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Aussehensbeschreibungen

Begonnen von HauntingWitch, 01. September 2013, 15:35:16

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Avery

#105
Ich stelle tatsächlich jede Figur optisch vor, unabhängig davon, ob sie neu auftritt oder den Perspektivtragenden schon lange bekannt ist. Bei sehr vertrauten Figuren picke ich mir meist irgendein nettes Detail raus. Einen Pullover in einer Farbe, der super harmoniert mit: Figurenbeschreibung (Haare, Hautfarbe, Augenfarbe etc.). Ein neues Schmuckstück, das von Haaren umrandet wird. Im aktuellen Projekt krieg die Prota ein Selfie ihrer beiden Dads geschickt und kann so direkt die jeweilige Mimik mit der Beschreibung verknüpfen. Die dichten schwarzen Augenbrauen, die wie gewohnt leicht argwöhnisch nach oben gezogen sind, oder die kupferrote Locke, die sich irgendwie beim Grinsen ins Gesicht verirrt hat.

Daneben habe ich inzwischen aber für mich gelernt, dass auch "platte" Beschreibungen aus Lesendensicht in der Regel völlig okay sind. Ich habe also keine Skrupel, es ganz plump einzuweben mit: "Mir fällt eine der dunkelbraunen Strähnen ins Gesicht." "Das Make-up ist eine Nuance zu dunkel für meine beige Haut." "Das grelle Gelb lässt das Grün meiner Augen förmlich leuchten." (Auch alles anwendbar auf ein bekanntes Gegenüber).

Dann baue ich gerne Situationen, in denen die Perspektivtragenden bewusst Gemeinsamkeiten oder Unterschiede mit Verwandten suchen (so führe ich bspw. die Prota in meinem Debüt ein). Was hätte man gerne noch geerbt, was findet man an beiden besonders schön, auf was hätte man "verzichten" können? (Hier muss man nur etwas aufpassen, nicht zu sehr ins Oberflächliche/Bewertende abzudriften. Außer es ist gewollt, um direkt noch ein Familienverhältnis zu verdeutlichen). Für mich klappt es übrigens auch super, vertraute Figuren anhand von Merkmalen zu beschreiben, die für die perspektivtragende Person besonders schön sind. ("Ich liebe die Grübchen, die sein Lächeln auf die hellbraune Haut zeichnet", "Ihre schwarzen Haare duften wieder nach diesem sündhaft teuren Orangenshampoo").

Last but not least führe ich die Optik auch gerne direkt im Szenenkontext ein. "Wie er da steht mit seinen zerzausten, dunkelbraunen Haaren und dem wallenden Mantel passt er perfekt in den urigen Pub". Oder aus Protasicht: "Mit meinen zerzausten, dunkelbraunen Haaren und dem wallenden Mantel fühle ich mich inmitten all der schick gekleideten Leute fehl am Platz".

Oh, und eins habe ich doch noch: Vergleiche. Und damit meine ich nicht: "Er ist schöner als sie." Sondern die kontrastreiche Hervorhebung zweier Figuren, die z.B. zur gleichen Zeit den Raum betreten. "Während ihr Haar golden glänzt, wirkt seins wie die Nacht." "Heute trägt sie High Heels, so dass sie den Größenunterschied von einem halben Kopf geschickt zu kaschieren weiß."

Ich weiß nicht warum, aber ich liebe diesen Part immer.  ;D  Und vielleicht ist ja etwas dabei?

EDIT: Überschnitten mit Ary, die einen ähnlichen Punkt hat wie den ersten.

Marta

Spannende Frage. Ich schaue zur Zeit gern, wie die Figur in der Umgebung funktioniert. Muss der riesige Kerl sich irgendwo durchzwängen, weil er halt so riesig ist? Muss die kleine Prota hüpfen, um zu sehen, was die Menge vor ihr betrachtet? Wie reagieren die anderen? Weichen sie ängstlich aus oder kichern sie im Vorbeigehen?

Reaktion wäre auch sowas wie: "Sie verzog das Gesicht. Natürlich tat sie das. Nach drei Monaten in der Gosse stank ich zum Himmel, meine Kleider waren schmutzige Lumpen und meine ehemals blonden Haare dunkle Strähnen. Das Einzige, was sie daran hinderte, mich gleich rauszuwerfen, war vermutlich, dass ich gebaut war wie ein Ochse." Dann ist das Gröbste schon geschafft, den Rest kann man nach und nach einweben. Ob man die Augenfarbe unbedingt braucht, weiß ich nicht. Bei Romance: klar, vor allem wenn stahlblau, meerblau oder himmelblau oder so. Aber bei allen anderen Genres?

Und die Haarfarbe ist zwar interessant, aber nicht so sehr wie der Gesamteindruck, finde ich. "Er sah aus wie ein halb verhungerter Kranich" beschreibt eine Figur oft besser als "Der Pullover hing von seinen mageren Schultern und der Schal konnte seinen langen Hals nur unzureichend vor der Kälte schützen".

Mondfräulein

Als Leserin ärgere ich mich ehrlich gesagt extrem selten darüber, dass das Aussehen der Figuren zu viel beschrieben wird. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass der Perspektivträger jetzt aber nicht über die blonden Haare seiner Freundin nachdenken würde. Ich ärgere mich aber schon darüber, wenn das Aussehen nicht beschrieben wird.

Das einzige, was mich stört, ist wenn die Haarfarbe zu oft wiederholt wird ("die Brünette" statt einfach den Namen zu benutzen). Spiegelszenen müssen auch nicht sein, aber die kann ich verzeihen.

Selbst wenn ich weiß, dass meine Freundin blond ist, sehe ich ihre blonden Haare ja trotzdem, wenn sie vor mir steht. Ich denke im echten Leben sehr selten bewusst darüber nach, welche Farbe etwas hat, ich sehe sie ja. Im Roman beschreibe ich Farben und Formen aber trotzdem. Da kann ich auch mal eine Haarfarbe erwähnen.

Petitcreiu

#108
Ich frage mich, ob das nicht auch eine Generationenfrage ist und sich Leseerwartungen momentan in einem fundamentalen Wandel befinden. Ich mag es eigentlich am liebsten, wenn das genauso gehandhabt wird wie @Maja es beschreibt, da mich Steckbriefe regelmäßig aus einer Perspektive reißen. Auch geben mir technische Daten kein richtiges Gefühl für eine Figur, @Marta s schöner Kranichsatz hingegen schon.

Nun wurde ich aber gerade letzthin von ein paar jüngeren Fantasyleser:innen (um die 25), warum diese Beschreibungen so wichtig sind. Momentan lese ich nämlich ,,Der Orden des letzten Baumes" (Priory of the Orang Tree) von Samantha Shannon. Allgemein gefällt mir das Buch sehr gut! Ich beklagte mich über die ständigen Steckbriefe, über die man auf jeder zweiten Seite stößt (meist über Figuren, die der POV schon lange kennt). Das sind Sätze wie:

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Diese Beispiele stammen alle aus den ersten paar Seiten (es hätte übrigens noch mehr Figuren mit Sommersprossen). Es zieht sich aber durch den Rest des Buches durch.

Solche exakten Beschreibungen gleich nach Erwähnung des Namens seien, war der Konsens, darum zentral, damit man Figuren nicht apriori als weiß liest. Für mich ist diese Erklärung einleuchtend und wichtig. Anscheinend ist dies in YA-Büchern (was Priory nicht ist) schon ziemlich üblich.

Bei meinem eigenen Schreiben befinde ich mich ehrlich gesagt gerade sehr in einem Dilemma deswegen. Ich mag es aus ästhetisch Gründen halt doch sehr, wenn Beschreibungen etwas eleganter gehandhabt werden, aber neige dazu mich den neuen Gepflogenheiten anzupassen, da die Begründung so wichtig ist.
,,Das Leben ist verrückt! (...)  Und ich finde das wunderbar. Wer das nicht merkt, verschläft das Schönste."

Hans Bemmann: Stein und Flöte, und das ist noch nicht alles

Cooky

Haha, ich muss auch immer darauf achten, dass ich Figuren beschreibe. Ich brauche die Beschreibungen selbst nämlich nicht. In der Regel vergesse ich sie nach dem Lesen wieder oder habe einfach schon ein eigenes Bild, das sich nicht mehr anpassen lassen will. @Petitcreius Argumentation ist aber die, die auch mich dazu gebracht hat, da mehr drauf zu achten: Ohne Beschreibung hat man eher eine weiße Figur im Kopf, selbst wenn man selbst nicht weiß ist.

Ansonsten, über die eigene Aufstehfrisur kann man immer mal fluchen, zumindest in modernen Settings, es gibt irgendeine Gelegenheit, die Klamotten zu wechseln, vielleicht vergleicht sich die Figur mit irgendwem oder fragt sich, ob sie, so wie sie aussieht, in die Situation passt. Um das beiläufig zu erwähnen, gibt es eigentlich viele Möglichkeiten.

Neue Figuren kann man beschreiben, weil man sie noch nie gesehen hat und das für den Prota interessant ist. Andere Figuren, die ein Prota bereits kennt, über die Aspekte, die sie besonders machen. ASpekte, mit der sie aus der Menge herausstechen und an denen sie ein Prota sofort erkennt. Wenn man das gleich in so eine Situation einpacken kann, umso besser. Ich mag vernünftig eingebettete Beschreibungen auch lieber, als platte Aufzählungen wie in dem oberen Beispiel. Andererseits habe ich auch Protas, die das genauso nüchtern beschreiben würden. Ich denke in der Stimme des Protas wirkt keine Beschreibung wirklich langweilig.

Coppelia

#110
Den von @Petitcreiu genannte Punkt finde ich wirklich wichtig. Ich mache es seit einer Weile schon so, dass ich die Hautfarbe irgendwie in der Beschreibung unterbringe. Ich habe ganze Romane und Settings komplett ohne weiße Figuren und hatte das bei der Beschreibung früher leider nicht immer beachtet, sodass in den Köpfen der Leser*innen ganz andere Vorstellungen entstanden.
Finde auch nicht, dass es unbedingt unelegant sein muss. Stereotype Formulierungen nach Schema sind ja nicht nötig.

Abgesehen davon versuche ich es meist so zu machen, dass ich mich auf die zwei bis drei Dinge konzentriere, die bei der Figur für die Figur, die gerade Perspektive hat, am auffälligsten sind. Das muss aber auch gar nicht unbedingt etwas mit dem Aussehen zu tun haben. Es soll mehr das Flair der Figur vermitteln. Somit sind meine Beschreibungen meist ziemlich ungenau und lassen Raum für Fantasie. Wenn die Figur schon bekannt ist, versuche ich gern eine kleine Szene um den ersten Auftritt zu bauen, wo sie dann ihre Eigenschaften zeigen kann.

Mit zu genauen Beschreibungen kann ich nichts anfangen. Wenn z. B. jede Einzelheit des Gesichts beschrieben wird, entsteht dadurch für mich noch immer kein Gesamtbild. Da bin ich mehr für Marthas Kranich-Beschreibung. ;D

Petitcreiu

@Coppelia @Cooky denkt ihr, dass es eine Lösung wäre. Es nur was die Hautfarbe betrifft, so zu handhaben? Ich muss ganz ehrlich sagen, bei gewissen Szenen, wirft es mich als Lesenden nämlich völlig aus der Immersion. Gerade wenn es Hofszenen voller Intrigen sind, ist es mir nämlich völlig egal, welche Nebenfigur jetzt braune Haare hat und welche nicht, weil ich mich auf die Intrige konzentrieren möchte. Ich vergesse es auch gleich wieder, weil ich mir ja auch erst die Namen usw merken muss. Die ständigen Einschübe führen dazu, dass diese Stellen m. E. merklich schlechter sind. Und ja, Sätze mit ,,Er war...", ,,Sie hatte..." sind doch wirklich etwas platt. Ich möchte nicht so schreiben.

,, das Flair der Figur" finde ich eine sehr gelungene Schreibempfehlung, die mir sehr weiterhilft :). Vielen Dank!

,,Das Leben ist verrückt! (...)  Und ich finde das wunderbar. Wer das nicht merkt, verschläft das Schönste."

Hans Bemmann: Stein und Flöte, und das ist noch nicht alles

Avery

#112
Zum Thema Hautfarbe: Ich habe mir auch angewöhnt, immer die Hautfarbe zu nennen, sofern ich eine Figur beschreibe. Eben, um das komplett weiß gelesene zu vermeiden. (Hier eine kleine Empfehlung, die sicher schon mal an anderer Stelle erwähnt wurde, aber so schön zum Thema passt: https://vickieunddaswort.de/hautfarben-guide-farbnamen)

@Petitcreiu Ich glaube, hier muss man generell schauen, wie viel Raum die Nebenfigur einnimmt. :) Ich beschreibe generell nur handlungstreibende Charaktere, die öfter vorkommen. Befinde ich mich in großen Gruppen, weise ich z.B. nur darauf hin, dass es eine sehr gemischte Gruppe ist, gehe aber nicht auf jede Einzelperson ein. Das würde mich tatsächlich auch sehr rausreißen.

Coppelia

#113
@Petitcreiu
ZitatUnd ja, Sätze mit ,,Er war...", ,,Sie hatte..." sind doch wirklich etwas platt. Ich möchte nicht so schreiben.
Das finde ich auch. Das meinte ich auch mit "stereotype Formulierungen nach Schema". Das muss nicht sein. Stattdessen kann mensch ja kreativ sein beim Beschreiben und bei der Art, die Beschreibung einzubauen. ;D

Die Beispiele finde ich zwar etwas ungeschickt formuliert, aber die Beschreibungen an sich schon cool.

Und nein, ich denke nicht, dass es eine Lösung ist, das nur bei der Hautfarbe so zu machen. Das lenkt dann wieder zuviel Aufmerksamkeit auf diesen Aspekt, in meinen Augen. Es soll ja selbstverständlich werden und nicht zu so etwas führen wie "Oh, der Autor beschreibt immer die Hautfarbe der Figur, sonst aber nichts!"
Wenn es auffällt, ist es wohl einerseits noch nicht wirklich elegant gemacht, andererseits zeigt es aber auch, dass wir es einfach nicht gewöhnt sind, entsprechende Beschreibungen zu lesen. Das lässt sich ja ändern.

Petitcreiu

@Avery vielen Dank für den Link auf diesen ausgezeichneten Blog. Ich arbeite mich immer mal wieder durch https://writingwithcolor.tumblr.com/ aber es lässt sich natürlich nicht alles auf Deutsch übertragen, da die Konnotationen oft anders sind. Deine Idee wie man bei einer Gruppe arbeiten kann, ist sehr elegant!

@Coppelia vielen Dank auch Dir. Und da hast du natürlich völlig recht: nur auf die Hautfarbe zu verweisen, funktioniert aus der von Dir genannten Gründen nicht. Ich werde bei den neueren SFF-Romanen auf alle Fälle sehr darauf achten, wie Figuren-Beschreibungen gehandhabt werden, wenn in der personalen Perspektive alte Bekannte auftauchen - und vor allem wie die Lese-Reaktionen darauf ausfallen.

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Hans Bemmann: Stein und Flöte, und das ist noch nicht alles

Christopher

Da ich grundsätzlich mehr als eine Perspektive habe, und die POVs sich in der Regel sehen, kommen da die Beschreibungen hinein. Also wenn der eine den anderen ansieht o.ä.

Grundsätzlich lasse ich die Figuren aber auch sehr einfach anfangen. Da gibt es nicht viel zu beschreiben. Sehr schlichte Kleidung und Auftreten, die ich dann aber im Verlauf der Geschichte anpasse. Welcher Charakter beendet schon eine Geschichte, ohne jemals das Hemd oder die Hose zu wechseln?
Wenn der Charakter etwas neues anzieht, beschließt eine neue Frisur zu tragen, einen Ausrüstungsgegenstand hinzu bekommt usw. usf. ist es logisch und schlüssig, das zu beschreiben. Da bricht nichts mit der Geschichte und es fühlt sich nicht wie Exposition oder ein Steckbrief an.


Das funktioniert aber nur so gut, weil ich mit "frischen" Figuren anfange. Da taucht nicht plötzlich jemand mit komplexer Vergangenheit als POV auf. Nebencharaktere - Ja. Da ist es aber auch ok, die aus Sicht des POV zu beschreiben.


Außerdem sagt mir meine Erfahrung, dass es gerade am Anfang der Geschichte nicht sinnvoll ist, jeden Charakter lang und breit zu beschreiben. Sagen wir am Anfang einer Geschichte kommen 4-5 wichtige Charaktere vor, mit voller Beschreibung, sagen wir im Worst-Case als Steckbrief.
Wer kann sich das alles merken? Die allerwenigsten, sage ich. 80% der Sachen werden vergessen.

Bei Geschichten, welche die Charaktere so explizit beschreiben fällt mir aber oft auf, dass danach gar keine Beschreibungen mehr folgen. "Der Leser hat ja sicher super aufgepasst und weiß genau, wie meine Figuren aussehen! Da muss ich nie wieder drauf eingehen." Aber mal ehrlich: Nach 300 Seiten ohne hier und da eine Erinnerung weiß ich nicht mehr, wie die meisten Figuren aussehen. Geht mir bei vielen Büchern so, dass das Gefühl für den Charakter, die Vorstellung seines Aussehens, abhanden kommt.

Daher bin ich so ein großer Freund der wenigen Beschreibungen am Anfang und den kontinuierlichen, kleinen Erinnerungen hier und da und den Veränderungen, die einerseits auffrischen und andererseits den Charakter auch entwickeln.
Be brave, dont tryhard.

Paka

Meiner Meinung nach ist das Problem mit Steckbriefen gar nicht so sehr, dass ich mir das Aussehen nicht merken kann, sondern dass ich es beim Lesen überhaupt gar nicht erst wahrnehme. Und das gilt für Personen genauso wie für Ortsbeschreibungen. In 99 % aller Fälle lese ich einfach darüber hinweg und denke dann im besten Fall 2 Sätze später: ,,Moment. Da war doch eben eine Beschreibung. Wie war das?"  Okay, also nochmal zurück, Satz für Satz sorgfältig lesen und versuchen, sich das bildlich vorzustellen. Und häufig muss ich als Person, die leider unter Aphantasie leidet, die Sätze nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach lesen, bis ich ein ungefähres Bild habe. Damit bin ich gleich 5-fach aus der Geschichte rausgeschmissen worden.
Schön finde ich die Methode, die @Marta erwähnt hat: Er muss sich bücken, wenn er durch die Tür geht (aha – er ist sehr groß) oder sie sieht mal wieder die ersten 5 Minuten nur Nebel, nachdem sie mit Maske den Supermarkt betreten hat (Brillenträger verstehen mich sofort 😆).
Gerade eine Liste der acht am häufigsten aus US-Bibliotheken verbannten Bücher gesehen. Fünf davon stehen in meinem Regal. 👍🏻😇

Mondfräulein

Ich weiß nicht, ob ich damit alleine bin, aber ich möchte tatsächlich von allen Figuren die Haarfarbe wissen. Wenn ich genauer darüber nachdenke auch die Hautfarbe, aber es ist schon wahr, meistens wird die nur bei nicht-weißen Figuren beschrieben und dann stelle ich mir die meisten Figuren auch automatisch weiß vor. Da ist man irgendwie einfach dran gewöhnt. Augenfarben sind mir nicht wichtig, aber ich kann mir Figuren einfach nicht vorstellen, wenn ich die Haarfarbe nicht kenne und dann kann ich auch keinen Bezug zur Figur herstellen. In meinem Kopf bildet sich dann sowieso ein ganz eigenes Bild der Figur, aber die Haarfarbe möchte ich möglichst früh wissen, damit ich mein Bild der Figur nicht mittendrin ändern muss. Es entfernt mich ehrlich gesagt wirklich von den Figuren, wenn ich die Haarfarbe nicht kenne. Interessant, wie unterschiedlich da alle lesen.

Marrin

Ich muss ehrlich gestehen, zeilenlange Beschreibungen einzelner Figuren neige ich bei Lesen oft einfach nur zu überfliegen. Ich finde gut gemachte Verknüpfungen besonderer Charaktermerkmale mit der Handlung besser. Reine Aufzählungen finde ich lieblos und versuche dementsprechend auch selbst so etwas zu vermeiden.

Ich habe auch kein Problem damit, wenn meine Leser*innen von einzelnen meiner Figuren ein etwas anderes Bild im Kopf haben als ich selbst, so lange wir in den wichtigen Dingen übereinstimmen. Ob nun der Bart meines Helden zwei Finger oder drei Finger lang ist, finde ich völlig unerheblich – es sei denn, er bleibt mit dem verzottelten Ding beim Ausfallschritt an einem rostigen Nagel hängen und schlägt deshalb lang hin. In diesem Fall wäre es natürlich wichtig, dass meine Leser*innen und ich uns bereits im Vorfeld in etwa einig über die Länge wären, sonst würde meine Handlungsglaubwürdigkeit leiden. Und wenn mir sowas öfter beim Lesen unterkommt, dann fliegt in der Regel das Buch dann auch in die Ecke. ;)

Aber ich gehe mal davon aus, dass jedes Genre da so seine eigenen Regeln, was ausführliche Beschreibungen angeht. Wie hier schon von anderen geschrieben, fällt das rein physische Aussehen beim Romance-Genre sicherlich mehr ins Gewicht als bei einem Krimi. Oder auch bei einer Fantasy-Story, bei der Eigenheiten einer bestimmten Rasse natürlich erwähnt werden müssten oder relevante Details des Worldbuilding; aber auch hier mit Bedacht. Denn wenn's keine Relevanz für die Geschichte hat, warum sollte es dort dann überhaupt einen Platz haben?
Also, ich persönlich finde für meine hauptsächlichen Ausflüge in die Fantasy reine Beschreibungen eher nicht zielführend, noch weniger bloße Aufzählungen von Charakteristika.
 
Was auch nicht vergessen werden sollte, ist die potenzielle Bremskraft von längeren Beschreibungspassagen im Text. In Abschnitten mit Beschreibungen steht die Zeit im Text still und das nimmt der*die Leser*in dann auch so wahr, wenn vielleicht auch nicht bewusst. Aber es ist halt eine Zäsur in der sonst vielleicht sehr flotten Erzählung, die ohne das ein echter ,,Pageturner" sein könnte. Lieber wichtige Details sinnvoll in die Geschichte einweben, dann muss die Handlung nicht erst wieder Fahrt aufnehmen.


Villyana

#119
Zitat von: Marrin am 22. Februar 2023, 19:38:55Ich muss ehrlich gestehen, zeilenlange Beschreibungen einzelner Figuren neige ich bei Lesen oft einfach nur zu überfliegen. Ich finde gut gemachte Verknüpfungen besonderer Charaktermerkmale mit der Handlung besser. Reine Aufzählungen finde ich lieblos und versuche dementsprechend auch selbst so etwas zu vermeiden.
Da stimme ich @Marrin auch völlig zu. Ich versuche auch immer wenige Merkmale auf einmal zu nennen. Zum Beispiel kommt eine Figur vor, die ist groß und hat dunkle Haare, beschrieben wird das dann von einer anderen Person, auch dass er so wie er sich bewegt wohl ein Krieger sein muss. Während er mit einer Frau spricht lächelt er und sein Gesicht verändert sich dabei völlig, denn die harten Züge werden weich und er sieht plötzlich so jung aus. Das wird aber erst später genannt und nicht alles auf einmal. Vor allem, wenn eine Figur länger dabei ist und nicht ein einfacher Nebencharakter, dann kann man sich doch Zeit dafür lassen. Oder dass die Farbe eines bestimmten Kleidungsstückes die Farbe der Augen betont.

@Mondfräulein wir lesen wirklich alle sehr unterschiedlich, denn für mich ist die Augenfarbe wichtiger, wie die Haarfarbe  :D das ist bei mir aber auch in echt so. Wenn ich mit anderen Rede, sind mir die Augen der Personen immer wichtig. Die Haarfarbe nehme ich nur so am Rande wahr. Die ist ja auch nicht immer echt oder ändert sich bei manchen auch immer wieder. Die Augenfarbe bleibt und die Augen sind ja auch ein ganz wichtiger Teil unseres Gesichtes.
Ehrlich gesagt ebenso wie die Augenbrauen. Ich könnte mich aber nicht daran erinnern je etwas über Augenbrauen in einer Geschichte gelesen zu haben.

Bei einer Romantasy Story hatte ich das drin, weil es gerade gepasst hatte.
Er fuhr mit dem Finger den sanften Schwung ihrer Augenbrauen nach. Allerdings war SIE in dem Moment nicht so gut auf ihn zu sprechen  :rofl:

Schwierig finde ich immer den Spagat zwischen, was beschreibe ich und was überlasse ich dem Leser? Oder fällt es auf, wenn ich etwas nicht beschreibe? Andererseits gibt es Dinge, die mir persönlich ziemlich wichtig sind, aber schwer zu beschreiben.
So steht in meinen Augen ein Mann mit einem Muskulösen Oberkörper nicht einfach gerade da, denn er hat immer den etwas verstärkten Schwung in der Wirbelsäule, den ich persönlich sehr anziehend finde. Aber ich glaube, ausser mir interessiert das so gut wie niemanden, also betrachtet ihn nur eine schmachtend mit seiner "tollen Haltung". Finde ich persönlich nicht so gelungen, aber ich hätte es gern drin, der Leser evtl nicht.

Auf genaue Größen gehe ich gar nicht ein. Ich finde das solche Sachen bremsen. Man muss zu jemandem hoch sehen oder herab. Eigentlich gibt es hier nur Vergleiche. Mich hat es aber mal sehr viel Zeit gekostet, um zu berechnen, wenn eine Figur auf einem Faß sitzt und die andere vor ihr kniet, ob sie dann auf Augenhöhe sind oder wie dann hier der Unterschied ist. Das kostet mich viel Zeit, aber jetzt weiß ich, wie groß ein genormtes Faß ist.  :buch:

Ehrlich gesagt gibt es nur eine Geschichte, bei der mich bisher eine der Beschreibungen gestört hat und tatsächlich ist es eins meiner Lieblingsbücher. Aber die weibliche Hauptperson wird so als Klischee Prinzessin beschrieben, dass ich da jedes Mal die Augen verdrehen muss beim lesen  :rofl:
Liegt aber vermutlich nicht nur an der Beschreibung, sondern einfach an diesem Klischee. Trotzdem hätte man es auch einfach verkürzen können oder eben strecken und auch Häppchenweise liefern.

Edit: Ich habe letztens mit einer Bekannten gesprochen, die meinte, um sich eine Figur wirklich vorstellen zu können, muss sie wissen, wie ihre Lippen aussehen.  :hmhm?: Das finde ich sehr spannend, aber auch nicht unbedingt einfach um zu setzen, vor allem da mir persönlich dieses merkmal egal ist.