• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Wie schreibe ich spannende Kampfszenen?

Begonnen von Haru, 03. Mai 2021, 19:56:50

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Haru

Hi ihr Lieben!

Ich habe diverse Kampfszenen in meiner Geschichte und ich verzweifele ein wenig daran sie vernünftig und spannend zu umschreiben.
Meistens sind es Hinterhalte von mächtigen Engelsartigen Wesen bzw dessen "Elite Kampftruppe" Daher sind die Kämpfe teilweise sowohl magisch (also mit elementaren Waffen wie Feuer und Eis) aber es wird auch mit Waffen wie Schwertern oder Schusswaffen gekämpft.

Die Kampfszenen sind relativ wichtig für den Storyverlauf und ich kann ja meine Charaktere nicht jedes Mal fliehen lassen  :-[

Ich würde mich echt über jegliche Tipps freuen!

Ary

Achje, Kampfszenen! Das ist auch meine Nemesis! Ich versuche inzwischen, kein episches Schlachtgetümmel zu beschreiben, sondern ganz nah bei einer Hauptfigur zu bleiben und deren Sinneseindrücke und Gefühle zu schildern. Damit wird es (meistens) spannend und auch emotional, sodass deine Leser*innen mit der Figur so richtig nah mitfiebern können.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Herbstblatt

Hm, damit habe ich auch meine Schwierigkeiten. Ich denke, mit dem Tipp von Ary ist man auf dem richtigen Weg.

Vergiss nicht das Adrenalin. Man bekommt in Kämpfen nicht sofort mit, wie schlimm man verwundet wurde, falls man den Schmerz überhaupt spürt. Ich habe irgendwo mal etwas gelesen, auf welche Körperpartien man aus diesem Grund zielen sollte, um den Gegner ins Straucheln zu bringen (war es das Knie?). Ah und der Blutrausch.

Mein Tipp wäre allerdings: Lesen. Schau, wie es andere Autoren anhand von konkreten Passagen machen. Und vielleicht markieren, was dir gefällt.

Gizmo

Für mich unterscheidet eine gute von einer schlechten Kampfszene nicht die Beschreibung der Action an sich, sondern die Einsätze, um die es geht. Was machen die beteiligten Charaktere während des Kampfes durch, was steht für sie auf dem Spiel, sind sie von der Gewalt berauscht oder haben sie Angst zu scheitern? Oder ist der Kampf eine Konfrontation zwischen Charakteren, die durch lange Rivalität, Hass (oder Liebe) miteinander verbunden sind?

Mal als vielzitiertes Beispiel: Der Kampf zwischen Luke Skywalker und Darth Vader in "Rückkehr der Jedi-Ritter" zieht nicht deshalb, weil er besonders raffiniert choreographiert wäre (die Choreo ist unglaublich effektiv, aber das ist ein anderes Thema). Er zieht deshalb, weil der Sohn gegen den eigenen Vater kämpft, weil Luke eigentlich gekommen war, um seinen Vater zur guten Seite zu bekehren und damit gescheitert ist, und weil er seinem Hass und seinem Frust freien Lauf lässt, bis es fast zu spät ist.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Manouche

ZitatFür mich unterscheidet eine gute von einer schlechten Kampfszene nicht die Beschreibung der Action an sich, sondern die Einsätze, um die es geht. Was machen die beteiligten Charaktere während des Kampfes durch, was steht für sie auf dem Spiel, sind sie von der Gewalt berauscht oder haben sie Angst zu scheitern? Oder ist der Kampf eine Konfrontation zwischen Charakteren, die durch lange Rivalität, Hass (oder Liebe) miteinander verbunden sind?

Das sehe ich auch so. (Obwohl ich selber noch keine grosse Kampfszene schreiben musste und mir graut auch schon davor :seufz: )
Ich glaube im Film leben Kampfszenen von Action. Im Geschriebenen können wir die Empfindungen und inneren Konflikte hervorheben. Das sehe ich als gute Ergänzung zu den den Bildern des Kampfes den ich dann eher am Rande beschreiben würde.
Die Protagonisten haben vielleicht während dem Kampf eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung, weil sie mit ihren eigenen Problemen ringen und realisieren erst im Nachhinein, was um sie herum alles noch geschehen ist oder was sie selber angerichtet haben. So ungefähr habe ich es bei mir in einer kleineren Schlägerei gelöst.

Zauberfrau

Oh! Super Thema! Das mach ich auch gern  ;D Kampfszenen schreiben.

Ich habe für mich festgestellt, dass es scheinbar ähnlich ist wie beim Dialog-Schreiben: Ohne Konflikt isses langweilig. Ich bleibe gern bei einer oder zwei Figuren, die zusammen kämpfen. Und irgendwas passiert immer. Entweder geht der Pfeil mal nicht vernünftig aus dem Köcher, weil man im Dickicht ist (und natürlich ist Zeit gerade Luxus), oder der Kamerad verletzt sich und kann nicht mehr laufen, sodass man ihn aus der Gefahrenzone bringen will, aber gleichzeitig noch verteidigen muss. So Zeuch halt. Was wirklich im Großen passiert ist, erzähle ich hinterher - quasi erfahren es meine Überlebenden. Denn so mitten auf dem Kriegsschauplatz - auf Leben und Tod - bekommt man bestimmt nicht mit, wie es insgesamt läuft.

Das, was @Ary, @Herbstblatt, @Gizmo und @Manouche  schreiben, unterschreibe ich aber auch alles.
Gerade auch das Adrenalin habe ich oft dabei, dass Protagonisten im Kampfgeschehen gar nicht merken, wie schwer sie eigentlich verletzt sind. Ich habe einen Bogenmeister, der ins heiße Wasser springt, um seine Kameraden zu retten. Auch er merkt erst mal nicht, dass er sich beide Beine verbrüht hat. Nur hinterher verliert er den Verstand. Zwar spürt er immer noch keine Schmerzen, hat aber durch die kaputte Haut enormen Wasserverlust, was ihn in einen Schockzustand versetzt. Unter Schock können Menschen unterschiedlich reagieren. Ich habe mal bei einem Erste-Hilfe-Kurs gehört, dass ein Schockzustand mit Trunkenheit verglichen werden kann. Das Gehirn soll wohl ähnlich reagieren. Manche werden weinerlich, manche agresseiv, andere bekommen nichts mehr auf die Reihe oder reden wie ein Wasserfall. Mein verbrühter Prota gibt plötzlich völlig sinnlose Anweisungen und ist sehr ungehalten, wenn sie nicht befolgt werden. Bis die Schamanin ihn endlich "aus dem Verkehr" zieht und sich um seine Beine kümmert.

Ich mag das Schreiben von Kampfszenen.  ;D Hauptsache Action.  :jau:

Liebe Grüße von der
Zauberfrau

Nikki

ZitatDie Kampfszenen sind relativ wichtig für den Storyverlauf

Ich halte diesen Teilsatz für extrem wichtig, um zu verstehen, was gute Kampfszenen ausmacht. Eine Kampfszene ist dann gut, wenn deine Geschichte ohne sie nicht funktioniert bzw. an Charakter verliert. So kann eine Szene, die handwerklich absolut sauber ist und fachlich einwandfrei ist (vgl. Schwertkampf, Kampftechniken etc.), dennoch langweilig sein, wenn sie irrelevant für die weitere Story ist.

Es wurde hier schon von Einsätzen der jeweiligen Figuren gesprochen. Ich denke, es ist nicht nur wichtig, dass klar ist, wer was zu verlieren hat, sondern dass es auch zu tatsächlichen Verlusten kommt, sodass die Story nach dem Kampf in eine andere Richtung geht als davor und damit zum Plotpoint wird. Die Figuren sollten nach dem Kampf nicht mehr dieselben sein, weil sie entweder etwas verloren haben oder kurz davor waren, etwas zu verlieren und/oder festgestellt haben, wie weit sie gehen würden, um das zu retten, was sie verlieren können.

Was sind die Kampfszenen, die euch auf die Schnelle einfallen? Was hat so viel Eindruck bei euch hinterlassen? Was macht sie unvergesslich?

Mir fallen da spontan die eine Kampfszene zwischen Orks und den Ringgefährten ein, in der Boromir stirbt, oder die Szene zwischen Luke und Darth Vader, als er erfährt, dass der sein Vater ist (ich glaube, die meinst du nicht @Gizmo ?). In der ersten Szene erfährt die Gruppe den größten vorstellbaren Verlust, nämlich den Tod ihres Gefährten, in der zweiten passiert das Gegenteil, Luke "gewinnt" eine Information, die ihn erschüttert.

Kampfchoreographie ist wichtig, logische Handlungsabfolgen ebenso, aber ich meine, dass die emotionale und charakterentwicklungstechniche Komponenten bei weitem wichtiger sind, um eine erinnerungswürdige Szene zu schaffen. Darüber hinaus sollte diese Szene eine gewichtige Rolle für den weiteren Verlauf der Geschichte spielen (siehe Boromirs Tod oder Lukes Entdeckung seiner Herkunft).

Auch eine super Kampfszene (ich entschuldige mich, dass mir jetzt nur positive Filmbeispiele einfallen) ist die in Mulans Zeichentrickfilm, wenn die Hunnen den Trupp im Gebirge überfallen. Du hast hier eine übermächtige Bedrohung, Mulans Trupp schafft es nur durch Improvisation und Anwendung des Gelernten aus der Sequenz "Sei ein Mann" sich zur Wehr zu setzen, schlussendlich übertölpet Mulan den Gegner mit ihrer Gewitztheit, bringt sich dabei aber so weit in Gefahr, dass sie lebensgefährlich verletzt wird. (Die Fortsetzung dieser Kampfszene ist dann die Konfrontation zwischen dem engsten Kern der Hunnen und Mulan & Co. Hier wird dann viel deutlicher die Lehre aus "Sei ein Mann" angewendet und perfektioniert. Neben Choreographie und Comic Relief spielt hier der AHA-Moment, wo sich alles fügt, mit rein, um diese Szene rund zu machen.) Während die Wunde behandelt wird, fliegt hier ihr größtes Geheimnis (= Einsatz) auf und die Soldaten erkennen sie als Frau. Darauf folgt ihr absoluter Tiefpunkt.
Diese Kampfszene ist nicht nur brutal (Mulan wird fast getötet & Lawine, die den Großteil tötet), sondern auch herzig, weil Mushu und die Grille als Comic Relief dienen, ohne dabei ins Lächerliche zu schreiten. Aber der eigentliche Höhepunkt besteht in Mulans Enttarnung als Frau.

Als negatives Buchbeispiel fällt mir eine Szene aus Hohlbeins Azraels ein (ich bin mir aber sicher, diese Szene gibt es zu Hauf in anderen Büchern bzw. Medien), in der extra neue Nebenfiguren eingeführt werden, um den Protagonisten unter Beschuss zu nehmen, und auf der nächsten Seite sogleich das Zeitliche segnen. Diese Szene war nur dazu gedacht, Prota-geht-von-A-nach-B "spannender" zu machen, war aber schlussendlich viel Geballere um nichts.

Christopher

Klingt für mich nach zwei Fragen:

Wie macht man eine Kampfszene spannend
und
wie schreibt man eine Kampfszene?

Für ersteres sind hier schon gute Anmerkungen gekommen. Der Kampf muss emotionales Gewicht haben, es muss um etwas gehen, er muss mehr sein als "Der Held musste auf dem Weg von A nach B noch ein paar Orks niedermetzeln" - eine Szene, die dann vielleicht nur dazu dient, die Kampfstärke des Helden darzustellen o.ä.
Ein Beispiel dafür ist z.b. "Greatcoats" falls man es kennt. Da gibt es alle naselang einen Kampf, die meisten davon dienen bloß Exposition und der Darstellung der Hauptfiguren. Theoretisch würde die Story aber auch mit der Hälfte der Kämpfe problemlos auskommen und wenig bis nichts verlieren.


Aber zum handwerklichen Teil, wie man denn nun eine Kampfszene schreibt:

Den besten Vergleich den ich kenne, ist der mit Sexszenen. Sex- und Kampfszenen sind sich recht ähnlich darin, wie schwierig und kompliziert sie sind.
Eine Sache von der ich rundheraus abraten kann, ist so etwas wie eine Choreographie zu schreiben. Da gäbe es nur zwei Möglichkeiten, das überhaupt zu tun. Erstens, indem man alles sehr genau beschreibt (was unglaublich ätzend zu lesen ist und der Szene jegliche Dynamik nimmt) oder zweitens, indem man mit Fachbegriffen langwierige Beschreibungen umgeht. Diese Fachbegriffe richtig zu nutzen und gleichzeitig vom Leser zu erwarten, dass er die auch alle versteht, ist aber völlig unrealistisch. Also: Sein lassen.

Die nächste Sache, die ich unterschreiben würde, ist das Verhältnis von Handlung zu Gedanken und Gefühlen. Handlung, Handlung, Handlung, ... liest sich sehr anstrengend und gibt wenig Mehrwert. Das ist was für Filme, wo das visuelle die Stärke ist. Die Stärke des Mediums Buch ist aber, dass man das Innenleben so gut darstellen kann. Ja, Handlung soll und muss passieren, aber im Verhältnis zu Gedanken, Gefühlen etc. sollte die Handlung ca. im Verhältnis 2:1 stehen.
Lukes Kampf gegen Vader wäre in einem Buch recht lang, obwohl die Kampfmanöver recht wenig sind und keine allzu komplizierte Choreographie haben, aber was sich im inneren abspielt ist eine ganze Menge. (Gemeint war glaube ich der letzte Kampf vor dem Imperator, zumindest meine ich den hier).

So wie eine Sexszene ist ein Kampf aber grundsätzlich eine komplizierte Sache. Daher empfehle ich, sich das durch gute Vorbereitung so einfach wie möglich zu machen.
z.B. sollte man - wenn möglich - Kämpfe an bereits bekannten Schauplätzen austragen lassen. Dadurch kann man sich Beschreibungen des Geländes/des Raumes/etc. mitten im Kampf sparen. Ebenso sollte man keine wichtigen neuen Figuren einführen (böser Hohlbein!), weil man dafür gar keine Zeit hat/die Dynamik bricht/der Leser herausgerissen wird aus dem Kampf. Charaktere und ihre Fähigkeiten sollten vorher bekannt sein, irgendwelche völlig überraschenden Dinge aus dem Hut zu zaubern, um den Kampf "spannender" oder "aufregender" zu machen, halte ich für eine sehr schlechte Idee. Das geht in Deus Ex Machina rein - wenn der Autor alles mögliche aus dem Hut zaubern kann - also praktisch ALLES passieren kann - verliert der Kampf schnell jegliche Spannung. Denn egal wie gut/schlecht es aussieht - am Ende könnte der Autor ja einfach irgendwas aus dem Hut ziehen, was das Ergebnis des Kampfes noch mal völlig verändert und damit alles vorhergegangene belanglos macht.

Der letzte Teil gerade zum Thema "mächtige Wesen und Magie etc." Klingt, als würde es einen Kampf spannender machen, wenn der Leser nicht weiß, was er erwarten kann, aber ich zumindest empfinde gerade das Gegenteil.

So, nu muss ich leider los zur Arbeit, aber vielleicht ist das auch gut so, sonst würde ich mich noch wesentlich ausschweifender zu dem Thema auslassen ;D
Be brave, dont tryhard.

Wallrabe

#8
Hm, sehr interessante Aufteilung in zwei sehr wichtige Aspekte, von Christopher, muss ich mir ebenfalls merken - hatte ich so noch nie drüber nachgedacht glaube ich.

Mir persönlich hilft bei Kampfszenen vor allem über zwei Sachen nachzudenken:

A) Worauf ist mein Fokus, wozu ist die Kampfszene da, was will ich damit bezwecken?
Wenn ich zeigen will, wie technisch überlegen, vielleicht brutal, vielleicht kalt effizient ein Charakter ist, dann fokussiere ich mich darauf, genau das zu zeigen. Schnelle Bewegungen, kurze Sätze, volles Augenmerk auf die Darstellung just jener technischer Überlegenheit. Ich habe da vor allem die Schwertkämpfe von Geralt aus "Der letzte Wunsch" und "Das Schwert der Vorsehung" im Kopf, den beiden "Prolog"-Büchern der Hexer-Reihe. Geralt macht seine Pirouetten, was aus aus realistischer Sicht nicht super viel Sinn macht, aber es wäre auch Unsinn, in solchem Kontext den Leser mit technischem HEMA-Kauderwelsch zu verwirren. Dagegen wissen die meisten ungefähr, was eine Pirouette ist. Und eine Pirouette vermittelt vor allem mit einem einzelnen Wort: Der Kämpfer wirbelt wendig und geschickt herum mit dem Schwert.

Dagegen, wenn ich von einer großen Schlacht erzählen will, dem Leser vermitteln will, wie sehr das Getümmel den Protagonisten mitnimmt, dann beschreibe ich nicht, welche Kampfmanöver er oder die anderen um ihn herum macht, sondern richte das Augenmerk auf Blut, Schweiß, Schmerz und Tränen, wie es ihm schlecht wird bei Blut und Gedärm um ihn her, wie er an Zuhause denkt, wie er vllt zu XY nie auf Wiedersehen gesagt hat etc.

B) Ich stelle mir vor, wie es in einem Film aussehen würde. Wo ist der Fokus der Kamera, was sind tragende Details der gezeigten Szene? Regnet es vielleicht? Sehe ich erst einmal Schlachtformationen von oben? Sampfen unzählige Soldaten durch den Matsch, sodass der Dreck gegen die Kamera spritzt, als eine endlos wirkende Schlachtreihe in Position geht? Denn letztlich machen wir beim Schreiben ja auch "nur" das, wir zeigen dem Leser - zumindest in etwa - das, was wir ihn sehen, erleben lassen wollen, denke ich?

Aus guten Gründen sieht immerhin eine Schlachtszene in 300 ganz anders aus, als etwa im Intro der Schlacht von Omaha Beach, im Soldat James Ryan. Natürlich völlig verschiedene Settings - aber auch ganz verschiedene Stilmittel. 300 zeigt, wie Leonidas sich mit athletischem Körper unter einem Feind wegduckt, einen mit dem Schild wegschlägt und einen zweiten mit dem Speer durchbohrt.

Am Omaha Beach dagegen spritzt Dreck, Blut, die Sicht wird verschwommen, das Gehör betäubt, hektische Kamera-Schwenks simulieren ein Stück weit die Sichtweise der einzelnen Personen, die aus dem Nebel mit Maschinengewehren beschossen werden und neben denen Granaten explodieren. Da scheint es mir weit weniger Ziel, die kämpferischen Fähigkeiten der Protagonisten darzustellen, sondern viel mehr die grauenhafte Lage der Soldaten an dem Strand und wie es den einzelnen Personen dabei geht.

Kare

#9
ich persönlich LIEBE Kampfszenen  :wolke:, vielleicht, weil ich mit Dragonball FFs in die Schreibwelt gestartet bin.  ;D

Für mich sind sie Zuspitzungen von Konflikten oder notwendige Entwicklungsstellen.






Was macht eine gute Kampfszene aus?


1. Sie erfüllt einen Zweck:
Ein Konflikt erreicht seinen Höhepunkt (Schlacht),
es ist für einen Chara ein Wendepunkt, eine Probe, ein Beweisen müssen, oder auch ein Seiten-Wählen - also die äußerliche Darstellung eines Inneren Konflikt
sie soll etwas charakterisieren: Kampfweise des Charas, politische Einstellung in der Welt, Stand der Waffen, Machtverhältnisse, etc.
Sie ist eine Weichenstelle für die Handlung - danach ist etwas anders als zuvor - Chara stirbt, wird gefangen genommen, etc, was die Story in eine neue Bahn lenkt.


2. Nach dem Kampf ist etwas anders als zuvor:
Die Handlung wendet sich, der Held hat etwas gelernt, ein Chara ist tot, ein Motiv ist klar geworden - egal was, etwas muss passiert sein. Ich finde nichts davon? Dann kann ich die Szene streichen. Gnadenlos.


3. erforderlichen Detailgrad bestimmen:
Das hängt für mich ganz eng mit dem Zweck zusammen. Soll die kämpferische Raffinesse dargestellt werden, die technische Überlegenheit von Volk A gegen Volk B, dann muss das natürlich auftauchen. Ansonsten geht es für mich mehr um das große Bild und darum, dem Leser so viele Hinweise zu geben, dass er sich etwas vorstellen kann - aber auch nicht mehr.


4. In einem Buch: Einzelkämpfe rausgreifen, die entweder verallgemeinernd oder im Kontrast zum Kampfgeschehen stehen:
Das ist mein persönlicher Geschmack, aber Schlachtgemetzel aus der Vogelperspektive finde ich über mehr als ein paar Zeilen schnell langweilig und zu distanziert. Kurze Überblicke finde ich gut, aber nur, um dann die Kamera wieder dicht an ein Geschehen ranzufahren.


5. Alle Sinne einbinden:
Sollte eigentlich für alles und immer gelten, aber in Kämpfen besonders. Statt einfach nur Handlungsschritte aneinander zu reihen, die hauptsächlich visuell beschrieben werden - was riecht und hört man? Was fühlt man? Bebt der Boden? Wie ist die Atmosphäre? Was schmeckt man in der Luft?


6. Die Setting einbinden:
Das ist manchmal kniffelig, aber Kämpfe finden ja nun mal selten im Vakuum statt. In einem Haus? Wie nutze ich das für dem Kampf aus? Auf offenem Gelände? Wie beeinflusst das den Kampf? Bäume, Verstecke, herumliegende Gegenstände, andere Personen - das passiert viel zu selten. Hier kann man von Filmen viel lernen.


7. Gleichgewicht zwischen Handlung, Gefühlen, Beschreibung:
Es wurde oben schon genannt, die Gedanken und Gefühle eines Kämpfers sind durchaus wichtig. Hier ist die hohe Kunst, ein gutes Gleichgewicht mit der aktuellen Handlung zu finden. Gleiches gilt für die Beschreibung vom Setting oder der Atmosphäre. Breite ich das eine halbe Seite aus, nehme ich Dynamik weg, baue aber vielleicht eine düstere Suspense dadurch auf am Anfang des Kampfes. Das zu machen, wenns gerade losging, bremst vielleicht ungewollt.
Das ist....wie mit einem guten Musikstück. Es braucht das langsamer werden und anschwellen, damit es später einen Höhepunkt geben kann.
In Kämpfen löse ich das meist, indem ich zwischendrin Dialog einbaue. Realistisch? Vielleicht nicht, aber es gibt eine kurze Verschnaufpause von der Handlung, auch für den Leser.


8. Im Zweifelsfall: Weniger ist mehr.
Ja, es gibt Bücher, wo ich gedacht habe, huch, Kampf schon vorbei? Das war aber kurz. Aber das ist so, so selten. Viel eher kommt vor, dass ich irgendwann weiterblättere, weils öde ist. Daher - lieber zu kurz, als zu lang.

Beispiel: "A stürzte sich auf B und warf ihn in den Schweinepfuhl. Schnell bildete sich eine Menschentraube, die ihr dreckiges Gerangel lautstark anfeuerte."

Zwei kurze Sätze, schon hat man eine Szene vor Augen. Man kann mehr, muss aber nicht.





"Die Vergangenheit interessiert mich nur soweit, wie sie mir hilft, die Zukunft zu planen."  ~ Dravos Kanael Salanos - "Drakan"


Avatar © Olga Kolbakova

Haru

WowWow Leute ich bin begeistert. Das sind alles so gute Antworten. Ich bin euch echt dankbar! Das hilft mir auf jeden Fall schon weiter.

Vielleicht hilft es auch wenn ich euch die zB erste/zweite Kampfszene näher beschreibe. In der ersten werden mein Hauptchara und sein Schützling in seiner Wohnung angegriffen. Durch die Fenster stürzen sich diese Krieger herein. ( Fliegend, wenn Nath wohnt ziemlich weit oben in einem Hochhaus) . Diese Krieger sind komplette Kampfmaschinen und nur darauf ausgerichtet ihre Befehle auszuführen. Ein wenig wie ein Roboter. Da ich aus Nathaniels Sicht schreibe, denke ich, kann ich hier ziemlich gut auch mit dem Schreck und seinen Emotionen arbeiten. Das ist auf jeden Fall ein guter Tipp.
Eine Weile später wird es eine Art Verfolgungsjagt mit dem Auto...wenn diese Wesen hinter ihnen her sind. Mal schauen wie ich das mache.
Danach folgt ein Angriff in dem Haus seines Bruders..... (Ich merke gerade, ich zerstöre ziemlich viel Mobiliar ...)

Ich denke, in den späteren Kapiteln werde ich auch um größere Kampfszenen nicht herum kommen.  :pfanne:  Aber ich nehme mir jetzt erstmal eure Tipps hier zu Herzen und versuche sie umzusetzen! Ganz lieben Dank und falls euch noch etwas einfällt : Immer her damit!  :vibes:

Marlemee

Mir persönlich geht es so, dass ich mich bei Kampfszenen ganz oft mit der Länge verschätze. Tatsächlich geraten sie bei mir eher zu kurz. (Ich denke, es hängt mit dem veränderten Tempo zusammen. :hmmm:)
Mir hilft dann zeitnah noch mal drüber zu lesen, vielleicht öfter mal die letzten Sätze zu überfliegen oder ähnliches. Weil sich in meinem Kopf die ganze epische Szene abrollt, auf dem Papier stehen aber erst ein paar knackige Sätze und Eindrücke, die ich rausgegriffen hab. Vielleicht ist es bei anderen auch genau anders rum? Jedenfalls sollte es auch nicht zu kurz sein, gerade wenn man einen Kampf vielleicht lange aufgebaut hat oder es sich lange angebahnt hat. Laut vorlesen hilft mir da ganz gut.  :)

Haru

Zitat von: Marlemee am 06. Mai 2021, 21:27:47
Mir persönlich geht es so, dass ich mich bei Kampfszenen ganz oft mit der Länge verschätze. Tatsächlich geraten sie bei mir eher zu kurz. (Ich denke, es hängt mit dem veränderten Tempo zusammen. :hmmm:)
Mir hilft dann zeitnah noch mal drüber zu lesen, vielleicht öfter mal die letzten Sätze zu überfliegen oder ähnliches. Weil sich in meinem Kopf die ganze epische Szene abrollt, auf dem Papier stehen aber erst ein paar knackige Sätze und Eindrücke, die ich rausgegriffen hab. Vielleicht ist es bei anderen auch genau anders rum? Jedenfalls sollte es auch nicht zu kurz sein, gerade wenn man einen Kampf vielleicht lange aufgebaut hat oder es sich lange angebahnt hat. Laut vorlesen hilft mir da ganz gut.  :)

Ah! genau. Nein mir geht es da genau wie dir. Ich habe es riesig im Kopf und vor Augen, aber auf "dem Papier" ist es dann irgendwie nur ein kleiner Absatz....

Mefisto

Kampfszenen - hoch interessant ... also ich gebe vielen Anmerkungen hier recht und gehe mal auf das rein Handwerkliche ein was ich mir als Spickzettel aus Büchern über schreibtechnik abgekuckt habe. Kampf ist - wie alles andere - eine Handlung. Also wie gesagt mein Spickzettel und soll nicht heissen dass es so sein muss, aber ich finde, dass es mir hilft.

•   Handlungen spielen in Aktionen und Reaktionen
•   Reaktionen dürfen nicht vor Aktionen kommen
•   Aktion und Reaktion sollen nicht durch Info-Dump getrennt werden (ganz wichtig beim Kampf - sonst kommt das Tempo raus)
•   ACHTUNG Reihenfolge der Internalisierung (so muss aus der Sicht des Helden in Reihenfolge geschrieben werden)
o   Gefühl
o   Gedanken
o   Handlung
o   Dialog ... (Im Kampf seltener)

Schreibstil:
Im Kampf versuche ich immer kürzere Sätze zu machen, eher Verben als Adjektive und Partizip I/II.

Aufbau:
Ich schreibe gerne mit 2 oder mehr Personen (2 Kämpfer an unterschiedlichen Schauplätzen oder Beschützer und Schutzbefohlener, Hauptdarsteller Begleiter), bau eine Bedrohung auf und wechsel dann wenn der/die Protagonist/en ein Problem hat/haben. Das Spiel kann man hin und wieder machen aber nicht zu oft. Dadurch kann man schön "Cliffhanger" in Szenen schaffen.

Ganz wichtig - vor oder im Kampf muss für den Protagonisten eine Bedrohung entstehen. Wenn der jeden Gegener umpflügt mit einem Wimpernschlag ist es langweilig wie die Nacht. Also dein Protagonist (Nath wenn ich das richtig verstanden habe) - muss vor diesen Kriegern Angst haben müssen. Ich weiss nicht was er/sie ist - welche Fähigkeiten er/sie hat.

Hoffe das bringt dir was .. aber ich glaube du hast ja auch schon vielen tollen Input von den anderen Zirklern bekommen  ;D











NatNat

#14
Auch, wenn hier schon länger nichts gepostet wurde, geb ich mal meinen Senf dazu.

Ich habe es lange Zeit gehasst Kampfszenen zu schreiben, wusste nicht, wie ich sie aufziehen soll. Inzwischen fällt mir das wesentlich leichter.
Wichtig sind vorallem, dass man den Realismus nicht außer Acht lässt - kommt aber natürlich auf die Gesetze der Welt an, in der der Kampf stattfindet.
Gibt es zum Beispiel physikalische Gesetze, muss man diese beachten. Benutzt man Schusswaffen, ohne Magie einzusetzen, sollte man sich vorher über die Wirkung und den Durchschlag eines Schusses informieren.
Dann muss man bedenken, dass Menschen nur eine begrenzte Ausdauer haben - dies gilt auch für die meisten Fantasiewesen. Kämpfen ist anstrengend und kaum eine Kreatur kann mehrere Stunden am Stück kämpfen, ohne irgendwann sprichwörtlich mit der Zunge am Boden zu kleben.
Die Muskeln brennen, das Herz pocht, das Blut rauscht - das Adrenalin lässt einen Zittern, betäubt und belebt gleichzeitig.
Das alles muss man beachten.
Auch: Adrenalin hemmt Schmerz, macht aber keinen Superhelden. Ja, eine Schnittwunde wird der Held eventuell nicht bemerken. Nein, wenn man ihm einen Arm abschlägt, wird er für gewöhnlich nicht einfach so weiterkämpfen - mit Ausnahme gewisser Höllenkreaturen, die so etwas vielleicht gewöhnt sind. Menschen oder andere Wesen, die ein ähnliches Schmerzempfinden und ähnlich wenig Kampferfahrung haben, werden diesen Schmerz dann wahrnehmen und schlechter Kämpfen. Vielleicht straucheln sie, ihnen wird schwindelig oder oder oder.
Finde das super wichtig, dass man so etwas auf dem Schirm hat. Mich stört so etwas ungemein, wenn Kampfszenen über mehrere Stunden gehen, keiner Ermüdungserscheinungen zeigt und ein Schmerzempfinden scheinbar auch nur eine Legende ist. Ich meine ... Fantasy - okay. Aber irgendwo gibt es immer ein klein wenig Realismus, oder wie seht ihr das?

Die Sätze sollten kürzer werden, um Dynamik und Spannung in den Text zu bringen.
Nichts ist meiner Meinung nach ermüdender, wie elendig lange Sätze in einem spannenden Kampf.

Das Innenleben des Kämpfers sollte man auch nicht vernachlässigen - je nach Konzentration und Adrenalinpegel nimmt man ja auch was wahr. Gefühle, Gerüche, Gedanken - sollte man nicht vergessen, aber auch nicht zu stark mit einbauen, weil sonst die Spannung wieder flöten geht. Ich finde, das ist der größte und schwierigste Spagat an der ganzen Sache.  ;D

So versuche ich, Kampfszenen aufzuziehen - habe aber hier im Thread schon gesehen, dass jeder da unterschiedliche Herangehensweisen hat. Interessant, wirklich :)

[SONNENBLUMENFEE:] Hotlinking-Smiley entfernt [/SONNENBLUMENFEE]