft viel effektiver.

Sonnenblumenfee

@NatNat: Bitte verwende ausschließlich foren-eigene Smileys. Hotlinking ist im Tintenzirkel verboten. Ich habe den Smiley daher in deinem vorherigen Post gelöscht.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

NatNat

Zitat von: Sonnenblumenfee am 02. Juli 2021, 07:44:58
@NatNat: Bitte verwende ausschließlich foren-eigene Smileys. Hotlinking ist im Tintenzirkel verboten. Ich habe den Smiley daher in deinem vorherigen Post gelöscht.

Ups sorry! Hab ich jetzt leider überall falsch gemacht. Habs in den Regeln gar nicht gelesen, tut mir wirklich leid :(

Back zum Thema:

Zitat von: Maubel am 30. Juni 2021, 21:51:41

Jup  :engel:

Ein Tipp, den ich mal aufgeschnappt habe, ist: einen Treffer eher aus der Sicht des Getroffenen beschreiben, als des Treffenden ist oft viel effektiver.

Finde ich tatsächlich auch. Kann man einfach plastischer beschreiben, daher wirkt es glaubhafter :)

Frostschimmer

Der Fokus der Aufmerksamkeit sollte auch auf dem Gegner oder der gegnerischen Waffe liegen. Wenn der Protagonist den Kampf unbeschadet überstehen soll, muss er seinen Gegner außerdem einschätzen können, seine Bewegungen im Blick haben, einschätzen, was er tun wird. Das muss natürlich knapp und präzise bleiben. Generell sollte man bei spannenden Szenen ausschweifende Formulierungen vermeiden, finde ich. Alles, was den Lesefluss stören kann, ist bei Spannung eher hinderlich.
Trotzdem sollte man Einwortsätze vermeiden, das wirkt schnell sehr abgehackt, wenn das nicht auf einen Einzelsatz begrenzt bleibt.
LG
Frostschimmer

Haru


Roca Teithmore

#22
Ich versuche jetzt mal das ganze technisch zu sehen von der Art und weiße wie und nicht warum die Szene da ist. Ich gehe davon aus, dass die Szene ihren Grund haben wird.


  • Wenn ich Kampfszenen schreibe, versuche ich vorher zu etablieren, wie die Umgebung ist. Also bevor überhaupt der Kampf startet. Gerade beim Lesen ist es wichtig, dass der Leser weiß woran er ist. Sonst kann das schnell verwirrend und chaotisch sein. - Dafür zeichne ich mir eine kleine Karte für die Szene. Kann grob sein aber hilft ungemein.
  • Ich würde auch Exposition vermeiden. Z.B. zu erklären wie ein Zauber genau funktioniert oder so und ggf. versuchen diesen oder das Konzept auch schon vorher erklärt zu haben
  • Es ist wichtig zu etablieren wie die Karten der jeweiligen Parteien sind. Wer ist im Vorteil, wieviele Teilnehmer gibt es, was sind die Werkzeuge und Waffen der Gegner, kann sich die Partei ggf. die Umgebung zu nutze machen? Da stimme ich zu hohe Risiken machen es automatisch spannender.
  • Solange es keine Schlachten sind in der sehr viele Leute teil nehmen, sind Kämpfe oft sehr schnell vorbei. Also kurz und knackig und immer im Fokus von ein oder zwei agierenden. Da nur sehr koordinierte Kämpfer auch auf ihre Mitstreiter achten können und zusammen arbeiten. Kämpfen unter Druck oder unerfahren kann eine Art Tunnelblick verursachen. Zudem finden vermutlich viele Dinge gleichzeitig statt die verschiedene Auswirkungen haben. Also würde ich auch empfehlen kurz zusammen zu fassen in Stichpunkten was in der Szene passieren soll und in welcher Reihenfolge. Ist es eine Reaktion oder Aktion? Hat eine Aktion Auswirkungen auf den Plan einer anderen Figur?
  • Und ganz wichtig, das spielt in die Szene wird ihren Grund haben, warum müssen die Leute kämpfen? Ist es ggf. einfacher abzuhauen, anstatt unnötig Verluste ein zu fahren. Meiner Meinung nach sind es nur Fanatiker oder Irre kämpfen bis aufs letzte, wenn Abzuhauen eine Option ist und Rückzug nicht gleichzusetzen ist mit totaler Niederlage der Gruppe/Quest.


Edit:

Videos die eventuell interessant sein könnten:

https://www.youtube.com/watch?v=ybYsElQD2o4&ab_channel=TheCloserLook
https://www.youtube.com/watch?v=fbG1mz5F52o&ab_channel=markcrilley
https://www.youtube.com/watch?v=pu4hW5Qs_cM&ab_channel=BrandonSanderson
https://www.youtube.com/watch?v=gSafcUuHFnk&ab_channel=HelloFutureMe
https://www.youtube.com/watch?v=jKkKNKUK_GE&ab_channel=HelloFutureMe

Haru

Zitat von: Roca Teithmore am 02. September 2021, 13:50:27
Ich versuche jetzt mal das ganze technisch zu sehen von der Art und weiße wie und nicht warum die Szene da ist. Ich gehe davon aus, dass die Szene ihren Grund haben wird.


  • Wenn ich Kampfszenen schreibe, versuche ich vorher zu etablieren, wie die Umgebung ist. Also bevor überhaupt der Kampf startet. Gerade beim Lesen ist es wichtig, dass der Leser weiß woran er ist. Sonst kann das schnell verwirrend und chaotisch sein. - Dafür zeichne ich mir eine kleine Karte für die Szene. Kann grob sein aber hilft ungemein.
  • Ich würde auch Exposition vermeiden. Z.B. zu erklären wie ein Zauber genau funktioniert oder so und ggf. versuchen diesen oder das Konzept auch schon vorher erklärt zu haben
  • Es ist wichtig zu etablieren wie die Karten der jeweiligen Parteien sind. Wer ist im Vorteil, wieviele Teilnehmer gibt es, was sind die Werkzeuge und Waffen der Gegner, kann sich die Partei ggf. die Umgebung zu nutze machen? Da stimme ich zu hohe Risiken machen es automatisch spannender.
  • Solange es keine Schlachten sind in der sehr viele Leute teil nehmen, sind Kämpfe oft sehr schnell vorbei. Also kurz und knackig und immer im Fokus von ein oder zwei agierenden. Da nur sehr koordinierte Kämpfer auch auf ihre Mitstreiter achten können und zusammen arbeiten. Kämpfen unter Druck oder unerfahren kann eine Art Tunnelblick verursachen. Zudem finden vermutlich viele Dinge gleichzeitig statt die verschiedene Auswirkungen haben. Also würde ich auch empfehlen kurz zusammen zu fassen in Stichpunkten was in der Szene passieren soll und in welcher Reihenfolge. Ist es eine Reaktion oder Aktion? Hat eine Aktion Auswirkungen auf den Plan einer anderen Figur?
  • Und ganz wichtig, das spielt in die Szene wird ihren Grund haben, warum müssen die Leute kämpfen? Ist es ggf. einfacher abzuhauen, anstatt unnötig Verluste ein zu fahren. Meiner Meinung nach sind es nur Fanatiker oder Irre kämpfen bis aufs letzte, wenn Abzuhauen eine Option ist und Rückzug nicht gleichzusetzen ist mit totaler Niederlage der Gruppe/Quest.


Edit:

Videos die eventuell interessant sein könnten:

https://www.youtube.com/watch?v=ybYsElQD2o4&ab_channel=TheCloserLook
https://www.youtube.com/watch?v=fbG1mz5F52o&ab_channel=markcrilley
https://www.youtube.com/watch?v=pu4hW5Qs_cM&ab_channel=BrandonSanderson
https://www.youtube.com/watch?v=gSafcUuHFnk&ab_channel=HelloFutureMe
https://www.youtube.com/watch?v=jKkKNKUK_GE&ab_channel=HelloFutureMe

Das ist super! Ganz lieben Dank

Lorelei

Ich war ne Weile weg und bin daher spät dran in diesem Thread, aber da ich mehrmals einen Vortrag+Workshop zu dem Thema gehalten habe, teile ich mal mein Planungsblatt mit euch.

Viele gute Tipps wurden schon genannt und der Vergleich mit der Sexszene, mit dem ich immer meinen Vortrag beginne, wurde hier auch schon gezogen, aber ein paar Gedanken hätte ich noch:

Stichwort Perspektive und Distanz:
- man kann einen Kampfschauplatz beschreiben wie Schach, also strategische Elemente einbauen, als da wären Geländebeschaffenheit, Wetter, Bewaffnung, Rüstung, Training der Beteiligten etc. Das würde in etwa Filmen wie der Sharpe-Reihe entsprechen oder auch der Henry V-Verfilmung mit Lawrence Olivier, wo solche Details diskutiert und gezeigt werden. Die Kamera bzw der Leser schaut dann in der Regel von weitem auf die Kampfhandlungen. Blut und Dreck sind auf diese Distanz nicht zu sehen.
- alternativ kann ich die Perspektive verengen und mitten ins Getümmel gehen, wo ich (bzw. der Prota) nicht weiß, welche Seite gerade gewinnt, weil man nur ein paar Meter weit sehen kann. Das entspricht der Vietnamfilm-Ästhetik von Filmen wie Platoon. Gerade neuere Filme beschreiben Krieg und Kampf als ein für das Individuum schrecklich verwirrendes  und traumatisierendes Erlebnis. Wer das mal direkt vergleichen will, kann sich anschauen, wie die Schlacht von Agincourt in verschiedenen Henry V-Verfilmungen dargestellt wird (z.B. bei Kenneth Branagh)
Je nachdem, für welche Betrachtungsweisen ich mich entscheide, ändert sich die Art, wie Krieg allgemein wahrgenommen wird: als etwas, das es zu vermeiden gilt, oder als ein mögliches Mittel zur Austragung von Konflikten. Als eine Art Naturkatastrophe oder als eine Situation, die sich kontrollieren lässt.

Ich ziehe als Beispiel gerne die Witcher-Romane voran.
Einige der Kämpfe werden sehr kurz und sehr brachial beschrieben, aber nicht alle. Der Witcher ist ein hervorragender Kämpfer und bei einigen Kämpfen wird eine distanzierte Perspektive eingenommen, denn im Gegensatz zu seinen Gegnern weiß er in der Regel, wer wo steht und mit welcher Bewegung seine Intentionen im Kampf verrät. Manchmal wird der Kampf also recht strategisch beschrieben, besonders, wenn Geralt einer Übermacht gegenübersteht. Manchmal nehmen wir andere Perspektiven ein, und ein Kampf ist vorbei, ehe man überhaupt verstanden hat, was passiert ist und die von Yennefer gezappten Leichen liegen nur noch qualmend herum.
Damit will ich sagen: es gibt kein Rezept für Kämpfe á la Tütensuppe. Ich muss wissen, was ich mit der Szene bezwecke. Zeige ich wie brutal Krieg ist? Zeige ich wie brutal ein bestimmter Gegner oder eine besondere Waffe ist? Oder wie cool/stark/schwach/ungeschickt ein bestimmter Charakter oder gar der/die ProtagonistIn ist? Wie clever der Feldherr ist? Was für eine verheerende Macht Magie im Kampf haben kann (oder welchen Preis ihre Anwendung hat)?

Und dann gibt es noch Plot-Möglichkeiten: Will ich, dass meine Charaktere für die nächste Begegnung angeschlagen sind? Will ich Ausrüstung zerstören? Reittiere in die Flucht jagen, so dass der Zeitdruck steigt? Vorräte wie Zaubermaterialien verbrauchen?

Noch etwas: Oben wurde bereits gesagt, dass der Satzbau die Lesegeschwindigkeit beeinflusst. Ich kann kurze hektische Sätze benutzen, um das Tempo anzuziehen, muss es aber nicht tun. Wenn der/die erfahrene Prota ein paar Dorftrotteln die Ohren lang zieht, muss das nicht unbedingt schnell gehen...
Wenn man aber ein schnelles Tempo wünscht, sollte man einen möglichst präzisen Wortschatz verwenden und immer abwägen, welche Informationen unbedingt nötig sind, und welche nicht.

Last but not least: man sollte vermeiden, ständig die Perspektive zu wechseln. Sonst wird der Leser unnötig verwirrt und die Lesegeschwindigkeit und damit das gefühlte Tempo geht runter.

[Dateianhang durch Administrator gelöscht]

Wintersturm

Vorweg, ich liebe Kampfszenen. Die entscheidenden Kämpfe und Zusammenstöße sind bei mir auch immer das erste, was es in meinen Geschichten gibt, noch vor dem Plot. Ich könnte sowas den ganzen Tag lesen.

Aus meiner Sicht ist dabei wichtig, dass man die richtige Stimmung rüberbringt. Das ist nunmal Gewalt und für die meisten Charaktere eine Extremsituation. Aber nicht für alle und da fängt der Ärger schon an. Bevor man sich die Frage stellt, was die Szene bewirken soll, muss man erst mal überlegen, ob das mit dem Charakter überhaupt geht.
Der Punkt ist, dass sich die Charaktere unterscheiden. In ihrer Art, ihrem Charakter, ihrer Erfahrung, ihrer Reaktion auf Gefahren usw. Wichtig bei Kampfszenen ist natürlich die Reaktion auf Gefahren. Bisschen persönliche Erfahrung habe ich damit und da gibt es eben unterschiedliche Typen Mensch. Hat man da einen unerfahrenen Charakter, dann übernehmen in der Regel Urinstinkte, wenn es gefährlich wird. Der wird dann still stehen bleiben und sich nicht rühren können, vielleicht die Kontrolle über seine Verdauungsorgane verlieren, er wird wegrennen, er wird durchdrehen und wild um sich schlagen. Irgendwas davon wird passieren. Tarnung, Flucht, Kampf.
Bei den ersten beiden kommt es eben stark auf den Charakter an, was er mitbekommt. Gerade der personale Erzähler hilft da, weil man wunderbar Sachen ausblenden kann, die der Charakter gar nicht mitbekommt. Ähnlich, wenn er mit Kampf reagiert. Das sind dann so Stellen, da gibt es nicht viel über die eigentliche Kampfszene zu sagen, sondern eher über die Emotionen des Charakters und danach. Als unerfahrener Zeitgenosse denkt man in so einer Situation nicht.
Kleines Alltagsbeispiel: Man musste gerade schnell was einkaufen, weil es eine wichtige Zutat für die Suppe ist, aber währenddessen ist in der Küche irgendwas schiefgelaufen, man kommt zuhause an und sieht Rauch aus dem Fenster steigen. Da steht man erst mal völlig unter Schock und handelt auf irgendeine Weise. Meistens nicht mit Tarnung oder Flucht. Man versucht, ins Haus zu kommen und irgendwas zu machen, vielleicht, weil die Kinder drin sind usw. Dann steht man da an der Haustür, kramt in seinen Sachen rum, die Hände zittern, man bekommt den Schlüssel kaum gegriffen und erst recht nicht ins Schloss, dann war es noch der Falsche, aber man merkt es vielleicht gar nicht und bricht ihn ab, schlägt dann doch das Fenster ein, was man normalerweise niemals machen und erst recht nicht schaffen kann, steigt ein, greift sich die Kinder, von denen eins gerade ohnmächtig geworden ist, schleppt es raus und tut irgendwas, damit der Kleine wieder wach wird. Dabei merkt man gar nicht, dass man sich zehn Knochen gebrochen und paar Adern aufgeschlitzt hat, als man durchs Fenster rein ist.
Worauf ich hinaus will: In unbekannten Gefahrensituationen ohne Training oder Vorbereitung reagieren Menschen irgendwie und wissen es hinterher oft nicht mal. Entsprechend muss man auch mit seinem Erzähler an die Sache ran gehen. Gerade personal ist es da recht wichtig, Sachen auszulassen. Man hat seinen Tunnelblick, steht unter Strom und merkt praktisch nichts.
So ist das mit unerfahrenen Charakteren.

Jetzt gibt es aber Charaktere, bei denen das anders ist. Kämpfen kann man lernen und mit der Zeit findet man seine Ruhe und kann auch wieder etwas denken, während der Körper funktioniert. Man merkt, was um einen herum passiert und ist nicht mehr blind, sondern konzentriert und aufmerksam.
Hat man also einen Charakter mit einer entsprechenden Ausbildung (Soldaten, Söldner, Attentäter, Magier (der meistens für seine Zauber sowieso sein Hirn braucht und nicht planlos mit den Händen in der Gegend rumfuchteln darf, wenn das mit der Zauberei was werden soll), sehr wahrscheinlich Engel und Dämonen) und da sollte man auch anders an die Sache rangehen. So ein Charakter weiß eben, was passiert und was er macht. Der merkt, dass gerade der Kamerad neben ihm umgekippt ist und er die Lücke im Schildwall schließen muss, weil ihm das so eingetrichtert wurde. Ausbildung eben. Oder der genau weiß, wie er den abgehackten Arm seines Kameraden behandeln muss, vielleicht sogar, wie er sich um sich kümmern muss, wobei das mitten in der Schlacht doch arg selten ist. Größere Verletzungen, die den Kämpfer in seiner Fähigkeit, unmittelbar weiterzukämpfen einschränken, sind dann doch wieder was Neues, wenn sie bei einem selbst passieren. Auch wenn man eigentlich weiß, wie man das behandeln muss, wird man es womöglich nicht hinbekommen, weil man gerade nichts mehr auf die Reihe bekommt, weil plötzlich der eigene Arm fehlt.
Davon ab hat der erfahrene und trainierte Kämpfer aber durchaus den Überblick und weiß, was er da macht. Und da setzt die Schwierigkeit an. Jetzt kommt es drauf an, was man als Autor kann und will.
Wenn man Kämpfe ausführlich beschreiben will, muss man es können. Ich unterstelle mal den meisten Lesern, dass sie keinen Plan von wirklichem historischem Kampf haben und die, bei denen es anders ist, mehr Halbwissen als echte Erfahrung haben (was den Kampf mit Hieb- Schnitt- und Stichwaffen angeht ist das bei mir auch so, Videos von HEMA-Kämpfen zu suchten macht mich nicht zum Fachmann, trotzdem schreibe ich sowas viel lieber als Schusswaffen), aber trotzdem wird man recht schnell erkennen, wenn ein Kampf so nicht geht. Wobei, in Filmen und Serien regen sich ja auch nur die wenigsten darüber auf, dass Jon Snows Schwert scheinbar 10kg wiegt, so wie er oft genug damit umgeht. Das beeinflusst natürlich das Schreiben. Solche Waffen kann man sehr schnell bewegen und wenn da der Stahl Minimum vier mal in der Sekunde aufeinandertrifft, dann zerreißt es natürlich ganz schnell den Fluss der Geschichte, weil man als Leser alle drei Zeilen die letzten Bewegungen zu einer Choreo zusammenfügen muss. Persönlich habe ich das Glück, solche Szenen derart schnell zu lesen, dass es geht und so schreibe ich dann auch. Meinen Testlesern gefällt´s.
Das muss aber nicht bei allen Lesern so sein. Manch einer will auch gar nicht zwanzig Seiten lang damit bespaßt werden, wie sich der Prota durch seine Feinde schlachtet und dabei jeden mit einer blitzschnellen Kombination aus Angriffen erledigt, während er alles abwehrt. Oder dass er gar zehn Seiten lang ein Duell führt. Sowas wird vielleicht gar nicht gern gelesen. Kommt eben auf den Leser an. Umgekehrt gibt einem das aber auch ungeahnte Möglichkeiten, gerade bei eher individuellen Kämpfern. Soldat 08/15 wird genauso ausgebildet sein wie seine 50 Kameraden neben ihm und auch genauso kämpfen. Nur ist Soldat 08/15 seltenst Prota. Meistens schreibt man doch aus der Sicht von irgendjemand anderem, vielleicht der (unerfahrene) Rekrut, der seit einer Woche dabei ist und gerade mal gelernt hat, wie rum er das Schwert halten muss, oder aber das Genie, das viel besser als die anderen kämpft und deswegen eben seine eigenen Variationen hat. Hat man dann wirklich individuelle Kämpfer wie einzelne Söldner, Attentäter, den Eragon, der ein halbes Jahr lang von einem alten Mann ausgebildet wurde und ganz anders kämpft als Soldat 08/15, dann kann man über die persönliche Kampfweise sehr viel ausdrücken.
Sowas versteckt sich dann in den Feinheiten, aber gerade bei den besseren Kämpfern kann man so wunderbar zeigen, dass sich der Charakter vielleicht richtig gut auskennt, indem er jede Bewegung des Gegners sofort versteht, ganz instinktiv analysiert und die nächste voraussieht, ob er es genießt, zu kämpfen, weil er sich dann so lebendig fühlt, alles so klar ist, keine Sorgen des Alltags usw. Oder aber einen eiskalten Killer, der sofort nach Hals oder Herz sticht und keinen Gedanken an den Kampf verschwendet. Oder aber den, der jedem Feind, den er gerade tötet, in die Augen sieht. Allein darin kann man so viel verstecken, gerade im Charakter des Charakters. Tut er es, weil er damit seine Schuld am Tod seines Gegners spüren will, weil er so dessen Leben zerstört hat, der Gegner nie wieder zu seiner Liebsten kommt,... Oder aber labt er sich daran, den Schmerz und das Leid in den Augen seiner Opfer zu sehen, während er noch das Schwert dreht, damit es auch schön weh tut, bevor der erbärmliche Schwächling abnippelt? Oder aber der Charakter, der stolz darauf ist, so gut zu sein, der religiöse Fanatiker, der die Ungläubigen.... Ich glaube, man sieht, worauf ich hinaus will.
Das sind eben Möglichkeiten, die recht genauere Beschreibungen eines Kampfes ermöglichen. Natürlich kennt man den Charakter davor meistens schon, aber oft bieten Kämpfe die Möglichkeit, Momente von erschreckender Klarheit einzubauen, bei denen dem Leser einiges über den Charakter klar wird. Vielleicht der nette junge Mann, der im Kampf zu einem Monster wird, das absichtlich die Gedärme aus dem offenen Bauch der Leiche neben ihm rausnimmt und seinen Gegnern ins Gesicht wirft, um ihnen dann die Kehlen aufzuschlitzen, während sie noch geblendet und erschrocken von der Aktion sind. Dabei hat man davor rein gar nichts davon mitbekommen können, dass der Charakter so sein könnte. Bei einem vielschichtigen Charakter, wie man ihn immer mal wieder unter den Protas hat, bietet sich sowas an, vielleicht auch um irgendein dunkles Erbe anzuteasern oder so.

Und da kommen dann die Fantasyelemente, besser gesagt Magie und übernatürliche Wesen, ins Spiel. Das verändert so viel. Sei es das Tempo des Kampfes, die Bedeutung der Entfernung oder oder oder. Magie kann die Kampfweise eben gravierend ändern, aber da wären wir mehr beim Weltenbau. Ebenso übernatürliche Wesen. Der Ork im Blutrausch, der in jeder noch so gefährlichen Situation beherrschte und überlegen handelnde Elfenkrieger mit 3000 Jahren Erfahrung usw. Sowas beeinflusst die Kampfweise eben deutlich und eignet sich perfekt dafür, um eben solche Unterschiede darzustellen, obwohl der 3000 Jahre alte Elf und die 20 Jahre alte Menschenfrau sonst eigentlich wunderbar harmonieren und sich über Gedichte über Blumen unterhalten oder so. Dass sie dann doch nicht wie füreinander geschaffen sind und es möglicherweise riesige Unterschiede, zeigt sich dann eben in solchen Fällen. Da geht man den Kampf aus der Sicht des Elfen durch und er schnetzelt sich durch die rasenden Orks und kennt eben ganz genau jede Bewegung, reiht blitzschnell und in höchster Konzentration in seinem Kopf irgendwelche Runen zusammen, um den Ork, der ihm gerade die Axt in den Rücken hacken will, abzufackeln und dann hat er gewonnen, sieht sich um, ob es seiner Freundin gut geht und sie sieht ihn mit vor Schock erstarrten, weit aufgerissenen Augen an. Dann kommt der Perspektivenwechsel zu ihr, die die ganze Zeit furchtbare Angst hatte, heute Abend im Ork-Eintopf zu landen, und dann kommt ihr Freund an und massakriert die Orks auf eine grausame Art, wie sie es gar nicht für möglich gehalten hätte und sie fragt sich, wie das sein kann, wo er doch so wunderschöne Gedichte über Blumen erdenken kann (was ihr so nebenbei durch den Kopf geht) und dann steht er da auf einem Berg von Leichen, von Kopf bis Fuß voller schwarzem Orkblut und schaut sie an, noch mit seinem Kämpferblick und sie kann einfach nur in seine Augen schauen, die einst so voller Gefühl waren und jetzt voller Hass und Mordlust, dann wechselt der Blick wieder auf nett, aber sie kann nicht vergessen was geschehen ist und der sich anbahnenden Romanze ist was im Weg, was sich als Konflikt eeeeewig durch das ganze Buch zieht. Dafür braucht es dafür natürlich auch ein entsprechendes Build-up, wo beide auf der Wiese sitzen und über die schönen Blumen quatschen.

Da hat sich das spontane Beispiel jetzt doch zu einer ganz netten Geschichte entwickelt, aber: Die Umsetzung einer Kampfszene aus Sicht einer bestimmten Person ermöglicht sehr viel, kann aber genauso viel versauen, wenn es einfach nicht passt.

Und wie im Beispiel mit dem Elf-Mensch-Pärchen schon deutlich wurde, ebenso wichtig wie der Kampf selbst ist, was davor und danach mit dem Charakter passiert. Kämpfe bieten so eben die Möglichkeit, sehr viel Änderung in einen Charakter zu bringen, gerade wenn es das erste mal war und er wen getötet und das sein ganzes Leben verändert, weil das doch so schlimm ist oder aber wenn es praktisch Routine ist und der Charakter jeden Morgen vor dem Frühstück erstmal eine Stunde seine Übungskämpfe gegen seine Freunde macht und dabei auch nicht zimperlich ist und so diese Fähigkeiten auch im echten Kampf beherrscht und ein bisschen Ruhe bewahren kann.
Aber eins ist sicher: Im Kampf denkt sehr sicher jeder an das hier und jetzt und nicht, wie toll es doch das letzte mal mit der Lagerdirne war. An sowas denkt der Charakter vielleicht davor oder danach, wenn er meint, so wenigstens mit einem netten Gedanken sterben zu können (den er ganz schnell vergisst, wenn die Speerspitze auf ihn zurast) oder er sich schon darauf freut, die Dirne gleich zu besuchen, wenn er fertig damit ist, die Toten auf den Leichenkarren zu hieven. So viele unterschiedliche Charaktere und all das hat Einfluss auf ihre Kampfweise und wenn man als Autor eben gerne Action und Kämpfe bringen will, muss man sowas eben einfließen lassen, aber gleichzeitig auch den Einfluss auf den Verlauf der Geschichte und die Charaktere bedenken. Das hat eine von Kampf und gewaltsamen Toden geprägte Geschichte so an sich.

AlpakaAlex

Ich liebe es schon relativ lang, Kampfszenen zu schreiben. Aus dem einfachen Grund, dass ich zum Schreiben eben auch durch Fanfics gekommen bin - und ich habe Digimon Fanfics geschrieben. Fanserien, um genau zu sein. Und da ich mit den Fanserien versucht habe, die Struktur so einer Digimon-Staffel zu imitieren, gab es eben in fast jeder "Folge" einen Kampf. Dadurch habe ich sehr, sehr viel Übung mit Kämpfen bekommen - schließlich hatte allein mein Hauptprojekt (Digimon Alpha Generation und Digimon Battle Generation) gesamt 105 "Folgen".

In meinen Augen sind das wichtigste an guten Kampfszenen die Charaktere sind. Vor allem, dass die Lesenden bereits eine Bindung zu den Figuren aufbauen konnten. Deswegen verstehe ich auch ehrlich gesagt nicht, warum so viele Leute dazu raten, eine Geschichte mit Action anzufangen. Mir selbst gibt zumindest in Büchern Action nicht viel, wenn ich nichts über die Charaktere und ihre Motivation weiß. Und ja, ich bin mir dessen bewusst, dass ich zwei meiner Geschichten (Mosaik und 7 Nächte) mit Action anfange - das in erster Linie aber auch, weil es eben ein so häufiger Ratschlag ist ...

Aber ja, was ich persönlich brauche, um Spannung in Kämpfen zu empfinden ist eine Bindung zu den Charakteren und die Fähigkeit die Motivation der Charaktere zu verstehen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum mir viel Action in deutschen Fantasy-Büchern nicht gefällt: Ich weiß oftmals nach 150 Seiten noch immer nicht, was genau die Motivation der Charaktere ist. Sowas kann dann funktionieren, wenn die Protagonist*innen diejenigen sind, die angegriffen werden - aber nicht, wenn sie aktiv den Konflikt suchen.  :wart:

Was ich auch sehr wichtig für Kämpfe finde, ist Verständnis der Fähigkeiten. Während ich immer noch der Meinung bin, dass harte Magie kein Muss ist, ist es bei Kämpfen in meinen Augen schon wichtig, dass Lesende ein Verständnis dafür haben, was zumindest die Protagonist*innen können, um die Handlungen dieser Protagonist*innen nachvollziehen zu können. Dafür braucht man eben eine Vorstellung, was sie können. Natürlich können sich in den Kämpfen neue Fähigkeiten entwickeln - gerade bei Fantasy immer möglich - aber dann sollte es die Protagonist*innen genau so überraschen, wie die Leser*innen.

Ansonsten sind natürlich auch Stil, Pacing und Einsätze wichtig. Stil und Pacing hängen dabei eng zusammen. Zu lange Sätze lassen Kampfszenen oft langsam wirken - das ist weniger spannend. Wichtig ist es aber auch die Einsätze (also die Stakes) zu verstehen. Immerhin sind sie eben auch ein wichtiger Aspekt von Spannung.

Hmm, ja, das sind meine Gedanken erst einmal.
 

Masseliwriter

Zitat von: AlpakaAlex am 29. März 2022, 20:21:07Aber ja, was ich persönlich brauche, um Spannung in Kämpfen zu empfinden ist eine Bindung zu den Charakteren und die Fähigkeit die Motivation der Charaktere zu verstehen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum mir viel Action in deutschen Fantasy-Büchern nicht gefällt: Ich weiß oftmals nach 150 Seiten noch immer nicht, was genau die Motivation der Charaktere ist. Sowas kann dann funktionieren, wenn die Protagonist*innen diejenigen sind, die angegriffen werden - aber nicht, wenn sie aktiv den Konflikt suchen.

Dem stimme ich komplett zu. Manche Bücher, die mit Action anfangen und die Charaktere einfach ins Geschehen schmeißen, verraten mir dadurch teilweise, dass dieser Kampf nur als Einleitung für den Charakter gilt und diese Person sicherlich überleben wird. Der Kampf kann interessant geschrieben sein, aber richtig mitfühlen tue ich da eher nicht. Dabei kann mit der richtigen "Liebe zum Charakter" ein Kampf erst das beim Leser hervorholen, was wirklich eine Kampfszene ausmachen soll. Und zwar Immersion in den Kampf. Fühlt man sich hingezogen zu dem Charakter und hängt an seinem Leben, lesen sich Kampfszenen erst, wie sie sich lesen lassen sollten. Als wäre man dabei. Da hängt natürlich noch einiges mehr dran (Richtige Metaphern, Realismus, Satzlänge und alles was oben schon angesprochen wurde), aber ohne den Charakter zu kennen, wirken viele Kampfszenen "leerer" meiner Meinung nach.

Adiga

Gute Kampfszenen - wahrscheinlich sich solche nur - wenn dabei mehr als nur zu Kämpfen passiert. Wenn nichts sonst passiert, reicht es vermutlich zu erwähnen, wer verletzt oder danach tod ist.

Ich würde mit der Schilderung einer Kampfszene erst beginnen, wenn ich weiß, was ich damit bezwecken möchte, so lange ich das nicht wüsste, reicht und "dann haben sie gekämpft" als Platzhalter.