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Historische Persönlichkeiten im Roman

Begonnen von Nightingale, 26. Juli 2012, 20:24:23

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Lemonie

Ja, dann macht es natürlich keinen Sinn, einen anderen Perspektivträger zu wählen. Ich persönlich würde aber sowieso nicht die Geschichte einer historischen Person nehmen, aus den Gründen, die ich schon erwähnt habe. Ist ja schon passiert und je nachdem wie bekannt die Person ist, auch größtenteils vorgegeben. wenn man Fantasy einbaut, ist das wieder was anderes, aber ich denke ich würde es trotzdem nicht machen.
Ist aber Geschmackssache und kommt für mich darauf an, wie es umgesetzt ist. Wie gesagt, es gibt ja auch positive Beispiele...

Zit

#16
Die Frage ist doch, warum man ausgerechnet eine historische Person nimmt? Wenn wir Autoren so genial empathisch sind, warum denken wir uns nicht gleich eigene Charaktere aus, die den Regeln der damaligen Gesellschaft unterliegen? Weil, ganz ehrlich, welchen Sinn hat es, sich an historischen Personen zu bedienen, wenn es nicht das Historische ist, wenn es nicht die Fakten sind, wenn ich mir das alles doch so drehe wie ich das brauche? Dann doch am Ende lieber einen anderen Namen drüber schreiben und dann juckt sich auch keiner an den personengebundenen, historischen Fakten, weil es da einfach keine zu beachten gibt; da werden die Leser dann auf die Logik des Charakters ausweichen.

Zitat von: Churke
Ich dachte auch mal wie du. Aber dann merkte ich, dass die heiligen Quellen voller Märchen und Infotainment stecken. Die antiken Historiker verwendeten größte Kunst darauf, die Geschichte zu inszenieren. Deshalb kommen da auch immer so dramatische Plots heraus. ("Hüte dich vor den Iden des März!")

Infotainment sind aber auch keine Fakten, denke ich und idR. sucht man sich ja mehr Quellen und setzt sich -- wünschenswert -- mit der Kritik daran auseinander, was du halt jetzt ansprichst.
Aber letztlich ändert es ja doch nichts am Fakt, dass Julius erstochen ermordet wurde keines natürlichen Todes starb.

Zitat von: Lemonie
Wenn man einen Fantasyroman veröffentlicht, rechnet doch jeder Leser damit, dass es sich um Fiktion handelt.

An sich ist ein Roman von vornherein Fiktion, ja. Aber es ist halt das Wort "historisch", das den Unterschied gibt. Das ist genauso, als wenn du Äpfel mit Birnen vergleichst; geht nicht, das sind zwei unterschiedliche Genre mit unterschiedlichen Ansprüchen. Und dann kommen wir wieder zu der obigen Frage, warum eine historische Person, wenn die historischen Fakten, die sie ausmachen, mit Füßen getreten werden? Ich mein, ganz ehrlich, sollte ich mal zu einer historischen Persönlichkeit werden, wäre es vll. umso besser, wenn man eine Hautfarbe abdunkelt, mir noch eine Religion aufdrückt und rumerzählt, ich hätte zig Lover gehabt. Aber das bin ich nicht; ich bin weiß, religionslos und ziehe seit jeher eine solide Beziehung schnellem Sex vor. Verstehst du, worauf ich hinaus will?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Churke

Zitat von: Zitkalasa am 28. Juli 2012, 14:47:09
Die Frage ist doch, warum man ausgerechnet eine historische Person nimmt?

Eine historische Person hat nun mal mehr Gewicht als eine erfundene. Das kann auch reine Marketing-Gründe haben. Die Serie "Spartacus" wäre zweifellos nicht so erfolgreich, wenn sie "Crixus" hieße.  ;)

Dazu kommt, dass man, wenn der Plot in bestimmten Kreisen spielt, einfach nicht an historischen Personen vorbei kommt. In einem viktorianischen Steampunk-Roman heißt "Audienz" nun mal, dass man der Queen Victoria begegnet.

Zitat
Ich mein, ganz ehrlich, sollte ich mal zu einer historischen Persönlichkeit werden, wäre es vll. umso besser, wenn man eine Hautfarbe abdunkelt, mir noch eine Religion aufdrückt und rumerzählt, ich hätte zig Lover gehabt. Aber das bin ich nicht; ich bin weiß, religionslos und ziehe seit jeher eine solide Beziehung schnellem Sex vor.

Warum erinnert mich das jetzt an die "Kaiserbiographien" der Historia Augusta? .   ;D

Notrya

Wieso hab ich diesen Thread eigentlich nicht früher entdeckt? Das ist genau die Frage, diemich schon länger bei einem Projekt beschäftigt.

Mittlerweile habe ich aber meine persönliche Lösung gefunden. Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass ich wirklich sämtliche relevanten Bücher, Filme und Internetliteratur zu der Epoche, in der ich einen Teil meines Romans ansiedle, gelesen bzw. gesehen habe und alle Fakten und Widersprüche in meine Geschichte hereinpassen. Dennoch habe ich mir für die umstrittenen Dinge andere Erklärungen ausgedacht als die, die bisher in der Geschichtswissenschaft in Erwägung gezogen werden. Sie widersprechen keiner historischen Tatsache, und das ist mir sehr wichtig beim Schreiben, damit die Geschichte glaubwürdig bleibt, selbst wenn man sich sehr gut mit dem Thema auskennt.

Zitat von: Zitkalasa am 28. Juli 2012, 14:47:09
Weil, ganz ehrlich, welchen Sinn hat es, sich an historischen Personen zu bedienen, wenn es nicht das Historische ist, wenn es nicht die Fakten sind, wenn ich mir das alles doch so drehe wie ich das brauche? 

Es klingt vielleicht komisch, aber selbst wenn natürlich eindeutig ist, dass besagte historische Figur kein Magier oder sonstiges Übernatürliches war und sonnenklar ist, dass es sich um Fiktion handelt, wollte ich den mageren Erkenntnissen der Historiker über diese Epoche und die betroffenen Personen nicht widersprechen. Die Recherche hat zwar eine gefühlte Ewigkeit gedauert, aber ich finde es mittlerweile sehr reizvoll, pseudohistorisch zu schreiben und den historischen Ereignissen einen völlig anderen - fantastischen - Hintergrund zu geben, ohne den Forschungserkenntnissen zu widersprechen. Genau deswegen habe ich mich auch für den realen Hintergrund entschieden; mich hat die Epoche immer schon fasziniert und der Anreiz liegt genau darin, mit den Fakten zu arbeiten und eine Geschichte zu schreiben, die sich darin einfügt und trotzdem eine Wendung nimmt, die man nicht mit Hilfe der historischen Tatsachen, sondern nur aufgrund der Fantasy-Elemente als geschichtlich "falsch" klassifizieren kann.

Aphelion

Natürlich sollte man auch darauf achten, *welche* Quellen man als Grundlage verwendet - aber das ist eine ganz andere Frage.

Ich habe weiter oben übrigens bewusst von "Kultur" und nicht von "Gesellschaft" gesprochen - das sind durchaus unterscheidbare sozialpsychologische Konstrukte. ;) Sagt der Psycho, ich saug mir das nicht alles nur aus den Fingern... :)

Zitat von: Zitkalasa am 28. Juli 2012, 14:47:09
Die Frage ist doch, warum man ausgerechnet eine historische Person nimmt? Wenn wir Autoren so genial empathisch sind, warum denken wir uns nicht gleich eigene Charaktere aus, die den Regeln der damaligen Gesellschaft unterliegen?

Das ist imho ein interessanter und auch guter Punkt. Ich kann mir vorstellen, dass es einen gewissen Reiz hat, Dinge umzudeuten, Anspielungen einzubauen, einen Gesamtkontext herzustellen, in dem die eigene Geschichte "zu Hause" ist. Vielleicht auch als Aufwertung des eigenen Produktes, um ihm mehr Gewicht zu verleihen? (Was an sich nicht verwerflich ist, im Gegenteil.)

Kati

ZitatDie Frage ist doch, warum man ausgerechnet eine historische Person nimmt?

Ich denke, der Reiz liegt darin, eine Geschichte zu nehmen und sie noch einmal zu erzählen. Und zwar genau so, wie sie passiert ist und gleichzeitig ganz anders, als alle davor sie erzählt haben. Wenn ich zum Beispiel die Geschichte von Admiral Nelson erzählen wollte, weil ich die so spannend finde und es mir am Herzen liegt, bringt es mir ja nichts, andere fiktive Charaktere dafür zu nutzen. Und ich kann natürlich die Geschichte des Admiral Nelson mit allen Fakten erzählen, aber überall, wo es schwammig wird, meine eigenen Details und Ideen unterbringen. Besonders, wenn man da Fantasy einbaut, finde ich das sehr spannend.

Es geht ja nicht darum, eine weiße Person farbig zu machen, weil einem das besser passt, wie es in deinem Beispiel wäre. Es geht darum, die Fakten, die bekannt sind zu belassen und darum herum ein Gerüst aus fiktivem zu spinnen, dass trotzdem glaubwürdig wirkt.  :)