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[Beruf] Berufsalltag einer Uni-Bibliothekarin

Begonnen von Grey, 12. Februar 2014, 18:32:12

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Grey

Hallo zusammen,

die Heldin meines aktuellen Romans arbeitet in der Uni-Bibliothek, Abteilung Literaturwissenschaften. Bedingt durch den Handlungsverlauf wird sie sich dort nur selten aufhalten, aber gerade zu Anfang möchte ich sie noch in ihrer natürlichen Umgebung darstellen. Nun weiß ich aber gar nicht, was man so den lieben langen Tag macht als Bibliothekarin, abgesehen vom Bücher einsortieren. Daher hoffe ich, die Fachleute unter euch können mir da weiterhelfen. :bittebittebitte:

Liebe Grüße und danke schonmal,
Grey

Maja

Bibliothekarinnen sortieren eigentlich nie Bücher ein. Das tun Hilfskräfte, in Unibibliothekren Magazinmitarbeiter oder Studenten. Die Frage ist, was genau du mit "Abteilung Literaturwissenschaften" meinst. Ist Literaturwissenschaften ein Studienfach an deiner Universität, und deine Bibliothekarin ist diejenige, die dafür die anzuschaffenden Bücher auswählt? Dann ist sie üblicherweise eine Fachreferentin. Sie hat Literaturwissenschaften studiert, üblicherweise darin promoviert, und ein Zusatzstudium für den höheren Dienst an Bibliotheken absolviert. Sie hat einen Bürojob und wird auf der Arbeit sehr wenigen Lesern begegnen und auch erstaunlich wenigen Büchern. Sie muss viel Fachliteratur wälzen und wird vermutlich auch für die Rara zuständig sein, die Sammlung alter Bücher und Frühdrucke der Bibliothek. In einer Uni, an der Literaturwissenschaften angeboten werden, kann diese Abteilung der Stolz des Instituts sein und sehr viel Spaß machen. Üblicherweise wird sie aber trotzdem noch für einen anderen Fachbereich zuständig sein - z.B. etwas Sprachliches - weil die Bibliotheken deutlich weniger Fachdezernentan haben, als die dazugehörige Bibliothek an Studiengängen anbietet. Den Fachdezernenten ist üblicherweise ein Team von Mitarbeitern in einem thematisch ähnlichen Bereich untergeordnet - so hatte bei uns z.B. derjenige Dezernent, der die Literaturwissenschaften betreute, die Hochschulbibliothek unter sich; der Kollege, der Mathematik und Informatik machte, hatte die Bibliotheks-EDV. Die Teamorga nimmt dann natürlich einen nicht zu verachtenden Teil der Arbeit ein.

Soll sie im Lesesaal sitzen, zwischen literaturwissenschaftlichen Büchern, dann ist sie üblicherweise eine Diplombibliothekarin im Auskunftsdienst. Sie hilft Studenten und anderen Interessierten, das richtige Buch zu einem bestimmten Thema zu finden, den richtrigen Fachaufsatz (der dann bei der Kollegin von der Fernleihe bestellt wird) oder ein konkrete Frage zu beantworten, indem sie selbst in dem entsprechenden Werk nachschlägt. Sie wird aber nicht nur für Literaturwissenschaften zuständig sein, sondern eher für den ganzen Geisteswissenschaftlichen Bereich (ich kenne keine Unibib, die mehr als drei Lesesäle hätte). Und ein nennenswerter Anteil ihrer Arbeit wird darin bestehen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, versteckte Bücher, deponierte Kopfkissen und geheime Futterverstecke hinter den Buchreihen hervorzuzaubern und ihrem Bestimmungsort zuzufügen (oft: der Mülleimer).

Beide Berufe sind sehr interessant und vielseitig. Zum Beschreiben ist der Lesesaaljob sicher flashiger und bibliothekariger, man kann sich auch leichter als Laie hineinfinden, indem man in den Lesesaal marschiert und ein weilchen die Bibliothekarin beobachtet. Was genau die Fachreferenten machen, weiß nicht mal ich, obwohl ich drei Jahre lang direkt neben einem gearbeitet habe und tägliche Besprechungen mit ihm hatte. Was soll die Frau ungefähr verdienen, und hat sie eine Festanstellung? Daran kann man vieles herleiten ...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Grey

Hallo Maja,

danke schonmal für deine Antwort. Also, es ist so: Meine Heldin ist definitiv keine Fachreferentin, und eine studierte Bibliothekarin ist sie auch nicht - da habe ich mich nicht ganz präzise ausgedrückt, tut mir leid. Sie hat einen Magister in Spanisch und Philosophie und hat schon während ihrer Studienzeit als HiWi in der Bibliothek gearbeitet. Nach ihrem Abschluss hat sie die Möglichkeit bekommen, weiterhin auf einer Halbtagsstelle in der Bib zu arbeiten. Dort wird sie dann vermutlich eher solche Aufgaben wie Bibliotheksaufsicht übernehmen, und vielleicht Ausleihe und Rückgabe betreuen. Sie ist dann also wohl eher eine Aushilfskraft als eine richtige Bibliothekarin, würde ich meinen.

Was die Lesesäle angeht, habe ich wahrscheinlich auch zu eingleisig gedacht. Ich hatte nur die Unibib in Bielefeld vor Augen, die ja gar keine Lesesäle hat, sondern Arbeitsplätze zwischen den Regalen versteckt und einfach einmal um die komplette erste Etage der Uni herumführt. Dass das in anderen Unis wahrscheinlich anders läuft, habe ich gar nicht bedacht, danke für den Stupser. :)

gbwolf

Mit diesem Hintergrund kann sie auch eine kleine Institutsbibliothek leiten. Dazu kannst du beispielsweise Dahlia fragen, die das in Bochum macht, mit etwas anderer Fächerkonstellation. Zur Arbeit im Lesesaal müsste sich Drachenelfe sehr gut auskennen. Sollte deine Prota länger in der Bib arbeiten wollen, könnte ihr nahegelegt werden, einen bibliothekarischen Master im Fernstudium nachzuholen (Wir haben da im Masterstudiengang ein paar sitzen, die Quereinsteiger in die Bib sind). Bei Fachreferenten wird außerdem die Promotion gerne gesehen.

Dahlia

@Nadine: ich musste auch direkt an mich denken, als ich die Beschreibung gelesen hab  :rofl:

@Grey: Ich bin ähnlich wie deine Heldin mit Magister-Hintergrund und HiWi-Erfahrung mit einer Halbtagsstelle in einer Institutsbibliothek gelandet und leite da quasi die Abteilung für Japanologie (wobei "leiten" auch mehr in dem Sinn zu verstehen, dass es halt sehr klein ist und außer mir niemanden in dieser Abteilung gibt :rofl: - ich hab noch einen Chef-Chef, der sich um die gesamte Institutsbib kümmert und den Verwaltungskram macht). Eigentlich das ganze Bibliothekspersonal besteht bei uns aus Quereinsteigern, wobei eine Kollegin von mir gerade den Master im Fernstudium macht (sollten dir dazu Fragen kommen, kann ich sie ausquetschen ;) ).

Mein durchschnittlicher Arbeitstag (da es nur eine halbe Stelle ist, arbeite ich auch nur 3 Tage die Woche :wolke: Wobei mein Chef da auch sehr flexibel ist und ich mir aussuchen konnte, auf wie viele Tage ich meine Arbeitsstunden verteilen wollte) sieht ungefähr so aus:

  • gegen 9 im Büro aufschlagen und Kaffee & Tee kochen, sollte ich als erstes da sein. Ansonsten erstmal einen Kaffee trinken, da man ohne Kaffee zu so unsäglich frühen Zeiten ja nicht funktionieren kann ;D
  • ich hab mein eigenes Büro, in dem ich eigentlich die meiste Zeit sitze, wenn ich nicht gerade Bibliotheksaufsicht habe. In der Regel verbringe ich meine Zeit damit, Bücher in den digitalen Katalog einzutragen. Das sind zum größten Teil keine Neuanschaffungen, sondern Altbestände, die bisher nur im Zettelkasten erfasst waren. Wenn dann doch einmal etwas neues in Form von Schenkungen oder tatsächlichen Neuanschaffungen eintrudelt, werden die Bücher vorher noch inventarisiert und ihnen wird eine zum Inhalt passende Signatur zugewiesen. Hin und wieder klebe ich Signaturschilder oder räume fertige Bücher ins Regal (oder kommandiere einen Hiwi dazu ab, das zu erledigen), aber Sachen zu katalogisieren ist so mit Abstand meine Hauptbeschäftigung im Büro.
  • Bibliothektsaufsicht selbst hab ich jetzt nur einmal die Woche - die restlichen Aufsichtzeiten haben wir mit Hiwis abgedeckt, so dass jeder vom Stammpersonal nur einmal die Woche regulär an die Aufsicht muss (wenn man keine Urlaubs- oder Krankenvertretung macht). Meine Hauptbeschäftigung an der Aufsicht besteht darin, im Internet die Zeit tot zu schlagen, da selten mal wirklich viel los ist (ich sitze heute z.B. seit 10 an der Aufsicht und es sind bisher gerade vier Studenten an mir vorbei gekommen, von denen dann drei auch etwas von mir wollten ::) ). Ansonsten werden E-Mails geschrieben (Erinnerungen, wenn Bücher zu lange ausgeliehen waren, Antworten auf Anfragen, Mitteilungen, dass vorgemerkte Bücher zurück sind etc.), hin und wieder Signaturschilder geklebt, Bücher ausgeliehen und zurückgenommen und wenn dann mal ein Student mit Fragen kommt, wird versucht, die zu beantworten (meistens wird dann gefragt, ob wir bestimmte Bücher haben, wo sich Bücher zu einem Thema befinden, wo Prof XYZ seinen Handapparat hat, ob ein Buch gerade ausgeliehen ist etc. - typische Sachen, wie "Wo ist die Toilette?" oder "Wo ist der Kopierer?" kommen natürlich auch öfters vor. Hin und wieder muss ich auch Fragen auf Englisch oder Japanisch beantworten, wenn mein Gegenüber nicht genug Deutsch kann oder gezielt so tut als könnte er gerade kein Deutsch mehr, wenn man ihn wegen irgendetwas ausschimpft :rofl: ). Wenn gerade nichts los ist, sortier ich auch manchmal zurückgegebene Bücher in die Regale oder guck nach, ob irgendjemand sich seinen eigenen kleinen Handapparat auf einem Tisch oder einem leeren Regalbrett angelegt hat, und räume die Bücher dann wieder an die richtige Stelle im Regal ein.

Das wäre so spontan alles, was mir einfällt. Wenn du noch Fragen hast, nur her damit  :)

Coppelia

@ Grey
Ich habe meine Ex-Kollegin angeschrieben (wir hatten ja PNt), aber sie hat leider noch nicht geantwortet. Nach dem, was du geschrieben hast, wird sie später aber leider nicht den Beruf bekleiden, den du suchst, weil sie zu den promovierten Bibliothekaren gehören wird, die keine Bücher einsortieren. ;)

Grey

@Dahlia
Danke, das ist großartig! Genau die Info, die ich gesucht habe! :vibes:

@Coppi
Ach so, na ja, das macht ja nichts. Trotzdem vielen Dank! :)

Fianna

Zitat von: Dahlia am 14. Februar 2014, 12:58:02Wenn gerade nichts los ist, sortier ich auch manchmal zurückgegebene Bücher in die Regale oder guck nach, ob irgendjemand sich seinen eigenen kleinen Handapparat auf einem Tisch oder einem leeren Regalbrett angelegt hat, und räume die Bücher dann wieder an die richtige Stelle im Regal ein.
Kommt das oft vor?ahr).
Ich stelle mir grade vor, wie ihr im 2-3 Tages-Takt die Bücher hin und her räumt  ;D Oder verstecken die Studis bei euch auch manchmal Bücher, damit sie kein anderer benutzen kann?

Ich hab in der Bib phasenweise aussortierte Bücher kaufen können. (Uni-Bib glaub ich 2 x im Jahr, Institusbib 1 x im Jahr.)
Gehört es nicht auch zu den Aufgaben der Bibliothekarin, die Bücher auszumustern, die Signatur abzumachen und nen Preis drauf zu schreiben?

Dahlia

@Grey: Das freut mich :)

Zitat von: Fianna am 14. Februar 2014, 14:36:45
Kommt das oft vor?ahr).
Ich stelle mir grade vor, wie ihr im 2-3 Tages-Takt die Bücher hin und her räumt  ;D Oder verstecken die Studis bei euch auch manchmal Bücher, damit sie kein anderer benutzen kann?
Zurückgeräumt werden die in der regel mehrmals am Tag, da es doch ziemlich langweilig wird - vor allem, wenn man zeitweise auch noch zu zweit an der Aufsicht sitzt, wo für einen schon wenig bis nichts zu tun ist :rofl:
Jau, manchmal verstecken sie die Bücher oder stellen sie ganz falsch ins Regal. Manche friemeln auch die roten Markierungen von Handapparatsbüchern ab, damit sie die unauffällig in ihren Privat-Handapparat stellen können ::)
Es kommt aber selten vor, dass wir systematisch durch die Regale gehen. Eigentlich nur, wenn ein Buch nicht auffindbar ist, sodass falsch eingeräumte Bücher - mutwillig oder nicht - nur selten auffallen... Daher fallen eher die wirklich sehr offensichtlich angelegten Handapparate ins Auge, von denen es dann aber auch nicht so viele gibt.

Zitat von: Fianna am 14. Februar 2014, 14:36:45
Ich hab in der Bib phasenweise aussortierte Bücher kaufen können. (Uni-Bib glaub ich 2 x im Jahr, Institusbib 1 x im Jahr.)
Gehört es nicht auch zu den Aufgaben der Bibliothekarin, die Bücher auszumustern, die Signatur abzumachen und nen Preis drauf zu schreiben?
Mhh, bei uns wird das eigentlich nicht gemacht, dass Bücher ausgemustert und verkauft werden. Was hin und wieder vorkommt, ist, dass wir aus Schenkungen Dubletten haben. Die werden dann aber schon aussortiert, bevor wir die Bücher aufgenommen haben, und dann am Eingang der Bib ausgelegt, wo man sie sich umsonst mitnehmen kann (oder, wenn sie bessere Qualität als unsere haben, werden sie ausgetauscht und unsere alten Exemplare ausgemustert und verschenkt).