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Wie mache ich den Mistkerl sympathisch?

Begonnen von HauntingWitch, 04. Juni 2014, 17:04:53

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Snöblumma

Ich hab hier jetzt eine Weile mitgelesen und mich gefragt, ob die Frage nach dem "sympathischen" Bösewicht eigentlich die Kernfrage war ;). Was nicht heißen soll, dass diese Frage nicht auch sehr spannend ist - eindimensionale Bösewichte sind meistens ja nicht so die Bringer, haben einfach zu wenig Potenzial für Konflikt und sind im Grunde genommen langweilig, wenn man nicht auf der Schiene unterwegs ist, das absolut abgrundtiefe Böse, das Grundlose sozusagen, darzustellen. Letzteres kann ja auch seinen Reiz haben ;).

Aber ich will die Frage mal umformulieren: Wie mache ich aus dem sympathischen Bubiface einen Mistkerl? Wie also gebe ich einer Figur (Love Interest, bester Freund des Helden, der Held selbst?) solche Ecken und Kanten, dass sie nicht mehr einfach nur nett und sympathisch ist, sondern eher "grau"? Das ist für mich eigentlich oft schwerer als den Bösewicht nett wirken zu lassen (Katzen, Kindern, die alte Oma - das kann für rührende Szenen sorgen).

Ein an sich positiver Charakter muss ja am Ende immer noch positiv besetzt sein, nicht nur "böse, aber vielleicht ab und zu ganz nett und nachvollziehbar". Er darf also nicht ZU böse werden, nicht zu abartig, zu fremd, zu "anders". Da finde ich es immer wichtig, die Genreerwartungen abzustecken. Im Romancebereich sind ganz andere Dinge erlaubt und möglich als in der High Fantasy, ein Steampunkroman kann andere Charaktere ab, und in einer Dystopie sind die Karten wieder ganz anders gemischt. Natürlich darf der Mistkerl ein knallharter Fighter sein, aber er muss es dann immer mit Grund tun, so dass wir als Leser es nachvollziehen können. Wichtig ist in der Hinsicht auch, dass solche Figuren zwar Fehler haben dürfen - dass sie diese aber zwangsläufig überwinden müssen, wenn sie wirklich Fehler der Sorte sind, die man ihnen übelnimmt. Natürlich darf der LoveInterest ein notorischer Fremdgeher sein, aber sobald er auf Misses Right trifft, muss sich das ändern. Der desillusionierte Polizist (oder ähnliches) in einer Dystopie darf vielleicht desillusionert bleiben, aber im Grunde genommen warten wir doch darauf, dass er das Kämpfen wieder lernt und sich noch mal aufrafft...

Ob man Charaktereigenschaften per se als fragwürdig wahrnimmt, hängt natürlich sowohl vom Wertesystem des Lesers ab als noch viel stärker vom Wertesystem, das diese Geschichte trägt. Darum finde ich es immer elementar, zu wissen, welche Werte die Gesellschaft meiner Figuren so schätzt, welche nicht, wieso sie das tut, ob es darin Brüche gibt...

Bei einer meiner Figuren aus meinem Steampunk aus dem letzten NaNo beispielsweise ist sehr schnell klar, dass er ein absoluter Feigling ist, obwohl er Offizier geworden ist. Tapferkeit und militärische Ehren gehen gerade in seiner Lebensumwelt (Adel) über alles. Kurzum: Er ist ein kriecherischer, schmieriger Feigling, der noch dazu nicht vor seiner eigenen Familie Halt gemacht hat, um seinen eigenen Vorteil zu verfolgen. Er ist also eine Figur, die sowohl von den Lesern als auch innerhalb des Systems verachtet wird. Dennoch wird nach und nach klar, wieso er so handelt: Er ist einfach nicht dazu geboren, sondern eher ein zurückhaltender Denker, der viel lieber an der Uni geblieben wäre, aber aufgrund der äußeren Umstände in den Militärdienst gezwungen wurde. Auf diese Weise hoffe ich, dass diese Figur zumindest im Ansehen der Leser steigt. Er macht ja das Beste aus seiner Lage ;).

Anders ist es bei meinen Romance-Projekten (wo ja auch die epische Bezeichung des "mysteriösen Mistkerls" entstand, nicht wahr, Malinche :D ). Ich mag die Love Interests, die eigentlich viel zu arrogant sind, solche von sich selbst überzeugten Machos, die aber eigentlich ein weiches Herz haben ;). Aber das passt nun nicht ganz zum High Fantasy-Genre, also höre ich schon wieder auf :D.

HauntingWitch

Snö, deine Ausführungen sind wie immer sehr spannend.  :) Dann will ich mal drauf eingehen.

ZitatAber ich will die Frage mal umformulieren: Wie mache ich aus dem sympathischen Bubiface einen Mistkerl? Wie also gebe ich einer Figur (Love Interest, bester Freund des Helden, der Held selbst?) solche Ecken und Kanten, dass sie nicht mehr einfach nur nett und sympathisch ist, sondern eher "grau"?

Das wiederum fällt mir nicht schwer. Für mich ist ein grauer Charakter selten ein Mistkerl, sondern realistisch und sympathisch. Wie ich es mache, dass er eben nicht mehr einfach nur sympathisch und nett wirkt, sondern auch Ecken und Kanten hat? Ich gebe ihm Abgründe, Charaktereigenschaften, die er schlecht unter Kontrolle hat oder ihm nicht bewusst sind oder auch Eigenschaften, die von vielen Leuten negativ aufgenommen werden. Mein einer Hauptcharakter hat z.B. einen sehr ausgeprägten Stolz in sich und neigt dazu, eine Wut offen zu zeigen. Ausserdem hat er den Tod seiner Mutter nie vollständig verarbeitet... Schon ist er nicht mehr so nett und niedlich.  ;) (Hoffe ich zumindest). Beispiele aus Büchern, die ich gelesen habe, fallen mir jetzt leider gerade keine ein.

ZitatNatürlich darf der LoveInterest ein notorischer Fremdgeher sein, aber sobald er auf Misses Right trifft, muss sich das ändern.

Das sehe ich anders. Mir würde das unrealistisch erscheinen. So etwas ist ja erfahrungsgemäss eher charakterlich bedingt und hat weniger mit der anderen Person zu tun. Manchmal, sicher, aber meistens ändern sich Leute nicht von Grund auf, nur weil jemand ach-so-Besonderes (;)) in ihr Leben tritt. Jemand, der seinen Partner betrügt, wird vermutlich auch den nächsten Partner betrügen. Am Anfang glaubt man ja immer, dieser sei nun der Richtige.

ZitatOb man Charaktereigenschaften per se als fragwürdig wahrnimmt, hängt natürlich sowohl vom Wertesystem des Lesers ab als noch viel stärker vom Wertesystem, das diese Geschichte trägt. Darum finde ich es immer elementar, zu wissen, welche Werte die Gesellschaft meiner Figuren so schätzt, welche nicht, wieso sie das tut, ob es darin Brüche gibt...

Das ist das Puzzleteil, das mir vor ein paar Tagen noch gefehlt hat, danke!  :)

ZitatAnders ist es bei meinen Romance-Projekten (wo ja auch die epische Bezeichung des "mysteriösen Mistkerls" entstand, nicht wahr, Malinche ). Ich mag die Love Interests, die eigentlich viel zu arrogant sind, solche von sich selbst überzeugten Machos, die aber eigentlich ein weiches Herz haben .

Hihi, es ist ja oft auch so, dass solche vermeintlich superharten Typen unter dieser Schale mehr ihre Unsicherheit und Verletzlichkeit verbergen als etwas anderes. Da gibt es allerdings auch Abstufungen. Wenn jemand das schon zu lange so macht, wird er es schwerer haben, diese Seite seines selbst wiederzufinden bzw. zu zeigen und möglicherweise noch mehr den Mistkerl raushängen lassen. Jemand, der eigentlich nur darauf wartet, dass eine ihm das Herz öffnet und das auch gegenüber sich selbst zugibt, wird einfacher zu knacken sein...

Norrive

Der 'mysteriöse Mistkerl' ist aber doch eigentlich genau das, worauf der Thread hier abzielt (dachte ich nach Lesen der Posts ;D )

Er muss (bei Romance natürlich) eigentlich richtig unausstehlich sein, aber vor Erotik prickeln (und ich glaube letzteres lässt gerade Romance-Leserinnen über einiges andere hinwegsehen ;D ). Ich denke auch bei anderen Genres (und natürlich auch dem Leser selbst!) gibt es solche Schlüsseleigenschaften, die einen Charakter trotz aller Widrigkeiten sympathisch machen. Als Beispiel nehme ich gerne Han Cho-Bei aus RED 2. Der beste Auftragsmörder der Welt, ehemaliger koreanischer Agent, der durch Verrat zum Landesverräter wird, und hinter dem Hauptcharakter Frank Moses her ist. Ich kann Han nicht widerstehen, weil er einen ganz ganz trockenen Humor hat (''Nein, Grashüpfer, ist es nicht'') und sich in den unpassendsten Momenten über Nichtigkeiten aufregen kann
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Aber die Sache mit den verschiedenen Wertesystemen, die Snö erwähnt hat, ist glaube ich bei dem sympathischen Mistkerl entscheidend. Und die Frage, wem gegenüber er sympathisch sein soll (--> Einem anderen Char: Wertesystem im Buch --> Dem Leser: Wertesystem des Lesers).

Grüße
Norrive

Lazlo

Ich kann da Arcor nur zustimmen, über Humor geht einiges.
Ich hatte das gleiche Problem mit meinem Antagonisten, den ich auch nicht nur "böse" darstellen wollte, sondern facettenreich. Er ist der Teufel höchstpersönlich. Er ist sarkastisch, sicherlich auch bösartig, aber durch seinen Humor zieht er den Leser doch ab und zu auf seine Seite. Das kann man doch auch immer hervorragend durch die Erlebte Rede erreichen, indem man seine Gefühlen, Beweggründe und Gedanken beschreibt und so die Handlungen nachvollziehen kann.

Schwarzhand

Zitat von: Lazlo am 04. August 2014, 13:57:06
Ich hatte das gleiche Problem mit meinem Antagonisten, den ich auch nicht nur "böse" darstellen wollte, sondern facettenreich. Er ist der Teufel höchstpersönlich. Er ist sarkastisch, sicherlich auch bösartig, aber durch seinen Humor zieht er den Leser doch ab und zu auf seine Seite. Das kann man doch auch immer hervorragend durch die Erlebte Rede erreichen, indem man seine Gefühlen, Beweggründe und Gedanken beschreibt und so die Handlungen nachvollziehen kann.

Und ich glaube genau das ist es, was einen eigentlichen Mistkerl zum Leserliebling mutieren lässt:
Seine Verschlagenheit und dem trockenen Humor, mit dem er gegenüber anderen Charakteren heraussticht.
Allerdings(und da beziehe ich mich einmal auf George R.R. Martin)schaffen es einige Autoren ihre Antagonisten ohne diese bestimmte Art von Humor und auch ohne diese Motivation, die
schon genannt wurde, den eigentlich bösen und grausamen Charakter dem Leser ans Herz zu legen.
Ich habe da so Cersei im Blick, die ich anfangs nicht leiden konnte, aber nach und nach mit ihr "anbändelte".
Jetzt wird einjeder sagen, Cersei hätte doch ebenfalls diese Motivation und den Gegensatz, den die liebende Mutter darstellt, doch dafür wird ihre Rolle als besorgte Mutter, so finde ich, zu wenig hervorgehoben.
Um jedoch auf das eigentliche Thema zurückzukommen  ;):
Ich denke, dass es ein klar verschlagener, gieriger und grausamer Charakter sehr viel einfacher hat, wenn man ihm mit einem guten Humor und einer großen Palette von Gefühlen ausstattet, dem Leser zu gefallen. Es ist aber auch nicht unmöglich , einen Charakter ohne die eben beschrieben Eigenschaften sympathisch wirken zu lassen.


Grüße Daljien

zDatze

Ich mag ja Bösewichte/Mistkerle sehr gerne, bei denen ich absolut nicht einschätzen kann, was sie als nächstes tun werden. Diese Unberechenbarkeit zieht mich richtig in den Bann und ich werde dann immer ein bisschen pampig, wenn die "normalen" Protagonisten im nächsten Kapitel wieder das Ruder übernehmen, um weiter ihren bereits ausgetüftelten Plan in die Tat umzusetzen.

Wenn eine Figur nur ein Mistkerl ist, ohne eine antagonistischen Rolle zu übernehmen, dann finde ich es mit der Sympathie schon schwieriger. Eine Figur, die sich ohne anfangs ersichtlichen Grund, wie ein A*loch verhält, und die man im Verlauf der Geschichte trotzdem liebgewinnen soll und das bitte auch noch ohne in eines der unzähligen Erklärungs-Klischees zu verfallen.
Manchmal frage ich mich wirklich, warum in so ziemlich jedem meiner Projekte mindestens eine Figur auftaucht, die ihre Arroganz mit Stolz zur Schau trägt und dabei eigentlich Publikumsliebling sein will. :d'oh:

Coppelia

Das hier ist wohl der richtige Thread für mich. Also, ich kämpfe momentan auch mal wieder mit dem Plot und vor allem mit meiner Hauptfigur (wer in der Vhaskalia mitgelesen hat: Es ist Atanis). Die Hauptfigur in meinem antiken Setting ist ein junger Mann von Adel. Er will den schlechten Ruf seines Vaters abschütteln, der ein berüchtigter Schürzenjäger war, und sich als Politiker einen Namen machen. Leider habe ich einige Probleme damit, ihn sympathisch zu machen. Ein richtiger Mistkerl ist er eigentlich nicht: Er will an sich alles richtig machen und es allen Beteiligten recht machen. Nur: Er bekommt es nicht hin. Er will sich moralisch verhalten, aber er hat eine Affäre mit einer verheirateten Frau (die in ihrer Ehe allerdings ziemlich unglücklich ist). Er will sich für die Benachteiligten einsetzen, aber ihm werden die Möglichkeiten verbaut. Letzten Endes geht er aus mangelnder Erfahrung politisch dermaßen ungeschickt vor, dass er Tumulte auslöst und auch noch wesentlich dazu beiträgt, eine Diktatorin zu etablieren. Das ist Teil 1 - was ihn in Teil 2 erwartet, versuche ich noch herauszufinden. :-\ Nein, er ist kein Mistkerl. Ein Wort, das ihn beschreibt, wäre Hallodri oder Windbeutel. :P Und er handelt auch vor allem aus Egoismus: Dass er als Politiker sowas wie Verantwortung hat, wird ihm erst klar, als es zu spät ist.

Hier wurden folgende Punkte genannt, um eine Person sympathischer zu machen:
- positive Eigenschaften (hm ... er ist nett, sportlich, lustig, gutaussehend ... aber ihm scheint das Großartige zu fehlen)
- Motivation (besteht wie gesagt darin, den Ruf seines Vaters abzuschütteln und sich selbst zu etablieren, also ein egoistsches Motiv)
- Prinzipien (Er will nicht, dass jemand stirbt, aber er ist im Moment auch nicht in der Situation, Einfluss darauf zu nehmen, ansonsten weiß ich nicht ....)
- Mitleidsbonus (Er hat einen strengen Lehrmeister, und sein Vater stirbt - durch sein Verschulden. Mitleid?)

Ich selbst habe meinen Spaß, seinen Werdegang zu verfolgen, aber ich fürchte, dass die Leser ihn zum großen Teil ablehen würden. Im Vhaskalia-Thread war er ja auch nicht gerade die beliebteste Figur, und ich kann es irgnedwie auch verstehen. Hätte jemand Ideen, was ich tun/verändern kann, um die Sympathie der Leser für ihn zu wecken?

Churke

Zitat von: Coppelia am 27. Januar 2015, 13:12:35
Ich selbst habe meinen Spaß, seinen Werdegang zu verfolgen, aber ich fürchte, dass die Leser ihn zum großen Teil ablehen würden. Im Vhaskalia-Thread war er ja auch nicht gerade die beliebteste Figur, und ich kann es irgnedwie auch verstehen. Hätte jemand Ideen, was ich tun/verändern kann, um die Sympathie der Leser für ihn zu wecken?

Das Problem ist, dass du ihm eklatante Charakterschwächen gibst, die einfach negativ rüber kommen müssen. Als gescheiterter Gutmensch reißt er ständig die eigene Messlatte. In seinem Arbeitszeugnis würde man schreiben: "bemühte sich stets, den in ihn gesetzten Erwartungen gerecht zu werden..."
Ich denke, wenn du ihn seine Werte über Bord werfen lässt, an die er sich sowieso nicht hält, lässt ihn das in einem besseren Licht erscheinen. Er kann sie beim Marsch durch die Institutionen verlieren oder vielleicht hatte er auch nie Werte. Du sprichst von Egoismus: Wenn er einfach nur Karriere machen will in einem Umfeld, in dem jeder nur Karriere machen will, würde ihm das die Leserschaft wohl kaum ankreiden.

Siara

@Coppi: Leider ist dein Thread mir zwar im NaNo ein bisschen entwischt, aber ich habe ja vorher schon im Romanboard mitgelesen. Und ich mag Atanis. ;D Für mich ist er eben jemand, der zwar theoretisch das Richtige tun will, praktisch aber entweder nicht weiß, wie das geht, oder sich von niederen Bedürfnissen (ob nun das Verhältnis oder einfach sein Egoismus) immer wieder abbringen lässt. Kurz: Er hat eine gewisse Tragik an sich. Und das finde ich durchaus sympathisch. Nein, er ist wohl kaum jemand, mit dem ich gerne befreundet wäre. Aber als Akteur in deinem Roman stelle ich ihn mir mit diesen Eigenschaften sehr interessant vor. Gerade das Schwanken zwischen Augenverdrehen über ihn und echtem Mitgefühl bindet den Leser auch an ihn. Würde mir zumindest so gehen. ;)

Ich finde also nicht, dass du ihn irgendwie sympathischer machen müsstest. Es gibt schließlich mehrere Arten von Sympathie. Bei mir haben die Fehlerbehafteten, die gar nicht merken, was für A***löcher sie sind, durchaus keine schlechten Chancen.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Coppelia

@ Churke
Ja, so ungefähr würde ich es auch selbst einschätzen. Interessanten Lösungsansatz hast du da. Ich selbst glaube auch, dass ein skrupelloser und egoistischer Mensch, der sein Ziel aber konsequent verfolgt, beim Leser mehr Sympathie erringt als einer, der's gut meint, aber herumhühnert und nicht in die Puschen kommt.
ZitatIch denke, wenn du ihn seine Werte über Bord werfen lässt, an die er sich sowieso nicht hält, lässt ihn das in einem besseren Licht erscheinen.
Du meinst: Zuerst versucht er das Beste, und als es nicht klappt, wirft er seine Werte über Bord? Oder dass er von Anfang an skrupellos sein sollte?
Das zweite würde nämlich nicht klappen, das erste aber vielleicht schon. Ich weiß nur nicht so genau, ob die Figur es hergibt. Und dann wäre für mich die Frage: Gewinnt die Figur wirklich an Sympathie beim Leser, wenn sie "härter" wird, fieser und egoistischer? ???

@ Siara
Ich glaube dir das gern. ;D Allerdings hast du in deinem Plot auch selbst so etwas schrägere Figuren, die in kein Schema passen, sodass ich vermute, dass wir da ähnliche Vorlieben haben und beide nicht recht repräsentativ bin.
Aber ich kann mich natürlich irren. Die Rückmeldung finde ich ermutigend. :)

Siara

Hehe, das kann natürlich sein, Coppelia. Aber trotzdem sind wir sicher nicht allein damit, die unperfekten Figuren mit ihren Macken zu bevorzugen. Sicher gibt es viele Liebhaber klassischerer Charaktere und einen großen Markt für diese. Aber die Menge derer, die tragische und schräge Figuren mögen, schätze ich trotzdem alles andere als klein ein. (Hast du die Klingen-Saga von Joe Abercrombie gelesen? Keiner der Figuren möchte ich in echt begegnen, aus den verschiedensten Gründen :gähn:).

Den ersten Lösungsansatz finde ich allerdings trotzdem sehr interessant. Jemand, der in einer skrupellosen Gesellschaft skrupellos handelt, wie Churke es vorschlug, würde bei mir keine Sympathie wecken. Anpassung ist in meinen Augen immer langweilig, selbst wenn es Anpassung zur "Stärke" hin ist. Aber den anderen Weg, Atanis seine Prinzipien irgendwann entnervt und mit erhobenen Armen wegwerfen zu sehen, das wiederum könnte Spaß machen. Vor allem, wenn zu ahnen ist, dass er es damit nicht unbedingt besser macht. :snicker:
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Churke

Zitat von: Coppelia am 27. Januar 2015, 17:20:32
Du meinst: Zuerst versucht er das Beste, und als es nicht klappt, wirft er seine Werte über Bord? Oder dass er von Anfang an skrupellos sein sollte?

Ich dachte da an den Marsch durch die Institutionen. Nach dem Motto: "Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer es mit 30 immer noch ist, hat keinen Verstand."
Kann durchaus auch subtiler sein. Ich habe mal einen französischen Film über eine Gruppe ENA-Absolventen gesehen. An der Universität sind sie alle stramme Sozialisten (Der Film beginnt in den 70ern) und wollen die Gesellschaft verändern. Dann kommen die Sozialisten an die Regierung. Die Protagonisten steigen in hohe Positionen auf und entfernen sich dabei mehr und mehr von dem, was sie ursprünglich vertreten haben und einlösen wollten. Von der Revolution über das Revolutiönchen zur Restauration. Einerseits durch die "Korruption der Macht", andererseits aber auch durch politische und ökonomische Sachzwänge. Am Schluss sind sie genauso wie die Leute, die sie einst beseitigen wollten.

Coppelia

#57
Argh, ich hasse mein sensibles Touchpad! Einmal an der falschen Stelle berührt, und der Beitrag der letzten halben Stunde ist hin. :( Daher noch einmal in kurz, entschuldigt bitte:

Vielen Dank, ich glaube, mein Problem ist gelöst! Die Entwicklung von Atanis ergibt mehr Sinn, wenn man ihn als Antagonisten sieht, der im 2. Teil die bisherige Antagonistin ablöst. Seine Entwicklung geht ja zum Negativen hin. Da ist es folgerichtig, wenn er irgendwann auch die moralischen Maßstäbe über Bord wirft. Seinen Vater hat er zu dem Zeitpunkt schon geopfert, wenn auch unabsichtlich. Dazu kommt ja, dass er, um der Alleinherrscherin nachfolgen will, sie entweder ermorden oder beerben muss (am besten beides).
Sympathisch ist er so zwar eher noch weniger, aber ich habe nicht länger das Problem, dass mein Protagonist unsympathisch ist. Wenn der Leser will, kann er ihn hassen und verachten, und wenn er gern mit Leuten auf dem absteigenden Ast mitfiebert, geht das auch. ;)
Meine zweite Protagonistin wird damit wohl meine einzige.