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Welche Romanhälfte schreibt sich für euch leichter?

Begonnen von Kaeptn, 25. September 2009, 18:04:16

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Kaeptn

38.000 Wörter von anvisierten 70.000 hat der dritte Teil meiner Trilogie mittlerweile - und ich merke: Jetzt fließt es richtig. Alle wichtigen Personen sind in Position, hier und da sind noch kleine Etappen zu meistern zum großen Finale hin. Jetzt schaff ich auch mal mehr als 1000 Wörter am Tag, ohne an eine Stelle zu kommen, an der ich denke "Hm, wie geht's da nun weiter?" (ich plotte ja nur SEHR grob vorab). Ok, eine Blockade habe ich noch vor mir, die Motivation einer Randgruppe muss noch ausgearbeitet werden, aber das schaffe ich auch noch.

Worauf ich hinauswill: Auch bei Band 1 und 2 ging es mir so: Quälte ich mich am Anfang planlos herum und brachte manchmal kaum 1000 Wörter in einer Woche zustande, ging es am Ende ruckzuck. Ich würde schätzen, die letzten 10% schreibe ich in 1-2% der gesamt gebrauchten Zeit.

Geht euch das auch so? Oder gibt es auch solche (insbesondere jene, die vorher Plotten), bei denen das keinen Unterschied macht? Oder fällt es euch so schwer, euch zu trennen, dass ihr in der letzten Hälfte noch verzweifelt Twistes und Turns einbaut, nur um noch ein bisschen länger zu brauchen?

Würde mich mal interessieren.

Maja

Am Anfang ist eine Geschichte für mich frischer und spannender. Ich kann mir Plot und Figuren ausdenken, gebe mir Nüsse zum Knacken und habe eine Menge Spaß. Je weiter die Schreiberei voranschreitet, desto klarer ist der Plot, und desto weniger Fragen kann ich mir selbst beantworten. Und irgendwann sind nur noch Szenen übrig, die ich schon genau im Kopf habe, und es ist nichts mehr zu tun, als sie runterzuschreiben. Dann artet das Schreiben in Arbeit aus und fängt an, sich zu ziehen wie Kaugummi. Deswegen schreibe ich die erste Hälfte, oder zumindest das erste Viertel, auch mit deutlich mehr Elan als die späteren Teile.

Aber es gibt irgendwo in der Buchmitte so einen neuralgischen Punkt: Wenn ich den überschritten habe, will ich ein Werk auch zuende bringen. Viele Projekte, die anfangs noch Spaß machen, schlafen bei mir innerhalb der ersten hundert Seiten ein. Das Schreiben der zweiten Hälfte ist darum mit einem gewissen Triumphgefühl verbunden. Die Arbeit fällt mir zwar schwerer, ist aber dafür auch mehr wert.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Cythnica

Also bei mir ist es dann doch eher so, dass es weniger auf den Fortschritt des Buches als mehr auf die jeweilige Passage ankommt.

Die Charakterentwicklung und das Einführung find ich da oft so lala und gerade bei Kampfsequenzen und dergleichen brauche ich immer etwas länger bis ich da was zufriedenstellendes habe ~
hingegen so stellen die sozusagen verschwörungen aufdecken oder den protagonisten und den leser geradezu vor lauter überraschung umhauen sollen ~ da schreib ich auch mal 3000 wörter an einem tag oder so

Lomax

Ich kann nicht sagen, dass sich irgendwas "leichter" schriebe - aber so ein Roman schreibt sich bei mir in jedem Fall "länger", je weiter er voranschreitet. Dass heißt, dass ich am Anfang immer noch das Gefühl habe: "Boah, massig freie Seiten - wie soll ich die alle füllen?", und ich schreibe Kapitel, die sind recht kurz, und ich denke mir immer, "wie, nur 25 Seiten, und so viel passiert?"
  Und dann ... werden Kapitel, die ich auch auf 25 Seiten veranschlagt habe, plötzlich doppelt so lang, das "Seitometer" rasselt dahin, ich muss Szenen rausnehmen, Kürzen, um im Rahmen zu bleiben, und spätestens bei der Hälfte denke ich mir jedesmal: "Was, schon die Hälfte meiner Seiten verbraucht? Aber da kommt doch noch so viel!"
  Die Seiten eines Romans füllen sich jedenfalls umso mehr von selbst, je weiter ich komme.

Kati

Mir geht es schon so, dass die zweite Hälfte schneller geht, obwohl ich vorher alles durchplotte. Das liegt allerdings daran, dass in der zweiten Hälfte meist die ganzen spannenden, actionreichen Dinge passieren und es einfach viel mehr Spaß macht die zu schreiben, als den Anfang. Der zieht sich bei mir eh immer, weil es dauert, bis ich die Charaktere kennengelernt und mich in die Handlung eingefunden habe.
Bei meinem letzten Projekt habe ich gut drei Monate für die ersten 20 Kapitel gebraucht und die letzten zehn habe ich in bloß zwei Wochen geschrieben.

LG,

Kati 

Waffelkuchen

Das ist genau das Thema, mit dem ich mich vor kurzem gedanklich auseinandergesetzt habe. Das ist jetzt der 3. Roman, an dem ich schreibe und eine Sache hat er mit den beiden anderen gemeinsam: Der Anfang zieht sich. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich nicht zufrieden damit bin. Auch, wenn mein Plot steht, ich die Figuren besser kenne als mich selbst und für meine Verhältnisse sehr viel geplant habe, gefällt mir anfangs nichts von dem, was ich schreibe. Das ist ein Gefühl, als hätte man es verlernt. Die Charaktere fühlen sich sperrig an, Ideen, die auf Notizblöcken noch gut klangen, wirken in Szenen plötzlich hölzern und unpassend. Das Setting, die Orte, auch die Charaktere ändern sich noch wie Knetmasse, auch schon längst gefestigt geglaubte Vorstellungen kippen einfach weg.
In dieser Zeit (bis jetzt 25000 Wörter) überarbeite ich ständig, schreibe neu und wenn es manchmal nur Kleinigkeiten sind. Ich würde es so beschreiben: Ich suche meine Stimme in der Geschichte.
Im Moment komme ich gerade in die Phase, in der ich merke: Das Chaos lichtet sich. Ich bekomme langsam ein Gefühl dafür, wie alles läuft. Und wenn ich wirklich mit dem Anfang zufrieden bin, schreibe ich den Rest "einfach" runter. (Klar gibt es Sachen die haken, aber es geht deutlich schneller.) Ab dem Punkt macht es einfach Spaß. Dinge, die ich schon vor Monaten geplant habe, kommen endlich ins Rollen, neue Wendungen ergeben sich und irgendwann merke ich tatsächlich, wie das Ende näher kommt. Das gibt mir dann noch einen zusätzlichen Schub. Je näher ich dem Ende komme, desto produktiver bin ich. 
Also, klare Sache: Die zweite Hälfte fällt mir deutlich leichter. :)
Ich heb mein Glas und salutier dir, Universum / Dir ist ganz egal, ob und wer ich bin
Fremde - Max Herre, Sophie Hunger

Tenryu

Am schwersten tue ich mich üblicherweise mit dem Mittelteil. Am Anfang ist alles neu und frisch. Zwar weiß ich noch nicht genau, wohin die Reise geht, aber ich bin guten Mutes. Gegen den Schluß hin, weiß ich worauf alles hinausläuft und ich sehe das Ende in Reichweite, bin entsprechend motiviert.
Aber in der Mitte habe ich das Gefühl, nicht vorwärts zu kommen. Es gibt gewisse Probleme mit der Handlung und den Figuren. Und da ich noch nicht weiß, wie lange die Geschichte wird, habe ich das Gefühl ca. 200 Seiten lang immer irgendwo in der Mitte zu sein.

Coppelia

Ich kann die Frage gar nicht beantworten ... erstmal schreib ich ja oft gar nicht streng chronologisch. Bis auf einige Ausnahmen. Aber bei denen? Keine Ahnung. Eigentlich fällt mir jeder Teil eines Romans gleich schwer/leicht. Ob er gleich gut/schlecht wird, kann ich nicht beurteilen. Manche Romane laufen insgesamt besser und andere nicht. Ich brauche einen guten Anfang und dann schreib ich halt so lange, bis ich fertig bin ... jo.

Agrona

Bei mir ist es meist so das ich am Anfang einfach drauf los schreibe und es fließt.. dann kommt die erste Blockade, wenn sich die Frage stellt um was genau soll es gehen und was soll noch alles kommen.. ich weiß das ich nicht besonder intelligent aber ich schreibe einfach los wenn ich eine Idee habe naja.. nachdem ich dann ungefähr so einen Plan habe arbeite ich Stationsweise weiter.. so dass ich immer noch frei schreiben kann aber weiß da muss ich am Ende hin kommen.. wenn ich erstmal mit der Station angefangen habe gehts eigentlich aber es gibt so Momente da würde man so "Nichtigkeiten" gern überspringen und endlich am Ziel an kommen.. da zieht es sich.. Ich würde sagen manche Situation in meiner Geschichte liegen mir einfach und andere weniger sind allerdings nötig.. :D

Jara

Leider ist es bei mir definitiv die erste Hälfte. Man ist voller neuer Ideen. Die Charaktere sind frisch und unbelastet, man will sie besser kennenlernen. Das Gleiche gilt für die Welt und überhaupt alles. Der Elan und die Euphorie des Neuen treibt mich.
Das "leider" deshalb, weil mich dieses grandiose Gefühl dazu verführt, immer mehr Projekte anzufangen und keines wirklich fertig zu stellen. Ab einem gewissen Punkt im Roman, der sich seitenmäßig aber von Fall zu Fall unterscheidet, muss ich mich richtig dazu zwingen weiterzuschreiben. Das ist natürlich wirklich schade :seufz:

Luna

Bei mir fließt das mit dem Schreiben anscheinend auch in der ersten Hälfte besser - solange halt noch nicht alles durchgeplottet und bis aufs letzte Detail feststeht, so lange es halt noch Überraschungen und Wendungen für mich selbst gibt.
Dies kann sich auch noch recht weit ins hintere drittel des Buches ziehen, aber da wird es trotz allem Schwerer.

Das Projekt, wo ich mir so ziemlich alle Hintergründe und anfänglichen Dinge ausgedacht habe (und die mMn auch irgendwie genial zusammen passen) kommt einfach nicht von der Stelle.

Anscheinend fesselt mich das schreiben genau so, wie ein unbekanntes Buch - sobald ich alles kenne, lese ich das Buch halt auch nicht noch einmal... und dummerweise habe ich in dieser Hinsicht ein Gedächtnis wie ein Elefant!

LG AF

Drachenfeder

Wenn die ersten paar Sätze geschrieben sind verliere ich mich voll und ganz in den Anfang einer Story. Meine Finger rasen und tanzen geradezu über die Tastatur.

Die Mitte wird komplizierter, langsamer... quälender. Schon mal alleine weil ich mir so viele Fragen in dieser Phase stelle. Passt alles zusammen, ist es logisch aufgebaut, habe ich nichts vergessen, verwechselt usw.

Das Ende geht dann wieder flotter von der Hand.

Aber mein Fave bleibt da wohl immer der Anfang. Vielleicht auch, weil es der Beginn einer neuen Herausforderung darstellt.



Luciel

Mir geht der Anfang deutlich leichter von der Hand. Da ich kaum plotte und eher schreibe, was mir grad so einfällt, ergeben sich zu Anfang tausend Ideen und Handlungsstränge, die sich verfolgen und kombinieren lassen. Es ist für mich spannend zu beobachten, wie sich das Ganze entwickelt, in welche Richtung meine Protas gehen.
Aber spätestens im letzten Drittel wird es ernst. Die begonnenen Handlungsstränge müssen eingesammelt werden und es stehen jetzt viele Szenen auf dem Plan, die geschrieben werden "müssen", weil sie wichtig sind, um das Buch zu einem Ende zu bringen. Eigentlich will ich diese Szenen ja auch schreiben, aber ich fühle mich eingeengt und meine Protas maulen und die Worte fließen nur noch zäh .... und dann kommt die Versuchung zu sagen: Ach, verschieben wir das auf Morgen und beginnen in der Zwischenzeit einfach ein neues Projekt ...

Leon

#13
Ich habe immer Phasen, in denen es nur so flutscht und Stellen, die sich ziehen wie Kaugummi. Was nicht an mangelnde Ideen liegt, davon hab ich genug, sondern daran - wie bringe ich es am besten rüber. Und zwar so das Es nicht Infodump und langweilig daherkommt, sondern sich harmonisch und spannend einfügt.

So gesehen schreibt sich bei mir alles gleich schwer oder leicht. Egal ob Anfang, Mitte oder Ende.

die_Hex

Die erste Hälfte ist die leichtere.
Ich brauche erstmal ein paar Seiten, um mich damit abzufinden, dass mein Stil in der Rohfassung nicht rund ist. Dann folgt der euphorische Teil, in der die Geschichte im Kopf an Fahrt gewinnt und ich mit dem Schreiben nicht hinterher komme. Das ist dann auch das Problem: Die Geschichte ist hundertmal im Kopf durchgespielt und ich habe keine Lust mehr, sie aufzuschreiben. Überhaupt kommt sie mir so toll dann garnicht mehr vor, ich sehe die Fehler, zweifle an den Sachen, die ich vorher gut fand und gerade dramatische Stellen kommen mir auf einmal furchtbar pathetisch vor. Das ist dann der Punkt, an dem ich die Geschichte abbreche. Zwei Projekte habe ich trotzdem bis zum Ende durchgezogen, das eine aus purer Sturheit, das andere nur weil es Leute gab, die wissen wollten wie es ausgeht.