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Wie bringe ich Tiefe in einen Roman?

Begonnen von Merlinda, 28. August 2013, 21:44:16

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Churke

Eine elaborierte Welt bedeutet noch keine tiefe Geschichte und anders herum.

Man sagt meinen Stories eine große atomsphärische Dichte nach. Dabei beschreibe ich fast nichts, sondern belasse es immer nur bei Andeutungen belasse. Nach meiner Überzeugung bezieht eine Welt ihre Tiefe gerade nicht durch das deskriptive Beschreiben, sondern durch Reduktion auf das Wesentliche, durch Schlagworte, die den Leser zum Nachdenken bringen und Assoziationen wecken.

Ein Beispiel, das mir gerade einfällt: In den letzten Tagen des Habsburgerreiches sagten die Leute auf der Straße: "Wenn der alte Kaiser [Franz Joseph] stirbt, fängt das Leuteumbringen an."
Wenn dann ein Roman diesen Satz aufnimmt und alle Akteure unter dieser Prämisse denken, handeln und reden, dann hat man eine tiefe Welt.

Zweiter Punkt: Prägnante Wortwahl. Wenn im Krieg von "Hochfinanz" und "Weltregierung" die Rede ist, dann wissen VTler, was gemeint ist. Der Rest kann es sich denken.

Dritter Punkt: Diskrepanz zwischen Erzähler und Erzähltem. Die Dinge sind nicht so, wie der Progatonist sie erlebt oder beschreibt.

Vierter Punkt: Die Welt (oder ein Teil von ihr) hat einen Wertekanon, der stark von dem des Lesers abweicht. Damit stellt man die Welt in Frage und regt zum Nachdenken an.   


Lemonie

Ich denke auch, dass man nicht alles ausführlich beschreiben sollte. Die Personen in deiner Geschichte, die in dieser Welt leben, machen das ja auch nicht, weil es selbstverständlich ist. Ich habe da immer die Regel: Beschreiben, wenn es für den Charakter neu ist (also was Auffälliges, zum Beispiel er hat noch nie einen so hohen Turm gesehen, etc) und andeuten, wenn es seine Heimat ist. Als Leser empfinde ich es auch so, dass man sofort in die Welt "entführt" wird, wenn der Protagonist selbstverständlich darüber redet, oft ist es sogar so, dass ich nicht mal alles verstehe (als Leser ist man ja automatisch "fremd"), aber im Verlaufe des Buches merke ich dann, wie ich mich immer mehr "auskenne". Zu lange Erklärungen sind da meiner Meinung nach eher kontraproduktiv.

Am besten hineinversetzen kann ich mich immer in Welten, in denen die Leute darin sozusagen durch ihr Verhalten die Welt beschreiben also zum Beispiel alle Menschen haben Angst vor Person XY, deshalb weichen sie vor ihr zurück wenn sie auf einen vollen Platz kommt oder über XY redet keiner oder die Leute reagieren komisch, wenn jemand es anspricht, etc, etc.

Am wichtigsten ist für mich aber, dass man das konsequent durchzieht. Da wir ja alle heute leben und in unserer Welt, denken wir wahrscheinlich ganz anders als jemand in einer anderen Welt und ich finde es wichtig, dass man das in Erinnerung behält und die Leute in der Geschichte sich nicht plötzlich merkwürdig verhalten bzw eher wie wir als wie jemand aus ihrem Umfeld. Ich habe mich schon ein paarmal dabei erwischt, dass ich das nicht ganz durchziehe.
Ein einfaches Beispiel (für Mittelaltersettings) ist A song of ice and fire, da merkt man im Verlauf der Geschichte, dass man sich in die Welt eingewöhnt und ich merke immer erst, wenn ich später drüber nachdenke, wie anders die zum Beispiel mit Gewalt umgehen oder wie die Familie betrachten. Und das wird da so konsequent durchgezogen, dass man es praktisch selbst nicht mehr merkt, wie "anders" das aus unserer Sicht eigentlich ist, man findet es irgendwann selbstverständlich. Wenn man die Konsequenz nicht hat, reißt einen das total raus finde ich.