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Na, was bin ich? - Woran erkennt man das Geschlecht des Ich-Erzählers?

Begonnen von Thaliope, 28. Juli 2013, 08:04:01

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Amber

Ich muss sagen, dass ich in dieser Diskussion in vieler Hinsicht mit Lavendel übereinstimme. Ich verstehe aber auch, dass du konkretere mögliche Anhaltspunkte suchst, Thaliope. An der Uni hatte ich mal ein Seminar zu Language and Gender, bei dem das Buch "Language and Woman's Place" von Robin Lakoff Ausgangspunkt war: http://www.stanford.edu/class/linguist156/Lakoff_1973.pdf
Gerade, weil das Buch empirisch eher wacklig dasteht und auf vielen persönlichen Beispielen der Autorin basiert, denke ich, dass es nützlich sein könnte (auch wenn es sich auf die englische Sprache bezieht und aus den 70er Jahren stammt). Ich fand es auf jeden Fall extrem interessant.

Was meinen persönlichen Bekanntenkreis betrifft ... schwierig. Die Männer, die ich kenne, reden miteinander viel über Technik, Sport und  Internetspaßkultur. So weit, so klischeehaft. Letztens hat ein Freund aber auch mal ganz freudig erzählt, dass er für seine Arbeitskollegen einen Gugelhupf gebacken hat ... allerdings mit Fleisch  :D

Ich denke wirklich, dass du da auch mit deinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen arbeiten kannst, denn die sind doch mindestens genauso valide wie die der anderen. Oder erzähl doch einfach mal, an welchen Details du selbst das Geschlecht eines Ich-Erzählers festmachen würdest, dann könntest du sehen, ob viele mit dir hier übereinstimmen  :)


Thaliope

Danke, Amber und auch zDatze für eure Beiträge.

Ich habe mir den Thread jetzt nochmal mit ein bisschen Abstand durchgelesen und möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, dass ich viele Beiträge nicht entsprechend gewürdigt habe. Ich hatte irgendwie so viel mit den Stellen zu tun, an denen ich das Gefühl hatte, missverstanden zu werden, dass ich auf viele konstruktive Teile gar nicht reagiert habe. Tut mir leid, ich glaub, ich hatte einen ziemlichen Tunnelblick.

Was Lavendel über die wechselseitige Beziehung zwischen Literatur und Gesellschaft schreibt und auch über die Vielschichtigkeit von Figuren, halte ich für richtig und wichtig. Vielleicht halte ich es für zu selbstverständlich, und vielleicht hätte ich schon eingangs erwähnen sollen, dass das die Grundlage ist, auf der ich diese Frage betrachte, dann wäre vielleicht manches Missverständnis gar nicht erst aufgekommen.

Also, danke für eure Mühe, eure Überlegungen, Denkanstöße und Erfahrungen. Ich denke, ich habe jetzt einiges, mit dem ich arbeiten kann.

LG
Thali

Moni

@Thali: Entschuldigung angenommen.  :knuddel:

Das Thema an sich ist durchaus interessant und ich kann sehr gut verstehen, dass es sich beschäftigt, aber es ist auch ein Punkt, der sehr polarisieren kann, wie man in diesem Thread ja wirklich gut merken kann.  8)
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chaosqueen

Hallo Thali (und alle anderen, die noch hier reinschauen),

ich hab jetzt den Thread von gestern auf heute komplett gelesen und mag auch noch ein bisschen Senf dazu beisteuern.

Was mir mehrfach durch den Kopf geschossen ist: Klischees auf Teufel komm raus zu vermeiden ist ja letztendlich auch ein Klischee, dass (ungeübte) Autoren oft verwenden. Wenn dann also plötzlich eine Frau auftaucht, die stärker ist als die Kerle, die mit jedem Werkzeug umgehen kann, sich noch nie verliebt hat, aber reihenweise Männer flachlegt etc.pp., dann hat da jemand auf Krampf versucht, eine "nicht-klscheehafte" Frau zu basteln, die absolut nicht echt wirkt. Genauso der musisch begabte, kochende, backende und natürlich extrem empfindsame Mann, der von sich aus zuhause bleibt und die Kinder hütet, niemals flucht und in seiner Töpfergruppe ganz aufgeht ... Den würden wir vermutlich alle für schwul halten. ;D

Was ich damit sagen will: Einen Menschen so zu konzipieren, dass er authentisch wirkt und man dann trotz aller berechtigter Individualität noch eindeutig herauslesen kann, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, ist extrem schwer. Ich hab mir noch nie darüber Gedanken gemacht, weil ich meine Figuren meist schon eindeutig als männlich oder weiblich einführe, aber natürlich ist die Frage mehr als berechtigt, was den Leser dann davon überzeugt, dass er auch wirklich eine Frau bzw. einen Mann "vor sich" hat.

Als ich im März neu in der jetzigen Tauchschule aufgetaucht bin, haben da fast nur Männer gearbeitet. Der Tonfall sei manchmal etwas rau und direkt, wurde mir gesagt. Kein Problem, damit kann ich umgehen. Stimmt, was die Arbeit angeht, hab ich tatsächlich kein Problem damit, wenn ich in kurzen knappen Sätzen Anweisungen bekomme, wie ich was zu machen habe. Wenn ich allerdings kurz nach Hause fahre, um meine Katzen zu füttern und einer meiner erwachsenen Kollegen (Mitte 40) fragt mich mit Lachtränen in den Augen, ob ich "meine Muschis gefüttert" hätte und bekommt sich ungefähr zwei Stunden über seinen eigenen schlechten (und in dem Fall ja nicht mal anatomisch korrekten ;)) Witz wieder ein, dann fehlt mir da tatsächlich ein männliches Gen ...

Was mir aufgefallen ist: Fast alle Männer, egal aus welcher Bildungsschicht und in welchem Job tätig, sind im Umgang miteinander derber, als Frauen es untereinander sind - aber auch, als sie es im Umgang mit einer Frau sind. Ich habe mehr als einmal irritiert den Kopf geschüttelt, wenn der gleiche Mann, der sich wenige Stunden später noch liebevoll und einfühlsam um mich gekümmert hat, weil es mir schlecht ging, dann plötzlich mit seinen Kumpels irgendwie wieder in der Höhle der Neanderthaler verschwindet, derbe, zotige Witze reißt und sich stundenlang über Schwule aufregen kann.

Andersherum verstehen die wenigsten Kerle, warum ich manche Dinge mache, wie ich sie mache, ohne vorher einen ausgeklügelten rationalen Plan anzufertigen. Warum fahre ich den einen Weg hin, aber den anderen zurück? Warum erledige ich Dinge nicht einfach und schaue dann, ob es funktioniert hat, anstatt mir erst lang und breit zu überlegen, was alles schiefgehen kann?

Was ordentliche Büros angeht: Aus mir nicht näher bekannten Gründen bin nicht nur ich sehr chaotisch, sondern die meisten Männer in meiner Umgebung sind auch sehr ordentlich. Hier dreht sich das Klischee in der Wirklichkeit mal um. Und in vielen Punkten habe ich "männliche" Züge, während mein Ex in den gleichen Punkten eher "weibliche" Attribute aufwies.

Das macht es nur noch schwerer, und ich glaube, die Kunst liegt letztendlich darin, einen authentischen Menschen zu schreiben, der anhand winizger Details als eindeutig weiblich erkannt wird. Es gibt Dinge, die sich schwer umkehren lassen: Frauen pinkeln naturgemäß selten im Stehen. Und auch, wenn es viele Frauen gibt, die sehr kräftig sind, haben Männer einfach physiologisch mehr Kraft, daran kann auch die Emanzipation nichts ändern.

Was den "Intellekt" angeht, Debbie: Intellekt hat einiges mit dem Bildungsabschluss zu tun, denn der Intellekt ist ja quasi das Maß der Bildung - Intelligenz ist davon gänzlich unabhängig und das Maß des Potenzials. Nur, weil ich das Gefühl hatte, das da kurz etwas durcheinander geraten ist. ;)

zDatze: Für die Banane hättest Du von mir - vorausgesetzt, sie war nur schwarz, nicht aber weich und matschig - auch Mecker bekommen. Die war reif, nicht gammelig! ;D

Debbie

ZitatWas den "Intellekt" angeht, Debbie: Intellekt hat einiges mit dem Bildungsabschluss zu tun, denn der Intellekt ist ja quasi das Maß der Bildung - Intelligenz ist davon gänzlich unabhängig und das Maß des Potenzials. Nur, weil ich das Gefühl hatte, das da kurz etwas durcheinander geraten ist. ;)

Intellekt mag zwar der Bildung eines Individuums entspringen (auch nicht zwangsläufig), aber Bildung mit Schulabschluss gleichzusetzen, halte ich für ziemlich gefährlich. Ich kenne ein paar Leute mit Einser-Abi (und einem darauffolgenden, entsprechenden Studienabschluss) die so "dumm" sind, dass es zum Himmel schreit. Die sind auch nicht intellektuell, oder gar gebildet, die haben nur entweder eine Gabe fürs Auswendiglernen oder Eltern, die ihnen in jedem Fach schon in der Fünften Nachhilfe besorgt haben - oder meist beides. :snicker:
Und dann gibts ja auch noch die Techniker, die Ingenieure und Softwareleute, die zwar einen hohen Bildungsabschluss haben, aber von Künstlerischem oft keinen Schimmer, und ihre Freizeit entweder auf dem Fußballplatz oder vor der Konsole verbringen, und auch sonst recht "ursprünglich" leben. Sehr viele Leute die ich kenne, die ein Diplom haben, interessieren sich, gelinde gesagt, garnicht für Philosophisches und die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Auf der anderen Seite kenne ich einige Leute, die "nur" Hauptschulabschluss haben (entweder zwecks kaputtem oder verarmtem Elternhaus - oder beides), die es locker mit jedem Bachelor aufnehmen können, was Allgemeinbildung und Philosophie angeht.

Das ist jetzt natürlich auch wieder subjektiv, aber das sind eben meine Erfahrungen.  ;)

Thaliope

Chaos, danke auch für deine Beobachtungen!  :knuddel:

Ich war ja eigentlich froh, dass der Thread zur Ruhe gekommen ist, weil er mir irgendwie ... entglitten war, wie ihr ja gemerkt habt. Trotzdem habe ich weiterhin ganz viel nachgedacht, bin nochmal in mich gegangen und habe meine Lese- und Wahrnehmungsgewohnheinten im Licht dieser Frage noch einmal unter die Lupe genommen, und ich bin tatsächlich zu so etwas wie einem Ergebnis gekommen - das ich euch nicht vorenthalten möchte, nachdem ihr euch mit so viel Energie hier eingebracht habt.

Also: Ich persönlich assoziiere tendenziell eine eher knappe, lapidare, vielleicht auch abstraktere Sprache mit kürzeren Sätzen und häufigeren Ellipsen mit einem männlichen Schreibstil. Selbst jüngst bei einem Buch, bei dem ich wusste, dass es von einer Frau geschrieben wurde - da musste ich beim Lesen immer wieder in meinem Kopf den Schalter umlegen. :) Gefühlsmäßig habe ich auch den Eindruck, dass sich das mit einigen der hier aufgeführten Beobachtungen decken könnte (eher handlungs- als emotionsorientiert?). Aber das ist nur eine Vermutung, die ich nicht näher belegen kann.

Das ist natürlich keine allgemeingültige Aussage, sondern nur mein persönlicher Eindruck von einer Tendenz, und er hängt stark damit zusammen, welche Bücher ich gerade als Referenz genommen habe, und ist davon abgesehen vollkommen subjektiv. Aber er fasst das Empfinden in Worte, das mich anfangs - noch sehr abstrakt und unkonkret - überhaupt auf diese Frage gebracht hat.

Keine Ahnung, ob das eine in irgendeiner Form verwertbare Erkenntnis ist oder ob sie nur für mich allein zutrifft - wenn überhaupt (vielleicht ist sie auch nur durch meinen momentanen Lese-Fokus bedingt und an sich völlig verzerrt).

LG
Thali

(Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt sein, dass diese Beobachtung in keiner Weise normativ verstanden werden soll - kein Mann "soll" auf eine bestimmte Weise schreiben, und natürlich auch keine Frau. Falls jemand Assoziationen wie die obigen dennoch per se verwerflich finden sollte, bitte ich das zu entschuldigen.)