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Kann mich nicht entscheiden - Personen oder Handlung zuerst?

Begonnen von Chrissy, 23. Mai 2015, 17:47:34

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Christian Svensson

Ich lese und lerne. Gegen Euch bin ich wirklich ein absoluter Amateur. Ich habe seit 2008 Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben. Ein Roman war mir viel zu groß, zu unerreichbar. Dann kam ein besonderer Tag. Am 13. 03. 2013 saß ich so gegen 21:30 Uhr vor meinem Laptop. Mir ging eine Geschichte im Kopf herum, über die ich schon seit Wochen nachgedacht hatte. Am nächsten Morgen gegen 5 kam ich wieder zu mir und hatte ,,Und vergib uns unsere Schuld" geschrieben, eine Novelle von 58 Seiten. Meine Frau erzählte mir später, ich sei in dieser Nacht weder auf Toilette gegangen, noch hätte ich getrunken, gegessen oder geraucht. Ich selbst erinnere mich nicht mehr daran. Nur noch an einen Rausch, an ein Fliegen, an etwas Unglaubliches. Sie war perfekt. Aber sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie war sie wie ein Schnellkochtopf auf dem heißen Herd, Es war zu viel drin. Dann las ich hier in diesem Forum ein Zitat von Steven King, das eine Geschichte wie Schutt über der wirklichen Geschichte sei, man müsse nur den Mut haben, ihn beiseite zu räumen. Naja, und dann musste ich wohl.
Ich habe mich dann hier durch viele Threads gefressen, um überhaupt erst zu verstehen, was da auf mich zukommt.Den Anfang und das Ende hatte ich ja, ich musste nur noch aus jedem Absatz ein Kapitel machen *grins*. Und nun ist ,,Das Perverdrin-Syndrom" fertig.
Vieles von dem, worüber ihr redet, ist für mich immer noch fremd. Aber ich lerne. Sehr viel hier. Musste mal gesagt werden.

Malinche

@Chrissy: Magst du dir vielleicht noch einen etwas aussagekräftigeren Titel für den Thread überlegen, bzw. ihn ergänzen? Es ist immer schöner, wenn man schon vom Titel her eine Vorstellung hat, worum es in etwa geht. Und "Kann mich nicht entscheiden" kann sich auf so ziemlich alle Aspekte des Schreibens beziehen, und mit so einem nichtssagenden Threadtitel wirst du der doch spannenden Fragestellung, um die es dir eigentlich geht, einfach nicht gerecht. :)
Hätten wir hier im Board nur noch Threadtitel wie "Weiß gerade nicht weiter", "Will mich nicht festlegen" oder "Brauche ein paar Tipps", würde das Diskussionen und Hilfestellungen doch sehr erschweren, also bitte - ein bisschen mehr Informationsgehalt in den Titel. Danke!
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

canis lupus niger

#17
Zitat von: moonjunkie am 02. Juni 2015, 09:15:23
Das ist ja interessant, dass du deine Figuren zuerst im Kopf hattest? Ich habe zwar auch oft am Anfang schon Figuren im Kopf, aber zu allererst weiß ich, was für eine Geschichte ich schreiben möchte.

Da kann ich mich nur anschließen. Dass jemand seine Geschichte zu schreiben beginnt, indem er die Beziehungen möglicher Charaktere in den Vordergrund stellt und als Gerüst nimmt, finde ich orginell. Ich selber habe entweder zuerst die Idee zu einem Hauptcharakter oder die Idee zu einem Plot (ganz grob) oder manchmal beides zusammen. Alles andere entwickelt sich erst im Lauf der Zeit, auch die Beziehungen der Charaktere untereinander.

Chrissy

Vielen lieben Dank! Ich finde eure Meinungen wirklich sehr bereichernd. (Zumal das jetzt auch noch mein erstes größeres Projekt wird. )
Tja, ich hatte bzw. habe einen Teil meiner Figuren im Kopf, aber eben noch nicht "ausgereift". Meine beiden Protagonisten sind für mich schon recht klar und ich weiß auch schon, dass es sich um ein Fantasyadventure mit Liebes- und Freundschaftsbeziehungen handeln soll. Ich finde die Mischung einfach spannend und abwechslungsreich. Ich bin aber auch drauf gekommen, dass ich mir zu viele Personen mit zu vielen Details überlegt hatte und ich dann total verwirrt wurde. Jetzt vesuche ich den Überblick über das ganze zu schaffen und lasse mich, ausgehend von meiner Grundidee, überraschen wohin die Reise geht. Puh, das war jetzt ein kleiner Schachtelsatz erster Klasse.  ;D
GLG Chrisssy

Klecks

Bei einem solchen Ideenreichtum hilft es ganz oft, sich in einem neuen Dokument oder mit einem speziellen Schreibprogramm eine solche Übersicht anzulegen.  :D  Vielleicht hilft dir auch eine Timeline, mit der du Ereignisse chronologisch ordnen kannst, oder du listet alle Charaktere auf und verschaffst dir so einen Überblick. Ich plane beim Plotten auch oft mehr Nebencharaktere und manchmal auch Szenen ein, als dann letzten Endes in der Geschichte vorkommen, weil man dann während dem Schreiben ganz anders als beim Plotten spürt, ob es gerade passt oder nicht.

Was das "ausgereift" betrifft: Manchmal kenne ich eine Figur sofort nahezu in- und auswendig und kann sofort über sie schreiben; manchmal verbringe ich Jahre damit, eine Figur kennenzulernen, bis ich über sie schreiben kann; und manchmal würde das nichts bringen, sondern ich muss einfach anfangen - und die Figur während dem Schreiben kennenlernen. Herauszufinden, was am besten passt, ist da nicht immer einfach.  ;D

Ich drücke dir die Daumen für dein erstes größeres Projekt. Viel Erfolg!  :pompom:

Sanjani

Ich finde, je nachdem, wie gut man die Geschichte kennt, die man schreiben möchte, kann man das schon ein wenig eingrenzen. Wenn z. B. keiner der Protagonisten Kinder hat, dann fällt Eltern-Kind-Beziehung schon mal weg. Wenn die Eltern der Protas in der Geschichte keine Rolle spielen, dann lässt sich überlegen, warum, ob das irgendwie wichtig ist. Wie viel Vorgeschichte des Prota lässt man einfließen? Welche Rolle nehmen da die Eltern ein?

Bei meinen Drachenkriegern war mir recht bald klar, dass Tyrion und Sanjani kein Paar werden können. Das passte nicht, zumal sie für ihn eine Art Führerin, Begleiterin und Unterstützerin ist. Das passte für mich nicht mit einer Liebesbeziehung zusammen. Dafür sind sie aber sehr enge Freunde, und die Tatsache, dass sie Dinge über ihn weiß, die ihn ereilen werden, belastet ihre Freundschaft manchmal erheblich. Diesen Aspekt fand ich wiederum recht interessant.

Bei meinen Seelenhütern hatte ich Angelika bereits mit Ehemann in die Geschichte hineingebracht, und es war mir von Anfang an klar, dass diese Beziehung nicht kaputt gehen wird, weil ich schon einige Dinge wusste, die mit ihnen beiden passieren würden. Die andere Protagonistin, Jenny, ging als single 18jährige in die Geschichte, und ich weiß bis heute nicht, wie sie herausgehen wird. Bisher hat sich noch kein Mann gezeigt, der zu ihr passen könnte, aber das ist für mich auch ok. Dafür stand bei ihr zu Beginn die Eltern-Beziehung im Vordergrund, die Bestimmung, die sie zu erfüllen hat, was sie aber nicht möchte, und der Kampf, der zwischen ihr und ihrer Mutter herrscht deswegen, aber gleichzeitig auch die Liebe, die sie füreinander empfinden. Das ergab sich aber überwiegend aus der Geschichte, nicht so sehr aus den Protagonisten heraus.

Was hier vielleicht recht geplant klingt, war aber überwiegend eine intuitive Entscheidung, die sich aus den Ideen ergeben hat, die ich zur Geschichte und zu den Protagonisten hatte. Es war keine willkürliche Entscheidung nach dem Motto, ach, X und Y könnten zusammenpassen, also bastle ich für sie eine Liebesbeziehung und stelle dann vielleicht fest, dass das ganze nicht zum Plot passt.

Ich kann mir aber vorstellen, dass das auch auf den Typ von Geschichte ankommt, den man schreiben möchte. Ich halte meine Geschichten für relativ plotlastig. Das heißt, es gibt relativ wenige Momente, wo die Protas mal mehr als einige Wochen durchatmen können, und diese Wochen fasse ich dann meist in einigen Sätzen zusammen um den Plot dann wieder voranzutreiben. Bei mir gibt es wenig Schilderung von "Alltag", und die Beziehungssachen ergeben sich dann mehr oder weniger von selber. Es gibt ja aber auch Geschichten, wo mehr Alltag geschildert wird, und um das zu Füllen, stelle ich mir vor, dass man auch mehr Ideen dazu braucht, welche Beziehungen sich wie entwickeln sollen. Ist aber nur eine Vermutung von mir :)
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Chrissy

Auf die Idee mit einem speziellen Schreibprogramm bin ich noch nicht gekommen (zumal mein Lapi etwas schwierig zu bezwingen ist) - coole Idee - ich hab jetzt versucht, eine Zeitlinie auf Papier zu gestalten aber das klappt doch nicht so gut. Werde mich mal umsehen, ob ich so ein Programm finde, dass auch nicht so kompliziert ist.  :rofl:

Klecks

@Chrissy: Hier http://forum.tintenzirkel.de/index.php/board,44.0.html findest du Threads zu verschiedenen solcher Schreibprogramme, falls du mal stöbern magst.  :D

Chrissy

Cool, danke.
Echt tolle Beiträge - hab mir bereits ein Programm rausgesucht und runtergeladen.  :pompom:

Klecks

Das freut mich, dass du eins gefunden hast, das zu dir passt. Viel Spaß damit!  :pompom:

Dämonenbändiger

Weil die ersten Beiträge und das Titel dieses Threads nicht ganz auf einer Linie sind, hoffe ich, dass ich nicht ganz an beiden vorbei schreibe.

Ich würde sagen, dass ich eine sehr starke Tendenz zum Setting- und Personenbastler habe, aber es immer auf das Projekt ankommt. Manchmal habe ich eine Idee für einen Plot in dem ich sehr viel Potential sehe und baue daran dann die Charaktere (aus). Ausbauen dann, wenn ich schon einen groben Charakter zum Plot geliefert bekam, ansonsten baue ich ihn von Grund auf neu.
Mir liegt es wie gesagt aber mehr, dass ich ein Setting und ein Ensemble von Charakteren zusammenwerfe und sich nach und nach darauf detaillierte Ideen entwickeln. Dann fügt sich eine Art Spinnennetz zusammen bei dem sich die Personen durch Relationen verweben. Die Schwierigkeit dabei liegt vor allem darin, den Absprung vom Basteln zu schaffen und dann in die Geschichte zu gehen und sie aufzuschreiben. Der Zwischenschritt ist wie gesagt den Plot und das Ensemble mit dem Setting zusammenzubringen, was auch Übung für den richtigen Zeitpunkt braucht, aber andererseits wechselt man immer noch ein wenig hin und her und ergänzt hier und da.

Aber ich habe auch schon das von Stephen King als ,,archäologische Methode" bezeichnetes Vorgehen (siehe auch diesen Beitrag von Bardo djel Liores)verwendet bei dem man einfach drauflos schreibt und die Geschichte unter einem Berg von Erde und Schutt freilegt. Mein Eindruck ist jedoch, dass meine Geschichten, die so entstanden sind nur eine geringe Dichte aufweisen. Dann muss ich im nachhinein Zeit viel Zeit investieren, um Fleisch auf die Knochen zu bringen. Und dafür braucht es mehrere Durchgänge und jede Menge hin und her Geschiebe. Schlussendlich rächt sich dann die fehlende Vorbereitung und man hat mehr Arbeit. Das Schöne ist aber, man hat etwas an dem man Arbeiten kann – ,,Der härteste Teil ist der erste Schritt."

Hat man viel Setting und Charaktere, dann muss man auch ein Händchen dafür beweisen seine Erzählung nicht zu überladen. Aber eine Sache erfüllt man mit der Art des Schreibens garantiert: Man soll immer mehr über die Erzählung und seine Charaktere wissen als man dem Leser verrät.
Und was ich auch tue: Ich notiere beim Entwickeln des Hintergrundes Fragen, die mir in den Kopf kommen und die ich noch nicht entscheiden kann oder will. Später schreibe ich sie dann zu Aussagen bzw. Fakten um.

Chrissy

Echt interessant was da so an Methoden herumschwirren.
Mir geht es ähnlich wie Dämonenbändiger. --> So wie du zusammenträgst versuch ich`s auch gerade. Hab auch schon ein paar Ideen aber das Zusammenfügen ist doch schwerer als ich gedacht hätte. Welche Fragen entwickelst du beim Schreiben? Hab nicht so ganz verstanden, wie du das meinst? Einfach Fakten, für die du dich erst später entscheidest oder Handlungen oder wie?
Lg Chrissy

Cherubim

Ich verstehe das Problem nicht ganz. Darf es in einer Geschichte denn nicht mehr Themenbereiche geben, z. B eine Liebesgeschichte eingebettet in ein Familiendrama usw. Oder weißt du noch gar nicht, worauf es hinaus laufen soll?

Bei mir ist es so, dass ich eine vage Idee für einen Plot haben, manchmal nur wenige Szenen und dann kommen (automatisch) ein paar Figuren bzw. es ergeben sich aus den Ideen einige notwendige Charaktere. Und ja, dann wende ich mich erst einmal den Charakteren zu. Dadurch ergeben sich auch relativ schnell die Beziehungen der Charaktere untereinander und somit auch die Richtung bzw. der Schwerpunkt.

Was ich einen guten Tipp finde, der mir auch immer weiter hilft, einfach drauf los schreiben. Das muss keine wichtige Szene sein, vermutlich wird sie auch nie im Buch auftauchen, aber so kann man ein Gefühl für die Geschichte und Charaktere bekommen. Auf einmal fliegen mir die Informationen über die Charaktere einfach zu.

Ich glaube aus meiner Antwort kann man schon heraus lesen, dass mein Schwerpunkt zu Beginn eher auf den Charakteren liegt. Wobei ich zumindest die Grundzüge des Plots kennen muss. Und daraus ergibt sich der Rest von alleine.
Aber das lässt sich, zumindest bei mir, nicht erzwingen. Manchmal ist eine Geschichte einfach noch nicht reif.

Was gerade am Anfang helfen könnte, um ein bisschen Struktur in eine Idee zu bekommen, ist ein Blick auf die Schneeflockenmethode. Da wird immer schön zwischen Handlung und Figuren gewechselt. 


Kerstin

Zitat von: Cherubim am 26. August 2015, 22:40:11
Was gerade am Anfang helfen könnte, um ein bisschen Struktur in eine Idee zu bekommen, ist ein Blick auf die Schneeflockenmethode. Da wird immer schön zwischen Handlung und Figuren gewechselt.
Den Rat finde ich auch sehr gut. Wenn es bei mir stockt, greife ich oft auf diese Methode zurück.

Ansonsten hängt es in meinen Augen doch stark von der Geschichte ab, die man erzählen möchte. Manche kommen mit weniger Charaktertiefe aus (manche actionlastige Thriller z.B., aber auch in der Fantasy braucht man nicht immer super tief entwickelte Charaktere. David Eddings und R.A. Salvatore haben z.B. in vielen ihrer Romane eher flache Charaktere.).

Bei mir entsteht aber eigentlich beides gleichzeitig, beziehungsweise ergibt sich jeweils. Ich habe meistens eine Grundidee zum Plot, dann tauchen die ersten Charaktere auf, die wiederum den Plot verändern ...


Dämonenbändiger

Zitat von: Chrissy am 26. August 2015, 20:37:45
Echt interessant was da so an Methoden herumschwirren.
Mir geht es ähnlich wie Dämonenbändiger. --> So wie du zusammenträgst versuch ich`s auch gerade. Hab auch schon ein paar Ideen aber das Zusammenfügen ist doch schwerer als ich gedacht hätte. Welche Fragen entwickelst du beim Schreiben? Hab nicht so ganz verstanden, wie du das meinst? Einfach Fakten, für die du dich erst später entscheidest oder Handlungen oder wie?
Dazu mal konkrete Beispiele aus meinem derzeitigen Projekt:
Ich habe für das Setting die Idee gehabt, dass es zwei Arten von mächtigen Wesen gibt: Naturgeister und Dämonen. Dazu kam mir dann beim Entwickeln des Settings die Frage in den Kopf: ,,Wie kann man feststellen, um was es sich handelt?" bzw. ,,Wie kläre ich, ob es sich um einen Naturgeist oder einen Dämon handelt?"
Oder ich habe die Frage ,,Rückkehr der Drachen, wenn genug Dämonen genug Macht erworben haben?" und habe später darauf eine Antwort notiert, die das Setting definiert und auch andere Informationen mit sich gebracht hat.

Ich notiere auch relativ oft viele verschiedene Möglichkeiten, wie etwas definiert sein könnte. Beim aktuellen Projekt ist unter anderem eine Liste mit möglichen Vogelgattungen, die in der Erzählung auftauchen könnten. Später wird dann raus gestrichen.

Bei dem Plot ist das auch ganz ähnlich, da habe ich entscheidende Geschehnisse für die ich mehrere Optionen aufschreibe, weil ich noch nicht weiß, was am besten passt. Es tauchen dann auch noch Szenen, Dialogschnipsel oder das Aussehen von Personen in meinem Kopf aus, die ich notiere und irgendwie in die Geschichte bauen muss, obwohl sie noch nicht detailliert sind. Ausgearbeitet wird später, aber es kommen bis dahin meist weitere lose Fakten hinzu, die irgendwie im Bewusstsein aufploppen.