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Phantastik und Fantasy

Begonnen von Schelmin, 04. Juli 2006, 13:44:11

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Schelmin

Hi!
Mag mal jemand den Unterschied zwischen beiden Genres erklären? So richtig ist er mir nicht klar, ich könnte ihn nur erahnen.

Ich glaube, das wurde hier im Forum noch nicht diskutiert, ansonsten schlagt mich.
Schelmin

Linda

#1
Hi Schelmin,

es ist ganz simpel.

Im anglistischen Bereich deckt "Fantasy" alles jenseits der Realität (außer SF) ab. Was dazu führt, dass z.B. deutsche Sender Filme, in denen eine Frau sich einen Mann aus Kuchenteig backt als "Fantasy-Komödie" bezeichnen. lol


Im literarischen Bereich sind Beispiele eindeutiger. "Herr der Ringe" ist Fantasy. Punkt. Ebenso Rad der Zeit, Lied von Feuer und Eis, Erdsee etc pp. Sie haben auf der Textebene (!!!) keinen Bezug zur Realität (Interpretationen sind was anderes).

Die unendliche Geschichte, Tintenherz, Märchenmond etc. sind streng genommen Phantastik (auch wenn sie mitunter andere ettikettiert werden*). In der Phantastik bricht etwas "Übernatürliches" in die reale Welt ein. Das können Elfen sein oder Chtulhu-Monster. Oder ein Brief per Eulenpost.
Eine reine Fantasywelt mit Monstern und Elfen bleibt hingegen Fantasy.

Phantastik kann auch teilweise in einer Anderswelt spielen, Menschen von hier können wechseln. Weil genannte Beispiele aber in der Realität beginnen (und wieder enden)  sind sie, auch wenn die Anderswelt "pseudomittelalterliche" Fantasy ist, trotz allem Phantastik.

Es liegt aber auch an der Gewichtung.
Wenn der Realitätsteil nur ein pädagogisches Feigenblatt ist (Der weiße Wolf, Narnia), oder nur in Band eins eines langen Zyklusses kurz erwähnt wird  (Die Welt des Meisters, Thomas Covenant-Reihe), geht die Bewegung dahin, das trotzdem als Fantasy zu bezeichnen. Daher auch das "Märchenmond-Phänomen", beispielhaft für eine Menge n von Büchern, in denen Realitätskinder in andere Welten wechseln.

*Auch Parallelwelten wie z.B. Harry Potter sind eigentlich Phantastik. Es scheint unsere Welt zu sein, ist es dann doch nicht (um mich vom Gegenteil zu überzeugen, genügt eine per Eulenpost eingeflogene Einladung nach Hogwarts!). Oder sagen wir mal so, obwohl es bei HP viele phantastische Elemente gibt, ist unsere Welt trotzdem die ganze Zeit über präsent.

Manchmal wird Phantastik (vor allem phantstische Literatur) auch als sammelnder Oberbegriff der Genres Fantasy, SF und Horror benutzt, manchmal auch als Synonym für Horror (keine Ahnung mit welcher Berechtigung ). Im MOment sagt man bei Horror aber auchgerne Dark Fantasy :-)

Dass hierbei aus werbetechischen Gründen immer eine Menge zusammengewürfelt wird, muss man leider hinnehmen. Im Moment ist Fantasy durch HdR ein Begriff, also wird auch Harry als Fantasy durchgewunken.

Soviel dazu.

Steffi

Wo würde denn dann His Dark Materials reinfallen? Phantastik?
Sic parvis magna

Linda

#3
Zitat von: Steffi am 04. Juli 2006, 14:57:37
Wo würde denn dann His Dark Materials reinfallen? Phantastik?

Ich zitiere aus der Kurzbeschreibung eines Anbieters: (wichtige Hinweise von mir unterstrichen)

"Die Geschichte beginnt in Oxford, in einer Welt, die der unseren ähnlich ist. Dort wächst Lyra in einem College auf, umgeben von Wissenschaftlern und unter der strengen Obhut ihres Onkels, Lord Asriel. Wie jeder Mensch hat Lyra einen Daemon, ein zweites Ich in Tiergestalt, von dem sie sich nie trennt. Ihr gewohntes Leben gerät jedoch aus den Fugen, als sie zufällig einen Mord verhindert. Unheimliche Fragen bedrängen sie nun: Warum will Lord Asriel unbedingt in den Norden reisen? Und weshalb verschwinden immer wieder Kinder armer Leute? Auf der Suche nach der Antwort macht sich Lyra auf eine abenteuerliche Reise ins Polargebiet."

Nachdem das mit den Daemonen aufkam, wurde mir klar, dass das recht eindeutig für Fantasy spricht (aber eben eine sehr andie Welt angelehnte). Würde ich soweit, ohne es gelesen zu haben, mal als Fantasy bezeichnen.

Begründung sind diese Tiergestalten.
Jeden Mensch hat sowas, also ist das fest im Konzept der Welt verankert und entspricht nicht der unsrigen Realität..
Im Gegensatz zu der als ungewöhnlich dargestellten Parallelgesellschaft der Zauberer bei HP.

Gruß,

Linda

Manja_Bindig

Unter den Begriff Phantastik fallen auch Autoren wie E.T.A. Hoffmann und E.A. Poe... oder grob gesagt, alles, was zur schwarzen Romantik gehört, gehört in die Phantastik. (weil: übernatürliche elemente vorhanen - wenn auch nur in Nathanaels Fantasie)

Arielen

Schreib doch einfach phantastischer Roman. Das Genre oder die Nische können sich die Leute dann selbst aussuchen!
Alles liegt im Auge des Betrachters

Linda

#6
Zitat von: Schelmin am 04. Juli 2006, 18:31:38
Auweia, das ist ja doch nicht so einfach. Danke aber für die ausführliche Erklärung. Ich stelle gerade fest, daß ich also beides schreibe.
Die Stadtwache ist also Fantasy, während die meisten anderen Sachen Phantastik sind. Das sollte ja auch in Verlagsanschreiben etc rein, oder? Bislang habe ich immer behauptet, alles wäre Fantasy. Ich habe mich zuvor immer dagegen gewehrt, meinen Jugendroman (mit Weltenwechsel) als Elf-Punk zu bezeichnen, das klingt so sehr nach Nische und Special Interest. Phantastik klingt da doch gleich seriöser.
Viele Grüße
Schelmin

Liebe Schelmin,

eigentlich ist es ganz einfach. Wie du finde ich persönlich die Bezeichnung Elf-Punk bspw total abschreckend und würde sie freiwillig nie verwenden. Sie ist mir auch in meinem bisherigen Leser- und Autorenleben außerhalb eines Artikels über Definitionen nicht untergekommen.
Zudem erscheint der Begriff mir total irreführend (zumindest so wie sie innerhalb des Artikels genannt wurde). Bei Elf-Punk denke ich an Shadowrun: Verkabelte Elfendecker mit Irokesenhaarschnitt, die einen Run durchführen. Dieses Bild habe ich vor Augen. Keine Weltenwechsel-Fantasy...

Aber egal.  Wie Christel schon schrieb, passt phantastischer Roman immer. Wen du es näher eingrenzen willst (*)

Alternative: Warum passt du die Bezeichnung nicht an den Verlag bzw die Reihe an, wofür du das Werk jeweils anbietest? :-)
Am besten suchst du einen vergleichbaren Titel (des entsprechenden Verlages) und schaust, was das Marketing draufgeschrieben hat. Daran kannst du dich bei der Bewerbung schon mal anlehnen.
Wenn der Lektor mehr als den Brief liest, merkt er beim Exposee schon , "was" es ist und ob das thematisch in Frage kommt.

*Du kannst mir aber auch gerne eine kurze Einführung geben (ein Absatz oder so, wie ein Klappentext evtl per PN) und ich sage, wofür ich es halten würde :-)

:-)
Linda

Maja

Ich schreibe auch immer »ein phantastischer Roman« - das ist so schön doppeldeutig...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Manja_Bindig

 :rofl: :rofl: :rofl:

Ja... und gilt nciht mal als Eigenlob... obwohl es das dann ja irgendwie auch ist, was?

Arielen

Na ja, aber so was ist dann subtil plaakativ, und niemand kann einem was anhaben, weil die Interpretation die Sache jedes einzelnen ist.  :rofl:
Alles liegt im Auge des Betrachters

Lastalda

Zitat von: Linda am 04. Juli 2006, 15:03:46
Nachdem das mit den Daemonen aufkam, wurde mir klar, dass das recht eindeutig für Fantasy spricht (aber eben eine sehr andie Welt angelehnte). Würde ich soweit, ohne es gelesen zu haben, mal als Fantasy bezeichnen.

In dem Fall ist es komplexer, da diese Trilogie mit Parallelwelten spielt. Die Welt, in der Lyra lebt, und wo jeder einen Daemon hat, ist ziemlich fiktiv, obwohl sie viele viele Elemente der Realität hat. Aber nur der erste Band spielt komplett dort. Im zweiten und dritten Band spielt unsere reale Welt und auch Protagonisten daraus eine große Rolle. (Sowie zunehmend viele weitere Welten.)

Dementsprechend müsste das also doch unter "Phantastik" laufen, oder nicht?

Linda

@Lastalda

vermutlich hast du damit recht.

Arielen

Zitat von: Lastalda am 06. Juli 2006, 23:39:08
Zitat von: Linda am 04. Juli 2006, 15:03:46
Nachdem das mit den Daemonen aufkam, wurde mir klar, dass das recht eindeutig für Fantasy spricht (aber eben eine sehr andie Welt angelehnte). Würde ich soweit, ohne es gelesen zu haben, mal als Fantasy bezeichnen.

In dem Fall ist es komplexer, da diese Trilogie mit Parallelwelten spielt. Die Welt, in der Lyra lebt, und wo jeder einen Daemon hat, ist ziemlich fiktiv, obwohl sie viele viele Elemente der Realität hat. Aber nur der erste Band spielt komplett dort. Im zweiten und dritten Band spielt unsere reale Welt und auch Protagonisten daraus eine große Rolle. (Sowie zunehmend viele weitere Welten.)

Dementsprechend müsste das also doch unter "Phantastik" laufen, oder nicht?

Denke ich auch. Oder du kannst einen noch andere Bezeichnung suchen . Es ist erstaunlich wie viele Thriler im Moment erscheinen, die einen phantastischen Hintergrund haben, und in der die Helden mit Elfen Feen, Werwölfen, Dämonen und Vampiren zu tun haben, aber eigentlich eine Film-Noir-Krimihandlung.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Lastalda

Ich persönlich kenne den Begriff Phantastik sowieso in dem anderen Kontext, den Linda mit genannt hat - als Oberbegriff für Fantasy, SF, Horror und andere Geschichten mit starken phantastischen Elementen. Eben als Kurzform für "phantastische Literatur", und darunter läuft dann sowas eben auch.