• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Verwertungsrechte (Nachdenklichkeiten)

Begonnen von Tintenweberin, 13. April 2012, 12:39:24

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Lomax

Zitat von: Franziska am 13. Juni 2012, 15:56:08Verlag plant also in Zeitspannen von über 100 Jahren ..., ohne dass man überhaupt weiß, wie das Verlagsgeschäft funktioniert. Ich weiß es auch nicht allzu genau und mir scheint, die meisten Politiker auch nicht.
So funktioniert das Verlagsgeschäft aber auch nicht - in den allermeisten Fällen macht ein Buch heute die meisten Umsätze im ersten Jahr nach dem Erscheinen; die Fälle, wo ein Titel später noch hochkommt, sind wohl eher Ausnahmen. Die Fälle, wo ein Buch erst nach dem Tod des Autors richtig Kasse macht, kann man sogar ziemlich vernachlässigen. Und wenn so ein Fall mal vorkommt, macht trotzdem in der Regel nicht der Verlag die Kasse, sondern die Erben bzw. irgendwelche anderen Verlage, die mit der Erstheraushabe gar nichts mehr zu tun hatten - weil es wohl ausgesprochen selten vorkommen dürfte, dass der erste Verlag eines bis dahin erfolglosen Werkes nach dem Tod des Autors noch die Rechte hält. Die fallen nämlich in aller Regel bei Nichtnutzung nach spätestens fünf Jahren an Autor oder Erben zurück, und wenn das Werk sich bis dahin nicht gerechnet hat, werden die Rechte vermutlich nicht mehr genutzt.

Was bleibt, sind unglücklich Einzelfälle, in denen der Autor sogar noch vor dem Erscheinen und vor dem kritischen "ersten Jahr" nach der Veröffentlichung stirbt - wie beispielsweise im Falle von Larssons "Millennium"-Reihe. Aber ich denke, für solche Fälle braucht es weder einer 70-jährigen Schutzfrist noch kann man da von "langfristigen" Planungen eines Verlages sprechen, die einer solchen bedurft hätten ;).
  Die von dir angesprochene lange Planung mit langen Schutzfristen durch Verwerter spielt bei Büchern tatsächlich eine geringere Rolle als bei anderen Medien - namentlich Filmen oder Musik, wo ggf. die Verwertungsrechte schon mal fester bei Medienunternehmen liegen (nicht zuletzt darum, weil der Verwerter der einzige ist, bei dem die Rechte am Gesamtwerk zusammenlaufen und er sie darum gar nicht so schnell an irgendwelche Erben verlieren kann) und auch langfristig einträglicher bleiben können. Und genau auf diesen Feldern wird nicht zu Unrecht vielfach kritisiert, dass es halt wirklich nur darum geht, noch den letzten finanziellen Vorteil aus dem Werk herauszuschlagen, ohne dass dabei eine Nutzung des Kapitals zur Förderung von "Urhebern" wirklich erkennbar wäre.

Franziska

okay, vielleicht war es ein Ausnahmefall. War auch ein kleiner Verlag. Wäre interessant, zu erfahren, wie viel Anteil am Umsatz das bei größeren Verlagen tatsächlich ist. Aber das wird man wohl nicht rausfinden.
Der Nachteil an der 70-Jahres-Frist betrifft uns aber doch auch nur als Leser oder? Ich verstehe die Aufregung dabei jedenfalls nicht ganz.

Zanoni

#107
Prinzipiell ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn das Geschäftsmodell eines Verlages auf einer sehr langen Aufrechterhaltung von Verwertungsrechten basiert. Alles ist verhandelbar, und solange eine einigermaßen gerechte Ausgeglichenheit zwischen Verlag und Autor besteht, haben vermutlich auch die wenigsten der daran Beteiligten ein Problem damit.

Wenn allerdings ein Geschäftsmodell auf einer deutlichen Übervorteilung des anderen Geschäftspartners basiert, oder sogar auf dessen Ausbeutung, dann taugt dieses Geschäftsmodell nichts, ist mit Sicherheit nicht schützenswert und wird sowieso früher oder später nicht mehr funktionieren.

Soll heissen: Wer sehr viele, langwährende (Verwertungs)Rechte für sich beanspruchen möchte, der sollte auch eine entsprechend ausgleichende Gegenleistung dafür erbringen.

pink_paulchen

Zitat von: Snöblumma am 15. April 2012, 11:05:54
Was haben die Verlage damit zu tun?
Mit dem geistigen Eigentum: erst einmal nicht. Die Verlage bringen Investitionsleistungen, keine kreativen Leistungen. Sie senken, ökonomisch gesprochen, die Suchkosten für den Kunden. Statt fünf Stunden zu suchen, was ein tolles Buch ist, können wir in den Laden gehen und sicher sein, dort ein Buch unseres gewünschten Genres zu bekommen, das halbwegs qualitativ ist und nicht vor Rechtschreib- und Logikfehlern strotzt. Die Verlage senken die Kosten für Urheber und Nutzer, indem sie beide Seiten zusammenbringen. Damit nehmen sie eine sehr wichtige Funktion auf einem freien Markt wahr, die sich auch bezahlt gehört. Aber: das ist eine reine Investitionsleistung, keine Kreative! Darum haben die Verlage auch kein eigenes Urheberrecht, sondern nur abgeleitete Rechte. Weil wir Deutschland keinen reinen Investitionsschutz kennen. Anders wiederum: die USA. Da sieht die Sache ganz anders aus. Aber unser Recht ist nun mal so aufgebaut, und daran zu drehen würde eine fundamentale Neuordnung des Geistigen Eigentums erfordern.
Darum sind m.E. auch die Leistungsschutzrechte, die man Tonträgerherstellern und Filmproduzenten eingeräumt hat, aus dem Urheberrecht zu entfernen. Weil: sachfremd, systemwidrig und zu einem Großteil überflüssig. Darum darf es kein Leistungsschutzrecht für Verleger geben. Punkt.

Auf der Suche, wo ich einen guten Link loswerden kann, habe ich diese ältere Diskussion und Snös hervorragenden Beitrag darin gefunden. Großartige Erläuterung und toll zusammen gestellt. Ich ergänze das aus aktuellem Anlass wie folgt: Es dürfte eigentlich kein Leistungsschutzrecht für Verleger geben, wenn es das aber gibt: dann sollen sie es bitte auch selbst einhalten!
http://phantanews.de/wp/2013/09/der-boersenverein-und-das-leistungsschutzrecht/

FeeamPC

Meine Meinung (als Autorin UND Velegerin):
Schutzrechte für die Autorin den Autor zu Lebzeiten: 100%
Schutzrechte für die Witwe/den Witwer zu Lebzeiten: 100%  (das dürfte wohl nie die 70 Jahre erreichen, die heute gelten)
Schutzrechte für minderjährige Kinder des Autors nach dessen Tod bzw. Kinder in Ausbildung: Solange, bis die Ausbildung beendet oder die Kinder 25 Jahre alt sind: 100%
Danach: Freigabe
Sind weder Ehegatte noch Kinder da, Freigabe direkt nach dem Tod des Autors und der Abwicklung des Erbes (letzte Tantiemen-Zahlungen an wen auch immer).

Das entspricht den Rechten, die man z.B. bei manchen Betrieben hat, die personengebunden von Behörden lizensiert werden. Man will damit ermöglichen, dass der Betrieb, wie vom Betreiber beabsichtigt, dessen Familie ernährt und für ihn sowie eventuell den Ehegatten eine Altersicherung abwirft sowie den Kindern eine Ausbildung ermöglicht. Darüber hinaus geht es nicht,. Und das wäre, nach meiner persönlichen Meinung, auch für Bücher, Autoren und das Urheberrecht fair.

Bei allem anderen gilt: gratis abgeben MÜSSEN ist Enteignung. Zu langes Urheberrecht aber enteignet die Gemeinschaft, denn kein Mensch schafft sein Eigentum ohne die Vorarbeit anderer.

Häuser im Vergleiche: Wenn ich sehe, was der Unterhalt eines Hauses kostet, und was an Steuern fällig wird (auch im Erbfall), dann kann man praktisch davon ausgehen, dass sich jede Generation ihre Eigentumsrechte an einem Haus aufs neue erwerben muss. Es ist meins, aber dafür, dass es meins bleibt, muss ich zahlen, so oder so, ob ich will oder nicht. Bei geistigen Gütern wie Romanen muss ich das nicht. Dafür ist es dann auch fair (nach meinem Empfinden), wenn in absehbarer Zeit nach meinem Tod mein geistiges Eigentum der Gemeinschaft gratis zur Verfügung steht.

Und noch eines: Bei meinen Recherchen habe ich immer wieder feststellen müssen, dass es bei Büchern, die z.B. zwischen 1900 und 1920 erschienen sind, teilweise unmöglich ist, die glücklichen Erben der Rechte ausfindig zu machen. Diese Bücher sind damit in einer Art Rechte-Zeitkapsel gefangen, und stehen überhaupt niemandem mehr zur Verfügung ( außer für den Leser, wenn er sie antiquarisch findet).
Für solche ungeklärten und meist auch nicht mehr klärbaren Fälle (immerhin sind zwei Weltkriege über diverse Aktenberge hinweggezogen und haben sie dezimiert) muss die Möglichkeit bestehen, die Rechte nach einem bestimmten, nicht zu langen Zeitraum von z.B. 70 Jahren - oder 50 Jahren- nach Erscheinen freizugeben.

Zanoni

Dieses Beispiel zeigt, dass es vielen Unternehmen (bzw. Organisationen) nicht wirklich um die Rechte der Autoren (oder anderen Urhebern) geht, sondern einzig um das Geschäft mit Rechten (bzw. den Profit aus diesem Geschäft). Diejenigen, die selbst etwas "erschaffen" haben, sind eigentlich nur "schmückendes Beiwerk" in der Argumentation. Das ist das eigentlich Heuchlerische an vielen Diskussionen um Leistungsschutzrechte und eine mögliche Reform/Nicht-Reform des Urheberrechts.

Natürlich sind es nicht die Verlage, welche die tatsächliche Kreativleistug erbringen. Interessanterweise habe ich aber schon etliche Male den Eindruck gehabt, als wenn viele Verleger bzw. Verlagsverantwortliche (manchmal sogar bei Lektoren) unterschwellig genau das von sich denken ... dass im Grunde sie es sind, welche die Bücher erschaffen (nicht nur, wenn es in der Formulierung "meine Bücher ..." mündet).
Dieses Phänomen scheint historische Ursachen zu haben, weil es früher für Autoren kaum möglich war, ihre Werke selbst zu verlegen.