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Wie ausführlich ist ausführlich?

Begonnen von Mrs.Finster, 12. Juni 2009, 16:38:48

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Mrs.Finster

Hallihallo,

jetzt da ich meinen ersten Teil beendet habe (c.a. 300 Seiten), habe ich mit der Überarbeitung begonnen.
Was mir dabei ganz gravierend ins Auge gefallen ist: Mein Text ist total oberflächlig.  :o
Jetzt stellt sich mir die Frage: Wie oberflächig darf ein Text sein bzw. wann fängt es an langweilig zu werden?
Bsp. Einige beschreiben die Butter auf dem Brot, andere erwähnen nur am Rand, dass ein Mahl eingenommen wurde.
Was lest ihr gerne und wann wird es euch zu viel? Gibt es einen guten Mittelweg  ???
Ausschweifungen findet man ja ganz gerne bei Landschaftsbeschreibungen oder der Beschreibung von Schlössern etc.
Ich lese gerade Eragon II. Paolini beschreibt jedes Detail der Orte. Teilweise überlese ich die Stellen schon, da die ,,Bilder" in meinem Kopf einfach überhand nehmen.
Wie haltet es ihr damit?

Verzweifelte Grüße

das Finster
Glück ist, wenn die Katastrophen in meinem Leben endlich mal eine Pause einlegen :-)

Schreiberling

Hallo Mrs. Finster!  :winke:

Ich denke, dabei kommt es sehr auf den Schreibstil des Autors und auf den Roman an.
Ich habe schon Romane gelesen, da gab es andauernd Beschreibungen, aber trotzdem wirkte es nicht zuviel und ich habe sie gerne gelesen. Auf der anderen Seite habe ich schon Romane gelesen, da ist genauso viel Beschreibung drin und es gefällt mir überhaupt nicht.

Aber generell versuche ich es beim Schreiben so zu halten, dass ich einen guten Mittelweg finde.
Ich versuche, Szenen und Stimmungen, die ich selbst wichtig finde und gerne lesen würde, auch ausführlich(er) zu beschreiben als den Rest des Romans um beim Leser ein klares Bild hervor zu rufen. An anderen Stellen wiederum fasse ich stark zusammen und beschreibe nur sehr wenig, aber mMn tut das dem Roman und vor allem der Handlung keinen Abbruch.
Wie gesagt, ich orientere mich beim Schreiben stark danach, was ich selbst gerne lesen würde und danach, was meine Betaleser sagen.

Liebe Grüße,
Schreiberling

Feuertraum

Im Prinzip hat Schreiberling schon alles geschrieben. Allerdings werde ich ein kleines bißchen abweichen beziehungsweise ergänzen, dass es auch auf die jeweilige Szene und das Tempo ankommt. Eine actionlastige Szene sollte nicht unbedingt mit langatmigen Beschreibungen aufwarten, ein Ruhepotential sollte nicht mit 3 - 4 Wörtern abgespeist werden.

Eines jedoch ist ganz wichtig: wenn ein Gegenstand eine Rolle spielt, dann muss er bewußt in Szene gesetzt und ausführlicher beschrieben werden.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Sprotte

#3
Ein Text ohne jegliche Beschreibung ist wie trocken Brot ohne Butter. Bilder soll man natürlich entstehen lassen.
Das wird aber auch ganz fix zu viel!
Bsp. ist eine Fanfiction, die ich mir mal zu Gemüte führen durfte: Die Heldin zieht sich scheinbar alle naselang um (kommt in Klamotten A auf ein Schiff, verschwindet unter Deck und zieht sich um, zieht sich zum Essen um, wenn sie an Land gehen will etc.). Und JEDES Mal wurde dann ihre Garderobe von oben bis unten komplett und ausführlich beschrieben. Das war definitiv zu viel!
anderes Bsp. war ein Roman einer Kollegin, den ich gegenlesen sollte. Ich habe abgebrochen, weil es nicht auszuhalten gewesen war. Jede Person - und es tauchten zahllose auf - bekam beim ersten Erscheinen eine Steckbrief-Beschreibung verpaßt, die u.a. die exakte Körpergröße, Schuhgröße und Kleidung vom Schlips bis zu den Schnürsenkeln enthielt.

Weniger ist manchmal mehr.
Und Wichtiges muß ausführlich und für den Leser faßbar und erlebbar beschrieben werden.

Ich selber neige oft zum allzu ausführlichen, bis meine Betazuhörerin mich haut.  :pfanne: Und Recht hat sie!

Berjosa

Die Perspektive kann dabei auch eine Rolle spielen. Würde der Perspektiventräger bemerken, wer welche Schuhe trägt? Oder eher, dass die Tapete noch aus den Siebzigern stammen muss? Kommt es ihm darauf an, was er isst und wie es zubereitet wurde, oder mampft er schlicht vor sich hin und hört dabei sehr aufmerksam den Gesprächen am Nebentisch zu? Das, was seine Aufmerksamkeit errekt, wäre dann eben ausführlicher darzustellen. Über das, was ihm unwichtig erscheint, kann man kurz hinweggehen.

Joscha

Wie Berjosa gesagt hat, Beschreibungen können auch charakterisieren oder Stimmungen wiedergeben. Distanzierte und objektive Beschreibungen öden relativ schnell an. Vielleicht hast du einmal "Die Bruderschaft vom Heiligen Gral" von Rainer M. Schröder gelesen, da gibt es häufiger unterirdische Gewölbe und prachtvoll ausstaffierte Kirchen, bei denen selbst die geometrischen Oberflächenstrukturen noch beschrieben werden. Das ist dann zu viel des Guten.
Sind die Beschreibungen aber ein direktes Abbild dessen, wie die Figur sie sieht, stoßen sie, auch wenn sie länger werden, den Leser nicht ab. Um ein Beispiel zu nennen:

Der Charakter läuft an einem abgerissenen Haus vorbei und ist gerade richtig guter Laune. In diesem Fall würde er eher die "positiven" Aspekte der Ruine beachten, z.B. die kunstvollen Lichtgebilde zwischen den Trümmern oder das Moos, das die Steine bedeckt hat.
Läuft derselbe Charakter am selben Haus vorbei und ist total deprimiert, sieht das ganze anders aus. Ihm fallen sofort die dunklen Schatten auf, er fragt sich melancholisch, wer wohl früher in diesem Haus gewohnt haben mag und warum es zerfallen ist.
Diese Art von Beschreibung langweilt fast nie und kann ruhig in größeren Maßen angewendet werden.

Eine neutrale Beschreibung würde z.B. sagen, dass das Haus aus Backstein war und aufgrund mangelnder Wartung eingestürzt ist. Solche Beschreibungen taugen nur etwas, wenn die übermittelten Informationen entweder wirklich interessant sind oder für die Geschichte eine große Rolle spielen.

Vali

Also ich beschreibe nur, was meine Figuren auch sehen oder für die Geschichte wichtig ist. Alles andere überlasse ich der Fantasie des Lesers. Das liegt aber auch dadran, dass das mein persönlicher Geschmack ist. Ich mag ausführliche Landschaftsbeschreibungen oder Kampfchoreografien nicht so. Das sind so Überblätterkandidaten.

Als mein Prota zum ersten mal einen Prunkpalast betritt und ihm vor Staunen die Kinnlade runterfiel, beschreibe ich auch einige Details von der Einrichtung, damit man auch versteht, warum mein Prota überhaupt staunt. Aber auch nicht zu ausführlich, z.B. die Musterung des Marmorbodens oder so, was wirklich keinen interessiert.
Bei einer Verfolgungsjagd durch die Gassen der Stadt konzentrieren sich die Figuren auf die Verfolgung. Sie sehen gar nicht, dass in der Ecke ein Müllhaufen liegt und ein Bettler in einem Karton sitzt und aus Plastiktüten Zöpfe flechtet. Also beschreibe ich es auch nicht.
Einmal betritt mein Prota einen Raum, den ich näher beschreibe, denn er sucht nach Spuren, die ein Einbrecher hinterlassen haben könnte. Da erwähne ich auch mal den Sprung in der Vase, auch wenn es keine richtige Spur ist, aber könnte ja sein.
Bei der Einführung einer Figur, gab es zu dieser eine genauere Beschreibung, auch zur Kleidung, weil mein Prota sie überaus attraktiv findet. Figuren auf die es weniger ankommt, werden wenn dann nur nebenbei beschrieben (..und strich sich nervös durchs lange, blonde Haar...).

steffen_bs

Ich schließe mich Valis Meinung nur an.
Alles, was die Geschichte vorantreibt, kann beschrieben werden, der Rest nicht.
Ob er sich Butter auf sein Brot schmiert, ist vollkommen unwichtig, wenn er das Brot im Endeffekt isst. Es treibt die Handlung kein Stück voran.
Im Übrigen bin ich mir auch nicht sicher, ob Brot essen die Handlung vorantreibt...  ;)

Grundsätzlich gilt: Weniger ist mehr! Außerdem kann man Beschreibungen auch gut verpacken und somit vermeiden, dass sie lästig werden.

Beispiel: (lästig) Max hatte blondes, langes Haar.
Langweilig.
Beispiel: (gut) Max strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn.
Hier wird klar, das Haar ist blond UND lang, denn sonst würde ihm keine Strähne in die Stirn fallen. Und den Rest, wie z.B. das Styling kann bzw. soll der Leser sich selber denken.

Sprotte

Auch ich schließe mich der Fraktion "Was wichtig für die Handlung/den Protagonisten ist, wird beschrieben wie der Perspektivträger es wahrnimmt" an.
Seitenweise Landschaftsbeschreibungen finde ich gruselig (ebenso wie Lieder, die man auf einer Wanderung...)
Wenn ein Perspektivträger Kunsthändler ist, wird er in einem Raum automatisch auf Kunstgegenstände achten, ist er ein Sauberkeitsfanatiker, wird ihm Schmutz auffallen. Auch dadurch kann man einen Charakter begreifbar machen.

Drachenfeder

Sehr ausführlich beschreibe ich immer Gefühle und Gesten. Ich persönlich finde das sehr wichtig und lese es auch gerne. An Landschaften hänge ich mich nicht allzu sehr auf. Klar beschreibe ich die auch so das man sich die Landschaft gut vorstellen kann aber versuche das es sich nicht hinzieht. Das mag ich selbst nämlich auch nicht. Sehr ausführlich beschreibe ich noch Zauberei und Magie, weils mir einfach Spaß macht



Angelus Noctis

Gedanken und Gefühle sind für mich auch sehr wichtig. Wenn ich davon schreibe, dann ausführlich, weil der Leser dadurch einen viel tieferen Einblick in den Chara bekommt.
Landschaften beschreibe ich prinzipiell auch gern; allerdings bin ich gerade am Überlegen, wie ich die Beschreibung in meinem Projekt etwas straffen könnte. (Eigentlich ist es mir sehr wichtig, dass sich der Leser anhand der Beschreibung die Welt vorstellen kann. Allerdings habe ich jetzt ein Kapitel nur "tell".)
Auf Beschreibungen des Aussehens meiner Charas verzichte ich zum Teil ganz. Eine meiner Protas hat bis heute kein Gesicht.

Luciel

Mein Text taucht auch immer ziemlich oberflächig auf meinem Bildschirm auf   ;D

Aber mal im Ernst, warum siehst du deinen Text als oberflächlich?
Ich empfinde meine Texte beim überarbeiten nur dann als oberflächlich, wenn sie nicht genau das rüberbringen, was ich ausdrücken möchte. Wenn ich das Gefühl habe, der Leser versteht gar nicht, was geschieht (oder nicht geschieht), weil ich nicht ausführlich genug war. In meinem Kopf ist mir ja alles klar, nur wenn ich dann mit etwas Abstand drüber lese, dann kann es sein, dass ich bemerke, wie ich einen reinen Ablauf beschrieben habe, ohne die Beweggründe oder Ursachen näher zu beleuchten (mir waren sie ja völlig klar gewesen ...)

Ausführliche Beschreibungen der Umgebung oder Alltagstätigkeiten würde ich auch nur dort einsetzen, wo sie einen Sinn machen und die Spannung nicht zerstören. Ich mag Beschreibungen, wenn sie etwas Neues wiedergeben. Als negatives Beispiel fällt mir da gerade Bartimäus 2 (Das Auge des Golem) ein. Seitenweise Beschreibungen alter Kirchen, Regierungsgebäude, Sitzungsräume, Tagungen, etc.... Da wird z.B. in eine alte Kirche eingebrochen und der Leser ahnt, dass dort magische Fallen und vielleicht sogar Verrat warten - und wird dann mit langatmigen Beschreibungen von Fensterhöhen, Fußbodenbelägen, Treppen und Gängen genervt. Ich weiß, wie eine alte Kirche von innen aussieht! Der Hinweis - große, alte englische Kirche - erzeugt bei mir bereits ein Bild und jede weitere Beschreibung zwingt mich, dieses Bild zu korrigieren. Wobei es für die Story völlig egal ist, wie es dort aussieht.
Da frage ich mich wirklich, ob der Autor nur seine Seitenzahl anheben wollte. Letztlich habe ich all diese Beschreibungen nur noch überblättert, bis die Handlung wieder einsetzte.

Davon abgesehen sollte jeder für sich entscheiden, wie viel Beschreibung er unterbringt, denn das ist schließlich auch eine Frage des Stils. Wenn ich da z.B. an Tolkien denke - viele bemängeln seine langatmige Erzählweise, doch ich liebe genau seinen Stil und finde an keiner Stelle ein Wort zu viel.

Kati

Ich kann mich Berjosa nur anschließen. Was deine Figuren bemerken, sollte auch beschrieben sein.
Leider beschreibe ich viel zu viel. Und kann es hinterher nicht rausstreichen, weil ich sonst eine komische Lücke zwischen den Absätzen habe.  :)

LG,

Kati