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Ein gut geschriebener Text in allen Situationen

Begonnen von Deven, 22. Mai 2023, 09:24:41

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Deven

Hallo allerseits.
Ich habe lang und breit überlegt, ob dieses Thema in diesem Teil des Forums einen Platz hat und habe letztlich mit Zuspruch beschlossen, dass dem so ist. Widersprüche/Verschiebungen/Anmerkungen bitte gerne, damit ich für die Zukunft weiß, wo sowas besser aufgehoben ist.

Ich werde diesen Post mit Ausschnitten aus meinem Roman bestücken, damit klar ist, wo ich das Problem sehe und damit ihr die Gelegenheit habt mir zu sagen "Das ist ein Problem", oder aber "Das ist kein Problem" und mir je nach Ausgangslage konstruktive Antworten liefern könnt.

Zunächst einmal: Hier geht es nicht um den Plot, sondern darum in einigen Passagen, die mir schwer fallen zu Papier zu bringen etwas Leben reinzubringen, nur scheitere ich daran.

Beispiel A:
In Beispiel A zeige ich einen Ausschnitt, mit dem ich so direkt keine Probleme habe, um einen Kontrast zu liefern. Es sei betont, dass diese Ausschnitte keinerlei Ansprüche an grammatikalischer Korrektheit haben.

ZitatSpirit taumelte benommen und kraftlos in Richtung des gläsernen Ladeneingangs. Jeder Schritt schien ihr schwerer und schwerer zu fallen, bis sie dann, gerade als der Ladenbesitzer sie von innen sah, direkt vor der Tür zu Boden stürzte und sich nicht mehr rührte.
Der alte Mann im weißen Kittel, der bis zu diesem Zeitpunkt noch unbescholten in einem Buch mit dem Titel "Herold des Lichts" vertieft war sprang zunächst mit der Situation vollends überfragt auf, ehe er sich dann doch weit genug beisammen hatte um um die Theke herum, durch den Laden und hinaus zu gehen.
"Hey, was ist denn los mit dir?!",
Fragte er entgeistert.
Ich schmunzelte, begeistert über Spirits Schauspielkunst und ließ mich behutsam auf meinem Hoverboard durch das offene Fenster im Dach gleiten. Bevor ich mich über die Regale her machte besprühte ich die Linse der einzigen Überwachungskamera mit Farbe aus einer Sprühdose, wie sie Tagger in der gesamten Stadt benutzten. Glücklicherweise fanden wir eine solche, noch halbvolle Dose im Rinnstein einer nahegelegenen Straße. Offensichtlich wurde der Besitzer inmitten seiner Tat von Ordnungshütern aufgelesen, denn an der Steinmauer direkt neben dem Fundort stand
"Fuck The Po",
Geschrieben. Dass da ein "lice" fehlte stand außer Frage und der Situationshergang war für uns damit ebenfalls geklärt und auch nicht weiter ergründungswert. Wir hatten, was wir brauchten. Und hier fand es Anwendung.

In Beispiel A, mir fehlen bessere Worte dafür, fließt der Text. Er ist immersiv und ist, für mich persönlich, angenehm zu lesen.

Beispiel B:

Zitat"Wir sollten nicht lange bleiben, sehen wir uns um und verschwinden von hier."
sagte ich und erhob mich wieder, während Spirit zustimmend ihre Umarmung löste.
"Ich glaube an dich, Free.",
sagte sie und blickte, bedachte mich mit einem Blick, der durch meine Augen in die Tiefen meiner Seele drang.
"Sti...dent...fz..."
Beide von uns wirbelten erschrocken herum und starrten gebannt in die grobe Richtung der Geräuschquelle, von der nur noch Rauschen kam.
"Das hast du also auch gehört...",
Sagte ich, woraufhin Spirit neben mir wortlos nickte.
"Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass das eine dieser bewaffneten Maschinen ist, wie vorhin die Drohne?",
"St... id... frnr....",
"Ich denke nicht, dass ich riskieren will, das herauszufinden.",
erwiderte ich.
Ein hochfrequentes Piepen ertönte. Kurz darauf ein Rauschen. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich stellte das Hoverboard vor mich senkrecht auf den Boden zwischen der Geräuschquelle und mir und zog Spirit hinter mich.
"Free...", sagte eine blecherne Stimme.
Spirit und ich sahen uns gegenseitig verblüfft an.
"wenn du diese Nachricht siehst...",
"Wir müssen die Quelle finden, schnell!",
sofort ließ ich das Hoverboard sinken und stieg hastig über die Trümmer.
"... dann sind sie dir auf der Spur.",
"Da ist es!", rief Spirit neben mir und holte einen eingestaubten Laptop mit zerbrochenem Bildschirm hervor.
Ich nahm ihn an mich. Das Bild war kaum zu erkennen. Ich wischte auf der Staubkruste herum, doch sie hat sich auf dem zerbrochenen Display verewigt.
"Ich habe drei Videos auf diesem Laptop erstellt. Eine für den Fall, dass Spirit und du ihn zuerst findet, eine für den Fall, dass jemand anders ihn vor euch findet und dieses Video, nachdem ihr ihn als Zweite gefunden habt. Das ist der Beweis, dass jemand das Versteck im Keller gefunden haben muss. Ich habe den ersten Finder jedoch auf eine falsche Spur locken können. Wir warten auf dich. Es ist alles vorbereitet. Alles, was zu unserem Sieg noch fehlt bist du, Free. Und das, was du immer bei dir hast, wohin du auch gehst. Ich erwarte dich.",
Die Nachricht endete.
"Hast du eine Ahnung, wer das war?", fragte ich.
Doch Spirit schwieg zunächst.
"Kommt dir die Stimme bekannt vor?", fragte sie schließlich.
Ich dachte nach. Doch es wollte mir nicht einfallen.
"Was ist mit dem, was du immer bei dir hast?", erkundigte Spirit sich.
"Damit wird wohl mein Hoverboard gemeint sein, aber ich sehe nicht, wie uns das gerade weiterhelfen soll...", erwiderte ich nachdenklich.
"Nehmen wir den Laptop mit und sehen dann weiter. Vielleicht hilft es, wenn wir uns das Video selbst ansehen können.",
"Gute Idee, wir brauchen nur einen Bildschirm!",
Spirit lächelte.
Ich steckte den Laptop ein und sah mich um.

Ich kann nicht genau benennen, was mich an Passagen wie diesen stört, vielleicht sind einige Dinge zu repetitiv, wie etwa "sagte er/sie" etc. Sind es vielleicht doch zu viele Adjektive, gibt es noch andere Dinge, die den Text an dieser Stelle killen? Ich weiß es nicht. Es fühlt sich aber sehr kahl und brüchig an. Ich renne gefühlt von wörtlicher Rede zu wörtlicher Rede und weiß nicht, wie ich es besser machen kann. Ich würde mich daher sehr über euren Input freuen!
Books serve to show a man that those original thoughts of his aren't very new after all.
- Abraham Lincoln

Yamuri

Lieber Deven,

zu allererst - bitte, bitte gewöhne dir an Dialoge so zu schreiben, wie das in Büchern gemacht wird. Es reißt einen komplett aus dem Text und ist sehr störend, wenn du einen halben Satz, der zur Dialogzeile gehört in eine neue Zeile packst. Ich kann solche Texte dann nicht mehr lesen und ich weiß nicht, wer dir diesen Flor ins Ohr gesetzt hat, das so zu machen, wie du es tust. Denn ich habe noch nie ein Buch gesehen, in dem das so gehandhabt wird.

Korrekt ist es so:
Zitat"Das hast du also auch gehört...", sagte ich, woraufhin Spirit neben mir wortlos nickte.
Mich killt ehrlich gesagt nicht das viele "sagte", sondern dieses wiederholte Trennen von wörtlicher Rede und zugehörigem Text. Wobei ich in der Überarbeitung solche Wortwiederholungen rausnehme. Manchmal lassen sich Sätze so formulieren, dass ich das sagte nicht brauche und einen ganzen Satz nach der wörtlichen Rede habe. Aber ich arbeite auch zusätzlich mit anderen passenden Verben, wie erwiderte, meinte, usw. Manche mögen das nicht, mir gefällt das aber durchaus. Doch meist kann man diese Inquits ganz weglassen und stattdessen eben ganze Sätze dahinter setzen, in denen man Interaktion zwischen den Sprechenden und ihrer Umgebung zeigen kann.

Wo wir auch gleich beim Thema wären :)  - du hast wenig Interaktion zwischen deinen Figuren und ihrer Umgebung. Dadurch wirkt es statisch und wenig dynamisch. Vielleicht kannst du dir überlegen, in welcher Umgebung befinden sich deine Figuren, wie wirkt diese Umgebung auf sie, was können deine Figuren in dieser Umgebung tun? Versuch die Umgebung, das Wetter, Körperreaktionen usw. mit einzubeziehen in den Dialog.

Liebe Grüße, Yamuri
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Araluen

Zum Setzen von Inquits: Schreib den Dialog einmal runter, wobei du nur am Anfang einmal klarstellst, wer wer ist und verzichte vollkommen auf Inquits, aber nicht auf die Interaktion der Figuren zwischen den Dialogzeilen. Kann man dem Dialog gut folgen? Wunderbar, lass die Inquits einfach weg. Stolpert ein Testleser? Dann bring den Testleser an der Stolperstelle mit einem bewusst platzierten Inquit wieder in die richtige Spur.

Zu Dialogen: Frage dich immer, ob du den Dialog brauchst. Bringt er deine Figuren vorwärts, schafft er einen Konflikt oder löst ihn auf oder trägt er zur Vertiefung des Ambientes bei? Go for it. Reden die Figuren, weil man halt redet? Versuche die Szene anders aufzubauen und auf den Dialog zu verzichten.

Zu deinen Zweifeln an sich:  Ich weiß nicht, wo du im Prozess deines Projektes gerade bist. Schreibst du noch, schreib weiter und mach dir über holpernde Szenen Gedanken, wenn du überarbeitest.

Manche Szenen holpern einfach. Das hat verschiedene Ursachen. Bei mir sind es meist Szenen, die ich nicht so fühle. Entweder, weil ich mir über ihren Werdegang noch gar nicht so klar bin und nur weiß, welche Info dabei vermittelt werden muss. Oder es sind einfach Szenen, auf die ich keinen Bock habe.
Das widerum hat zwei Gründe. Entweder bin grad tatsächlich einfach nicht in der Stimmung für so eine Szene (meist emotional schwierige Szenen) oder, und das ist meistens der Fall, an der Szene stimmt etwas noch nicht oder sie ist komplett überflüssig. Das spür ich dann schon beim Schreiben, befasse mich damit dann aber erst beim Überarbeiten. Außer ich merke direkt, dass ich nicht weiterkommen werde, selbst wenn ich mich durch diese Szene quäle. Dann gehe ich der Sache direkt auf den Grund.

Skalde

Hi Deven,

normalerweise halte ich mich mit jeglicher Form von konstruktiver Kritik bei anderen Autoren zurück, auch weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es manchmal fällt, diese ggf. zu akzeptieren, anzunehmen und darauf aufzubauen.

In Deinem Fall will ich eine Ausnahme machen und Dir aus meiner Sicht ein, zwei gutgemeinte Tipps geben. Ist natürlich nur meine persönliche Meinung, insofern pick Dir raus, ob etwas Hilfreiches für Dich dabei ist oder Du dem so nicht zustimmen würdest.

Vorweg, ich bin ein Freund von einfacher, spannender Sprache, also lieber gut gemachtes Fast-Food als stattdessen überfrachtetes Gourmetessen mit ellenlangen Sätzen und komplizierten Satzbau. Ein gutes handwerkliches Beispiel wäre vielleicht Stephen King (unabhängig von den Inhalten) o.ä.

So, nun konkret zu Deinen Textbeispielen. Diese haben in meinen Augen einige handwerkliche, grundsätzliche Schwächen. Beide. Was ich meine:

- der Satzbau ist teilweise sehr kompliziert (manche Sätze musste ich zweimal lesen)
- manche Wörte passen nicht
- Wortwiederholungen bzw. zu einfache Wörter (gehen, sagen etc.)
- teils unnötige Informationen
- wörtliche Rede merkwürdig gesetzt, wurde ja schon angesprochen (vielleicht nur Formatierungsproblem?)

Konkretes Beispiel:

Zitat von: Deven am 22. Mai 2023, 09:24:41Der alte Mann im weißen Kittel, der bis zu diesem Zeitpunkt noch unbescholten in einem Buch mit dem Titel "Herold des Lichts" vertieft war sprang zunächst mit der Situation vollends überfragt auf, ehe er sich dann doch weit genug beisammen hatte um um die Theke herum, durch den Laden und hinaus zu gehen.

Das ist wirklich schwer zu verstehen, aufgrund des Satzbaus und Wortwiederholungen wie "um um". Und ist beispielsweise die Info des Buchtitels wirklich relevant für die Geschichte? Wenn nicht, streichen. Ein Wort wie "unbescholten" ist falsch verwendet, das passt inhaltlich nicht zum Lesen eines Buches. Lieber kürzere Sätze. Vielleicht so?

Der alte Mann, der bis zu diesem Zeitpunkt ganz in der Lektüre seines Buchs vertieft war, sprang erschrocken auf. Zunächst wirkte er von der Situation vollkommen überfordert, dann eilte er um die Theke herum und rannte auf Spirit zu. ,,Hey, was ist los mit dir?!"

Gewinnt jetzt sicherlich auch keinen Pulitzerpreis, ist aber vielleicht etwas einfacher nachvollziehbar.

Anderes Beispiel:

Zitat von: Deven am 22. Mai 2023, 09:24:41Dass da ein "lice" fehlte stand außer Frage und der Situationshergang war für uns damit ebenfalls geklärt und auch nicht weiter ergründungswert. Wir hatten, was wir brauchten. Und hier fand es Anwendung.

Du schreibst Deinen Text aus der Ich-Perspektive (was ich sehr mag). Dieser Abschnitt aber beispielsweise hört sich sehr förmlich an, so denkt kein Mensch / spricht mit sich selbst. "nicht weiter ergründungswert" (müsste theoretisch ergründenswert heißen), "Und hier fand es Anwendung", das alles klingt nicht nach Ich-Perspektive. Googel mal ein paar Infos zum Thema "erlebte Rede", generell ein sehr wichtiges Stilwerkzeug für alle Autoren.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich würde Dir empfehlen, am grundsätzlichen Handwerk etwas zu feilen. Vielleicht mal einen solchen Text radikal kürzen und vereinfachen, wirklich ungefähr ein Drittel raus, alles was nicht unbedingt notwendig ist. Lies Dir auch mal, wenn Du es noch nicht getan hast, den ein oder anderen Schreibratgeber durch (beispielsweise den von King).

Das Gute ist, das meiste davon ist reines Handwerk - und somit erlernbar, wenn man will. Kein Hexenwerk oder so, kann man sich alles antrainieren.

Und einzelne Sätzte und Abschnitte von Dir zeigen ja durchaus, dass Du schreiben kannst  :D

Maja

@Deven
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Robert Gernhardt