Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Weltenbau => Thema gestartet von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 12:22:17

Titel: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 12:22:17
Wenn ich mir hier so die ganzen Beiträge durchlese, kommt es mir so vor, als würdet ihr eure Welten nicht nur bis ins Detail planen, sondern bis zu jedem Staubkorn. Als würdet ihr (verglichen mit unserer Erde) alles über Australien, die dor lebenden Völker und deren Geschichte wissen, obwohl eure eigentliche Story ausschließlich in Europa spielt. Und um es vorweg zu schicken: das finde ich ziemlich bewundernswert  :jau:

Meine Frage ist jetzt allerdings: Muss das sein?
Das es von Vorteil ist, wenn man seine Welt gut kennt, ist unbestritten. Aber wie viel muss ich tatsächlich wissen? Reicht es, wenn ich mir meine Welt "on the go" bastle?
Stört es euch beim Lesen, wenn ihr keine so ausgeklügelte Welt vor euch habt, wenn der rest der Geschichte (Handlung, Charaktere...) absolut stimmig ist?

LG Sonnenblumenfee
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Zit am 27. Februar 2011, 12:47:55
Natürlich muss das nicht sein. Kommt aber halt immer drauf an, wie "globalisiert" die erfundene Welt ist. ;D

Dass in China Schriftsteller unter Hausarest gestellt werden können, wenn sie allzu kritisch mit dem System sind oder doch eher im Gefängnis landen, streift mich real, weil ich weiß, dass China existiert und dass Deutschland Handelsbeziehungen mit ihnen pflegt (und weil es mit unserer heutigen Technik leicht ist, von China nach Deutschland live zu übertragen).

Dass manche von uns gleich mal einen ganzen Planeten entwerfen, liegt, denke ich, am Welten-Recycling. Warum für jede Geschichte ein neues Land entwerfen, wenn ich gleich einen ganzen Planeten haben kann? ;D Denke ich mir zumindest. Aber den Planeten habe ich auch nicht komplett fertig. Er wächst eher von Stück zu Stück wie ich Geschichten darin ansiedle. (Kann u.U. auch daran liegen, dass die typische Heldenreise ja auch irgendwo hingehen muss und wenn dann die Fantasie des Autors mit ihm durchgeht ...)
Aber manchmal mach ich's mir dann doch einfach, mache ein einzelnes Land, vll. mit ein paar Ländern drumherum und deren Beziehungen untereinander, und fertig. Auf engem Raum eben, ganz nach Myst.

Also, wie gesagt, nichts muss, aber alles kann. Und soll. (Und darf, natürlich.)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Leo am 27. Februar 2011, 12:54:17
ZitatMuss das sein?
Bestimmt nicht!

Ich finde es sind einfach zwei verschiedene Herangehensweisen: entweder du hast einen Plot, und modellierst darum herum die Welt so wie du sie gerade brauchst, oder du konstruierst die Welt und guckst dann, wie du deinen Plot unterbringen kannst.

Beides geht, entscheidend ist, was dabei herauskommt. Wenn du es schaffst, eine plausible Welt so nebenbei zu erschaffen, dann mach das ruhig.

Aber zumindest mir kommen beim Planen der Welt immer so tolle Ideen, die ich noch wunderbar verwenden kann - alleine deshalb würde ich darauf nicht verzichten wollen. Gerade auf die kleinen Details, die das ganze plastischer machen, würde man beim Schreiben oft nie im Leben kommen.

Es spricht ein überzeugter Weltenbauer
LG, Leo
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Luna am 27. Februar 2011, 12:54:24
Hmm ... ich sehe das etwas gespalten. Über Australien muss man wahrscheinlich nichts wissen, um eine Story in Europa zu schreiben, es sei denn, Australien hat Europa irgendwie beeinflusst.

Ich habe meine erste Geschichte auch mit "Welt on the go" basteln geschrieben und war mit dem Ergebnis auch sehr zufrieden. Und dennoch habe ich inzwischen teilweise das Gefühl, dass ich einige wichtige "Staubkörner" übersehen habe, dass meine Welt ... tot wirkt. Es kann sich da natürlich auch um einen bescheuerten Perfektionismus von mir handeln ...

Was geschieht, wenn ich eine Geschichte lese, deren Welt nicht ausgeklügelt ist? Ich denke, es kommt darauf an, ob ich MERKE dass die Welt nicht lebendig ist. Man kann sicherlich mit einem minimum an Weltaufwand eine gute Geschichte schreiben, man darf es den Leser nur nicht merken lassen. Man muss den kleinen Teil an Welt, in den man den Leser eintauchen lässt stimmig erscheinen lassen. Das könnte durchaus einfacher sein, wenn man vorher die Welt entsprechend ausgereift gebastelt hat, aber es gibt sicherlich auch Autoren die ohne diese Überlegungen einen Roman schreiben können.

Gruß
AF
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Rakso am 27. Februar 2011, 14:03:36
Jedem ist es selbst überlassen, ob er/sie eine Welt bis ins kleinste Detail plant. Manche kommen mit einer einfachen "Das-ist-mein-Handlunsgort-und-fertig"-Welt zurecht, andere brauchen eben das ganze drumherum.

Ich persönlich bastle gerne herum. Ab und zu kommen mir ein paar Ideen, die verarbeite ich in Ländern/Gegenden die eigentlich nicht(s) (direkt) mit meinem Plot zu tun haben. Je nach dem in welcher Stimmung ich bin. Da entsteht mit der Zeit ein riesiger Wust an Informationen, Anekdoten und Besonderheiten, je nach dem wie es in die Welt passt.

Das erscheint unnötig aber es hilft mir mich in die "Stimmung" der Welt hineinzuversetzten. Eine eher globalisierte Welt, die von Imperialismus, internationalen Machtkämpfen und Konsum bestimmt wird, hat einen anderen "Grundton" als eine, die einem eher im Mittelalter angesiedelt ist. Außerdem habe ich immer im Hinterkopf: "Daraus kannst du vielleicht auch mal eine Geschichte machen" (das fällt dann unter das Stichwort Welten-recycling)

Für mich gilt, wenn ich gedenke eine Fortsetzung zu schreiben, muss die Welt komplexer sein. Denn sonst wirkt das Buch trotz vielleicht ganz passabler Geschichte flach und unecht. Für eine Ein-Roman-Welt ist dass noch eher verzeihlicher (wenn auch nicht schön)

Gruß,
Szajkó
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Tanrien am 27. Februar 2011, 14:20:30
Ich bin auch nicht so der Weltenbastler... ::) Von daher verstehe ich die Frage - ich finde es auch immer sehr bewundernswert, wenn eine Welt komplett und vollständig ausgestattet ist. Ich würde hier in verschiedene Themen? Ideen? Punkte? unterteilen:

1. Die Welt ist unlogisch - Ein absolutes No-Go, weil, finde ich, auch ein bisschen peinlich für einen als Autor. Nun gibt es natürlich verschiedene Ansichten und verschiedene Leser. Wenn etwas nicht im Text erklärt wird, aber dem Leser komisch erscheint, muss es dann nicht zur Welt passen? Was, wenn der Leser falsch informiert ist/falsche Annahmen macht?

2. Die Welt ist logisch - Das wäre (hoffentlich) der Normalfall. Dafür braucht man aber:

3. Informationen für die innere Logik - Die machen dem Leser die Welt greifbar, sind aber genau der Knackpunkt, denn sie können so schwammig gehalten werden, wie es denn eben passt.

4. Informationen für die innere Logik, die nicht erwähnt werden - Die wären vermutlich höchstens ein Informationshintergrund, also "nur" Research.

5. Extrainformationen, die eingebracht werden - Das kann einer Geschichte noch einen gewissen Kick geben, eine gewisse Realität. Extra meint hier wirklich "unnötig". Die Informationen trägt nichts weiter bei, als dass sie die Welt ausfüllt, dem Leser sagt, dass es etwas größeres gibt. Hier geht es nicht mehr um die Griffigkeit der Geschichte, sondern genau darum, eben diese Griffigkeit weiter auszudehnen. Genau wie niemand die normale Welt komplett versteht und kennt, machen diese Extrainformationen klar, dass auch die fiktionale persönliche Welt des Charakters kein abgeschlossener/-getrennter Komplex vom Rest der Welt ist.

6. Extrainformationen, die nicht eingebracht werden

Ich denke, letztendlich kommt es auf die Frage an: Wie genau will ich sein? Wie genau will ich erzählen und dabei logisch bleiben? Wenn ich nicht sage, dass der Fluss genau an Stelle XY meiner Weltkarte entspringt, dann kann auch kein Geologe über die Stelle beim Lesen stolpern und den Kopf schütteln, weil das wegen irgendwelcher "Besonderheiten" unmöglich ist. Auch, wenn das vielleicht keinem anderen Leser aufgefallen wäre.

Man sollte hier, denke ich, auch nicht vergessen, dass bei der Erstfassung nicht alles perfekt sein muss. Gerade Details können gut und einfach in den Überarbeitungen noch eingebracht werden - nur "grobe" Fehler sind eher nervig zu korrigieren, aber Einfügen (gerade von den oben definierten Extrainformationen) geht meistens immer.

Ich persönlich lese gerne Bücher, die bis zu den Extrainformationen gehen, aber selber hätte ich nicht genug Geduld dafür. Ich würde also sagen, wenn man in der Erstfassung eine logische Welt hat, die halbwegs erklärt ist, und in der Endfassung dann die komplette Erklärung, die die Welt logisch macht, "reicht" das - wirkt also nicht, als wäre es einem völlig egal, macht aber auch nicht zu viel Mühe, wenn einem Weltenbau nicht so liegt.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Valaé am 27. Februar 2011, 14:23:23
Auch ich stimme zu: Das MUSS nicht sein. Aber es ist unglaublich praktisch.
Ich gebe zu, dass ich manchmal stöhne wenn ich daran denke wie viel Weltenbastelei mir noch bevorsteht und mein perfektionistisches Gehirn mir zu jedem Volk was ich habe (die, die bisschen was von mir kennen/wissen, wissen dass das weit mehr als 10 sind) auch noch eine gesamte unterschiedliche Kultur entwerfen sollte, mit Eigenheiten in Kleidung, Essen, Musikgeschmack, große Künstler, Helden etc.
Wenn ich dann denke, dass das nur die großen Obergruppierungen der Völker sind und es zu jedem Volk noch mindestens drei Untergruppierungen gibt, die sich ja auch noch davon unterscheiden müssen  :gähn:.
Aber: Es war für das ursprünglich geplante Projekt, was ein globales Problem gewesen war, wo auch alle was zur Lösung beitragen sollten, einfach notwendig. Ich hab dann eingesehen, dass mit so vielen Völkern ein globales Projekt nicht in ein Buch zu fassen sein wird es sei denn ich möchte es mit der Bibel aufnehmen an Seitenzahl. Aber jetzt habe ich das schöne Phänomen wie Szajkó schon beschrieben hat: Man bastelt an der Welt und es kommt der Gedanke *das ist aber ein schönes Detail, daraus kann man doch was machen!* Bums, nächste Geschichtenidee da.
Ich lege sowieso alles gerne in einer einzigen Welt an, das erfordert mehr Arbeit an dieser Welt, aber ich fühle mich dafür in ihr Zuhause wie in meiner eigenen Wohnung und habe selten Probleme, noch irgendwo Atmosphäre reinzubringen, Orte zu finden wo etwas sein sollte... wenn ich in einer Geschichte mal spontan einen Ort brauche, kann ich meistens einen nehmen, der schon existiert oder ich kann ihn wenigstens in einem Landstrich ansiedeln, dessen Sitten ich schon kenne. Das erspart mir oft die *Weltenbastelzwangspausen*, wenn man beim Schreiben an ein Problem gestoßen ist, wo man etwas braucht, was es noch nicht gibt. Sehr praktisch.

Aber ich glaube, die ganze Frage ist Geschmackssache. Manche lieben es einfach an der Welt zu basteln, andere wollen verständlicherweise nicht SO viel Zeit aufwenden, denn seien wir ehrlich: Ich habe fast mehr Weltenbastelei-Dokumente als Kapitel einer Geschichte und viele Details werden vielleicht nie Anwendung finden. Manche, die nicht so gerne Weltenbastelei machen, könnten das als Zeitverschwendung sehen und ich könnte es ihnen noch nicht mal übelnehmen^^.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: KaPunkt am 27. Februar 2011, 14:49:19
Zitat von: Tanrien am 27. Februar 2011, 14:20:30
1. Die Welt ist unlogisch (...)

2. Die Welt ist logisch - Das wäre (hoffentlich) der Normalfall. Dafür braucht man aber:

3. Informationen für die innere Logik (...)

4. Informationen für die innere Logik, die nicht erwähnt werden - (...)

5. Extrainformationen, die eingebracht werden - Das kann einer Geschichte noch einen gewissen Kick geben, eine gewisse Realität. Extra meint hier wirklich "unnötig". Die Informationen trägt nichts weiter bei, als dass sie die Welt ausfüllt, dem Leser sagt, dass es etwas größeres gibt. Hier geht es nicht mehr um die Griffigkeit der Geschichte, sondern genau darum, eben diese Griffigkeit weiter auszudehnen. Genau wie niemand die normale Welt komplett versteht und kennt, machen diese Extrainformationen klar, dass auch die fiktionale persönliche Welt des Charakters kein abgeschlossener/-getrennter Komplex vom Rest der Welt ist.

6. Extrainformationen, die nicht eingebracht werden
Ich halte diese Einteilung für sehr gut.
Mir ist beim schreiben vor allem Punkt 5 wichtig.
Klar muss die Welt funktionieren und in sich stimmig sein. Aber mir gefallen beim Lesen vor allem die kleinen Gimmicks, die die Welt bunt und detailreich machen.
Wie man jetzt zu diesen Details kommt, ob man sie konstruiert oder im Schreiben erfindet und erstmal vielleicht nicht mehr als den Namen einer Volksgruppe hat (ich benutze eine Mischung aus beidem) ist mir egal.

Wichtig ist dann allerdings, dass man auf die Stimmigkeit achtet. Was man so im Vorbeigehen in den Text, die Welt geworfen hat, ist jetzt Kanon. (Solange, bis es wieder gestrichen wird. )

Wenn also irgendwo erwähnt wird, dass die Usaschi aus religiösen Gründen keinen Fisch essen - dann sollte man das noch wissen, wenn man in das Gebiet der Usaschi kommt. - Dort sollte es dann bitte keine Fish&Chips Buden geben.

Ich hoffe, es wird klar, was ich meine, und das meine Meinung hilfreich war.

Liebe Grüße,
Kirsten,
die auch keine Kenntnisse über die Plattentektonik ihrer Welt hat  :psssst:
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: zDatze am 27. Februar 2011, 14:58:03
Bei mir fällt der Umfang einer Welt immer total unterschiedlich aus. Es kommt auf die Geschicht an. Und auf das, was ich in dieser Geschichte thematisieren will, welche Probleme ich mit hinein packe und auch mit welchen Problemen und Hürden mein Chara zu kämpfen hat.
Den Umfang der Story sollte man dabei aber auch nicht vergessen. Eine Trilogie z.B. würde ich nicht beginnen, ohne die Grundzüge der Welt zu kennen. Könnte passieren, dass man sich am Ende (oder im Laufe der Trilogie) auf einmal selbst ins Knie schießt, weil man sich über ein paar Details keine Gedanken gemacht hat.

Geht die Geschichte stark von meinem Chara aus, so reicht mir meistens ein Grundgerüst. Das heißt bei mir auch, dass ganz als erstes eben dieser Chara in meinem Kopf war und ich die Welt erst durch ihn bzw. mit ihm entdeckte. Beim Plotten oder beim Schreiben. (Kommt ganz darauf an, wie sehr mir die Story unter den Fingernägeln brennt. :D )

Ich finde auch nicht, dass man sich unbedingt so viele Gedanken über die Welt machen muss. Wenn sich das alles von alleine beim Schreiben entwickelt, dann sollte man sich auch nicht dazu zwingen sich vorher schon den Kopf darüber zu zerbrechen.

Prägt die Welt meinen Chara, so mache ich mir Gedanken darüber. Schließlich will ich ja verstehen, warum er bzw. sie so ist, wie er/sie eben ist. Ich sehe darin eine Möglichkeit, um meinem Chara mehr Leben einzuhauchen und sein Handeln nachvollziehbarer zu machen.
Wie weit man dabei beim Weltenbasteln geht, muss jeder selbst entscheiden. :)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 27. Februar 2011, 15:29:52
Ich benötige für meine Geschichten diese Voraussetzungen:

Die Welt als solche muss nicht ausgeklügelt sein.

Es reicht mir, z.B. zu sagen: ein Planet, der drei Kontinente hat, die 1/5 der Planetenfläche bilden und relativ nahe beeinander liegen. Rest Wasser.

Etwa anderes ist es mit dem Ort der Handlung. Das Land, die Bevölkerung, die Sitten und Gebräuche sollten schon relativ detailliert sein, sonst kommen schnell logische Fehler in die Geschichte.
Für alles, was über eine Kurzgeschichte hinausgeht, lege ich fest:
Götter und Glauben
Klimazone, grob auch die geographische Landkarte und politische Welt  (z.B. Königreich x, grenzt an Reich Y, an Meer Z, an Wüste und Barbaren
Art/Rasse der Bevölkerung und genaue Regierungsform , z.B. Bürgermeister oder königliche Verwalter in den Städten?
Wovon lebt die Bevölkerung, was wird angebaut, was gehandelt, was hat welchen Wert? (Bekomme ich für einen Landarbeiter-Monatslohn nur Wohnung und Essen, oder reicht er auch für den Kauf eines Schweins?)
Wie weit ist die Technik entwickelt?
Gibt es Magie, wenn ja, welche, wie funktioniert sie?
Gibt es besondere Bräuche und Feste? Gibt es soziale Einschränkungen für bestimmte Bevöklkerungsteile?

Die detaillierte Landkarte und die Geschichte wiederum ergeben sich meist von selbst im Laufe einer Geschichte, ich muss sie dann nur notieren, damit im weiteren Verlauf keine Widersprüche eingebaut werden.

Mit dieser Grundausstattung kriege ich normalerweise jede Welt so hin, dass sie lebendig wirkt.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 19:36:33
Da muss ich direkt noch mal nachhaken: Was bedeutet für euch denn "unlogisch"?
Sind das ganz offensichtliche Fehler (auf S. 433 wird das Land X als "trockenes Wüstenland" bezeichnet, auf S.678 steht dann etwas von "vielen Seen und uralten Wäldern")?
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Siliel am 27. Februar 2011, 19:51:50
Für mich würde "unlogisch" jetzt bedeuten, dass  zum Beispiel die eine Hälfte des Landes aus Sandwüste besteht, trocken und heiß ist und der Rest in etwas unser Klima hat. Das, was du beschrieben hast, ist dann praktisch ein extremes Beispiel meines Beispiels. Unlogisch finde ich aber auch, wenn das Land ein geschätztes Jahrtausend zeitlich immer nur in unserem Mittelalter anzusiedeln ist, und dann einfach nichts passiert. Zumindest käme mir das schon seltsam vor.

Zitat von: Tanrien am 27. Februar 2011, 14:20:30
5. Extrainformationen, die eingebracht werden - Das kann einer Geschichte noch einen gewissen Kick geben, eine gewisse Realität. Extra meint hier wirklich "unnötig". Die Informationen trägt nichts weiter bei, als dass sie die Welt ausfüllt, dem Leser sagt, dass es etwas größeres gibt. Hier geht es nicht mehr um die Griffigkeit der Geschichte, sondern genau darum, eben diese Griffigkeit weiter auszudehnen. Genau wie niemand die normale Welt komplett versteht und kennt, machen diese Extrainformationen klar, dass auch die fiktionale persönliche Welt des Charakters kein abgeschlossener/-getrennter Komplex vom Rest der Welt ist.

Ich denke auch, dass eine Welt nicht nur einfach logisch und in sich stimmig sein muss, sondern auch greifbar. Und ich denke, so etwas trägt auch ein wenig zur Atmosphäre bei.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Nachtblick am 27. Februar 2011, 20:06:01
Hi Sonnenblumenfee,

ich habe schon mal eine ähnliche Frage gestellt, vielleicht helfen dir die Antworten in diesem Thread auch noch weiter:
http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,4230.msg110614.html#msg110614

Du bekommst übrigens noch eine Mail. Keine Sorge. ;)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Tanrien am 27. Februar 2011, 22:22:18
Zitat von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 19:36:33
Da muss ich direkt noch mal nachhaken: Was bedeutet für euch denn "unlogisch"?
Sind das ganz offensichtliche Fehler (auf S. 433 wird das Land X als "trockenes Wüstenland" bezeichnet, auf S.678 steht dann etwas von "vielen Seen und uralten Wäldern")?

Das hat ja nicht wirklich etwas mit Weltenbau zu tun, sondern mehr damit, dass man sich beim Schreiben Notizen machen sollte. Aber es gibt ja bestimmte physikalische/geologische/... Grundlagen/-annahmen/-entwicklungen, die nicht funktionieren, wobei mir jetzt natürlich kein Beispiel einfällt. Oh, vielleicht sowas wie, dass wir einen Standardboden (Y) haben und der wird Jahr für Jahr (Z) immer wieder bepflanzt mit einer bestimmten Pflanzensorte (X), seit Generationen und der Protagonist ist jetzt wieder dran. Aber vielleicht geht das gar nicht, vielleicht müsste der Boden nach Y+Z+X schon längst totgefarmt sein. Das wäre ein kleiner "unlogischer" Punkt, der vielleicht nur wenigen auffällt. Besser erklären kann man es an diesen "Aber warum haben die nicht einfach...?", bei denen sich der Leser also aktiv wundert, warum dein Ausstrebendes Volk nicht einfach die Stadt verlassen hat, als es festgestellt hat, dass die Wasserleitungen vergiftet waren; nur ist es hier eben nicht so klar definiert, weil es ja soziale Gründe geben könnte. Bei physikalischen Sachen ist der einzige "Grund" für Unlogik neben Unwissen (Auch in unserer Welt ist vieles nicht erklärt.) Magie.

Es geht also meistens um nicht sofort offensichtliche Unlogik/Logikfehler, die vom Autor einfach übersehen werden. Entweder aus Betriebsblindheit/falschen Annahmen, weil das Fachwissen ist oder weil es nur ein wirklich kleiner, unwichtiger Teil der Welt ist...
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 27. Februar 2011, 23:23:57
Unlogisch wäre zum Beispiel, wenn in deiner Welt Herden-Fluchttiere wie Pferde im dichten Dschungel beheimatet sind. Oder wenn im Regenschatten eines hohen Gebirges Regenwald wächst (der gehört logischerweise auf die andere Seite). Oder wenn Ackerbau Marke Mittelalter betrieben wird, aber fast genauso viele Adelige wie Bauern in deinem Land leben (mit mittelalterlichem Ackerbau lassen sich erheblich weniger Menschen ernähren, man braucht also deutlich mehr Bauern als heute, um eine Bevölkerung durchzufüttern).

Gewisse Gegebenheiten einer Welt müssen stimmen, Magie hin oder her, sonst nimmt der Leser die Welt nicht als real wahr.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Shay am 28. Februar 2011, 22:44:05
Ich selber bin genauso begeisterter Weltenbastler wie Geschichtenerfinder und da alle meine Geschichten auf der gleichen Welt spielen, hat die mittlerweile eine ganze Menge an Details aufzubieten. Wahrscheinlich werden es viele davon nie in eine Geschichte schaffen, aber sie sind eben da.

Ich denke, man merkt einer Geschichte (oft) an, ob die Welt in der sie spielt on the go entwickelt wurde, oder mit mehr Liebe ausgearbeitet wurde. Bei den Welten, die nur für eine Geschichte gemacht wurden, passt oft alles nur zu perfekt. Wenn die Helden eine Stadt brauchen, dann ist auch eine da, etc. Bei Welten, die unabhängig existieren, muß die Geschichte manchmal ein paar Umwege machen, weil die offensichtlichste Lösung aus irgendwelchen Gründen gerade nicht geht. Aber solche Umwege machen eine Geschichte in meinen Augen oft erst reizvoll. Denn sie zwingen den Autor kreativ zu werden.

Fantasy-Bücher, denen man anmerkt, daß der Autor das Weltenbasteln als lästige Pflicht betrachtet, landen bei mir schnell auf der Schwarzen Liste. Wer keinen Spaß am Erfinden von Welten hat, sollte in meinen Augen keine phantastische Literatur schreiben.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Judith am 01. März 2011, 00:53:49
Ich kann mich da nur Shay vollkommen anschließen.

Bei den Romanen, die ich in meiner Fantasywelt Acarneya ansiedle, merke ich auch, dass die Grenzen, die mir da bereits gesetzt sind (weil eben die Welt teils schon sehr detailliert entwickelt ist) mich kreativer machen als Freiheiten.
Als ich letzten NaNo eine Parallelwelt zu unserer im Roman hatte, habe ich mir vorher nur das notwendigste überlegt - und bin dann an den Szenen in dieser Welt grandios gescheitert. Ich dachte, ich könnte den Großteil der Welt beim Schreiben entwickeln (und dann auch so, wie ich es grad für den Plot brauche), aber stattdessen kam es mir vor, als würde ich im luftleeren Raum schweben. Ich kannte diese Parallelwelt einfach nicht gut genug.
Acarneya ist da für mich ein ganz anderes Umfeld. Das Schreiben fällt mir viel leichter, wenn ich bereits ein Rundherum habe und mir auch mal überlegen muss, wie ich die Handlung in bestimmte Gegebenheiten der Welt einpasse. Gerade diese Einschränkungen führen bei mir nämlich meistens zu den spannendsten Ideen.

Ich behaupte nicht, dass jeder vorher so detailliert seine Welt bebasteln muss. Aber wenn bei einem Fantasyroman die Welt nur genauso weit entwickelt ist, wie es für den Plot notwendig ist, merkt man das beim Lesen meistens. Einerseits hat man manchmal das, was Shay geschrieben hat - dass alles zu perfekt passt - und andererseits merkt man oft, dass die Welt überhaupt nicht greifbar wird, dass sie keine Tiefe zu haben scheint. Es gibt dann nur die Oberfläche - und darunter liegt nichts.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Thaumaturgon am 03. März 2011, 13:22:05
Ich für meinen Teil fülle meine Welt, bevor ich eine Geschichte darin erzähle. Obwohl ich glaube, dass sehr gute Autoren auch "on the run" entwickeln können, empfinde ich es als häufigstes und gravierendstes Merkmal schlechter und sehr schlechter Fantasy-Romane, dass man ihnen eben allzu deutlich anmerkt, dass sie on the run geschrieben wurden. Es werden nach akutem Bedarf für die Szene riesige Dinge hinzuerfunden, die, wenn es sie vor dem Augenblick schon gegeben hätten, eine völlig andere Welt ausgemacht hätten. So etwas führt praktisch immer zu mittelschweren bis eklatanten Widersprüchen.

Dieses Schreiben-während-des-Schreibens sehe ich als die Hauptquelle für diesen Ozean aus schmerzhaft schlechten Fantasy-Romanen. Einen guten Roman zu schreiben, heißt eben auch, ein Handwerk auszuüben und zu ARBEITEN. Dazu gehört eben, sich Gedanken zu machen, und nicht nur, nacheinander Szenen niederzuschreiben, die in der eigenen Fantasie aufgetaucht sind und einen großen emotionalen Aufruhr verursacht haben.

Aber das ist ja nur meine Sichtweise.  :)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Atischara am 13. März 2011, 20:07:22
Ich habe ja nicht wirklich viel Erfahrung beim Weltenbau, aber mir scheint, daß diese Frage einen direkten Bezug zu der Frage hat, ob man erst plottet und dann schreibt oder beim Schreiben die Geschichte entwickelt.

Natürlich wirkt eine Welt viel echter, wenn sie mit vielen Details gründlich entworfen ist, genauso, wie ein Plot sicher auf Anhieb am besten funktioniert, wenn man ihn vorher detailliert geplant hat. Aber es gibt eben unterschiedliche Arbeitsweisen. Wer weniger plant, muß eben mehr überarbeiten.

Mir gefällt es zum Beispiel, wenn sich beim Schreiben die Figuren selbständig machen und plötzlich ganz neue Probleme auftauchen, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Entsprechend können sich dabei andere Anforderungen an die Landschaft ergeben, oder es entstehen plötzlich kulturelle Details, von denen man vorher noch gar nicht wußte, daß man sie brauchen wird. Und dann, wenn ich etwas wissen muß, recherchiere ich es. Wenn ich mir vornehme, gleich von Anfang an alles Nötige zu recherchieren, dann weiß ich gar nicht, was ich überhaupt brauche und wo ich anfangen soll - nach meiner Erfahrung führt das entweder zur zeitintensiven Anhäufung von Material, das man dann doch nie wirklich zur Kenntnis nimmt, oder dazu, daß man die Idee überhaupt aufgibt, weil man den Anfang nicht findet oder einsieht, daß die verfügbare Zeit nicht reicht. Außerdem: Wenn ich versuche, Welt, Figuren und Plot komplett und detailliert vorher zu entwickeln, bekomme ich das Gefühl, daß es wie ein Gebäude ist: konstruiert. Ich will aber, daß die Welt und die Figuren lebendig sind und nicht wirken, als wären sie mir gerade vom Reißbrett gesprungen. Außerdem fällt mir frei schwebend grundsätzlich erstmal gar nichts ein - die besten Ideen ergeben sich bei mir tatsächlich während des Schreibens.

Das kann daran liegen, daß ich grundsätzlich schlecht im detaillierten Planen bin. Ich lege vorher nur die Grundlinien fest, und dann sehe ich weiter. Das ist sogar bei meiner Arbeit so, bei der ich ständig größere oder kleinere wissenschaftliche Texte schreiben muß: Die eigentlich zündenden Ideen und die endgültige Struktur ergeben sich (bei neuen Themen) erst bei der Arbeit und oft sogar erst beim Schreiben. Dann merke ich, welche Informationen ich noch brauche, was ich nachschlagen oder überprüfen muß. Wenn ich versuche, das alles vorher schon zu überdenken und zu planen, klappt es erstens NIE (ich muß IMMER korrigieren) und zweitens blockiert es mich auch noch. Ich jedenfalls kann so nicht zielgerichtet arbeiten. Deshalb visiere ich nur die Richtung und den ungefähren Weg an und gehe dann erstmal los. (So macht es mir übrigens auch bedeutend mehr Spaß, und das ist mir schon wichtig, weil ich daraus meine Energie ziehe.)

Deshalb meine ich auch, daß es nicht zwingend zu weniger lebendigen oder schlecht ausgearbeiteten Welten oder logischen Brüchen kommen muß, wenn man "beim Schreiben schreibt". Es führt nur zu einem größeren Aufwand HINTERHER, wenn man korrigieren und auffüllen muß. Diejenigen, die gut vorausplanen können oder das gerne machen, haben die Arbeit eben VORHER. Aber letztlich läuft es auf dasselbe heraus, wenn man die Arbeit nur ordentlich macht - an welcher Stelle im Arbeitsprozeß auch immer. Es sind einfach unterschiedliche Zugänge und Techniken. Und wie umfangreich die (bekannte bzw. in der Geschichte auftauchende) Welt ist, hängt ja, wie hier schon mehrfach angemerkt wurde, auch sehr vom Umfang des Buches ab - und davon, ob noch andere Geschichten in derselben Welt spielen. Dann ergibt sich so eine komplexe Welt ja vielleicht auch erst langsam Stück für Stück über Jahre hinweg.

Übrigens: So sehr ich die Autoren von Büchern bewundere, in denen sehr komplexe, echt wirkende Welten vorkommen, fallen mir doch auch bei denen immer wieder weiße Flecken auf. So geht, wenn ich das recht in Erinnerung habe, bei Tad Williams' "Geheimnis der drei großen Schwerter" die aktiv erinnerte Geschichte auch nur ein paar Jahrhunderte zurück, und Osten Ard hat nur eine sehr überschaubare Anzahl an Ländern und Kulturen -  verglichen mit unserer Welt zumindest, an die es doch sehr deutlich angelehnt ist. Also: Selbst wenn die Welt gut ausgearbeitet und vermutlich von langer Hand vorher geplant ist, ist ihre Komplexität oft genug auch nicht entfernt mit der unserer realen Welt vergleichbar, und das muß sie auch nicht. Wir lernen ja sowieso nur die Länder und Völker näher kennen, die in der Geschichte auch eine Rolle spielen. Warum soll man also einen kompletten Planeten detailliert entwerfen, wenn sich die Geschichte vielleicht nur in zwei oder drei Ländern abspielt? Man kann ja mit ein paar Hinweisen einen weiteren Horizont eröffnen.

Aber ehrlich: Ich finde es faszinierend, daß viele von euch offenbar eine komplette Welt einfach so aus dem Nichts planen können!  :jau:
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Thaumaturgon am 16. März 2011, 17:09:27
Es kommt eben darauf an, was einem wichtiger ist. Spaß beim Schreiben zu haben - oder dem Leser Spaß beim Lesen zu machen.

Man muss ja nicht alles bis ins Kleinste vorher festlegen; selbstredend sollen sich Szenen "natürlich" entwickeln. Gute Szenen haben aber einen dramaturgischen Unterbau, und auch gute Charaktere sind Charaktere, in denen Arbeit steckt, und zwar so viel Arbeit, dass es ganz leicht und selbstverständlich aussieht. Wie bei Zirkusartisten. Die hängen sich auch nicht einfach ans Trapez und lassen "die Dinge sich entwickeln".

Wir schreiben eben alle mit unterschiedlichen Mitteln und für unterschiedliche Ziele. Ist ja auch in Ordnung so :-)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Atischara am 16. März 2011, 23:58:15
@ Thaumaturgon: Eigentlich meinte ich mit meinem Statement gerade, daß sich eben kein schlechteres Endprodukt ergeben MUSS, nur weil man es anders hergestellt hat, um mal im handwerklichen Vokabular zu bleiben. Und daß in jedem Fall in einem guten Text auch jede Menge Arbeit steckt, von der man bei fiktionalen Texten wenig sieht (oder sehen sollte), ist wohl unstrittig. Was ich problematisch finde, ist lediglich, davon auszugehen, daß ein schlechteres Ergebnis dabei herauskommen muß, wenn man nicht die ganze Arbeit schon im Vorfeld erledigt hat. Du verweist auf Beispiele, an denen du mangelnde Vorarbeit bemerkst. Aber ganz offensichtlich haben sich die Autoren dieser Beispiele ja die Arbeit auch hinterher, beim Überarbeiten, (Um-)Strukturieren und Kürzen nicht gemacht. Ich glaube nur nicht, daß man an einem gelungenen Ergebnis automatisch ablesen kann, an welcher Stelle im Entstehungsprozeß die Arbeit aufgewandt worden ist, die natürlich immer erforderlich ist, um überhaupt ein gutes Ergebnis zu bekommen. Ich hatte einfach den Eindruck, daß du unterstellst, daß Romane grundsätzlich nicht gut werden, wenn man "beim Schreiben schreibt", und das glaube ich nicht - immer vorausgesetzt, man überarbeitet auch wirklich. Vielleicht habe ich das aber auch mißverstanden.

Und ich finde, beides ist sehr wichtig: der Spaß am Schreiben ebenso wie der Spaß, den der Leser beim Lesen haben soll. Ich glaube auch nicht, daß man das wirklich trennen kann. Denn daß man versucht, ein möglichst gutes Ergebnis zu produzieren, das auch beim Leser ankommt und seine Bedürfnisse erfüllt, ist doch Teil des Vergnügens am Schreiben, oder nicht? Wenn ich das Gefühl habe, es kommt Mist heraus, macht es mir jedenfalls keinen Spaß, einen Text zu schreiben (und das gilt auch für jeden längeren nicht-fiktionalen Text). Nur wenn ich den Eindruck habe, mein Text hat das Potential, gut oder sogar sehr gut zu werden, habe ich Vergnügen dabei, ihn zu schreiben. So gesehen, ist das kein Gegensatz. Aber ich gebe zu, daß mir persönlich erstmal am wichtigsten ist, daß es mir Spaß macht (auch bei dem, was ich beruflich schreibe), sonst habe ich nämlich keine Lust darauf und mache es dann entweder schlecht oder gar nicht. Der schmerzhafte Teil mit der wenig spaßigen Arbeit (Straffen, besser Strukturieren, Stringenz überprüfen, Lücken schließen) kommt bei mir immer hinterher. Selbstverständlich sind Texte immer für Leser geschrieben. Aber ebenso selbstverständlich schreibt man Texte nur dann gut, wenn man es gern tut und Spaß dabei hat. Warum sollte man es sonst tun? Schreiben bindet ja den ganzen Menschen und die volle Konzentration ein. So einen Einsatz werfe ich doch nicht weg an etwas, was mir keinen oder nur mäßigen Spaß macht. Soweit geht mein Altruismus jedenfalls nicht. Und ich finde, soweit sollte er auch nicht gehen, denn niemand sollte seine Zeit anderen zuliebe mit etwas verbringen, was ihm nicht wirklich viel Spaß macht (oder sagen wir: Vergnügen bereitet, um mal von dem oberflächlichen Spaßbegriff wegzukommen).  ;)

Aber ich glaube, jetzt bewege ich mich ein bißchen weit vom ursprünglichen Thema weg, zumal hier wahrscheinlich niemand schreibt, ohne Spaß daran zu haben.  :) Also höre jetzt mal auf.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 17. März 2011, 09:38:47
Ich kann mich Atischara nur anschließen: im Vorhinein ausgiebig zu planen, ist genausowenig eine Garantie für das Gelingen eines Projekts, wie "einfach drauflosschreiben" das Mißlingen vorprogrammiert.

Ich habe das bei meinen letzten beiden Projekten selbst gemerkt. Das vorletzte war durchgeplant, strukturiert, mit einem Weltenbau, den ich als Quellenband für ein Rollenspiel hätte herausgeben können. Die Charaktere waren sorgfältig konstruiert, der Plot genau choreographiert.

Das Ergebnis war so steril, daß ich das Projekt nach zwei Dritteln abgebrochen habe. Irgendwann kam ich an dem Punkt an, wo ich mich fragte: "Wer will das eigentlich lesen? Ich nicht."

Bei meinem letzten Projekt habe ich einfach aus einer Laune heraus drauflosgeschrieben. Ich hatte an dem Tag noch nicht mal vor, ein Projekt zu starten, geschweige denn eine Romantrilogie zu über 1500 Normseiten. Aber genau das ist dabei rausgekommen. In die Charaktere hatte ich (zumindest bewußt) überhaupt keine Mühe investiert, und sie standen plötzlich vor mir, lebten und atmeten und versprühten eine Leidenschaft, die mich einfach überwältigte. Als ich mit dem Schreiben anfing, wußte ich nur wenig über meinen Antagonisten und noch weniger über die Welt, in der das Ganze spielte. Irgendwann nach Kapitel 3 von Band 1 habe ich dann etwas Grund reingebracht, das Ganze noch mal durchgeplant und das bisherige Geschriebene überarbeitet, daß es mit der Welt, soweit ich sie bis dahin kannte, stimmig war.

Diese Arbeitsweise zog sich durch das ganze Projekt: ein paar Kapitel erst mal drauflosschreiben, dann überarbeiten. Dann wieder drauflosschreiben, dann überarbeiten. Die Welt entstand, während ich sie mit meinen Charakteren bereiste. Und ich könnte im Nachhinein Sachbücher über Aufbau und Geschichte dieser Welt füllen, so stimmig und plastisch ist sie geworden.

Daß es so funktioniert hat, lag sicher auch daran, daß ich mich vorher (für meine Rollenspielrunde) jahrelang sehr ausgiebig mit dem Mittelalter befaßt und über diverse Dinge recherchiert habe und geistig einfach im Thema "ganz tief drin war". So gesehen habe ich Vorarbeit geleistet, ja. Aber es war nicht das bewußte Konstruieren dieser Welt, dieser Charaktere und dieses Plots.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: zDatze am 17. März 2011, 09:55:26
ZitatIch kann mich Atischara nur anschließen: im Vorhinein ausgiebig zu planen, ist genausowenig eine Garantie für das Gelingen eines Projekts, wie "einfach drauflosschreiben" das Mißlingen vorprogrammiert.
/sign
Sehr schön zusammengefasst.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Moni am 17. März 2011, 21:30:40
Um mal auf die ursprüngliche Frage einzugehen, ob eine Welt so extrem ausgeklügelt sein muß, oder nicht:

Müssen  sicherlich nicht, aber ich habe zum Beispiel festgestellt, daß es für mich selbst wesentlich einfacher ist, wenn ich bei der Reise von Charakter nach Punkt A von Punkt B weiß, wie das Gebiet dazwischen aussieht. Dann kann ich während des Schreibens die entsprechende Landschaft mit all ihren Besonderheiten wesentlich glaubwürdiger in die Geschichte einflechten, als es der Fall ist, wenn ich on the fly Landschaftsbau betreibe.
Genau das Problem hat mir mein NaNoRoman von 2007 bereitet. Ich hatte eine grobe Idee, die letztlich in einer Art Roadmovie für die Charaktere münden sollte. Nur leider bestand die Welt nur aus dem "Startgebiet". Ich wußte weder, wie der Rest der Welt aufgebaut war, noch welche Klimazonen sie hatte oder gar ob es geologische Besonderheiten gab. Das hat mir im NaNo das Genick gebrochen, ich mußte aufgeben, weil ich einfach mit der Geschichte ohne extensives Weltenbasteln nicht weiterkam. Mittlerweile habe ich mehr Ahnung von der Welt und auch wenn ich jetzt ein wenig improvisieren mußte, um überhaupt mal mit der eigentlichen Geschichte in Fahrt zu kommen, nehme ich mir einfach lieber die Zeit zum Weltenbau.
Mein Opus hat eine schon recht gut ausgearbeitete Welt, zumindest die Gebiete, die bisher benötigt wurden, habe ich in Notizen und mehr oder weniger umfangreichen Landkarten festgehalten. Das engt mich nicht ein, ich kann immer noch alles mögliche passieren lassen, aber jetzt muß ich mir neben dem Plot nicht noch die Umgebung neu überlegen, sondern kann nachschlagen, wie es in Gebiet XYZ aussieht.

Als Leser genieße ich es, ganz in eine fremde Welt eintauchen zu können und das gelingt mir eigentlich nur, wenn ich während des Lesens merke, daß der Autor da wirklich Herzblut reingesteckt hat. Darum bin ich immer noch ein glühender Verehrer Tolkiens und oft schaue ich mir einfach die Landkarten an und kann dann in Gedanken in die Geschichte springen, die  in diesem oder jenem Landstrich spielt.
Das ist meiner Meinung nach die Königsklasse des Weltenbaus: wenn der Leser deine Geschichten und deine Welt miteinander verbindet und ein Blick auf die Landkarte reicht, um ihn ohne das er es nachlesen muß in die Geschichte eintaucht.

Weder darf die Welt um ihrer selbst willen gebaut sein, noch darf sie reines Mittel zum Zweck für die Handlung sein. Eine stimmungsvolle Umgebung kann einer Geschichte genau den Kick geben, der sie zu etwas ganz besonderem macht.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Atischara am 17. März 2011, 23:49:43
@ Farean: Ganz ähnlich, wie du das beschreibst, sieht meine Arbeitsweise im Moment auch aus: Schreiben, Nachfassen (ein paar Dinge besser durchdenken, Fehler korrigieren, etwas recherchieren), wieder Schreiben und wieder Nachfassen. Diesen Monat ist Schreiben dran, aber nebenbei habe ich auch das Magiesystem konkretisiert, woraus sich ergibt, welche früheren Passagen wie überarbeitet werden müssen. Im April will ich dann erstmal ein paar grundsätzliche Dinge im Plot zurechtrücken und auch etwas mehr recherchieren und planen. Im Mai soll es dann wieder eine größere Schreibaktion geben...
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 19. Juni 2012, 22:44:27
Als unlogisch empfinde ich beispielsweise, wenn städtische und dörfliche Strukturen sich so seltsam miteinander vermischen. Also der Prota oder Nebencharakter beispielsweise einen ganz bestimmten Beruf hat (--> Spezialisierung im technologischen oder künstlerischen Sinne), anderseits jedoch alles so rückständig und einfach wirkt (ein Setting nach dem Motto: Strohhütten mit zugigen Wänden und Fertigung für Hausbedarf), dass man sich fragt, wie das zusammen passt.

Oder aber wenn ein ordentliches Berufsheer dem König zur Verfügung steht (im Extremfalle wurde es schon in vorhergehenden Kriegen dezimiert und erneut aufgefüllt) und dabei jedoch vollkommen unklar ist, wie die Bevölkerung das mengenmäßig leisten kann und wie das Ganze finanziert wird.


Ich habe zwar auch eine Checkliste, die ich abarbeite. Zuerst entwickelt ich jedoch aus dem Plotplan ausgehend alles, was ich brauche, da es teilweise meinen groben Plotplan beeinflusst.

Was mir aber sehr wichtig ist: nachdem alle notwenigen Details geklärt und ausgeschmückt sind, streue ich immer wieder mal kleine "überflüssige" Details im Nebensatz ein, die Größeres andeuten. Über Aberglauben, Sprichwörter oder lokale Feste/Traditionen wird dann eine gewachsene Kultur suggeriert. Das Ganze dient jedoch nur der "Unterfütterung" der Welt und ist nicht immer wirklich ausgearbeitet (weil es z.B. ein Einzelroman in diesem Land/zu dieser Zeit ist und der Platz nicht reicht, da auch noch drauf einzugehen).

Bei Ländern, die immer mal wieder erwähnt werden, verselbstständigt sich das Ganze gerne mal. Einige Details der Kultur entwickeln sich so teilweise über Jahre und beiläufig. Über eine mythologische Wesenheit habe ich mal 2 Sätze notiert (zur Vervollständigung meines Götterpantheons), daraus wurde irgendwann mal eine ganze Kurzgeschichte geschaffen, in der Helden dem Wesen begegnen.

Andere Dinge wiederum werden von Lesern wohlwollend erwähnt und nachgefragt - die waren aber nur "angedeuteter Füllstoff" ^^
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Dämmerungshexe am 20. Juni 2012, 12:54:01
Ich gehe da verschiedentlich vor, je nachdem wie es die Geschichte erfordert:

- bei "Cardigan" geht es schließlich und endlich um die Welt an sich, und es gibt sehr viele "fremde" (nicht menschliche) Völker, deren Kulturen für den Plot von Bedeutung sind - da ist es wichtiger schon vorn vorneherein zu wissen wie alles funktioniert.

- bei "Das flammende Schwert" stehen die Charaktere und ihre Geschichte im Vordergund - die Welt drum herum hat noch nicht einmal wirklich einen Namen - an sich ist es eine 08/15-Fantasy-Welt (Berge, Wälder, Städte, Elfen, Zwerge, Menschen ...) und ich erweitere und verändere dieses Grundkonzept immer dann wenn es nötig wird.
Diese Methode funktioniert vor allem wenn die Erzählung nicht zu ausschweifend ist - im Moment, da ich den zweiten und dritten Teil aufzubauen versuche, merke ich, dass mir Details und Zusammenhänge fehlen und dass ich da noch einiges dran machen muss.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Atischara am 20. Juni 2012, 16:45:00
@ Fianna: Ja, logische Brüche sind nicht gut. Allerdings frage ich mich gerade, in wie vielen Büchern mir klar geworden ist, woher die Soldaten kommen und wie sie bezahlt werden - von großen Mehrteilern mal abgesehen, wo solche Informationen meistens irgendwann irgendwo auftauchen.... :hmmm:
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 20. Juni 2012, 17:07:44
Zitat von: Atischara am 20. Juni 2012, 16:45:00
@ Fianna: Ja, logische Brüche sind nicht gut. Allerdings frage ich mich gerade, in wie vielen Büchern mir klar geworden ist, woher die Soldaten kommen und wie sie bezahlt werden - von großen Mehrteilern mal abgesehen, wo solche Informationen meistens irgendwann irgendwo auftauchen.... :hmmm:
Da hast Du mich etwas falsch verstanden oder ich habe mich schlecht ausgedrückt. Ähems, das falsch verstanden wurde stark begünstigt vom zweiten, wie mir auffällt ^^
Ich hatte im Kopf (das habe ich aber nicht mehr geschrieben), dass teilweise Informationen gegeben werden über den "Reichtum" des Landes oder angedachte Heirat mit Nachbar-Prinzessin wegen Geldmangel etc. Wenn in solche Informationsbrocken dann noch ein schickes Heer gestellt wird, evt erneut aufgefüllt, das ist einfach unlogisch. Stehende Heere unterhalten ist sowieso ohne Ende teuer.

Oder was mir auch mal auffiel: bei Städten fehlt häufig die Versorgung. Also man kommt zur Stadt und ist auf einmal drin, in der Stadt wohnen x Menschen, und es gibt nirgendwo außerhalb der Stadt Felder etc. Die waren nicht wichtig und wurden vom Autor nicht erdacht. Sie sind aber immanent für das Funktionieren der Welt, für die Vesorgung einer Stadt.


Mir fehlen gerade gute Beispiele weil ich nicht mehr soviel Beta lese bzw. die falschen Genre  :D Früher habe ich auf einer Plattform viel betagelesen, dazu fehlt mir jetzt aber die Zeit. Das ist nämlich eine Plattform mit so schöner ebook-Darstellung, einige Leute wollten dieses Feedback gar nicht haben und haben dann einfach gelöscht. Oder aber sie waren dankbar über das Feedback, haben den Text weggenommen und ich hab nie wieder gehört, was draus geworden wurde. Also, ich will ja gar nicht mal den Text nochml lesen und mich freuen, dass meine Kritik berücksichtigt wurde. Mir hätte schon gereicht ein "Danke Fianna für Deine Mühe, ich habs überarbeitet, sind inzwischen x Word-Seiten" (dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass hier in meinem Beispiel nix steht bez. Fiannas Kritik umsetzen und einfach allgemein für die Mühe gedankt wird  ;)) - nada - einfach auf Nimmer Wiedersehen verschwunden. Da hatte ich dann auch keine Lust mehr, mir diese Mühe zu machen.
Ich lese nur noch Freunde bzw. auf Anfrage beta.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Atischara am 20. Juni 2012, 17:56:40
Ah, ok, jetzt ist es mir klar geworden.  :)

Das mit den Städten ohne Versorgung ist eigentlich erstaunlich, denn wenn man Romane liest, entsteht doch so ein Eindruck, wie die Versorgung einer Stadt früher mal funktioniert hat. Ich dachte immer, das macht man schon intuitiv richtig. Aber ich lese auch oft historische Romane. Kann also sein, daß ich die Intuition von dort habe. Vielleicht ist das ein Phänomen bei modernen Stadtbewohnern: Da ist einem nicht mehr so klar, woher die Versorgung kommt, denn sie ist einfach da. Also macht man sich dann beim Schreiben auch keine Gedanken darum.

Am sichersten finde ich es wegen dieser Probleme ja immer noch, sich an unserer Wirklichkeit zu orientieren und dann die (aktuelle oder historische) Infrastruktur an die eigene Welt anzupassen. Letztes Jahr hatte ich aber ganz schön viel zu tun, weil ich meine Welt auf den Kopf gestellt habe (irgendwie fand ich es immer unoriginell, daß Fantasywelten meistens im Norden kalt und im Süden warm sind, also habe ich das mal umgedreht). Daraus hat sich ergeben, daß ich erstmal recherchieren mußte, wo dann welche Vegetation möglich ist und wie Gebirgsketten und Flüsse verlaufen können, vor allem aber, auf welcher Seite eines Gebirges es Wald geben kann etc. Da steht einem die eingschliffene Nord-Süd-Denkgewohnheit dann doch im Weg. Hätte man natürlich einfacher haben können...
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 20. Juni 2012, 18:03:45
Ich finde auch, Historische Romane und High Fantasy/Low Fantasy/Heroic Fantasy/Sword and Sorcery haben durchaus vieles gemeinsam.

Wenn man eine Welt erfindet, muss man ja auch durchaus einiges recherchieren, und eine gute Antwort auf Fragen bietet oft die Geschichte. Es gibt nichts nicht-magisches, was nicht schon in 300.000 Jahren irgendwann mal irgendwo auf diesem Planeten da war oder entwickelt wurde.
Und auch bei Magie/Dämonen gibt es oft genug Mythen und Sagen, die ähnlichen Prinzipien folgen (auch abstraktere Sachen wie Magiekonzepte).

Wenn ich das Gefühl habe, bei mir passt etwas nicht zusammen oder ich habe ein unlösbares Problem, habe ich früher immer gezielt nach Epochen und Ländern geschaut, in denen diese Elemente vorkamen, und habe mir "angelesen", was dafür im Schnitt für Grundbedingungen vorhanden sein müssen.
Und dann eben entsprechend in meiner Welt modifiziert, dass es stimmig ist.

Ich finde es immer befremdlich, wenn Leute sagen "Bei Fantasy braucht man keine Recherche".
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Felsol am 04. Juli 2012, 15:05:50
Es ist tatsächlich so, dass es auf die jeweilige Geschichte ankommt. Wenn sie wirklich ausnahmslos in einem Teil der Welt angesiedelt ist, der nie und unter keinen Umständen irgendetwas mit anderen Teilen der Welt zu tun hat (z.B. eine Geschichte, bei der sich der oder die "Helden" nur in einem begrenzten "Raum" bewegen).

Trotzdem ist der Vorteil, auch über den Rest der Welt Bescheid zu wissen, immens, weil auch Einflüsse von anderen Ländern, Reichen, Kontinenten durchaus Einfluss auf das Geschehen in dem Raum, in dem sich die Helden bewegen, nehmen kann und in vielen Fällen sogar sollte.

Trotzdem MUSS man natürlich nicht jede Kleinigkeit wissen, aber grundlegende Dinge sollten schon bekannt sein.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 04. Juli 2012, 15:11:51
Zitat von: Fianna am 20. Juni 2012, 18:03:45
Ich finde es immer befremdlich, wenn Leute sagen "Bei Fantasy braucht man keine Recherche".
Wer sagt das denn?
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Zit am 04. Juli 2012, 15:22:57
N00bs oder Leute, die sich nicht wirklich tiefgehend mit Fantasy und im speziellen High Fantasy auseinander gesetzt haben.
Guck mal im DSFo, da tauchen regelmäßig Leute auf, die meinen, Fantasy zu schreiben, weil sie nix recherchieren brauchen und sich alles so (willkürlich) drehen können, wie es ihnen passt. Dort gibts auch so einen Thread Warum Fantasy? (http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=9639&postdays=0&postorder=asc&start=0) Da prallt alles aufeinander, was es so an Meinungen gibt. Erschreckend, zum Teil.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 04. Juli 2012, 15:37:45
Das! Tut! Weh! :wums:


Naja, es gibt genug "Historien"autoren, die auch nicht besser sind... ::)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Tanja am 04. Juli 2012, 19:32:08
Ich muss sagen, ich bin doch eher perfektionistisch, was den Weltenbau angeht. Bei mir muss nicht nur die Welt an sich logisch sein, sondern auch alles darin. Es regtmich z.B. jedes Mal total auf, wenn es in Romanen eine 100 jährige Geschichte des Landes gibt, in der augenscheinlich keinerlei technischer (oder magischer) Fortschritt gemacht wurde und sich nie die Gesellschaftsform geändert hat.

Ich überlege mir bei meinen Welten folgende Punkte:

- Wissenschaft und Technologie
- Kultur und Ethnologie
- Ökosysteme
- geologische Gegebenheit
- Einfluß der Umwelt auf die dort lebenden Menschen
- Magie (falls vorhanden) : Herkunft, Funktion, Grenzen
- Politische Systeme
- Stellung der einzelnen Länder zueinander
- Religionen

Das alles muss nicht für jede Geschichte bis ins kleinste Detail ausgefeilt sein, jede Story hat einen anderen Schwerpunkt, aber es muss logisch sein.
Ich recherchiere dafür übrigens gerne in Büchern, die geschichtliche, politische, kulturelle oder ökologische Zusammenhänge behandeln.
Wußtet ihr z.B., dass es bei der Entstehung der Landwirtschaft und der Domestikation der Kulturpflanzen unter anderem darauf ankommt, wie der Kontinent zur Erdachse liegt? Also, eher Nord-Süd-Ausrichtung (Afrika, verschiedene klimazonen) oder Ost-West (Eurasien, viele ähnliche Klimazonen)?
Das wiederum hat Einfluss auf die Entwicklung einzelner Völker und deren Kultur. Ich liebe solche Details  :vibes:

Grüße
Tanja
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 06. Juli 2012, 00:52:11
Zitat von: Farean am 04. Juli 2012, 15:11:51
Wer sagt das denn?
In jedem Forum, auch in diesem, sehe ich immer wieder mal Beiträge, die sagen, dass sie deswegen Fantasy schreiben.
Wenn da nur steht "... keine Recherche", weiß man ja nicht, ob die Leute sich nicht wirklich viel Gedanken um ihre Welt machen und es einfach genießen, dass sie keine Daten etc beachten müssen, sondern selbst schaffen. Nicht jedes Mal ist es so wie Zitkalasa schrieb.

Aber da sich mit diesen Usern häufig in Diskussionen eben die "Keine Recherche- keine Überlegungen - alles was ich will"-Einstellung abzeichnete, setze ich das inzwischen mit einem knappen "Schön, keine Recherche" gleich.

Ein paar Dinge, die mit allen Ländern zu tun haben, habe ich mir grundlegend für meine Welt ausgedacht, außerdem gibt es einen historischen Hintergrund, der begründet, warum die Länder so aufgeteilt/beherrscht werden, ein Hintergrund der länderübergreifend ist. (Diese paar Skriptsätze in meinen Hintergrund-Ordnern würden schon Möglichkeit für 2 High Fantasy Romane geben  ;D doch es war mir zu klassisch, von den riesigen Machtbestrebungen eines einzelnen Landes oder einer Gruppe zu beschreiben, und deswegen erzähle ich lieber in der Weltordnung, die danach entstanden ist.)

Ansonsten mache ich immer das, was ich brauche. Bei Kurzgeschichten in nicht ausgedachten oder fremden Ländern wird nur das erfunden, was gebraucht wird, aber ich täusche gerne vor, dass es links und rechts von der Straße/Stadt/Land noch etwas gibt. Ich lasse auch gerne kleine Details einfließen, so dass der Leser den Eindruck hat, dass da eine gewachsene Kultur hintersteht, dabei existiert praktisch nur das, was in der KG vorkommt.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 06. Juli 2012, 08:07:13
Zitat von: Fianna am 06. Juli 2012, 00:52:11
"Keine Recherche- keine Überlegungen - alles was ich will"
Naja, in letzter Konsequenz: warum nicht? Wie gesagt, diese Geisteshaltung kommt mir auch von manchen Historienautoren bekannt vor. ::) Was die Fantasy betrifft, nicht jeder ist ein Michael Ende, der es schafft, ein pures Phantasien wahrhaftig mit Leben zu füllen. Natürlich soll es jeder gern versuchen ;), aber ich persönlich ziehe es doch vor, in meine Szenarien erst mal Grund reinzubringen. Außerdem fördert Recherche manchmal Dinge zutage, die mir in meiner kühnsten Phantasie nie eingefallen wären. Ich hätte z.B. nie gedacht, was für einen spannenden Handlungsrahmen für eine Flußreise ein Floß abgeben kann.

Zitat von: Fianna am 06. Juli 2012, 00:52:11
Ein paar Dinge, die mit allen Ländern zu tun haben, habe ich mir grundlegend für meine Welt ausgedacht, außerdem gibt es einen historischen Hintergrund, der begründet, warum die Länder so aufgeteilt/beherrscht werden, ein Hintergrund der länderübergreifend ist.
Du plazierst deine Geschichten alle in derselben Welt?

Zitat von: Fianna am 06. Juli 2012, 00:52:11
Ansonsten mache ich immer das, was ich brauche. Bei Kurzgeschichten in nicht ausgedachten oder fremden Ländern wird nur das erfunden, was gebraucht wird, aber ich täusche gerne vor, dass es links und rechts von der Straße/Stadt/Land noch etwas gibt. Ich lasse auch gerne kleine Details einfließen, so dass der Leser den Eindruck hat, dass da eine gewachsene Kultur hintersteht, dabei existiert praktisch nur das, was in der KG vorkommt.
:hmmm: Wenn ich's recht bedenke, mache ich es auch in meinen Romanen genauso. Ich arbeite mich vorher gründlich ins "Feeling" der Welt ein, um unterwegs gut und stimmig improvisieren zu können, aber eine genaue Ausarbeitung der Geographie und der einzelnen Länder im Vorfeld betreibe ich eigentlich nur fürs Rollenspiel. Beim Romaneschreiben lasse ich zu Anfang den größten Teil der Landkarte weiß.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Snöblumma am 06. Juli 2012, 08:19:25
Zitat von: Fianna am 06. Juli 2012, 00:52:11
Ansonsten mache ich immer das, was ich brauche. Bei Kurzgeschichten in nicht ausgedachten oder fremden Ländern wird nur das erfunden, was gebraucht wird, aber ich täusche gerne vor, dass es links und rechts von der Straße/Stadt/Land noch etwas gibt. Ich lasse auch gerne kleine Details einfließen, so dass der Leser den Eindruck hat, dass da eine gewachsene Kultur hintersteht, dabei existiert praktisch nur das, was in der KG vorkommt.

Dito. Bei Romanen allerdings baue ich mehr Welt, auch im Vornherein. Ich plane zwar nicht alles, aber wenigstens die klimatischen Bedingungen, die Stadt-/Land-Verteilung und die Wirtschaftsstruktur müssen grundsätzlich stehen, ehe ich das Schreiben anfange. Was ich qua Studium immer bauen muss, und zwar schon fast zwanghaft, ist ein Rechts- und Herrschaftssystem. Ich brauche eine Verfassung in irgendeiner Form, ehe ich anfangen kann, zu schreiben. Erbrechtliche Vorgänge müssen mir klar sein (Konfliktpotenzial  ;) ), Eigentumsverhältnisse will ich kennen, und familienrechtliche Strukturen. Ohne das kann ich nicht anfangen. Klar braucht man mal mehr, mal weniger davon für die konkrete Geschichte, aber ich will wissen, wieso all diese Figuren genau dort auftauchen, wo sie sich in die Geschichte schmuggeln.

Zum Thema "keine Recherche, weil es Fantasy ist": Nope. Recherche ist es genauso viel. Ich finde nur, das Schöne an Fantasy ist, dass ich es eben nicht genauso machen muss wie in der realen Welt. Wenn in der realen Welt das Erbrecht der Frau in vielen Kulturen nicht anerkannt ist/war, heißt das ja nicht, dass das in meiner Welt auch so sein muss. Wenn sich hier die Geschichte aus irgendwelchen Gründen so entwickelt hat, kann sie sich ausgehend von denselben Faktoren in meiner Welt ganz anders entwickeln. Um damit umgehen zu können, muss man m.E. aber wissen, welche Faktoren an welchen Stellen der realen Welt für die Verhältnisse mitbestimmend waren - einfach, um an den richtigen Stellschrauben zu drehen. Sonst endet man am Ende mit einem Land inmitten der Wüste, das sich aus ominösen Gründen voll selbst versorgen kann und nie Wassermangel hat. Und löst das dann durch Magie.  ::) Ohne dass es negative Rückkopplungen auf irgendetwas anderes gibt... ne, so etwas kann ich gar nicht ab.

Was mir persönlich auch immer wichtig ist: Das Wirtschaftssystem muss stimmen. Ich muss erklären können, wieso es beispielsweise ein Reichtumsgefälle zwischen einzelnen Ländern gibt. Wieso ein Herrscher sich ein stehendes Heer leisten kann, der andere aber nicht. Wieso es gelingt, das Volk zu unterdrücken, und wieso keiner aus dem Volk auf die Idee kam, aufzumucken.

Wo ich selbst immer schlampere, ist das Religionssystem. Ich habe sowieso wenig Magie in meinen Geschichten (bzw. nur sehr hintergründige), und Religion bisher eigentlich in keiner. Ab und  zu tauchen mal Tempel und Volksglauben auf, aber wirklich nur am Rande. Aber auch da habe ich mich mehr oder weniger bewusst dafür entschieden, da ich höhere Mächte und ähnliches schlicht und ergreifend nicht in meiner Welt haben wollte. Aber auch dafür gibt es Gründe, weltimmanent.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 06. Juli 2012, 08:41:37
Religion ist ebenso wie Ideologie ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor. In beiden Fällen können gute Anführer, allein auf der inneren Logik ihrer Weltvorstellung aufbauend, ein so schlüssiges Weltanschauungskonzept entwickeln, dass alleine das bereits herrlich viel Konfliktpotential bietet.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Snöblumma am 06. Juli 2012, 09:12:55
Ja, in der Tat, aber ich habe mich irgendwann bewusst dagegen entschieden, mit diesem Machtfaktor zu spielen. Ideologien, ja, aber keine Religionen. Mir reichte das, was ich in der realen Welt an verrückten Fanatikern mitbekomme, das wollte ich mir nicht auch noch in meinen Geschichten antun ;).

Nein, im Ernst: Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mit fanatischen Religionen nicht viel anfangen kann, darum lasse ich diesen Faktor gerne schleifen. Und ich finde es reizvoll, zu ergründen, wie außer mit Religion sich Menschen manipulieren lassen. Da gibt es immer noch eine ganze Menge. Politische Ideologien können genauso fanatisch verfolgt werden, Ehrenkodizes, alte Bräuche, Zwiste zwischen Völkern... ach, es gibt so viel. Auch wenn ich dir Recht geben muss damit, dass Religion wirklich viel Konfliktpotenzial bietet. Dass ich es nicht nutze, liegt wirklich an mir. Ich mag Religion nicht nutzen, also lasse ich sie am Rande. Oder baue atheistische Welten... in denen die Menschen dann eben an ihre politischen Anführer glauben, an Grundüngsmythen der einzelnen Reiche oder an die Wissenschaft. Auch das bietet Spannungspotenzial.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 07. Juli 2012, 04:10:02
Zitat von: Snöblumma am 06. Juli 2012, 09:12:55
Ehrenkodizes, alte Bräuche, Zwiste zwischen Völkern...
Diese hängen aber oft an religiösen/mythologischen Dingen. Mythen sind die Art und Weise, in der Völker ihre Vergangenheit verarbeiten. Der Minotaurus, gegen den Theseus, kämpft, ist evt eine alte Erinnerung an die mionische Vorherrschaft, die endete. Die Sagen um Remus und Romulus (und ihre Kämpfe/Mord) hängt mit der Koexistenz/Vorherrschaft von Römern und Etruskern zusammen.

Schade, dass Du es bewusst ablehnst. Ich dachte schon, wir könnten religiösen/mythischen gegen juristischen Input tauschen  :D

Zitat von: Farean am 06. Juli 2012, 08:07:13
Du plazierst deine Geschichten alle in derselben Welt?
Oja. Zuerst war es Zufall, dann bewusste Entscheidung.
Ich finde das sehr schön, denn bei vielen Büchern führt die erfundene (stimmige) Welt bei näherer Betrachtung auf genau einen Konflikt zu, nämlich den des Buches. (Bzw. DIE, bei einem komplexen Buch sind es ja schonmal 2-3). Das ist ein so unausweichlicher Prozess, für den allein diese Welt existiert - das finde ich sehr schade. Welten/Kulturen können soviel komplexer sein - und man kann dennoch einen Plot straight auf sein Ende zuführen (ohne den Zufall zu bemühen), obwohl die Welt nicht so explizit auf genau diesen einen Konflikt ausgerichtet ist.
Das kann sogar dramatischer und tragischer sein, da der Plot nicht unausweichlich ist, sondern sich erst durch bewusste Entscheidung (oder Täuschung und daraufhinführendes Handeln) eines Protagonisten entwickelt.

Ich finde es immer schade wenn DER Plot in einem Land geschieht, und die anderen Länder existieren nur als Mitläufer, Raus-Halter oder Gegner, nicht um ihrer selbst willen.
Da ich kein High Fantasy schreibe, fand ich es nur stimmig , dass (nicht unbedingt ganz genau) ZEITGLEICH in verschiedenen Ländern unterschiedliche dramatische Dinge (=Plots zu Romanen) passieren können.

Außerdem fand ich es sehr interessant, wie Länder mit einem ursprünglich gemeinsamen Hintergrund sich auseinander entwickelt haben.
Wie sich die Realitäten von Menschen unterschiedlicher Kulturen unterscheiden (beispielsweise, wie Menschen & Fantasyvölker in einigen Ländern koexistieren, in einem anderen dagegen von der Allgemeinheit als erfunden angesehen werden, da sie sich verborgen halten. Oder wie sie als Götter/Dämonen angesehen werden, und man sich für ihr Erscheinen eine Erklärung einfallen lässt --> Mythos. Bei letzterem habe ich selbst erfundene Wesen genommen.)
Diese Überlegungen sind bei KGs oder Romanprojekten oder Ländern in den Hintergrund mit eingegangen.

Ich brauchte bei der Entwicklung meiner Welt Begründungen für Grenzen, die x Jahrhunderte gehalten haben.
Wenn da nicht gerade eine riesige geographische Barriere ist, wirds teilweise schwierig: Angenommen, ein Land hatte in der Vergangenheit strukturelle Schwächen (Grundlage für Gegebenheiten des Plots, damals kam es zu Dynastiewechsel oder sonstiges) , dann stellt sich mir als erstes die Frage: ja, WARUM gibt es das Land denn noch? Warum hat es diese im Hintergrund spielenden und im Plot nur kurz erwähnten Dinge überhaupt überlebt?
Es bietet sich doch geradezu an, dass das Nachbarland dort einfällt und sich vergrößert. Friedensbündnisse wurden schon in der Geschichte gerne gebrochen, Verträge und Moral werden unwichtig, wenn es um das eigene Wohl oder gar Überleben geht. (Ich habe sehr pragmatische Länder/Protagonisten, Verträge oder Moral zählen in Krisenzeiten nur, wenn da handfeste Vorteile drin stecken).
Sucht man neben hochmoralischen "Wir haben da wohl einen Friedensvertrag?  :buch: Och schade, dann eben nicht"-Begründungen jedoch eine andere logische Erklärung dafür - bilden diese Gründe sofort einen Teil der Hintergrundgeschichte des Kontinents. Ohne bewusstes Steuern hat sich dieser Wust an Einzel-Überlegungen und Begründungen zu einer sehr stimmigen Hintergrundgeschichte des Kontinents entwickelt.
Und das ist ein unerwartetes Geschenk, dass ich nicht zurückweisen möchte.

Ich habe nicht 30.000 Stunden da gesessen und mir den Kopf zerbrochen, und es auch nicht explizit so entwickelt. Es hat sich irgendwie über einige Jahre von alleine so entwickelt: Hier eine KG, die ich mal in das Land X pflanze (Plot/Konflikt erweitert nebenbei Geschichte/Kultur von dem Land bzw. dem Kontinent, oder ein Konzept von etwas wie Magie Ko-Existenz Menschen-"Fantasywesen" etc), hier ein Romanplot, den ich in jenes Land tue.
Dann mal 30 Minuten hinsetzen und überlegen: Was habe ich eigentlich für ein Militärkonzept? Natürlich schwankt es von Land zu Land, aber so eine grobe Linie sollte der Autor ja kennen, wenn ich reisende Helden habe. Es muss da irgendwie eine Überlegung geben, worauf sich das Erlangen von Positionen gründet: Nationalität? Gesellschaftliche Klasse? Läuft das über Abhängigkeitsverhältnisse/Empfehlungen von Dienstherrn, die wiederum adelige Kumpels sind, die sich alle untereinander "kennen"? Oder gibt es da unterschiedliche Ausbildungskonzepte, die einen quasi länderübergreifend für unterschiedliche Dinge "qualifizieren"? *entwickel* Mist, das sind irgendwie widerstreitende Dinge. Die können gar nicht dauerhaft nebeneinander existie... :o  :o :o Yeah. Es geht natürlich NICHT mal ebenso koexistierend, aber dieser Konflikt löst ein dickes fettes Plotproblem in der Hintergrund-Geschichte von Projekt E. Mit Kopfzerbrechen bin ich niemals diesem Problem beigekommen (weswegen es nach hinten geschoben und zu Projekt E wurde).
Anderes Beispiel für verzahnte Projekte: Ich musste in einem isolierten Land einen hochrangigen Elben verschwinden lassen, um ein Machtvakuum zu schaffen (Hintergrundgeschichte von Plot A). Der einzige stimmige Grund bestand darin, eine in einem anderen Plot wichtige elbische Tradition zu benutzen (Hauptgeschichte Plot D). Erst durch das Bejahen des parallelen Existerens in derselben Welt - die Elben in A & D haben einige Traditionen/Bräuche gleich, da sie auf demselben Kontinent leben - konnte ich dieses Plotproblem der Hintergrundgeschichte lösen.
Plot D setzt übrigens einen Umstand ins Zentrum, der in Plot E nur kurz als Fakt gezeigt wird.


Eigentlich KANN ich das alles gar nicht voneinander trennen. Und ich will es auch nicht trennen.
Ich glaube, es gibt sogar bei einigen Büchern (Ursula LeGuin?) verschiedene Plots in derselben Welt, die dann in unterschiedlichen Büchern unterschiedliche Aspekte einer Welt in unterschiedlichen Ländern beleuchten. Oder verwechsel ich da den Autor?


Wenn ich ganz großes Glück habe, schreibe ich am Markt vorbei oder doch etwas zu schlecht für eine Veröffentlichung, dann muss ich mir nie die Frage stellen, ob ich um einer Veröffentlichung willen ein Projekt hinauslöse und in eine Extra-Welt setze, weil es der Verlag so wünscht  :D Meine Schublade stört sich nicht an dem Konzept der gleichen Welt.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Snöblumma am 07. Juli 2012, 10:22:14
Zitat von: Fianna am 07. Juli 2012, 04:10:02
Diese hängen aber oft an religiösen/mythologischen Dingen. Mythen sind die Art und Weise, in der Völker ihre Vergangenheit verarbeiten. Der Minotaurus, gegen den Theseus, kämpft, ist evt eine alte Erinnerung an die mionische Vorherrschaft, die endete. Die Sagen um Remus und Romulus (und ihre Kämpfe/Mord) hängt mit der Koexistenz/Vorherrschaft von Römern und Etruskern zusammen.

Schade, dass Du es bewusst ablehnst. Ich dachte schon, wir könnten religiösen/mythischen gegen juristischen Input tauschen  :D

Oh, da habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt. Dass die meisten Mythen solche Hintergründe haben, weiß ich. In der Realität beschäftige ich mich auch sehr viel mit Religion und Co. Aber in meiner Fantasy-Welt habe ich mich bewusst dafür entscheiden, dass sie ca. 500 Jahre vor den aktuellen Geschehnissen aus diversen Gründen allen Glauben an Übersinnliches etc. verbannt haben ;).
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 07. Juli 2012, 10:44:42
Vielleicht kann ich ja mal was anderes gegen juristischen Input tauschen  ;)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Valaé am 10. Juli 2012, 19:07:21
Gerade erst rede ich mit einer anderen Zirklerin über meine Bedenken, alle meine Bücher in einer einzigen Welt spielen zu lassen und jetzt stolpere ich darüber, dass das Thema hier auch bequatscht wird  :vibes:. Erstmal möchte ich dir, Fianna mal kurz ganz lieben Dank sagen, da du mir mit deinen Begründungen und deinen Ausführungen ein wenig mehr Sicherheit zurückgegeben hast.
Bei mir ist es auch eher gewachsen, als dass ich das geplant hätte. Ich wollte High Fantasy schreiben, habe eine Welt gebastelt, sie hat sich verselbstständigt, der Plot der Geschichte ging den Bach runter und ich habe angefangen, eine andere Geschichte dort spielen zu lassen. Aus einer Geschichte wurden 3 und jede Geschichte brachte ein Hintergrundwissen, eine geschichtliche Begebenheit oder einen Nebencharakter hervor, der oder die wiederum so interessant war, dass er oder sie nach der nächsten Geschichte geschrien hat und so hat mich dann meine eigene Welt mitgenommen durch meine eigenen Geschichten.
Ich finde diese Art zu schreiben nach wie vor wunderbar und auch dem Argument, dass du nennst, Fianna, dass es damit auch eine Welt gibt, die nicht so auf ein Problem zugeschnitten wirkt, sondern x Probleme gleichzeitig passieren kann ich nur zustimmen. Auch das hat mich immer sehr fasziniert.
Natürlich ist diese Welt mittlerweile viel komplexer, als sie für ein einfaches Buch notwendig wäre, aber das liegt eben auch daran, dass mehrere Geschichten darin spielen. Ich habe auch keine Ahnung, ob in der Welt noch ein High Fantasy Plot funktionieren würde, aber das spielt im Moment auch keine Rolle, denn ich schreibe keine High Fantasy mehr.
Manchmal kommt man mit den ganzen Beeinflussungen allerdings auch schnell durcheinander oder muss eine Plotidee verwerfen, weil sie so nicht funktioniert, da es sich mit anderen Gegebenheiten beißt. Wobei, wie du selbst auch schon sagst, viele Dinge eher zu einem interessanten Konflikt führen und so alles wunderbar stimmig wirkt. Man muss als Autor dann eben nur die Konsequenz haben, sich an die Regeln der eigenen Welt zu halten. Manchmal vergesse ich beispielsweise Dinge, die ich mal festgelegt habe, das kann dann zu Ärger führen, aber da bin ich dann eben auch selbst dran schuld.

Bedenken hatte ich bei dieser Schreibweise damit, dass ich schon ganz gerne veröffentlichen würde und es mir absolute Bauchschmerzen bereitet, daran zu denken, auch nur eine meiner Geschichten aus diesem Geflecht lösen zu müssen ... einfach, weil es zusammengehört und weil die Geschichte in einer anderen Welt nicht mehr funktionieren würde.
Aber erst einmal bin ich erleichtert, dass ich nicht die Einzige bin, deren ganze Geschichten alle in einer Welt spielen und dauernd ineinander übergreifen. Das bekräftigt mich gerade etwas in dem Entschluss, dass ich damit einfach weitermachen sollte wenn es mir so viel Spaß macht, wie es das immer noch tut  ;).
Natürlich - um auf das ganz ursprüngliche Thema zurückzukommen - hat eine Welt, die nur für eine Geschichte gebraucht wird weit weniger komplex zu sein. Aber ich erfinde eigentlich auch jeweils nur das, was für die eigentliche Geschichte gerade so nötig ist.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 10. Juli 2012, 20:50:37
@Fianna, @Valaé: Also, ohne jetzt ausführlich auf alles zum Thema "alles in einer Welt" eingehen zu wollen, ich habe nur aus reiner Neugier gefragt, nicht weil ich es für "besser" oder "schlechter" halte, für jedes Projekt eine neue Welt auszuarbeiten. ;)

Weltenbau gehört zu meinen großen Leidenschaften, und wir stimmen, glaube ich, alle in dem Anspruch überein, daß kein Land "nur um eines Plots willen" existieren darf. Auch bei mir muß jedes Land, das meine Helden bereisen, eine eigene Geschichte und Kultur haben; und auch wenn es zehnmal die "Antagonisten-Nation" ist, natürlich sehen sich bei Konflikten die Einwohner selbst immer im Recht.

Bei mir ist es nur so, daß ich mich auf Dauer gar nicht mit einer einzigen Welt zufriedengeben kann. Ich habe immer wieder mal unterschiedliche Flairs im Kopf, die gar nicht alle auf eine Welt passen... es sei denn in geographisch so weit auseinanderliegenden Regionen, daß man sie getrost als unterschiedliche Welten behandeln kann, z.B. wie das Karolingerreich und die Maya.

In solchen Fällen lege ich allerdings auch gar keinen Wert darauf, daß diese "Flairs" miteinander in Interaktion treten könnten. Wenn ich ein hochmittelalterliches Setting plane und für ein anderes Projekt eher ein "Conan-Style-Barbaren"-Setting, dann möchte ich diese beiden Settings unabhängig voneinander nutzen und mir nicht Gedanken darum machen, was passiert, wenn sie sich eines Tages doch mischen. Davon abgesehen habe ich einfach viel zu viel Spaß daran, mir neue Landkarten auszudenken, als daß ich damit zufrieden wäre, für den Rest meines Lebens immer wieder dieselbe Weltkarte zu benutzen. ;)

Wie gesagt: dies soll kein Plädoyer dafür sein, immer wieder eine neue Welt zu erfinden, sei "besser". Es kommt halt nur meinen Interessen stärker entgegen.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 10. Juli 2012, 21:43:27
Oh, auch in einer Welt kann es so unterschiedliche Flairs geben  ;) SEHR unterschiedliche.  ;D

Aber ich verstehe was Du meinst. Ich habe kürzlich eine KG verschickt (*quiek!* Das ist so toll, ich will da rein  :o ), die einfach absolut nicht in meinen Kontinent passte. Aber das Magie-Konzept ist dasselbe.
Zack! wurde es auf dem Nachbarkontinent plaziert (in meinem Geiste, ich habe es in der KG nicht benannt).

Und meine üblichen "Ich täusche eine existierende Welt vor"-Hintergrund-Fakten dieser KG sind eigentlich so interessant - da könnte man eigene Plots mit machen, neue Länder erfinden.

Fremde Kontinente sind ohnehin mehrfach Thema in meinen Sachen gewesen (entweder unbekannterweise oder mit konkretem Handel). Also wird es irgendwann eine Erweiterung gebe  :) und wenn ich mich bei diesen Möglichkeiten ausgespielt habe, werden sicher mal eine komplett neue Welt erschaffen.

____

Im Prinzip behandelt mein jetziger Handlungs-Kontinent eine Welt NACH dem Zerfall eines Groß-Reiches und die "Ordnung", die sich dort gebildet hat. Es gibt einige starke Mächte, die jedoch nur in ihrem lokalen Bereich dominant sind, mit der Option auf verheerende Macht-Erweiterungen, die aber aus bestimmten Gründen (noch?) nicht stattfinden.
Viele verschiedene gewaltige/gewalttätige Kräfte, die gegeneinander streiten und sich so knapp im Gleichgewicht halten. Häufig schön getrennt voneinander durch Puffer-Länder (die armen).
Ein anderes Gebiete im Westen schöpft sein Potential nicht aus, weil sie innerlich zerstritten sind, so dass sie auf diese Weise das Gleichgewicht bewahren.


Wohingegen der "neue" Kontinent sein Groß-Reich behalten hat - und das ist auch reizvoll.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Farean am 10. Juli 2012, 22:41:43
Zitat von: Fianna am 10. Juli 2012, 21:43:27
Oh, auch in einer Welt kann es so unterschiedliche Flairs geben  ;) SEHR unterschiedliche.  ;D
Sicher. ;) Aber sie sollten zusammenpassen. Um ein Beispiel zu nennen:
Allgemein gesprochen: zwei völlig unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichem lokalem Flair finde ich ganz wunderbar. Aber zwei Kulturen, die unterschiedliche Alternativen derselben Ausgangskultur darstellen oder dieselbe Ausgangskultur in unterschiedlichen Zeitaltern repräsentieren, passen nicht zusammen.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: K a t e am 12. Juli 2012, 13:05:06
Ich gehöre auch zu der Gruppe, die gerne mehrere voneinander unabhängige Geschichten in einer Welt spielen lässt, weshalb ich nach einer Lösung gesucht habe, wie ich möglichst viele Geschichten, Völker etc. dort unterbringen kann. So ist dann meine große Weltkarte entstanden, auf der mehrere Inseln sind - zwei große Hauptinseln und mehrere kleinere Nebeninseln.

Spielt jetzt eine meiner Geschichten auf Insel A, baue ich die Insel um die Handlung herum auf. Ich überlege mir die Religion, die momentane Regierungsform und welche Völker auf Insel A leben sollen. Die Nebeninseln werden - wenn überhaupt - nur am Rande erwähnt und deshalb für diese Geschichte nicht weiter beachtet/aufgebaut.

Bei einer anderen Geschichte, die in dieser Welt spielt, könnte es dann sein, dass das Volk und die Ordnung völlig unterschiedlich zur ersten Geschichte ist, dann lasse ich besagte Geschichte auf Insel B spielen, baue diese Insel auf und ziehe einige Parallelen zu der ersten aufgebauten Insel.

Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich finde, es ist die einfachste Möglichkeit, mehrere Geschichten mit ganz unterschiedlichen Völkern in einer Welt unterzubringen. Und je nachdem, auf welcher Insel die Geschichte spielt, baue ich den Handlungsort auf, erfinde Flora und Fauna (wobei ich da eher etwas nachlässig bin) und Sitten und Bräuche der unterschiedlichen Völker.
So entsteht Stück für Stück eine komplexe Welt, die mit jeder Geschichte ein wenig weiter wächst.  :)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 12. Juli 2012, 18:46:04
Zitat von: K a t e am 12. Juli 2012, 13:05:06
Bei einer anderen Geschichte, die in dieser Welt spielt, könnte es dann sein, dass das Volk und die Ordnung völlig unterschiedlich zur ersten Geschichte ist, dann lasse ich besagte Geschichte auf Insel B spielen, baue diese Insel auf und ziehe einige Parallelen zu der ersten aufgebauten Insel.

Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen kompliziert, aber ich finde, es ist die einfachste Möglichkeit, mehrere Geschichten mit ganz unterschiedlichen Völkern in einer Welt unterzubringen.
Das steht genau im Gegensatz/Widerspruch zu meinem Grund, alles in einer Welt spielen zu lassen. Ich baue gerade den Gegensatz zwischen A & B in meine Handlung ein - was dann zu Konflikten führt. Im schlimmsten Fall liegt ein Krieg zwischen A & B in der Luft, der aber in diesem Plot nicht zum Tragen kommt.


Gibt es in Deiner Welt denn gemeinsame Magiekonzepte, Traditionen oder Ähnliches? Es klingt so, als würdest Du Verbindungen zwischen A & B hinein setzen "weil es schön ist und Hintergrund verleiht"...

Das wäre dann ein anderes "Alles in einer Welt" als bei Valaé und mir, wir haben strukturelle Gemeinsamkeiten, die sich nur durch ein Nebeneinander der Figuren/Länder und damit Plots in derselben Welt erklären lassen.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: A-ya am 26. Juli 2012, 04:30:39
An und für sich bin ich der Ansicht, das sich eine zu ausgeklügelte Welt negativ auf das Leseerlebnis auswirkt. Als Leser interessieren mich die Details die wichtig für die Story und einige Hintergründe sind, aber wenn ich dann noch alles über Nachbarländer, Flora und Fauna und was nicht alles erfahre, stört es mich schon wenn das rein gar nichts mit der Story zu tun hat.
Als Schreiberling allerdings, bin ich schon der Meinung, man sollte die Welt, die man erschafft so planen, dass man selbst mit den Hintergrundinfos vertraut ist. Man muss ja nicht alles dem Leser weitergeben. Ich denke nur wenn man eine große Welt plant und auch unter Umständen mehrere Geschichten in ihr ansiedeln will, ist es vorteilhaft, wenn man in Detail geht, sei es nun angefangen bei einer Karte, über Rassen, spezifische Namen bis hin zu eigenen Sprachen.
Wie gesagt - es muss ja nicht alles auch an den Leser weiter gegeben werden aber für den Autor ist es praktisch zu wissen wie die Welt funktionieren soll.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Josch am 29. Juli 2012, 20:31:25
Hi, Leute!

Ich persönlich fing ja mit Kurzgeschichten an, die immer nur einen kleinen Handlungsabschnitt behandelten. Dazu entwarf ich natürlich nicht gleich eine riesige, komplexe Welt. Als sich aber allmählich, und nur zum Teil beabsichtigt, ein globales Muster, sprich, eine Historie für meine Welt abzeichnete, kam ich nicht darum herum mir zu überlegen, in welcher Beziehung die einzelnen Orte und Regionen zueinander stehen, wer dort herrscht, wie die Gesellschaft im einzelnen aufgebaut ist, wer wo welche Sprache spricht und welche Gottheit verehrt... Nach und nach entstand so ein riesenhafter Planet mit vielen Königreichen, bekannten sowie noch unentdeckten, nur gerüchtehalber bekannten Gebieten, ja selbst eine lebhafte Historie entstand, mit Kulturen die zum Handlungsbeginn längst ausgestorben waren, in Geschichten und Sagen jedoch weiterleben. So etwas brauchte ich natürlich wie gesagt erst als die Handlung begann sich zu verdichten und die einzelnen KG sich ineinander verstrickten.
Um nicht noch weiter abzuschweifen: Ich finde eine Welt kann, wie bei mir, zugleich on the go als auch im Vorraus entstehen, denn irgendwann kommt vielleicht der Wunsch oder die Notwendigkeit auf, den "Entwurf" einer Welt genauer auszuarbeiten.
Und, seinen wir ehrlich, es ist doch wie Tarantino sagt. Gangster, die an einem Tisch sitzen und gleich einen Diamantenumschlagplatz ausrauben wollen, unterhalten sich nicht über den Plot, denn sie müssen sich nichts erklären was sie schon wissen. Sie reden über "Like a Virgin" von Madonna. Und wer seine Welt nicht gut ausgearbeitet hat, der weiß auch nicht über was seine Protagonisten reden sollen, wenn nicht über die Handlung selbst.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: K a t e am 29. Juli 2012, 21:08:41
Zitat von: Fianna am 12. Juli 2012, 18:46:04
Gibt es in Deiner Welt denn gemeinsame Magiekonzepte, Traditionen oder Ähnliches? Es klingt so, als würdest Du Verbindungen zwischen A & B hinein setzen "weil es schön ist und Hintergrund verleiht"...

Mit den Parallelen ziehen meinte ich, dass es zwischen A & B z.B. geschichtliche Ereignisse gibt, Religionen und etc. Bei mir bekriegen sich die unterschiedlichen Inseln auch recht gerne, was oft wegen den unterschiedlichen Regierungsformen und Ansichten der Völker zusammen hängt. Die Verbindungen sind in diesen Fällen irgendwelche Ereignisse in der Vergangenheit, z.B. ein großer Krieg, der in mehreren kurzen Geschichten mal erwähnt wurde und ziemlich ausschlaggebend für den gegenwärtigen Zustand verschiedener Reiche ist.

Zwischen den Inseln A & B gibt es auch ähnliche Traditionen/Feste, was daran liegt, dass die Inseln nicht sooo weit auseinander liegen. Hmm, ne Karte wäre jetzt ganz hilfreich, die muss ich mal wieder ausbuddeln. :hmmm:

Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Mithras am 05. März 2014, 00:30:14
Der Weltenbau-Bereich ist eindeutig unterbesetzt, wenn ein Thema, in dem vor über anderthalb Jahren der letzte Beitrag verfasst wurde, noch immer auf Seite 2 steht - Zeit, daran etwas zu ändern! :)

Für mich gehört eine detaillierte und glaubwürdig ausgearbeitete Welt unbedingt zum Leseerlebnis dazu. Es mag Romane geben, die durch eine innovative Handlung, komplexe Charaktere und einen wundervollen Schreibstil bestechen und mir sehr gut gefallen - doch solange ich das Gefühl habe, dass sich die Ausarbeitung der Welt nur auf das Nötigste konzentriert, wird mir immer etwas fehlen. Viele Leser sagen ja, ein Glossar mit einem Umfang von 150 Seiten sei unnötig oder gar stören, doch für mich war es das höchste der Gefühle, im Anhang zu Bakkers Thousandfold Thought (dt.: Der Tausendfältige Gedanke) darin einzutauchen und zu erkennen, wie intensiv sich der Autor damit befasst hat. :wolke:

Sicher: Man braucht keine Chronologie der letzten vier Jahrtausende niederzuschreiben. Man muss sich nicht einmal über einen so langen Zeitraum Gedanken machen - ein paar Jahrhunderte reichen völlig. Doch es kann auch nicht sein, dass eine Geschichte völlig entkoppelt von der Welt existiert, in der sie spielt. Ich habe den Anspruch, dem Leser zu suggerieren, dass er in eine Welt eintaucht, die genauso schillernd, vielfältig, komplex und reich an Geschichte(n) ist wie die Realität. Das ist natürlich nur Augenwischerei, da nicht der Realität auch nur im Entferntesten nahekommt, was ein einziger Mensch ersinnen kann, doch hier geht es mehr um das Gefühl, und dem lässt sich auf die Sprünge helfen. Je konkreter die Elemente der Welt - das Drumherum - ausgearbeitet sind, desto stärker wird dieses Gefühl. Wenn man versteht, woran Menschen glauben und aus welchen Gründen sie das tun, wenn historische Personen und Ereignisse greifbar werden, wenn man in jedem Detail Bezüge zu anderen Details und zum großen Ganzen erkennt. unterschiedliche Kulturen klar anhand ihrer Sprache, Kleidung, Architektur und Lebensweise identifizierbar werden und ganze Städte vor dem inneren Auge entstehen, dann hat das für mich etwas ungeheuer Faszinierendes. Fantasyromane werden häufig oft deshalb gelesen, weil sie es ermöglichen, in fremde Welten einzutauchen. Bei mir ist das nicht anders: Ich begebe mich auf eine Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt, in der es völlig Neues wie auch Altbekanntes zu entdecken gibt.Und das weckt meine Neugier und meinen Forscherdrang, und dann blühe ich erst so richtig auf.

Natürlich muss dazu nicht gleich eine ganze Welt entworfen werden, und hätte ich damals nicht die Gezeitenwelt-Romane, die eben dies zum Hauptthema hatten, hätte ich mich vermutlich nie dazu durchgerungen, etwas Ähnliches zu versuchen. Ich hatte vor zehn Jahren schon einmal begonnen, eine "eigene" Welt zu entwerfen - ohne Menschen: Die Erde in einigen (ich weiß nicht mehr wie vielen) Millionen Jahren. Damals war das alles natürlich noch sehr laienhaft, doch exakt dieselben Grundgedanken von damals spielen noch heute eine Rolle. Als Biologe überlege ich mir naturgemäß sehr früh, welche Flora und Fauna in welchem Teil meiner existiert, ob sie dort überhaupt existieren kann und inwiefern Vermischungen möglich sind. Ich habe mich dafür entschieden, in dem für die Handlung relevanten Teil meiner Welt in etwa die gleiche Tier- und Pflanzenwelt wie in den Regionen anzusiedeln, die mich kulturell beeinflusst haben. Dann drängt sich mir aber die Frage auf: Und was ist mit Arten, deren Verschwinden mit dem Menschen in Verbindung gebracht wird? Darunter sind so faszinierende Geschöpfe wie Riesenalke, europäische Waldelefanten oder Säbelzahnkatzen, wenn man es auf den eurasischen Raum beschränkt. Und das tue ich nicht: Sobald ich einmal damit angefangen habe, müssen alle faszinierenden Tierarten, die bis zum Auftreten des Menschen noch existiert haben, irgendwo in dieser Welt ihren Platz finden. Und dazu braucht es mehrere Kontinente, denn eurasische und australische Fauna können auf Dauer kaum nebendeinander existieren. Damit fing letztlich alles an - wobei ich viele Kontinente ganz oder großteils unbewohnt lasse, damit die Megafauna weiterhin ohne Einfluss des Menschen existieren kann.

Zusammenfassend kann ich sagen: Eine perfekt ausgearbeitete Welt ist nicht nötig, aber damit mir das Buch wirklich gefällt, braucht es ein Minimum an Informationen Rund um Geschichte und Kultur, und meine Schmerzgrenze, ab wann sich ein Fehlen eines entsprechenden Hintergrundes negativ auf das Leseerlebnis auswirkt, liegt wahrscheinlich tiefer als bei vielen anderen. Gerade bei mehrteiligen Geschichten sollten die Entwicklung von Handlung und Hintergrund Hand in Hand gehen, da sich letztlich alles gegenseitig beeinflusst und die Handlung letztlich auch nur Teil eines großen Gesamtkonzeptes ist und ohne Hintergrund nicht funktionieren kann. Von daher kann eine Welt für mich nicht ausgeklügelt genug sein, da auch die Handlung nur davon profitieren kann. Man darf nur nicht zulassen, dass diese Welt/der Hintergrund allgemein der Handlung und den Charakteren die Show stiehlt, denn für ein gelungenes Leseerlebnis benötige ich schließlich alle Zutaten - in der richtigen Dosierung.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 24. März 2014, 13:45:57
Zitat von: Sonnenblumenfee am 27. Februar 2011, 12:22:17
Wenn ich mir hier so die ganzen Beiträge durchlese, kommt es mir so vor, als würdet ihr eure Welten nicht nur bis ins Detail planen, sondern bis zu jedem Staubkorn. Als würdet ihr (verglichen mit unserer Erde) alles über Australien, die dor lebenden Völker und deren Geschichte wissen, obwohl eure eigentliche Story ausschließlich in Europa spielt. Und um es vorweg zu schicken: das finde ich ziemlich bewundernswert  :jau:

Meine Frage ist jetzt allerdings: Muss das sein?
Das es von Vorteil ist, wenn man seine Welt gut kennt, ist unbestritten. Aber wie viel muss ich tatsächlich wissen? Reicht es, wenn ich mir meine Welt "on the go" bastle?
Stört es euch beim Lesen, wenn ihr keine so ausgeklügelte Welt vor euch habt, wenn der rest der Geschichte (Handlung, Charaktere...) absolut stimmig ist?

LG Sonnenblumenfee

Hallo Sonnenblumenfee,

also, ich bin der Meinung, dass ein zu komplexes Worldbuilding 1. viele Ressourcen verbraucht und 2. beim Schreiben limitiert. Sicher, Weltenbau macht Spaß, aber am Ende soll ja eine spannende Geschichte stehen. Ich halte es da also ähnlich wie du.

Bevor ich angefangen habe, meinen Protagonisten auf die Welt loszulassen, habe ich mir nur einige grundlegende Gedanken gemacht: Wie sieht die Welt aus? Wie viele Reiche gibt es? Welche dominieren? Wie sind die geschichtlichen und kulturellen Hintergründe? Welche Klimazonen gibt es und welchen Einfluss haben diese auf die Landkarte? Dann habe ich Landesgrenzen, Gebirge, Flüsse und Hauptstädte festgelegt und meinen Charakter mitten hineingeworfen. Details entwickeln sich dann bei mir während des Schreibens. Bei Spielen heißt es learning-by-doing, ich erkunde meine Welt eben ein wenig durch die Augen des Protagonisten. Das hat den Vorteil, dass man freier in Gestaltung und Plot ist.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Sternsaphir am 24. März 2014, 14:01:25
Beim Weltenbau kommt es immer darauf an, wieviel für die Geschichte wichtig ist und wieviel überladen wirkt.
Ich habe mich früher in seitenweise Landschaftsbeschreibungen verloren. Das kann auf Dauer den Leser langweilen. Also versuche ich es jetzt kürzer zu fassen. Ich beschreibe nicht jeden Hügel und jeden Stein.
Auffälligkeiten und Wegmarker werden natürlich bedacht und wenn die Handlung an eine Location gebunden ist, dann muss diese auch ausführlicher beschrieben werden (z.B. die Schlacht im Wald an einer Schlucht).
Der Leser kann und will sich ja auch in seiner Phantasie selbst etwas vorstellen können.

Man sollte schon vor dem Schreiben ungefähr wissen, wie die Welt aussieht, welche politische Situation vorherrscht und wie auch die Stimmung zu den Nachbarn ist. Dann kann man das nach und nach in die Geschichte einfließen lassen. Details können ja dann während des Schreibens eingefügt werden. Aber es muss stimmig bleiben. Also z.B. sollte der König, der einen Sohn hat, nicht plötzlich auf Seite 146 auch noch eine Tochter haben, wenn er sie nicht gerade vor der Öffentlichkeit geheim halten will.
Eine bergige Landschaft sollte nicht plötzlich viele Seen haben.
Es ist so ein bißchen wie beim Malen: Erst macht man grobe Umrisse und geht dann immer weiter ins Detail.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40
Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 14:01:25
Beim Weltenbau kommt es immer darauf an, wieviel für die Geschichte wichtig ist und wieviel überladen wirkt.
Ich habe mich früher in seitenweise Landschaftsbeschreibungen verloren. Das kann auf Dauer den Leser langweilen. Also versuche ich es jetzt kürzer zu fassen. Ich beschreibe nicht jeden Hügel und jeden Stein.
Auffälligkeiten und Wegmarker werden natürlich bedacht und wenn die Handlung an eine Location gebunden ist, dann muss diese auch ausführlicher beschrieben werden (z.B. die Schlacht im Wald an einer Schlucht).
Der Leser kann und will sich ja auch in seiner Phantasie selbst etwas vorstellen können.

Den Fehler habe ich zu Beginn auch häufig gemacht. Irgendwann bin ich dahintergekommen, dass meist eine knappe, kraftvolle Beschreibung mehr bewirkt als seitenlanges Schildern. Man darf seine Leser auch nicht unterschätzen. Klar, als Autor möchte man immer das Bild, welches man im Kopf hat, möglichst genau rüberbringen. Aber die Herangehensweise, die du beschrieben hast, ähnelt ja mehr einem "Bühenaufbau" als wirklichem Storytelling. Meist kann man im Laufe eines Absastzes den Schauplatz peu a peu enthüllen und muss nicht gleich zu Anfang alles im Detail ausbreiten.

ZitatMan sollte schon vor dem Schreiben ungefähr wissen, wie die Welt aussieht, welche politische Situation vorherrscht und wie auch die Stimmung zu den Nachbarn ist. Dann kann man das nach und nach in die Geschichte einfließen lassen. Details können ja dann während des Schreibens eingefügt werden. Aber es muss stimmig bleiben. Also z.B. sollte der König, der einen Sohn hat, nicht plötzlich auf Seite 146 auch noch eine Tochter haben, wenn er sie nicht gerade vor der Öffentlichkeit geheim halten will.
Eine bergige Landschaft sollte nicht plötzlich viele Seen haben.
Es ist so ein bißchen wie beim Malen: Erst macht man grobe Umrisse und geht dann immer weiter ins Detail.

Exakt. Und: Die Welt muss der Story dienen, nicht umgekehrt.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Sternsaphir am 24. März 2014, 15:10:14
Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40
Aber die Herangehensweise, die du beschrieben hast, ähnelt ja mehr einem "Bühenaufbau" als wirklichem Storytelling. Meist kann man im Laufe eines Absastzes den Schauplatz peu a peu enthüllen und muss nicht gleich zu Anfang alles im Detail ausbreiten.
Ok, das war wohl falsch formuliert. Der gesamte Weltenaufbau befindet sich in meinem Kopf und ich zeige dem Leser erst Schritt für Schritt, was es zu entdecken gibt. Der Leser bekommt genau soviel Info, wie es gerade für die Szene wichtig ist. Der Rest folgt dann, wenn er sich weiter in der Welt bewegt. Wenn er z.B. die eine Schlucht betritt, sieht er nur soviel, was der Prota sieht, mehr nicht.
Alles von vorneherein dem Leser zu präsentieren fände ich langweilig. Es gibt einen groben Umriss und die Details folgen während der Geschichte.


Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40
Exakt. Und: Die Welt muss der Story dienen, nicht umgekehrt.

Manchmal hab ich aber auch eine Welt vor Augen und überlege dann, welche Art von Geschichte könnte dazu passen.  ;D
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 24. März 2014, 15:25:07
Kleiner Einspruch! In den Bergen findet man oft deutlich mehr Seen als im Flachland. Sie sind meist bloß kleiner. Außerdem hängt natürlich viel vom Untergrund ab. Bei uns z.B. ist Sandboden. Seen? Nur in künstlichen Baggerlöchern oder in den Mooren. Überall sonst schluckt der Sand das Wasser weg.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Nandriel am 24. März 2014, 15:28:29
Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 13:45:57
[...] ich erkunde meine Welt eben ein wenig durch die Augen des Protagonisten. [...]

Ich denke, das ist auch generell die Art von Exploration, die ich persönlich meistens (aber nicht immer!) bevorzuge.
Es ist eher schwer, in dieser Hinsicht generelle Aussagen zu treffen, da ein Großteil meiner Sympathie oder auch Antipathie für eine Welt und deren Darstellung davon abhängt, wie und zu welchem Zeitpunkt ich darüber etwas erfahre. Ich meine, dass ich, je weiter die Welt von meiner Realität entfernt ist, stärker detailreiche Schilderungen bevorzuge und nur in dem Fall, dass der Protagonist dort ebenfalls fremd ist, ein gemeinsames Entdecken mag. Wobei ich jedoch generell ärgerlich werde, wenn bei solchen Welten dann zu viel Detektivarbeit notwendig wird, denn das wirkt dann schnell gekünstelt.
Anders ausgedrückt: Ich liebe es, wenn in fremden Welten große Räume aufgetan und ich an die Grenzen meiner Vorstellungskraft (und darüber hinaus) gebracht werde. Wenn aber die Welt anders funktioniert als ich das aus meinem "Weltwissen" heraus verstehen und nachvollziehen kann, dann muss ich darüber aufgeklärt werden, da ich sonst unweigerlich falsche Annahmen treffe bzw. Rückschlüsse ziehe, die mich, sofern sie nicht bewusst provoziert und geschickt umgesetzt sind, völlig aus der Story reißen.

Hm... wurde jetzt klar, was ich damit sagen will?  :hmmm:

Beispiel:
Ist es in einer Welt völlig normal, dass es zwei Monde, blaue Bäume, Sklaverei, Monate mit 50 Tagen und wasweißichnochalles gibt, dann brauch ich das nicht mit dem Prota entdecken, für den das ja wahrscheinlich alles völlig normal ist (es sei denn, er ist dort genauso fremd wie ich auch). Ich möchte es kurz erwähnt haben, damit ich mich darauf einstellen kann und mich nicht wundern muss, dass das jetzt (schlimmsten falls völlig unerwartet, weil zuvor nirgends erwähnt) so ist.
Muss ich also mein Bild, das ich mir einmal gemacht habe, 50 Seiten später revidieren, weil hier neue Infos reinkommen, die ich gern zu Beginn gehabt hätte, dann stört mich das enorm. Da bin ich dann glücklich über Sternsaphirs ausschweifende Landschaftsbeschreibungen im tolkienschen Stil - hab ich einmal ein Bild im Kopf, fügt sich die Story vor diesem Hintergrund wunderbar ein.


Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 15:10:14
[...] Der gesamte Weltenaufbau befindet sich in meinem Kopf und ich zeige dem Leser erst Schritt für Schritt, was es zu entdecken gibt. Der Leser bekommt genau soviel Info, wie es gerade für die Szene wichtig ist. Der Rest folgt dann, wenn er sich weiter in der Welt bewegt. Wenn er z.B. die eine Schlucht betritt, sieht er nur soviel, was der Prota sieht, mehr nicht. [...]

Ah, genau. Sag mir, was ich wissen muss, möglichst am Anfang, sofern es nicht unbedingt Plotrelevant ist - ich glaube, so könnte man es ggf. ausdrücken. Evtl. fällt mir aber nachher auch noch ein Beispiel ein, in dem ich diese These völlig über den Haufen werfe. Mal sehen  ;D
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: HauntingWitch am 24. März 2014, 15:36:09
Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 14:01:25
Ich habe mich früher in seitenweise Landschaftsbeschreibungen verloren.

Wie macht man das? Ansonsten gebe ich dir zwar Recht, es gibt auch zu viel des Guten. Aber ich habe oft das Gefühl, dass meine Beschreibungen zu knapp sind. Wie beschreibt man eine Landschaft seitenweise? Ich könnte das gar nicht und bin immer wieder fasziniert, wenn ich darauf stosse. Allerdings auch schnell etwas gelangweilt.  ;)

Und ich schleisse mich FeeamPC an, in den Bergen gibt es tatsächlich oft auch viele Seen.

Zur Titelfrage: Ich sage ja immer, wie besser man sich mit etwas auskennt, umso besser kann man es beschreiben, aber manchmal reicht das Wesentliche tatsächlich aus. Die Leser machen sich nicht halb so viele Gedanken wi wir. Um bei Sonnenblumenfees Beispiel zu bleiben: Natürlich würde es reichen, nur Europa genau zu kennen. Ich für mich finde, ich muss aber zumindest wissen, dass es da noch irgendwo ein Australien gibt. Ausfüllen würde ich es dann zu gegebenem Zeitpunkt und wenn dieser nie kommt, dann kenne ich eben nur mein Europa. ;) Bei mir entwickeln sich die Welten auch aus und mit der Geschichte, ich konstruiere nicht vorher ein Korsett, in das die Geschichte dann gefälligst reinpassen soll. Aber ich denke, letztlich muss jeder für sich entscheiden, welche Arbeitsweise ihm am liebsten ist.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 24. März 2014, 15:52:20
Zitat von: Nandriel am 24. März 2014, 15:28:29
Ich denke, das ist auch generell die Art von Exploration, die ich persönlich meistens (aber nicht immer!) bevorzuge.
Es ist eher schwer, in dieser Hinsicht generelle Aussagen zu treffen, da ein Großteil meiner Sympathie oder auch Antipathie für eine Welt und deren Darstellung davon abhängt, wie und zu welchem Zeitpunkt ich darüber etwas erfahre. Ich meine, dass ich, je weiter die Welt von meiner Realität entfernt ist, stärker detailreiche Schilderungen bevorzuge und nur in dem Fall, dass der Protagonist dort ebenfalls fremd ist, ein gemeinsames Entdecken mag. Wobei ich jedoch generell ärgerlich werde, wenn bei solchen Welten dann zu viel Detektivarbeit notwendig wird, denn das wirkt dann schnell gekünstelt.
Anders ausgedrückt: Ich liebe es, wenn in fremden Welten große Räume aufgetan und ich an die Grenzen meiner Vorstellungskraft (und darüber hinaus) gebracht werde. Wenn aber die Welt anders funktioniert als ich das aus meinem "Weltwissen" heraus verstehen und nachvollziehen kann, dann muss ich darüber aufgeklärt werden, da ich sonst unweigerlich falsche Annahmen treffe bzw. Rückschlüsse ziehe, die mich, sofern sie nicht bewusst provoziert und geschickt umgesetzt sind, völlig aus der Story reißen.

Hm... wurde jetzt klar, was ich damit sagen will?  :hmmm:

Beispiel:
Ist es in einer Welt völlig normal, dass es zwei Monde, blaue Bäume, Sklaverei, Monate mit 50 Tagen und wasweißichnochalles gibt, dann brauch ich das nicht mit dem Prota entdecken, für den das ja wahrscheinlich alles völlig normal ist (es sei denn, er ist dort genauso fremd wie ich auch). Ich möchte es kurz erwähnt haben, damit ich mich darauf einstellen kann und mich nicht wundern muss, dass das jetzt (schlimmsten falls völlig unerwartet, weil zuvor nirgends erwähnt) so ist.
Muss ich also mein Bild, das ich mir einmal gemacht habe, 50 Seiten später revidieren, weil hier neue Infos reinkommen, die ich gern zu Beginn gehabt hätte, dann stört mich das enorm. Da bin ich dann glücklich über Sternsaphirs ausschweifende Landschaftsbeschreibungen im tolkienschen Stil - hab ich einmal ein Bild im Kopf, fügt sich die Story vor diesem Hintergrund wunderbar ein.


Ah, genau. Sag mir, was ich wissen muss, möglichst am Anfang, sofern es nicht unbedingt Plotrelevant ist - ich glaube, so könnte man es ggf. ausdrücken. Evtl. fällt mir aber nachher auch noch ein Beispiel ein, in dem ich diese These völlig über den Haufen werfe. Mal sehen  ;D

Haha, ich hab dich schon verstanden. Sicher: Je fremdartiger die Welt ist, umso wichtiger ist eine Schilderung der Gegebenheiten. Erst auf Seite 100 zu erfahren, dass die Monate 50 Tage dauern etc. kann schnell nach hinten losgehen. Ich bin da einen doppelten Weg gegangen: Zum einen habe ich meiner Geschichte einen fiktiven Chronik-Text vorangestellt, der den Leser über die wichtigsten Eckdaten der Welt aufklärt und auch gleich den Protagonisten als historische Figur einführt. Auf der anderen Seite verwende ich ein paar Begriffe, bzw. Orte, über die ich den Leser noch im Unklaren lasse, die aber für die Bewohner meiner Welt eine ganz selbstverständliche Bedeutung haben. Da ist tatsächlich etwas Detektiv-Arbeit nötig. Ob das am Ende aufgeht, weiß ich noch nicht.

Ihr könnt ja mal ein euer Meinung nach gelungenes Beispiel einer Landschaftsbeschreibung posten und wir diskutieren das dann. Würde mich schon interessieren, wie ihr das so handhabt! :)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Sternsaphir am 24. März 2014, 15:54:07
Zitat von: HauntingWitch am 24. März 2014, 15:36:09
Wie macht man das? Ansonsten gebe ich dir zwar Recht, es gibt auch zu viel des Guten. Aber ich habe oft das Gefühl, dass meine Beschreibungen zu knapp sind. Wie beschreibt man eine Landschaft seitenweise? Ich könnte das gar nicht und bin immer wieder fasziniert, wenn ich darauf stosse. Allerdings auch schnell etwas gelangweilt.  ;)

Indem ich mir die Landschaftsbeschreibungen förmlich auf der Zunge zergehen lasse. Ich setze mich in meine imaginäre Welt hin und beschreibe alles, was ich sehe, rieche und fühle. Ich beschreibe, was passiert, wie der Wind in den Bäumen rauscht, welche Farben der Himmel bei Sonnenuntergang hat, ziehe Vergleiche oder Metaphern . . .. und schwupps! ist es schon wieder zuviel geworden.  ;)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Nandriel am 24. März 2014, 22:39:14
Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 15:52:20
[...]
Ihr könnt ja mal ein euer Meinung nach gelungenes Beispiel einer Landschaftsbeschreibung posten und wir diskutieren das dann. Würde mich schon interessieren, wie ihr das so handhabt! :)

Tja, das würde mich tatsächlich ebenfalls interessieren... ich hab aber grad kein Beispiel parat, müsste also erstmal suchen.

Zitat von: Sternsaphir am 24. März 2014, 15:54:07
Indem ich mir die Landschaftsbeschreibungen förmlich auf der Zunge zergehen lasse. Ich setze mich in meine imaginäre Welt hin und beschreibe alles, was ich sehe, rieche und fühle. Ich beschreibe, was passiert, wie der Wind in den Bäumen rauscht, welche Farben der Himmel bei Sonnenuntergang hat, ziehe Vergleiche oder Metaphern . . .. und schwupps! ist es schon wieder zuviel geworden.  ;)

Das klingt nach rundum sinnlichen Erfahrungen, was, wenn es gut geschrieben ist und grad passt (weil nicht plötzlich ein Kampf, eine Flucht oder sonstwas Aufregendes passiert) überhaupt nicht langweilig ist sondern mich im Gegenteil völlig in die Welt hineinzieht. In Süßkinds "Das Parfüm" z.B. passiert das ja über das Olfaktorische, in Uwe Timms "Die Entdeckung der Currywurst" über das Gustatorische - ich mag aber durchaus auch die volle Breitseite aller sinnlichen Eindrücke, solange diese nicht mit der Brechstange daherkommen ;)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 24. März 2014, 23:39:01
Vielleicht sollten wir einen neuen Thread aufmachen, bevor wir damit ins off topic rutschen.  :bittebittebitte:
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 25. März 2014, 13:10:14
Die einfachste Möglichkeit, eine Welt zu beschreiben, ist für mich eine Situation, die nicht mehr der Norm dieser Welt entspricht.

Zum Beispiel:
Seit drei Monden herrschte bereits Dürre. Über der weiten Ebene hatte das purpurne Licht der Sonne jeden Tropfen Wasser verschluckt, und die Flüsse waren nur noch schlammige Rinnsale. Roccon wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wie lange sollte das noch so gehen? Acht Monde dauerte der Sommer. Acht  Monde ohne Nachschub an frischem Wasser... Besorgt betrachtete er das Rinnsal, das aus dem städtischen Aquäduct rieselte. Was, wenn auch in den fernen Nebelbergen die Quellen versiegten?

Gibt die Info, Ebene, normalerweise grün, also fruchtbar, darin offenbar eine größere Stadt, dahinter Berge, die normalerweise viel Regen haben, purpurne Sonne, Jahreszeiten, die 8 Monate lang sind, und eine Zivilisation, die in etwa auf dem Stand des alten Roms ist.

So in etwa würde ich Welten-Infos verpacken.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 25. März 2014, 13:49:25
Zitat von: FeeamPC am 25. März 2014, 13:10:14
Die einfachste Möglichkeit, eine Welt zu beschreiben, ist für mich eine Situation, die nicht mehr der Norm dieser Welt entspricht.

Zum Beispiel:
Seit drei Monden herrschte bereits Dürre. Über der weiten Ebene hatte das purpurne Licht der Sonne jeden Tropfen Wasser verschluckt, und die Flüsse waren nur noch schlammige Rinnsale. Roccon wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wie lange sollte das noch so gehen? Acht Monde dauerte der Sommer. Acht  Monde ohne Nachschub an frischem Wasser... Besorgt betrachtete er das Rinnsal, das aus dem städtischen Aquäduct rieselte. Was, wenn auch in den fernen Nebelbergen die Quellen versiegten?

Gibt die Info, Ebene, normalerweise grün, also fruchtbar, darin offenbar eine größere Stadt, dahinter Berge, die normalerweise viel Regen haben, purpurne Sonne, Jahreszeiten, die 8 Monate lang sind, und eine Zivilisation, die in etwa auf dem Stand des alten Roms ist.

So in etwa würde ich Welten-Infos verpacken.

Den Absatz finde ich sehr gelungen und ansprechend. So ähnlich würde ich es vermutlich auch beschreiben. Gerade die indirekten Infos ("eigentlich grüne Ebenen") sind sehr gut, da sie dem Leser eine geistige Eigenleistung nicht nur zugestehen, sondern auch zutrauen. Eine Stadt mit Aquädukten verrät auch sehr viel über den Stand der Technologie und assoziiert Bilder. Ich habe mal etwas vergleichbares mit einer markanten Landschaftsbeschreibung herausgesucht:

ZitatInstinktiv griff der Quadym nach seinem Kriegshammer und machte sich daran, den Hügel zu erklimmen, hinter dem er die Quelle des Tumultes vermutete.
Am Hügelkamm angekommen, lichtete sich der Wald vor Logwar und gab den Blick auf ein weites und trostloses Tal frei, das sich bis an den Horizont erstreckte. Wo eben noch dichtes, grünes Unterholz jeden Meter Boden bedeckt hatte, ragten jetzt die kümmerlichen Überreste verkohlter Baumstümpfe aus dem Erdreich.
Logwar konnte sich nicht daran erinnern, jemals einen Ort von solcher Düsternis erblickt zu haben. Dieses Land war tot und verdorben, das spürte er. Eine Aschewüste von erschreckenden Ausmaßen, nur hin und wieder unterbrochen von Dickicht aus unnatürlich verkümmerten Bäumen, deren Äste grau und blattlos waren. Auf einem  Plateau, dass sich in der Mitte dieses lebensfeindlichen Tals erhob, erkannte der Barbar die Türme und Mauern einer riesigen Festung.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 25. März 2014, 14:01:55
Ha, eine Wüste hätte ich auch zu bieten:

ZitatUnd schließlich erreichten sie an einem Nachmittag den Rand einer Ebene, die den verwöhnten Mittländern bereits trostlos und unfruchtbar erschienen war. Vor ihnen lag, flach wie ein Teller, eine unwirtliche Landschaft. Große und kleine Felsbrocken lagen umher wie willkürlich ausgestreut. Grau und gelb waren die einzigen Farben unter einem fast weißen Himmel. Von diesem  brannte die unbarmherzige Sonne mit einer Hitze herunter, wie sie sie bisher noch nicht erlebt hatten. Die staubtrockene Luft flimmerte über dem Erdboden, der mit scharfkantigen Steinen übersät war. Entsetzt starrten die Männer auf die lebensfeindliche und schier endlose Ebene.

Oder eine Stadt am Rand dieser Wüste:
ZitatEines Morgens, einige Tage danach, waren sie der Küste so nahe gekommen, dass man sie in ihrer ganzen Schönheit im perlmutterfarbenen Licht des Sonnenaufganges liegen sah: Castasarna, die weiße Stadt. Ausgangspunkt aller Fernstraßen, Beginn fast aller Karawanen über den schwarzen Kontinent, das Tor zu seinem Herzen. So sollte man sie sehen, wenn man sie zum ersten Mal besuchte, mit dem Schimmer des Morgenlichts auf ihren goldenen Kuppeln und weißen Mauern.
    Schon wenige Stunden später würde diese größte Stadt und der bedeutendste Handelsplatz am Binnenmeer, die Heimstatt unzähliger Menschen, in der Mittagshitze kochen. Und ihr Gestank würde es unmöglich machen, die Augen für ihre Schönheit zu öffnen. Schweigend und mit vor der Brust verschränkten Armen stand Wanja am Mast und sah der näher kommenden Küste entgegen. Nur mit halbem Ohr hörte er den bewundernden Bemerkungen seiner Reisegefährten zu. Er kannte nicht nur das engelgleiche Gesicht der weißen Stadt, sondern auch ihr schwarzes, verdorbenes Herz.
   Wo durch den Handel mit allen erlaubten und verbotenen Gütern der Welt solche Reichtümer verdient wurden, da gab es auch Menschen, die sich durch Verbrechen einen Anteil daran sichern wollten.
Auch ich finde, dass man nicht einfach nur ein Bild darstellen darf, so wie ein Foto, sondern eher dass man das herausheben muss, was diese Landschaft im Unterschied zu der uns vertrauten Umwelt ausmacht. Das, was der Leser sich selber vorstellen kann, weil er Vergleichbares kennt, muss man höchstens anreißen. Da reicht dann ein Stichwort wie "Aquädukt" oder "Karawane", um eine ganze Lawine an Assoziationen in Gang zu setzen,
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 25. März 2014, 14:05:06
Die Beschreibung der Stadt ist sehr lautmalerisch. Gefällt mir ausgesprochen gut und klingt nach einem Schauplatz, den ich gerne näher kennen lernen würde. Orientalisch angehaucht, ein Hinweis auf Dekadenz und Verderbtheit hinter den prächtigen Mauern der Paläste und in den zwielichtigen Tavernen am Hafen...das klingt nach einer Stadt der Abenteuer. :jau:
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 25. März 2014, 15:10:06
Danke schön!  :knuddel:
Dein Zitat ist aber auch sehr anschaulich.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Nandriel am 25. März 2014, 17:27:06
Ah, genau...

Das sind wunderbare Beispiele, denn ich wollte einen Unterschied zwischen einer zu meiner Realität völlig verschiedenen Welt (Fee) und einer Welt, die gewissermaßen in meinem Erfahrungsbereich liegt (Exilfranke, canis), machen:

Zitat von: FeeamPC am 25. März 2014, 13:10:14
[...] Seit drei Monden herrschte bereits Dürre. Über der weiten Ebene hatte das purpurne Licht der Sonne jeden Tropfen Wasser verschluckt, und die Flüsse waren nur noch schlammige Rinnsale. Roccon wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wie lange sollte das noch so gehen? Acht Monde dauerte der Sommer. Acht  Monde ohne Nachschub an frischem Wasser... Besorgt betrachtete er das Rinnsal, das aus dem städtischen Aquäduct rieselte. Was, wenn auch in den fernen Nebelbergen die Quellen versiegten?
[...]

Ich weiß jetzt nicht ob das von dir stammt, Fee, oder ein Zitat ist, es trifft aber jedenfalls ziemlich genau meinen Geschmack. Völlig unaufdringlich erfahre ich hier etwas über eine Welt, auf der ganz andere Bedingungen herrschen als auf der Erde.

Diese Hervorhebung des Ungewöhnlichen, weil von der Norm abweichenden wirkt natürlich in einer völlig unbekannten Welt noch stärker als normal.
In sofern gefallen mir zwar auch die anderen Beispiele, sie folgen aber anderen Regeln als das von Fee, denn zum einen spielen sie nicht in einer völlig fremdartigen Welt und zum anderen beschreiben sie zwar kontrastierende Umgebungen, aber eben nicht über die Hervorhebungen ungewöhnlicher Umstände.

Ist verständlich, was ich hier meine? Hm...  ::)

Ergänzung zu "ungewöhnliche Welt":
Eine eigene, ausgedachte Welt ist für mich noch lange nicht ungewöhnlich, denn so lange sie sich meines "Weltwissens" als Leser bedient und meinen dahingehenden (Genre-)Erwartungen entspricht, kenne ich mich auch dann aus, wenn alles in einem fiktiven Mittelalter spielt und Elfen oder Trolle vorkommen. Ausufernde Beschreibungen empfände ich hier wahrscheinlich als völlig überflüssig, und seien sie auch noch so schön formuliert. Glaub ich wenigstens  ;)
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Mithras am 25. März 2014, 18:31:17
Zitat von: Exilfranke am 24. März 2014, 14:51:40Exakt. Und: Die Welt muss der Story dienen, nicht umgekehrt.
Nach dieser Definition würde alles, was nicht direkt der Handlung dient, als überflüssig herausfallen, und das ist mir klar zu eng gefasst. Ich würde das gerne erweitern: Die Welt muss dem Gesamterlebnis dienen und kann damit zu einem gewissen Grad auch Selbstzweck sein, denn allein die Auseinandersetzung mit einer gut durchdachten Welt - ohne direkte Handlungsrelevanz - kann überaus faszinierend sein. Sie kann aber auch zum Nachdenken anregen und damit zu einem tieferen Verständnis der Geschichte verhelfen. Eine gut durchdachte und geschickt präsentierte Welt kann dem Gesamterlebnis viele Ebenen und Facetten hinzufügen und maßgeblich zur Atmosphäre beitragen. Wichtig ist nur, den Leser nicht unter einer Informationsflut zu ersticken oder ihn zu bevormunden, aber das versteht sich wohl von selbst.

Es hängt auch immer ganz von der art der Geschichte ab, die man erzählen will. Ist die Handlung sehr komplex und umfasst mehrere Länder, Völker oder politische Parteien, die um die Macht ringen, gehört eine gut durchdachte Welt einfach dazu. Wenn zwei Völker, die sich seit Jahrhunderten nicht ausstehen können, durch eine dritte Partei in ein fragiles Bündnis gezwungen werden, ist eine Ausarbeitung der gemeinsamen Geschichte und der Folgen für Gesellschaft und Mentalität unumgänglich. Vielleicht kommen auch noch religiöse Streitigkeiten hinzu, und spätestens dann muss auch die Religion bis zu einem gewissen Grad ausgearbeitet werden, denn das ist ein sehr komplexes Thema und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wohin eine unzureichende Ausarbeitung führt, wurde mir bei Guy Gavriel Kay klar: Es gibt bei ihm drei Religionen, die auf dem Judentum, dem Christentum und dem Islam basieren, deren Lehrere aber ausschließlich daraus besteht, dass die einen die Sonne, die anderen die beiden Monde und die letzten die Sterne verehren. Mehr nicht. Keine konkreten Glaubensinhalte, über die man sich streiten könnte, obwohl religiöse Konflikte stets im Zentrum stehen. So wird die Geschichte nie auch nur ansatzweise an die Komplexität der Konflikte heranreichen, die z. B. in der Spätantike um die wahre christliche Lehre im untergehenden Römischen Reich ausgetragen wurde. Und deshalb kann eine Welt in meinen Augen nicht detailliert genug ausgearbeitet sein - auch wenn weniger nicht unbedingt der Geschichte schadet.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: canis lupus niger am 25. März 2014, 20:01:03
Die ausgearbeiteten Details müssen dem Leser ja nicht einmal alle aufgezwungen werden. Selbst Tolkien hat viele Details seiner Welt und Weltgeschichte nicht in den Herrn der Ringe und den Hobbit hineingeschrieben, sondern nur in Form von Notizen festgehalten. Diese Einzelheiten kamen, meine ich, erst durch seinen Sohn Christopher und das Silmarillion an die Öffentlichkeit.

Eine bis ins letzte ausgearbeitete Welt schadet deshalb einem Roman keinesfalls. Sie bereichert ihn aber und macht ihn komplexer. Außerdem wird dadurch das Schreiben leichter, denn der Autor kann jederzeit wieder auf seinen Fundus an Details zurück greifen und ist nicht in Gefahr, sich in irgend einem Punkt zu widersprechen. Manchem Autor wäre es zu wünschen, dass er sich schon zu Beginn seiner Arbeit ausreichend Gedanken über die Hintergründe gemacht hätte. Bei einer Nach-und-Nach-Entwicklung der Welt schleichen sich doch allzu leicht Fehler ein.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 25. März 2014, 20:12:32
ZitatNach dieser Definition würde alles, was nicht direkt der Handlung dient, als überflüssig herausfallen, und das ist mir klar zu eng gefasst. Ich würde das gerne erweitern: Die Welt muss dem Gesamterlebnis dienen und kann damit zu einem gewissen Grad auch Selbstzweck sein, denn allein die Auseinandersetzung mit einer gut durchdachten Welt - ohne direkte Handlungsrelevanz - kann überaus faszinierend sein. Sie kann aber auch zum Nachdenken anregen und damit zu einem tieferen Verständnis der Geschichte verhelfen. Eine gut durchdachte und geschickt präsentierte Welt kann dem Gesamterlebnis viele Ebenen und Facetten hinzufügen und maßgeblich zur Atmosphäre beitragen. Wichtig ist nur, den Leser nicht unter einer Informationsflut zu ersticken oder ihn zu bevormunden, aber das versteht sich wohl von selbst.

Es hängt auch immer ganz von der art der Geschichte ab, die man erzählen will. Ist die Handlung sehr komplex und umfasst mehrere Länder, Völker oder politische Parteien, die um die Macht ringen, gehört eine gut durchdachte Welt einfach dazu. Wenn zwei Völker, die sich seit Jahrhunderten nicht ausstehen können, durch eine dritte Partei in ein fragiles Bündnis gezwungen werden, ist eine Ausarbeitung der gemeinsamen Geschichte und der Folgen für Gesellschaft und Mentalität unumgänglich. Vielleicht kommen auch noch religiöse Streitigkeiten hinzu, und spätestens dann muss auch die Religion bis zu einem gewissen Grad ausgearbeitet werden, denn das ist ein sehr komplexes Thema und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wohin eine unzureichende Ausarbeitung führt, wurde mir bei Guy Gavriel Kay klar: Es gibt bei ihm drei Religionen, die auf dem Judentum, dem Christentum und dem Islam basieren, deren Lehrere aber ausschließlich daraus besteht, dass die einen die Sonne, die anderen die beiden Monde und die letzten die Sterne verehren. Mehr nicht. Keine konkreten Glaubensinhalte, über die man sich streiten könnte, obwohl religiöse Konflikte stets im Zentrum stehen. So wird die Geschichte nie auch nur ansatzweise an die Komplexität der Konflikte heranreichen, die z. B. in der Spätantike um die wahre christliche Lehre im untergehenden Römischen Reich ausgetragen wurde. Und deshalb kann eine Welt in meinen Augen nicht detailliert genug ausgearbeitet sein - auch wenn weniger nicht unbedingt der Geschichte schadet.

Richtig. Und dann dient die Ausarbeitung ja der Story! ;) Vielleicht habe ich mich auch ein wenig zu radikal ausgedrückt. Worauf ich hinauswollte, habe ich in einem anderen Thread schon mal angeschnitten. Ich zitiere mich mal selbst:

ZitatGenerell versuche ich immer plot-driven zu schreiben, heißt, dass jede Szene die Geschichte voranbringen muss. Da ich meine Kurzgeschichten auf max. 25 Word-Seiten limitiere, ist ein solches Vorgehen auch ratsam. Ich habe versucht, mir selbst folgende Richtlinie aufzuerlegen.

Eine Szene hat Berechtigung, wenn sie

a) Die Handlung vorantreibt
b) etwas über einen Protagonisten enthüllt
c) der Atmosphäre dient
d) dem Leser die Welt nahebring

Dabei besitzt a) höchste, d) niedrigste Priorität. Meist können c) und d) sinnig in a) und b) integriert werden und müssen nicht allein stehend den Text aufblähen. Aber da ist natürlich nur Theorie. Walter Moers schreibt beispielsweise in seinen Zamonien-Romanen kapitelweise Fluff oder schildert seitenlang Kochrezepte und es klappt trotzdem. Warum? Moers kann seine bizarren Ideen derart genial in Sprache verpacken, dass selbst der profanste Nebensatz zum Lesevergnügen wird. Kann aber nicht jeder.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Fianna am 25. März 2014, 20:14:23
Zitat von: Mithras am 25. März 2014, 18:31:17
Nach dieser Definition würde alles, was nicht direkt der Handlung dient, als überflüssig herausfallen, und das ist mir klar zu eng gefasst. Ich würde das gerne erweitern: Die Welt muss dem Gesamterlebnis dienen und kann damit zu einem gewissen Grad auch Selbstzweck sein, denn allein die Auseinandersetzung mit einer gut durchdachten Welt - ohne direkte Handlungsrelevanz - kann überaus faszinierend sein.
Eine Geschichte lebt nicht nur von Handlung, sondern auch von Atmosphäre, daher finde ich den Satz passend, so wie er ist.
Ob man sowas auf die reine Handlung/action oder auch Charakterentwicklung, show don't tell usw bezieht, ist ja ohnehin ein ständiger Diskussionspunkt im Tizi.

Was man natürlich auch gut machen kann, ist die Umgebung/Atmosphäre auf die Situation des Perspektivträgers zu reflektieren. So kann eine Stadt mit ihren hohen Gebäuden bedrückend sein oder wie ein Gefängnis wirken, oder Ähnliches - mir fällt grad kein besseres Beispiel ein. Da kann man über den Gefühlszustand des Perspektivträgers auch Informationen reinbringen.
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: FeeamPC am 26. März 2014, 00:35:14
@Nandriel : Die kleine Szene ist frisch auf meinem Mist gewachsen :-)

Mal sehen, vielleicht wird daraus ja im nächsten oder übernächsten Nano eine komplette Geschichte ...
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Exilfranke am 16. April 2014, 09:25:03
Bitte löschen
Titel: Re: Wie ausgeklügelt muss/sollte eine Welt eigentlich sein?
Beitrag von: Moni am 16. April 2014, 09:40:02
@Exilfranke: Bitte denke daran, wir sind kein Forum, in dem aktive Textarbeit betrieben wird. Einige kurze Sätze (3 oder 4), als Zitat, um trockene Fakten zu beleuchten mögen ja noch angehen, aber das hier ist eindeutig zu viel Text.
Wenn du Feedback zu deinen Beschreibungen suchst, wäre die Betaleservermittlung der eindeutig bessere Bereich. Bitte editiere dein Posting hier entsprechend.

Danke!

Moni