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Authentische Gefühle, die fake sind, aber wie?

Begonnen von Silvasurfer, 20. April 2019, 13:44:42

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Silvasurfer

Zum ersten mal in meinem Leben schreibe UND plotte ich ein Roman.
Für gewähnlich hat es mir immer ausgereicht, zu improvisieren, ich bin wohl das was man einen Pantser nennt.
Und na dieser Stelle möchte ich mich, entschuldigen, sollte eine Einleitung Ihnen bereits vertraut sein, bzw sollte ihr Kunstbegriff ein anderer sein, letzten Endes wissen wir was gemeint ist, wenn das Thema vertraut ist und allein darum geht es mir. Ich möchte lediglich meine Frage so einleiten, dass sie auch Sinn ergibt.

Die Schreibwelt lässt sich, wie alle anderen Künste in meinen Augen in zwei grosse Lager unterteilen (Das hat was mit unserem dualistischen denken und Ego zu tun und wahrscheinlich weniger mit der Realität, nehme ich an).

Die Maske, tell don't show

Zum einen kann und möchte die Kunst auch nichts anderes als fake sein, eine Maske, die gar nicht erst den Anspruch an sich hat, den Leser/Zuschauer/Zuhörer von einer Illusion zu überzeugen. Statt dessen versucht diese Art von Kunst besonders kunstvoll zu sein, besonders poetisch, tell don't show, in unserem Fall oder eben surreal, beispielsweise. Hier gliedern sich die Schauspieler, Schriftsteller, Maler und Musiker ein, die auf unrealistische, unauthentische weise ein grosses Spektakel auf die Bühne/Leinwand zaubern. Der betrachter oder in unserem Fall der Leser, weiss ganz genau dass das ganze ein Schauspiel ist, die Illusion scheitert und macht Platz für einen gänzlich anderen Zauber, man ist lediglich beeindruckt vom Bühnenbild, von der Sprache und den Eindruck, den diese Art von Kunst hinterlässt. Kein Mensch würde sich jemals so poetisch ausdrücken, wie manch ein Charakter vor allem in klassischer Literatur, kein Mensch macht Gesichter, wie Jim Carrey im echten Leben, die Welt sieht nicht aus wie in Van Goghs oder Frieda Khalos Bildern, zumindest nicht 1:1 die Emotion ist klar und deutlich fake, oft überzogen und es geht ihr weniger um den realismus als um die Illustration, die Karrikatur eines Phänomens und das war's. Dadaisten, Surrealisten, Cubismus, klassische dramaturgie und Schauspiel all diese Bewegungen gliedern sich hier mehr oder minder ein und arbeiten unauthentisch, kunstvoll eben.

Authentizität und Realismus, show don't tell

Auf der Yan- oder Yinseite, je nachdem, wie man will, befindet sich das Lager der authentischen Künstler, methodacting, Schauspieler, die 40 Kilo abnehmen um einen magersüchtigen zu spielen, Schriftsteller, die Emotionen nicht darstellen wollen sondern selbst fühlen wollen und im besten Fall den Leser nachempfinden lassen wollen, show don't tell eben, so nennen es die meisten heutzutage... Hier finden sich oft vor all Dingen die Imporvisationskünstler wieder und auch die Pantser unter uns, wie man sie nennt, Leute wie ich, die authentisch schreiben wollen, ich bin, wer ich bin oder ich bin der ich bin da, wie Gott sagen würde, Präsenz, kein planen sondern authentisches fühlen und im-Moment-sein.
Dies ist die Kunst eine offensichtliche Maske verschwinden zu lassen, eine Illusion zu erschaffen, die so echt wirkt, dass man sie mit dem wahren Leben verwechseln könnte, Schauspieler, die Emotionen nicht theatralisch darstellen sondern, wahrhaftig empfinden, Improvisationstalente, wie Leonardo die Cabrio, der sich versehentlich die Hand schneidet und sein eigenes echtes Blut in die Szene mit einbaut, um es der Sklavin bei seiner Rede ins Gesicht zu schmieren, Aragorn, der einen Helm tritt, sich dabei den Zeh bricht und den Schmerz in einen Schmerzenschrei über den scheinbaren Verlust der Hobbitse umwandelt oder gar Indiana Jones, der dem Skript nach mit der Peitsche kämpfen soll und dann einfach beschliesst und zwar weil er es so empfindet, seine Pistole zu sehmen und auf die Peitsche zu sch&#$$en. Und in meinem Fall, Schriftsteller, die in Ekstase schreiben, write like zou f%%%ing mean it!!!!

So und damit zu meiner Frage:

Entschuldigt bitte vorweg die Länge meines Textes, vor allem wenn ihr das ganze bereits kennt aber es beschäftigt mich nunmal gerade sehr:
Ich zähle mich weitgehend, wie gesagt zum zweiten Lager und habe aber für mein Erstlingswerk inzwisch so viel Plot, dass ich nicht mehr nur noch improvisieren kann, weil es einfach zu viele Charaktere gibt, zu viele Handlungsstränge die auch Teilweise zu komplex sind, auf die ich jedoch nicht mehr verzichten kann, weil diese Ideen einfach viel zu lebendig in meinem Kopf geworden sind. Mein Problem dabei ist: Ich habe all diese Emotionen bereits einmal empfunden, nämlich beim plotten und jetzt fällt es mir unglaublich schwer mich in meine gewohnte authentische improvisierte Gefühlslage, den flow, wie ich es nenne, zu begeben. Es fällt mir schwer, die Szenen, die ich bereits im Kopf erlebt habe 1:1 so rüber zu bringen, wie ich sie im Moment und der Hitze des Gesfechts empfunden habe, die Gefühle sind verebbt, die Szene ist bereits einmal gefühlt und durchdacht worden ich habe bereits geweint und gelacht und nun beim 2. und 3. Mal, da ich es in Worte formulieren muss, haut es mich nicht mehr um. Wie kann ich jetzt den Leser das auf leeren Seiten nachempfinden lassen, was ich damals authentisch empfunden habe, als ich geplottet habe???

Nun gehe ich wie gesagt davon aus das Dualismus ein Hinrngespenst ist, sozusagen, die Welt ist eins und ich begebe mich als Neuling, der an seinem Erstling arbeitet sozusagen in unbekanntes Terrain ich bin im Grundegenommen zur Zeit in meinem Selbstbild ein Pantser der nun ausserhalb seines natürliches Lebensraum überleben muss um das Manuskript, das ihm am Herzen liegt und bereits zu grossen ungeschriebenen Teilen ausgeplottet ist nun auch zu Papier zu bringen. Ich bitte um Tipps und Tricks und zwar mit der Fragestellung im Hinterkopf, wie macht ihr das, wenn ihr keinen Zustand der Inspiration habt, wie bringt ihr dann noch inspirierende Worte zu Papier oder soll ich es gar nicht erst versuchen?!

Manche sagen ja ganz unromantisch, das "Firstdarft" darf ruhig k$$$cke sein, aber dem möchte ich mich nicht gänzlich anschliessen, ja ich erlaube mir fehler zu machen und ja ich überarbeite selbst Szenen, die ich im Zusatnd von Inspiration geschrieben habe, weil auch das mir keine Qualitätsgarantie zu sein scheint, und allein schon, weil sich mit der Zeit Ideen hinzufügen. So ganz ohne Liebe einfach irgendwas zu schreiben, nur um den Wordcount in die Höhe zu schiessen, so weit lasse ich es jedoch nicht kommen, das bleibt meine Entscheidung vorerst, sollte mir nicht jemand das unromantische Gegenteil beweisen. Andere wiederum sagen, wenn du es nicht fühlst, dann schreib gar nicht erst, langweile dich selbst und deine Leser nicht!
Meiner Person, meinem Ego, auch wenn es eine Maske ist, geht díeses Vorgehen gegen Strich und Faden. Quasi nach dem Motto; Lieber schreibe ich kein Buch und bleibe auf ewig ein erfolgloser Schriftsteller, als das ich ein Manuskript schreibe, dass ich selbst als schecht empfinde, nur um sagen zu können, ich habe ein Ende unter diesem Manuskript gesetzt. Das habe ich als jugendlicher mit einem Werk so gemacht, das von Kapitel 1 bis zum letzten Kapitel zuende geschrieben  wurde und misachtet in meinem PC virtuell vor sich hinstaubt, weil ich für dieses vollendete Werk null Respekt und Liebe übrig habe, da es mit der Zeit von mir uninspiriert einfach weiter und weiter geschrieben wurde. In meinen Augen ist dieses Werk zum Beispiel mitlerweile gestorben und begraben es darf kein Teil der Literatur werden, weil es einfach schlecht ist, punkt. Solche Gefühle möchte ich meinem ungeborenem ausgeplotteten Baby nicht gegenüber haben, wenn ich es na Verlage schicke oder selbst verlege, weil ich es sehr ins Herz geschlossen habe, bitte helft mir mit diesen Gefühlen klar zu kommen und trotzdem professionell am Ball zu bleiben, seid ruhig unromantisch mit mir und bringt mich auf festen Boden. Ich möchte einfach trotzem irgendwo noch Gefühlvoll authentisch mit meinen ausgeplotteten Szenen umgehen können, auch wenn die erste Welle meiner Emotionen, das erste empfinden und erleben der Szene bereits gebrochen ist und ich diese Welle nicht auf meinem Surfbrett des Ekstase-Schreibens geritten habe, bzw zu Papier gebracht, als die frischen Eotionen noch da waren bzw einfah nur geplottet habe. Sorry für so viel Text, nochmal!

Yamuri

Warum willst du dich zu einem reinen Show don't tell zwingen?

Kennst du das Phänomen, dass du eine Situation zwei Menschen zeigst, und die beiden Menschen bewerten diese Situation auf völlig unterschiedliche Weise?

Diese Gefahr besteht wenn du zwanghaft versucht nur zu zeigen, anstelle auch zu erklären und zu beschreiben. Du vergleichst Show und Tell mit Ying und Yang. In der ostasiatischen Philosophie bedeutet ein zu viel an Ying ebenso einen Zustand des Ungleichgewichts wie ein zu viel an Yang. Der goldene Weg der Mitte ist der Weg, der gesucht wird.

Die Vergangenheit ist Vergangenheit. Du hast Erinnerungen an die Vergangenheit, Erinnerungen an deine Gefühle. Visualisiere diese Erinnerungen vor deinem Auge und erkennne an, dass wenn du deine Geschichte schreibst, du über die Vergangenheit berichtest. Du bist der Bote, der die Botschaft erzählt. Stell dir vor, du sitzt an einem Lagerfeuer, jemand fragt dich, ob du eine Geschichte erzählen kannst. Dann fang einfach an, erzähl den ersten Satz oder schreib ihn nieder in deinem Fall.

1:1 werden andre Menschen niemals empfinden können, was du empfunden hast. Das ist eine Illusion mit der wir alle leben müssen. Wir sind alle einzigartig, es gibt niemanden der exat gleich empfindet, exakt gleich denkt. In jedem von uns gibt es einen unentdeckten Raum, ein Herzstück, das nur wir betreten können, ein Geheimnis. Es wird immer nur Annäherungswerte geben. Ich denke was du gerade versuchen möchtest ist, eine perfekte Geschichte zu schreiben. Ich kenne dieses Gefühl, es veranlasst mich dazu ständig zu überarbeiten. Und das obwohl mein Verstand längst weiß, Perfektion ist nicht möglich. Also können wir nur unser Bestes geben und wenn wir wollen, dass jemand an einer Stelle eine Situation genau so versteht, wie wir verstanden haben, müssen wir die Situation erklären, was mit Tell möglich ist. Und selbst dann kann es sein, dass wir beim zweiten Mal durchleben der Situation diese völlig neu und anders bewerten, vermutlich aus dem Grund, weil wir sie schon kennen und damit andere Maßstäbe setzen können.

Verbinde Show und Tell, da beide zwei Seiten einer Medaille sind und du hilfst den Lesern damit deine Gefühlswelt besser zu verstehen. Insbesondere, wenn du Dualismus als Hirngespinst entlarven möchtest. Wieso trennst du dann Show und Tell so streng? Beides sind Aspekte des Ganzen und jemand sagte einmal: Wenn wir eine Maske zu lange tragen, werden wir ihr dann nicht gleich? Insofern sehe ich die Masken nur als einen andren Aspekt eines weitergefassten Realitätsbegriffs, etwas, das in unserer Imagination existiert, eine Illusion, und doch lebendig im Kopf des Menschen der sie betrachtet oder sieht.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Silvasurfer

#2
Das eine mit dem anderen verbinden ist genau der Spagat, nach dem ich gerade suche und der mir so schwer nur gelingt. Danke, Yamuri für dein Lagerfeuervergleich und deinem Tipp mit der Vergangenheit. Die Vergangenheit in die Gegenwart zu holen ist ein Kunststück dass ich umgekehrt mit Zukunftvisionen kenne indem man einfach sich fragt, welchen Schritt in diese Richtung ich genau jetzt gehen kann, und insofern kann ich diesem Tipp durchaus was abgewinnen. Mir fallen da spontan die schönen Momente ein, wenn vergangene Gefühle ausgelöst durch ein Lied oder einen bestimmten Sinneseindruck auf einmal wieder quicklebendig werden und man sich fast genau so fühlt, wie damals...

Perfektion hingegen ist nicht unbedingt mein bestreben, wobei ich mich durchaus dieser Krankheit des Perfektionismus irgendwie irgendwo irgendwann einmal bekennen muss. Vielmehr geht es mir um Gefühle, die eben so echt wie möglich in irgendeiner form, show oder tell aber eben authentisch kommuniziert werden sollen, Gefühle die damals beim plotten, frisch und authentisch waren und jetzt beim schreiben ein wenig verebbt sind und vermeindlich "schwer" zugänglich. Ich hoffe tipps von erfahrenen Leuten zu hören, ich meine es muss ja möglich sein, wie sonst könnten Schauspieler einen auswendig gelernten Text manchmal so rüber bringen, als käme ihnen der Gedanke gerade jetzt und spontan.

flowrite

Viel Text, aber der viele Text gefällt mir. Leider sehe ich keinen Zusammenhang zwischen dem ersten und den zweiteren Teil, aber wurscht, darum geht es ja auch nicht.

Zum ersteren Teil: Das ist Expressionismus und Impressionismus, das sind glaube ich die richtigen Begriffe dafür, jedenfalls besser als "tell don't show" und "show don't tell", das sind nämlich keine Genres sondern gegensätzliche Maximen, von denen die meisten Autoren sicherlich eine Sowohl-als-auch-Mischform vertreten werden. Ja, jetzt wird von irgendwem bestimmt bemerkf, dass der Realismus und der Naturalismus auch mit dazu gehören. Ich würde den hier jetzt mal – dichomatische Schwarzweißdenke rulez! ;) – als Unterformen des Impressionismus betrachten.

Zum zweiteren Teil: Liest sich für mich, als hättest du eine formidable Schreibblockade. Mein Rat wäre, dich zu entspannen. Es bringt nichts, auf Teufel komm raus da irgendwas zusammenzuwörtern, da bin ich ganz bei dir und so halte ich es auch. Schreib jetzt seit mehreren Jahren nichts mehr und siehe da, ich kann das besser und besser, sicher gibt es auch da Tiefpunkte, von einem zeugt dieser tolle Ratschlag, aber egal, und vor allem kommen langsam die Ideen wieder zurück, zaghaft traut sich schon die ein oder andere auf die Bühne des bewussten Denkens, flüchtet aber sogleich wieder, sobald ich denke, huch, juchuh, endlich wieder mal eine Idee. Vielleicht kannst du zunächst ein Tagebuch führen, oder spinne dir einzelne kurze Wörter, Phrasen und Sätze aus, fange interessante Gedanken ein und sperre sie in goldene Käfige aus wohlfeilen Buchstaben. Und dann – gute Ratschläge haben ihre Güte damit verdient, dass man sie gut weitergeben kann – verliere sie unterwegs, ganz bewusst. Wenn du dich an sie am nächsten Tag erinnern kannst, waren sie gut, schreib sie dann in Schönschrift in eine Kladde. Solltest du dich nicht an den genauen Wortlaut erinnern können und dir fällt kein besserer ein, musst du raus, den Zettel suchen, vielleicht ist er noch da, wo du ihn verloren hast.
Wenn dir dieser Ratschlag gefällt, setze ihn gerne um und sag mir, ob es geholfen hat. Dann probiere ich ihn selber aus.

Nee, ernsthaft, gegen Schreibblockade ist kein Kraut gewachsen. Das ist wie beim Stottern. Was der Stotterer am dringensten sagen möchte, bringt er nicht hervor. Er muss sich zunächst davon überzeugen, dass es sinnlos sei, zu sagen, was er sagen will, dann sprudeln die Worte dann doch flüssig aus ihm raus und erhalten ausgesprochen ihren Sinn zurück. (An andere Stotterer, dies ist kein guter Rat, dafür ist er billig, ich spinne nur ein bisschen lose vor mir rum,.)

Und im impressionistischen Ansatz liegt eine Denkfalle, Achtung. Es geht nicht darum, wörtlich Gedanken und Gefühle »mitzuschreiben« und wiederzugeben. Es geht darum, Worte zu finden, von denen du überzeugt bist, dass sie bei anderen wahrscheinlich ziemlich genau die Gedanken und Gefühle wecken, die deiner (Erzähl-)Intention entsprechen. Das schimpft sich auch Manipulation, aber eingedenk des Einvernehmens mit dem Leser ist der Begriff etwas negativ.

______
Dieser Post enthält Ratschläge, von denen ich sage, dass sie schlecht seien, selbst wenn ich davon nicht ganz überzeugt bin, oder gar vom Gegenteil. So ermuntere ich andere, selber zu denken statt irgendwas blind von irgendwelchen selbst ernannten Experten zu glauben.

Silvasurfer

#4
@flowrite Der Name ist programm, wie?!

Zitatfange interessante Gedanken ein und sperre sie in goldene Käfige aus wohlfeilen Buchstaben


Gefällt mir und genau so handle ich schon seit 2 Jahren. Schreibblockade zugelassen, chillen, mich mit anderen Dingen beschäftigen, reisen und so und vor allem Gedanken noch nicht einmal aufgeschrieben selbst am nächsten Tag nicht, NIEMALS, ich vertraue da inzwischen meinem Kurz- beziehungsweise Langzeitgedächtnis voll und ganz. Die guten ins Tröpchen oder wie der Spruch auch immer heisst, so macht es mein Aschenputtelverstand, Notizblöcke sind für mich nur dafür da, Brainstorming zu visualisieren, To-Do-Listen und Skizzen sind für mich mehr oder minder, bis auf Ausnhamen, welche wiederum die Regel bestätigen, irrelevante geworden...
Auf diese Weise sind im Verlauf der Jahre ein paar wesentliche Plotzusammenhänge als Idee ans Licht gekommen und dann vor allem in den letzten 2 Monaten ist mein Gehirn auf einmal zu einer Maschine geworden, die Ideen am fliessband erzeugt, allerdings eben als Idee oder Film im Kopf. Ich musste einfach den Umfang und Hintergrund meiner Geschichte erst mal im Kopf sortieren und hatte spontane einfälle in den unmöglichsten Situationen und das trotz zugelassener langfristiger Blockade. Daher auch mein Dilemma, denn ich habe jetzt einen Handlungsstrang von vorne bis hinten über 2 Jahre hinweg durchdacht, ungeschrieben allerdings bereits gefühlt wurde und es fällt mir schwer diese Gefühle für mich erneut zugänglich zu machen um sie auch zu Papier zu bringen...

Was Impressionismus Expressionismus angeht bzw Show-Tell blub: Wie schon gesagt über (Kunst)begriffe lässt sich streiten und jeder hat da seinen eigenen Film im Kopf. Ich persönlich habe passagen, in denen der Erzähler fast alles übernimmt und beinahe schon philosophisch wird und dann wiederum auf einmal ist es show don't tell. Selbst die Zeitform halte ich nicht immer ein und auf einmal kann Vergangenheit zu Gegenwart werden und umgekehrt, da bin ich, ja... keine Ahnung. Definitiv lange Zeit ein grosser Freund der Improvisationskunst und des authentischen Schreibflusses im Zustand des Flow gewesen... Mittlerweile sehe ich aber auch die Muse als das Ergebnis (Belohnung) eines beherzten widerstandes gegen den inneren Schweinehund...

Jeden falls geht es mir darum, die Gefühle bezüglich Szenen, die ich im Kopf bereits durchdacht habe möglichst auf Kommando für mich zugänglich machen zu können, das wollte ich noch einmal erwähnen.

Einen ersten Ansatz habe ich, wen das Thema interessiert, darin gefunden, meinen eigenen Gefühle, dann wenn ich sie als charaktertypisch für Figur XY empfinde sofort und im Zustand der authentisch empfundenen Inspiration von Gefühlsübermannung niederzuschreiben und zwar 1:1 und nicht unbedingt direkt als Szene, sondern als sei ich selbst der Charakter und halte sowas, wie Tagebuch oder als schriebe ich, FigurXY einen Kommentar auf Facebook, in der Hoffnung auf diese Weise mit der Zeit dem Charakter eine Eigenart zu Sprechen bzw zu denken zu geben, die von starken Emotionen geprägt ist. Im Idealfall kann ich dann Szenen zur Not einfach konstruieren, indem ich Gefühle und Themen, die in diesem Zusammenhang wichtig sind einfach abarbeite... Copy-Paste vom Charakterbogen sozusagen und auf diese weise, so der Ansatz, könnte ich Monologe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt authentisch gefühlt waren zu einem Dialog umzugestalten, indem ich sie einfach einfach ja... gegenüberstelle und das ganze ganz flach und unromantisch abarbeite bestenfalls mit dem einen oder anderen Catchphrase.

Minna

Hallo Silvasurfer,

Ich glaube du wirst mehr Antworten auf deine Frage bekommen wenn du sie
1.   An den Anfang des Posts stellst und
2.   Deinen Threadtitel so umbenennst, dass man daraus erkennen kann worum es geht. (z.B. vom Pantser zum Plotter ohne Langeweile)
Das Problem, welches du hier schilderst kennen glaube ich viele Autoren des Forums, doch deine Einteilung in authentische und künstliche Kunst wird wohl einige Kontroversen hervorrufen (ich teile sie auch nicht, darum lasse ich das Thema mal außen vor).

Ich glaube, das Problem mit welchem du gerade haderst ist folgendes: Du glaubst, dass du während der gesamten Entstehung deines Buches in einer Art künstlerischen Rausches, im Flow sein müsstest/ wirst und dein Werk sonst nicht authentisch wird. Ich glaube jeder hier, der schon ein paar Bücher veröffentlicht hat, wird dir bestätigen, dass dies eine Illusion ist. Du wirst dein Buch bevor du es veröffentlichen kannst mehrere Male lesen, schreiben und plotten (denn letztendlich besteht auch die Überarbeitung immer wieder daaus- Lesen, Schreiben, Plotten) und du wirst irgendwann aus dem kreativen Rausch auftauchen müssen, das künstlerische Ego in die Ecke stellen und den inneren Lektor heraus holen müssen, der dein Werk auf die Grundlagen des Handwerkes hin überprüft. Das hat nichts mit Authentizität oder nicht Authentizität zu tun. Wenn es dir auch nach mehrmaligem Überarbeiten nicht gelingt in deinem Text die Emotionen herüber zu bringen, die du dir wünschst, oder beim ersten Vorstellen der Geschichte gefühlt hast, dann liegt das meiner Meinung nach daran, dass du das Handwerk noch nicht beherrscht. Das einzige was da hilft ist weiter üben.

Ich zum Beispiel mag das Plotten am meisten, da fließen die Ideen noch neu und wild und frei. Das erste Aufschreiben ist für mich ein Prozess der einfach nur harte Arbeit ist und wenn ich ehrlich bin selten Spaß macht, weil ich es im ersten Guss noch nicht schaffe alles so zu Papier zu bringen, wie ich das möchte. Dann beim ersten Überarbeiten kann ich aber beginnen aus dem großen Wortberg den ich da im ersten Versuch zu Papier gebracht habe, die Form der Geschichte zu erahnen, die sie einmal werden könnte. Dieser Prozess macht mir dann wieder mehr Spaß, das wilde fließen lassen des ersten Plottens ist es aber auch nicht mehr. Es sind halt unterschiedliche Arbeitsschritte mit unterschiedlichen Forderungen an den Schreibenden.
Du sagst normaler Weise spürst du die erste Euphorie beim Schreiben des ersten Entwurfes, wenn du nicht plottest. Jemand hat mal festgestellt das ein Plot/eine Szenenliste/ das Plotten auch nichts anderes ist, als ein verkürzter erster Entwurf.

Kurz gesagt mein Tipp an dich: Dich damit abfinden, dass du die erste Phase des Entdeckens der Geschichte hinter dir hast, die Ärmel hoch rollen und anfangen das Ganze auf zu schreiben. Ich bin mir sicher du wirst es als emotionslos und blutleer empfinden. Aber das liegt nicht daran, dass die Geschichte schlecht ist, oder nicht mehr authentisch, sondern daran, dass du noch üben musst eine Geschichte auch so auf zu schreiben, wie du sie dir vorstellst. Die kreative Phase ist durch, jetzt kommt das Handwerk. Schreib und überarbeite so lange, bis du einen Text vor dir hast, der genau das herüber bringt, was du dir in deiner ersten Euphorie vorgestellt hast.
Der einzige Trost den ich dir anbieten kann ist- diesen Prozess machen wir alle durch. Du bist nicht allein.

flowrite

ZitatDer Name ist programm, wie?!
Programm nicht, eher ein Stern am Nachthimmel, zu dem ich aufschaue und denke, ach ...

Den Begriff "Pantser" musste ich eben nachschlagen, ich kannte den noch gar nicht. Wohl denn, bin auch so einer. Für meine Kurzgeschichten plottete ich allenfalls grob, noch gröber oder gar nicht. Will ich je größeres schreiben, muss ich überlegen, wie ich mich nicht verplottele, äh, verzettele, denn davor ist mir bange.

Churke

Zitat von: Silvasurfer am 20. April 2019, 15:57:18
Jeden falls geht es mir darum, die Gefühle bezüglich Szenen, die ich im Kopf bereits durchdacht habe möglichst auf Kommando für mich zugänglich machen zu können, das wollte ich noch einmal erwähnen.

Vielleicht liegt es nicht an dir, sondern an der Szene.
So wenig ein Schlachtplan den ersten Feindkontakt übersteht, so wenig überstehen meine vorgeplotteten Szenen den Schreibprozess. Wenn die intendierten großen Gefühle beim Schreiben ausbleiben, dann ist die naheliegende Erklärung, dass die Szene so nicht funktioniert.

Silvasurfer

#8
Danke @Churke , ich glaube du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn ich jetzt so darüber nachdenke.
Ich habe es in der letzten Woche durchaus fertig gebracht die eine oder andere Szene zu schreiben, die erst später im Handlungsstrang folgt und es gefiel mir selbst zumindest sehr. Doch speziell die Szene die nun chronologisch folgt, da bleiben die grossen Gefühle aus und insofern, danke, für deine Anregung, umzudenken. Das werde ich! Man liesst sich.

Oneira

Das Gefühl kenne ich, dass ich versuche, etwas zu schreiben, und es klingt einfach nicht lebendig. Aber das Letzte, was ich je getan habe, ist, es als Schreibblockade abzustempeln und dann monate- oder jahrelang gar nicht mehr anzufassen. Ich habe für mich persönlich folgende Lösungsmöglichkeiten, mal sehen, ob da auch was für euch dabei ist:

1. Falls du beim Schreiben Musik hörst, dann leg einfach mal was komplett anderes rein. Wenn ich eine Liebesszene schreibe, wirkt Klassik manchmal Wunder, wenn ich einen Kampf schreibe, tut es irgenwas Epik-mäßiges. Keine Ahnung, ob euch so was inspiriert, aber bei mir ist das schon manchmal die Lösung.

2. Ich lege ein Buch nicht weg, sondern schreibe an einer anderen Stelle weiter. Ich denke einen Roman immer viel schneller durch als ich ihn schreibe, und deshalb weiß ich schon, welche Szenen ich demnächst mal brauchen werde. Wenn mir also nicht danach ist, die Reiseszene in Kapitel 2 zu schreiben, dann steige ich eben auf den Kampf in Kapitel 12 um. So entstehen gute und auch authentische Szenen, weil ich es wohl in der richtigen Stimmung geschrieben habe. Und wenn die Szenen nicht so richtig reinpassen, wenn ich dann in Kapitel 12 angekommen bin, ändere ich sie entweder, baue sie woanders ein oder lege sie erst mal bei Seite.

3. Falls sich eine Kampfszene nicht schreiben lässt, dann ließ mal das Buch eines anderen Autors, der auch einen Kampf beschreibt, und überlege dir, was hättest du anders geschrieben, welche Veränderungen im Ablauf hätten sich mit deinen Charakteren gegeben, so was. Bei mir kommen dann irgendwann eigentlich immer ein paar Ideen, die sich dann zu einer ganz passablen Szene entwickeln.

4. Manchmal fallen mir in völlig unpassenden Momenten Formulierungen und Szenen ein, die ich gebrauchen könnte. Dann kritzle ich ein paar gute Sätze aufs Papier und wenn ich sie später lese, kommt mit genau diesen Gedanken, die ich wörtlich mitgeschrieben habe, auch manchmal die passende Stimmung für die Szene zurück.

Wie gesagt: Das sind so ein paar Dinge, die mir ganz persönlich gut helfen, wenn mein Geschriebenes nicht richtig lebendig klingt. Vielleicht ist für einen von euch auch etwas dabei oder ihr schüttelt halt voller Unverständnis den Kopf über meine komischen Methoden - mir auch egal  ;) 
Und alle vier Vorschläge zielen quasi darauf ab, Momente mit der richtigen Stimmung zu erwischen und für die richtige Szene festzuhalten, auch wenn es nicht die ist, die gerade am dringendsten nötig wäre.
Habt ihr noch andere Lösungsvorschläge, an die ich gerade gar nicht gedacht habe?
Mir jedenfalls tut es immer furchtbar leid, ein Buch beiseite zu legen, nur weil mein dummes Gehirn gerade dieses eine Kapitel, das ich offen habe, nicht schreiben kann. Also versuche ich solche Probleme eben zu umgehen.

Gruß - Oneira
Bücher sind der einzige Ort, an dem man den Charakter eines Menschen mit einem Federstrich ändern kann.