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Sprachliches Lokalkolorit - wie viel darf sein?

Begonnen von Naudiz, 04. Mai 2012, 22:41:41

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Naudiz

Hallo, liebe Zirkler,

beim Schreiben meiner Göttertöter ist mir gerade eben eine Frage eingefallen, und ich frage mich, was ihr zu dem Thema denkt.

Also. Mein Roman spielt in Midgard (das ist in der nordischen Mythologie das Menschenreich), und für mich ist es deswegen nur logisch, dass meine Charaktere Altnordisch bzw. Isländisch sprechen. Natürlich schreibe ich in Deutsch, aber ab und an lasse ich halt doch vereinzelte altnordische Wörter fallen, wie z.B. "bróðir" für "Bruder".

Ich weiß, dass viele Autoren das ähnlich machen. Aber trotzdem habe ich Bedenken. Kann ich das machen, ohne weiter darauf einzugehen, oder ist eine Erklärung ein zwingendes Muss? Und wie viel davon darf ich überhaupt einbauen, ohne dass es den Lesefluss stört?
Wie handhabt ihr das?

(Ich hoffe, ein ähnliches Thema gibt es noch nicht... wenn doch, bitte ich um Entschuldigung und Verschiebung.)

Sprotte

Ich berufe mich auf Artikel 5: Ich finde es scheußlich. Auf mich macht so etwas immer den Eindruck von "Hach, will der Autor mir zeigen, wie gebildet er ist/wie gut er recherchiert hat".

Zit

#2
Ich habe nichts gegen ausländische Worte hier und da, aber dann bitte in Umschrift, wenn es nicht gerade eine von den großen drei ist (Spanisch/Portugiesisch/u.ä., Französisch, Italienisch).
Ansonsten gehe ich immer davon aus, dass ein Lektor einem ein zu viel an Fremdsprache schon um die Ohren haut. *g*
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Berjosa

Hm, schwieriges Thema. Von mir aus darf gern der halbe Dialog im Dialekt geschrieben sein, wenn es sinnvoll in die Geschichte passt und bei genauem Hinlesen verständlich ist. Aber die Meinungen gehen da ziemlich auseinander.
Ich glaube, du wirst es leichter haben, deine altnordischen Einsprengsel zu verteidigen, wenn du sie für eher kulturtypische, schwieriger zu übersetzende Begriffe reservierst. Typische Kandidaten sind z.B. Titel, Ess- und Trinkbares oder Flüche.

Allerweltswörter auf Auswärts stehen zu lassen, fände ich dann angebracht, wenn gezeigt werden soll, dass eine Figur eben anders redet als ihre Umgebung und vielleicht Schwierigkeiten hat, in der anderen Sprache das richtige Wort zu finden. Aber darum geht es ja bei deiner Geschichte nicht, wenn ich das richtig verstanden habe.

Für die Erklärungen findet sich bestimmt eine Gelegenheit, sie unauffällig unterzubringen - ähnlich wie bei Figurenbeschreibungen. Fußnoten oder ein Anhang mit Wort- und Sacherklärungen wirken meiner Meinung nach eher übertrieben.



Nika

Zitat von: Berjosa am 04. Mai 2012, 23:48:51
Allerweltswörter auf Auswärts stehen zu lassen, fände ich dann angebracht, wenn gezeigt werden soll, dass eine Figur eben anders redet als ihre Umgebung und vielleicht Schwierigkeiten hat, in der anderen Sprache das richtige Wort zu finden. Aber darum geht es ja bei deiner Geschichte nicht, wenn ich das richtig verstanden habe.

Ich möchte Berjosas Antwort (den von mir fett markierten) Teil gerne noch etwas erweitern: Dein Roman spielt in Midgard, heißt das, dass deine sämtlichen Charas von dort stammen und somit alle die gleiche Sprache sprechen? Dann würde ich auch keine "normalen" Begriffe ins Nordische übertragen. Die nordischen Begriffe geben einen "fremden" Eindruck der Sprache, wenn aber alle Charaktere in der Geschichte dort heimisch sind, sollte es sich nicht fremd anhören, denn sie reden ja immer in ihrer Sprache miteinander. Würdest du zum Beispiel in einem Roman, der in den USA spielt und ins Deutsche übersetzt wurde, nicht stutzig werden, wenn da ein Satz wie "Jim ist mein brother", statt "Jim ist mein Bruder" stehen würde, wenn sich zwei US-Amerikaner unterhalten?

Anders sieht es natürlich aus, wenn ein Fremder in der Geschichte mitspielt und dieser die Sprache vielleicht auch nicht völlig beherrscht, dass dann hier und da Wörter auftauchen, die für ihn - und die meisten Leser - fremd sind, ist dann verständlich.

Kati

ZitatIch weiß, dass viele Autoren das ähnlich machen. Aber trotzdem habe ich Bedenken. Kann ich das machen, ohne weiter darauf einzugehen, oder ist eine Erklärung ein zwingendes Muss? Und wie viel davon darf ich überhaupt einbauen, ohne dass es den Lesefluss stört?

Ich finde schon, dass man das machen kann, aber nicht mit Wörtern wie "Bruder", sondern eher mit Eigennamen von Gerichten, Orten oder Dingen, die es eigentlich bloß da gibt. Man kann durch die Sprache eine Menge Atmosphäre gewinnen, aber auch kaputt machen. Wie Nika sagt, kann das Nordische schnelle befremden, wenn du irgendwelche Worte einfach im Nordischen stehen lässt.  Ich denke aber, es kann auch hilfreich sein, wenn du eben Eigennamen, vielleicht den Namen von Kneipen oder so, auf Nordisch belässt.

Lisande

Ich möchte mich der Fraktion anschließen, die nordische Wörter auf besondere Begriffe beschränken möchte. Allerweltsbegriffe bitte übersetzen, sonst wirkt es schnell albern.

Arcor

Ich stimme den anderen hier zu. "Bruder" würde ich nicht unbedingt ins Altnordische übersetzen. Dagegen Begriffe wie Bonde, Gode, Götternamen, Familiennamen, Gebete, das würde ich alles in der originalen Schreibweise übernehmen.

Ich habe da letztens von dem Isländer Thor Vilhjálmsson das Buch Morgengebet gelesen. Da war das mit den Namen auch so gelöst, dass die die isländische Schreibweise hatten. Mit einer entsprechenden Erklärung im Anhang, wie die Namen dann auszusprechen sind, fand ich das ganze sehr gut gelöst.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Naudiz

Also, danke erstmal für die vielen Antworten. Ihr seid klasse :gruppenknuddel:

Ich glaube, ich habe mich ein wenig missverständlich ausgedrückt. Die Charaktere sprechen untereinander nordische Sprachen, ja. Aber nicht alle reden Altnordisch, sondern einige eher die nachfolgenden westnordischen (Isländisch, Färöisch) bzw. ostnordischen (Schwedisch, Dänisch) Sprachen. Das heißt, nicht alle Wörter sind zwingend gleich. Mein Beispiel "Bruder" soll z.B. dazu dienen, die regionale Herkunft eines Nebencharakters hervorzuheben.

Das klingt jetzt irgendwie wirr. Ich hoffe, ihr versteht mich trotzdem.

Nun ja. Auf jeden Fall werde ich euren Ratschlag beherzigen und solche Spirenzchen vorsichtshalber rauslassen. (Entschuldigt bitte, dass ich nicht auf die einzelnen Beiträge eingehe, aber das meiste gleicht sich ohnehin)

Berjosa

Hm, so, wie du es jetzt beschreibst, ist das meiner Meinung nach eine sinnvolle Verwendung, auch für so ein alltägliches Wort wie Bruder. Ich nehme an, dass dann auch eine andere Figur im Roman darauf eingeht und feststellt, dass dieser Fremde wohl nicht von hier ist.
(Die Version für Nerds wäre, die anderen möglichen Varianten auch auftauchen zu lassen und irgendwo im Buch mal drauf hinzuweisen, woher die Figuren jeweils stammen.)

Sunflower

Mir gefällt es ehrlich gesagt, wenn der Autor ab und zu ausländische Begriffe einmischt. Natürlich nur, wenn die Verwendung einen Sinn ergibt. Um zu betonen, wer woher stammt oder wer genau gemeint ist, wie du es sagst, ist es sinnvoll.
Worte in anderen Sprachen nur hinzuknallen ist, wie viele schon gesagt haben, eher lächerlich als beeindruckend.

Aber angenommen, einer deiner Charaktere spricht die "Allgemeinsprache" oder die Sprache, in der er sich unterhält, nur stockend: Da ist es selbstverständlich und viel authentischer, wenn er Fremdwörter aus seiner Sprache hineinmischt. Wenn die Sprachen sich recht ähnlich sind, weiß der Gesprächspartner auch so, was gemeint ist.

Was mir noch einfällt: Wenn du mit deinem "Bruder" die Herkunft von demjenigen betonen willst, musst du daran denken, dass der Sprecher seinen Bruder entweder sehr oft in seiner eigenen Sprache nennt oder gar nicht. Denn die wenigsten denken ewig darüber nach, was sie wie formulieren könnten, um einen bestimmten Eindruck zu erzeugen (jedenfalls geht es mir so). Dein Charakter wird also während dem Gespräch kaum absichtlich "sein" Wort für Bruder verwenden, wenn er nicht vorher darüber nachgedacht hat.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Serisamara

Also ich stimme Sunflower zu. Ich selber habe in meiner Geschichte ein paar spanische wörter eingebaut, auch alltägliches, aber nur, wenn der entsprechende Chara der eigentlichen Sprache nicht ganz mächtig ist. Aber nicht nur deswegen, sondern weil es zu seinem Sprachgebrauch gehört. Zum Beispiel nennt ein Chara seine Frau Cari, abkürzung für Cariño, was liebling oder schatz bedeutet. So was finde ich nicht schlimm.

Bei erfunden Sprachen sieht das auch ganz anders aus, finde ich. Siehe Black Dagger. So alle paar Kapitel gibts dann ein Wort in der sogenannten alten Sprache. Vorne im Buch gibts ein Glossar mit allen Wörtern die bisher aufgetaucht waren.