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Interviews und wie man mit nachträglichen Veränderungen (nicht) umgeht

Begonnen von pink_paulchen, 29. Juli 2015, 11:24:24

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Sascha

Zitat von: Maja am 29. Juli 2015, 16:23:45
Dann bin ich ihr Opfer, ansonsten bin ich ihr Gegner. Ich werde mich aber nicht zu ihrem Handlanger machen.
D'accord!

Zit

Wie ist das eigentlich mit schriftlichen Interviews? Da bleibt ja nichts anderes übrig, als die Fragen an den Autor zu schicken und die Antworten dann gebündelt zu bekommen? Oder gibt's das nicht (mehr)?

Ich glaube, wenn ich mir diese Streitigkeiten um Interviews angucke, werde ich am Besten nie welche geben. Spontan und unter Stress erzähle ich auch manchmal Dinge, die ich nicht hätte sagen sollen, weil halt zu privat oder so.
Zum Walser-Fall: Der Mann ist alt, und nur weil er Schriftsteller ist, heißt das noch lange nicht, dass er eben nicht auch komisch wird, wie es halt manchmal so ist. (Wobei ich auch nicht verstehe, warum sie auf einer jahrzehnte-alten Rede rumreiten, aber da bin ich sicherlich nur nicht ausreichend informiert.) Andererseits: Wenn die Journalisten schon wussten, dass sie mit einem absolutem Reizthema einsteigen, dann brauchen sie sich über den Verlauf gar nicht wundern.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Ryadne

Mein erstes Interview mit einer Lokal-Zeitung verlief nicht so toll - es gab nicht einmal ein Aufnahmegerät, vieles geriet in den falschen Kontext und mein Roman wurde mit Twilight verglichen.  ::) Seitdem bitte ich immer um eine Vorab-Version, aber bekommen habe ich sie von kommerziellen Zeitungen und Zeitschriften nie. Das ist auch nicht üblich. Wenn ich selbst jemanden interviewe, schicke ich ihm eine Vorab-Version, auch, um mich selbst abzusichern. Aber ein Recht zum Vorab-Lesen oder gar Verändern des Textes besteht nicht und z.B. bei SPON wurde mir gesagt, das würden sie nur bei heiklen, politischen Themen machen. Inzwischen achte ich darauf, möglichst auf den Punkt zu reden, damit die Journalisten nicht so viel kürzen müssen, was es wiederum wahrscheinlicher macht, dass das Gesagte nicht so stark aus dem Kontext gerissen wird. In der Theorie klappt das natürlich auch besser als in der Praxis ;)

Zitat von: Zitkalasa am 29. Juli 2015, 19:47:44
Wie ist das eigentlich mit schriftlichen Interviews? Da bleibt ja nichts anderes übrig, als die Fragen an den Autor zu schicken und die Antworten dann gebündelt zu bekommen? Oder gibt's das nicht (mehr)?

Das gibt's schon noch - beispielsweise wird im Phantastik-Fandom ja vornehmlich so gearbeitet. Außerhalb dessen wird das aber eher als letzter Ausweg gesehen. Wenn ich für den Geisterspiegel schreibe, greife ich auch auf schriftliche Interviews zurück, sei es per Mail oder per Chat. Das hat den Vorteil, dass man strukturierter vorgehen kann und ausführlichere Informationen bekommt. Aber gerade Tageszeitungen brauchen es ja eher kurz, knackig und im besten Fall "unüberlegt". Da sind Telefon- oder Face-to-face-Interviews besser geeignet. Außerdem kommt es hier zu mehr Überraschungen, der Interviewte wirkt näher, nicht so abstrakt. Außerhalb des Fandoms greife ich deshalb inzwischen auch lieber auf Telefon-Interviews zurück.

Maja

Bei schriftlichen Interviews hat der Interviewer auch keine Möglichkeit, auf Antworten einzugehen, nachzuhaken, Verknüpfungen herzustellen. Man überlegt vorher seine Fragen, aber ein richtiger Dialog kommt nicht zustande durch die räumliche und zeitliche Trennung von Interviewer und Interviewtem. Das ist der Grund, warum die meisten professionell geführten Interviews von Angesicht zu Angesicht oder zumindest telefonisch geführt werden - nicht, weil es dann knackiger wird, aber persönlicher.

Ich habe im Phantastikbereich in Böogs Interviews gelesen, bei denen man das Gefühl hatte, die Intwrviewten haben ihre Antworten nach dem Baukastensystem per Copy and Paste zusammengepuzzelt. Klar, es ähneln sich auch viele der Fragen - aber wenn man das Gefühl bekommt, dreimal das gleiche Interview zu lesen, läuft etwas schief.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Dahlia

Ich hatte letztens auch mein erstes Interview, das zum Glück nur für einen Ankündigungstext auf Facebook war, denn da musste ich auch nachträglich eingreifen. Inhaltlich war einiges recht frei interpretiert, Fakten verdreht oder einfach nur falsch (und das in fast jedem Absatz des doch sehr kurzen Textes), aber das hätte ich mit viel Magengrummeln akzeptiert, wenn es nicht noch schlimmer gekommen wäre: Sie hatte den Titel des E-Books in der Überschrift und im Text falsch geschrieben. Obwohl im Artikel auch Bilder vom Cover dabei waren. ::) Und das war mir dann doch zu peinlich, um es unkommentiert stehen zu lassen ... So habe ich dann eine nette E-Mail geschrieben, gleich noch auf zwei inhaltliche Dinge hingewiesen (aus der Liste der vielen Dinge die zwei, die mir am unangenehmsten waren) und am nächsten morgen war es schon geändert. Aber wäre das so in den Druck gegangen ...

Da das jetzt keine Praktikantin war, die das Interview geführt hat, sondern jemand, der auf 20+ Jahre Erfahrung im Lokaljournalismus zurückblickt, hat mich das doch ein bisschen desillusioniert, was Interviews und ihre Glaubwürdigkeit angeht. Da kann ich dann schon verstehen, dass man als prominenterer Name und wenn es auf einer größeren Plattform erscheint doch vorher einmal drüber lesen und gegebenenfalls Sachen korrigieren will.

Zitat von: pink_paulchen am 29. Juli 2015, 14:31:15
Aber letztlich: Ist es wirklich so, dass der Zeitungsleser Fehler auf den Befragten zurückführt?
Da stimme ich Witch zu, dass es auch auf die Darstellung ankommt - wenn es so klingt, als kämen die Aussagen direkt aus dem Mund des Befragten, würde ich da als Leser ja auch erstmal annehmen, dass der das so gesagt hat oder es zumindest seine Meinung widerspiegelt.
Bei Fakten kann man das vielleicht besser unterscheiden und sich als Leser eher denken, dass der Fehler beim Journalisten liegt, wenn der Befragte ein Experte auf dem Gebiet ist (aber auch da merkt man es ja nur, wenn man es schon besser weiß). Aber wenn im Text steht, "Die Autorin sagt, 'Twilight ist kitschiger Unsinn und echte Vampire glitzern nicht'" (was leider nicht in meinem Interview zitiert wurde ;D), kann ein Leser ja nur Schlüsse ziehen, ob die Aussagen richtig wiedergegeben ist, wenn er die Autorin bereits kennt und einschätzen kann, ob sie das sagen würde oder nicht. Und da liegt dann halt die Gefahr, dass sinnentstellende Interviews zu ganz falschen Eindrücken führen. :-\

Guddy

Zitat von: Maja am 26. August 2015, 02:25:47
Bei schriftlichen Interviews hat der Interviewer auch keine Möglichkeit, auf Antworten einzugehen, nachzuhaken, Verknüpfungen herzustellen.
Doch klar: Im Chat bspw. Ich hatte auch mal ein schriftliches Interview per Mail (mit der amerikanischen Trekkie-Band Five Year Mission), wo wir uns jeweils nur eine Frage und Antwort hin und her geschrieben haben. Das hat gut geklappt und als Interviewer kann man auf die vorherigen Antworten eingehen etc.

Telefonisch oder von Angesicht zu Angesicht ist aber natürlich viel spannender.


Drachenfeder

Ich erinnere mich ungern an den Artikel in unserer Tageszeitung, nach meiner Lesung bei den Bücherfreunden, im vergangenen Januar. Ein Reporter redete mit mir in der Pause der Veranstaltung und unterbrach mich ständig während meinen Antworten oder mir die Worte im Mund herum. Ich korrigierte ihn drauf hin natürlich. Doch am nächsten Tag stand sogar das falsche Buch im Artikel. "Dastan" war damals noch gar nicht erschienen und er hat es als Lesehauptpunkt dargestellt.
Nach meiner schriftlichen Beschwerde, gab es wenigstens eine kleine Richtigstellung in der Zeitung.

Morgen Abend bin ich bei unserem Regionalen Radiosender und hoffe, dass es dort besser läuft. Ich bin schon etwas aufgeregt. So etwas habe ich noch nie gemacht. Zum Glück wird es eine Aufzeichnung. Hoffen wir mal, dass ich meinen Job gut mache und nicht wieder etwas dämliches bei rauskommt.



Feuertraum

Zitat von: Drachenfeder am 26. August 2015, 12:33:12
Ich erinnere mich ungern an den Artikel in unserer Tageszeitung, nach meiner Lesung bei den Bücherfreunden, im vergangenen Januar. Ein Reporter redete mit mir in der Pause der Veranstaltung und unterbrach mich ständig während meinen Antworten oder mir die Worte im Mund herum.

Auch wenn ich Journalismus nicht studiert habe, so habe ich mir doch während meiner Praktika bei Funk und Fernsehen autodidaktisch Wissen zum Thema Journalismus und Interviewführung angeeignet. Einer der wichtigsten Grundsätze: Lasse den Gesprächspartner immer ausreden (mit einer Ausnahme, aber dazu gleich etwas) und schiele nicht schon auf die nächste Frage auf der Karte, während er noch die Frage beantwortet.
Von daher empfinde ich die Art, wie der Journalist Sie behandelt hat, als eine Frechheit. Den einzigen Punkt, bei dem ich Unterbrechungen als gerechtfertigt ansehe, ist, wenn eine konkrete Frage gestellt wurde, auf die eine konkrete Antwort kommt, der Befragte aber um den heißen Brei schwafelt um davon abzulenken.

Ansonsten sehe ich es auch persönlich wie Sunflower: Der Journalist braucht (und sollte auch nicht) den Fragenkatalog vorher durchgehen und auch nicht ein Veto des Befragten bekommen, wenn diesem das Interview nicht zusagt. Vorausgesetzt sei allerdings, dass der Journalist den Begriff "Pressefreiheit" nicht versteht als: "Ich bin bei der Presse, deswegen darf ich mir die Freiheiten nehmen, die mir genehm sind und schreiben, was ich will." Journalismus ist Berichterstattung und muss sachlich, fachlich und objektiv sein.

ZitatMorgen Abend bin ich bei unserem Regionalen Radiosender und hoffe, dass es dort besser läuft. Ich bin schon etwas aufgeregt. So etwas habe ich noch nie gemacht. Zum Glück wird es eine Aufzeichnung. Hoffen wir mal, dass ich meinen Job gut mache und nicht wieder etwas dämliches bei rauskommt.

Ich  bin davon überzeugt: Sie wuppen das!
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

HauntingWitch

Zitat von: Feuertraum am 26. August 2015, 13:31:13
Journalismus ist Berichterstattung und muss sachlich, fachlich und objektiv sein.

Sollte, ist aber leider - gerade im Bereich Unterhaltungsmedien - eher selten. ;) Ich weiss nicht, wie es in Bezug auf Literatur ist, ob wir Autoren es so gesehen leichter haben, dass wir nicht Fantasie-Objekte tausender kreischender Teenager (absichtlich überspitzt gesagt  ;)) sind und daher weniger der Skandalheischerei ausgeliefert sind als z.B. ein Popstar oder Schauspieler. Aber bei letzteren drehen die Journalisten bekannteren Namen schon gerne Mal einen Strick aus einer völlig harmlosen Aussage oder verfälschen die Bedeutung, stellen scherzhafte Bemerkungen als wahr dar oder ähnliches. Das bringt denen ja auch wieder Quoten, weil offenbar viele Leute so etwas gerne lesen. Oder die Zeitungen das zumindest glauben. Ich denke, das schwierige ist, seine Antworten vorsichtig abzuwägen. Ich hatte noch nie ein Angesicht-zu-Angesicht-Interview, aber ich stelle mir das sehr herausfordernd vor.

Sascha

Zitat von: Drachenfeder am 26. August 2015, 12:33:12
Morgen Abend bin ich bei unserem Regionalen Radiosender und hoffe, dass es dort besser läuft. Ich bin schon etwas aufgeregt. So etwas habe ich noch nie gemacht. Zum Glück wird es eine Aufzeichnung. Hoffen wir mal, dass ich meinen Job gut mache und nicht wieder etwas dämliches bei rauskommt.
Wow! Das will ich auch mal schaffen!
Ich drück Dir die Daumen. Radio hat, denke ich, den Vorteil, daß man Deine Aussagen schlecht verdrehen kann. Außer durch blödsinniges Zusammenschneiden, wenn man unbedingt was sinnentstellen will, aber nicht so leicht aus Versehen. Und mit Aufzeichnung stehst Du ja nicht unter dem Druck, daß Du nichts mehr zurücknehmen kannst. Wenn der Moderator fair ist, sollte auch ein "Ach nein, das war blödsinnig formuliert, sagen wir lieber so:" akzeptieren, denke ich.

Szazira

Ich kann mich noch sehr gut an einen Bericht in den öffentlich Rechtlichen über Schützenvereine erinnern. Denjenigen, die das Interview und die Dreherlaubnis erteilt hatten, hatte man ein differenziertes Bild über die Arbeit dort versprochen, etwas, was gerade zu einem Zeitpunkt direkt nach einem Amoklauf wichtig gewesen wäre. Man hatte sehr viel wert darauf gelegt zu zeigen, dass man den Jugendlichen einen verantwortungsvollen Umgang mit Waffen beibringen wollte. Im Bericht selbst wurde ein Luftdruckgewehr als tödliche Waffe hingestellt mit denen man den Jugendlichen beibringt sich besser beim Schießen zu konzentrieren. Der Tenor ging auf "Die erziehen die nächsten Amokläufer zum effizienteren Töten".

Schließlich musste sogar eine Gegendarstellung zur Hauptsendezeit gezeigt werden... natürlich viel die kürzer aus als der ursprüngliche Bericht.

Einen ähnlichen, wenn auch viel öffentlicheren Shitstorm musste RTL bei einem Beitrag über die Gamesconvention in Köln über sich ergehen lassen.

Ich denke, viel hängt da auch am Journalisten und dessen Blick auf das Thema. Nach seiner Sicht wird das Interview, die Fragen und die anschließende Bearbeitung des Interviews verlaufen. Vielleicht hilft es andere Interviews des Journalisten zu lesen um das Schlimmste zu verhindern. Nur um schon einmal Präventiv tätig sein zu können.

Drachenfeder

Puh! Also, das Interview liegt hinter mir. Eher war es der Beginn einer neue Sendereihe "Zeit für Bücher" bei der ich die erste Autorin war  ;D Der Moderator war sehr locker, lustig und hat viel, sehr viel gequasselt. Bis es dann soweit war, war ich total entspannt. Es hat Spaß gemacht. Und Nachträgliche Veränderungen wird es wohl nicht geben. Herr Kruse steht auf altbewertes und hat nach der Aufzeichnung die Kassette rausgenommen und gesagt: So wars, so bleibts.
Ob ich das jetzt gut oder schlecht finde weiß ich nicht. Ich habe bei der ein oder anderen Frage zu lange mit einer Antwort gewartet (kam mir zumindest so vor) und ich glaube, ich habe viele Wiederholungen gebraucht. Oh weh!
Also ich denke nicht, dass ich überrascht sein werde, was da am Montag ausgestrahlt wird. Höchstens werde ich rot, weil ich mich einfach gruselig finde. Ein kleines Bild gibts ja schon auf meiner Facebookseite. Ein kleiner Bericht dann heute noch auf der Website.