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Vorausblenden in Romanen

Begonnen von Lothen, 07. Oktober 2017, 13:58:45

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Malinche

#15
Ich muss da auf Anhieb an García Márquez' "Chronik eines angekündigten Todes" denken. Es ist eine Weile her, dass ich das im Ganzen gelesen habe, und soweit ich mich erinnere, gibt es keine Vorausblende in dem Sinne, dass eine als konkrete Szene vorangestellt wäre. Aber der ganze Roman ist letztlich eine einzige Vorausblende (wobei es zugleich auch eine Rückblende ist, weil es stellenweise wie eine Reportage aufgezogen wird und sich einzelne Figuren an jenen Tag erinnern): Es ist von Anfang an klar, dass Santiago Nasar sterben und wer ihn umbringen wird. Es wird auch immer wieder angedeutet und darauf verwiesen, dass das letztendlich auch so passiert. Trotzdem lässt sich das Buch durchaus mit Nägelkauen lesen, weil zu Beginn eben die ganzen Fragen noch offen sind, warum das passieren soll und wie es dazu kommen wird.

Das bietet sich so nicht für jede Geschichte an und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob es tatsächlich zur Frage nach Vorausblenden passt. Aber mich hat das Buch damals vom Erzählhandwerk her sehr beeindruckt und ist für mich noch immer eins der besten Beispiele, dass eine Geschichte spannend sein kann, obwohl man von Anfang an weiß, was geschehen wird - das Wie und Warum sind aber so gut aufbereitet, dass der Leser am Ball bleibt.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Feuertraum

Die 1-Satz-Voraussage ist eine "Unart"(?), die man insbesondere in den früheren Horror-Groschenromanen a la Larry Brent oder John Sinclair findet. Immer wieder findet man Textpassagen wie "Zu diesem Zeitpunkt wusste Figur nicht, dass sie getötet werden würde."
Allerdings muss eingeräumt werden, dass das Niveau der Groschenromane inzwischen gestiegen ist. Die Serie "Vampira" zum Beispiel ist eine solche, die sich immer mehr entwickelte und einen Schreibstil, eine Wortwahl, aber auch eine Logik einflocht, die hinter den "seriösen" Taschenbüchern in nichts nachsteht. Dort arbeiteten die Autoren (Weinland/Stahl) schon mit zwar kürzeren Sätzen, aber doch hin und wieder mit Vorausblenden. Allerdings sind diese eher spärlich eingesetzt, wenn, dann als eine Art Wahrsagerei oder Traumwelt.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Cailyn

Ich mag das persönlich weniger gerne. Mir kommt es dann im Sinne von Suspense einfach zu plump vor, als hätte der Autor einen billigen Trick angewandt, um Neugierde zu entfachen. Klar macht es mich tatsächlich neugierig, aber ich finde es in Büchern eher unschön. Anders in Filmen. Aber das gesprochene Wort ist halt nicht dasselbe wie sprechende Bilder. Bei Bildern kann man viel subtiler vorgehen, eine Stimmung schaffen, die nicht sofort richtig gedeutet wird, die den Zuschauer aber auf etwas vorbereitet (und ihm wird auch eine Art Versprechen gemacht). Aber bei Büchern wirkt das für mich zu platt. Man muss dann konkret werden. Und wenn es unkonkret bleibt, wirkt es rasch einmal abstrakt oder hochliterarisch (was ich gar nicht mag). 

Dämmerungshexe

Dieses Stilmittel ist mir bisher auch nur in TV-Serien begegnet. Aktiv erinnere ich mich vor allem an "Navi CIS", wo vor jeder Szene ein schwarz-weiß-Stil der letzten Einstellung der Szene eingeblendet wird. Oft wird dadurch tatsächlich die Spannung gehoben und mir ist ab und zu schon aufgefallen, dass ich bis zum Ende der Szene sogar vergessen hatte, welches Bild in der Vorschau zu sehen gewesen ist - das Wiedererkennen hat dann halt einen Aha!-Effekt ausgelöst. An sich recht gelungen. Aber ich wüsste nicht, wie man das auf einen Roman übertragen könnte.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

canis lupus niger

Zitat von: Dämmerungshexe am 24. Oktober 2017, 16:16:51
Aber ich wüsste nicht, wie man das auf einen Roman übertragen könnte.
Ohnehin habe ich den Eindruck, dass neuerdings Autoren verzweifelt versuchen Stilmittel des Films/Fernsehens in ihren Romanen zu verwenden. Mag ich nicht wirklich. Ich denke, dass nur die wenigsten so lebendig und bildhaft schreiben können, dass optische Effekte im geschriebenen Werk funktionieren.