• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Das Wichtigste: die Idee?

Begonnen von Schneerabe, 12. März 2016, 00:48:51

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

JarlFrank

Zitat von: Siara am 12. März 2016, 01:30:59

Andersherum gilt das in meinen Augen nur sehr begrenzt. Ein lesbarer Schreibstil ohne Schnörkel + super Handlung kann funkionieren. Brandon Sandersons "Kinder des Nebels" war so ein Kandidat und hat mich umgehauen. Die Handlung, die Verstrickungen und Geheimnisse liegen an der Grenze zur Genialität, seine philosophischen Ideen liebe ich ohnehin. Der Stil allerdings ist wirklich eher dürftig.

Echt? Könnte vielleicht am Übersetzer liegen, ich habe viele Bücher von Sanderson auf Englisch gelesen und mir ist nie aufgefallen, dass sein Stil zu simpel oder dürftig wäre. Bei den meisten seiner Bücher kann ich mich noch gut erinnern, wie ich mir die Welten und Charaktere vorgestellt hatte, da ist vieles an meinem geistigen Auge hängengeblieben.

Kann natürlich auch sein, dass es nicht am Übersetzer liegt und sein Stil tatsächlich eher dürftig ist und mir das nie aufgefallen ist, weil seine Welten, Charaktere und Plots einfach so toll sind. Bei Sanderson kommt nie Langeweile auf, seine Bücher sind echte "page turner" für mich! :)
Er ist ein gutes Beispiel für einen Autor, der interessante Ideen hat und sie mit spannenden Plots und tollen Charakteren verbindet.

Zu den drei Fragen:
1. Ich würde sagen, die Umsetzung der Idee. Wie ich schon zu Sanderson gesagt hab: seine Bücher gefallen mir so gut, weil er tolle Ideen hat und sie in einen spannenden Plot packt. Generell mag ich Fantasy, die etwas neues wagt und auch mal über den Tellerrand blickt. "Perdido Street Station" und "The Scar" von China Mieville gehören zu meinen Lieblingsbüchern, weil sie vor guten Ideen nur so strotzen: "The Scar" spielt auf einer schwimmenden Piratenstadt, die aus mehreren aneinandergeketteten Hausbooten besteht und ständig in Bewegung ist. Die Bewohner planen, ein riesiges Seeungeheuer zu fangen und es als Antrieb zu benutzen, da es sich viel schneller fortbewegen kann als die Segel und Motoren der Hausboote. Das Setting ist echt spitze, und das Buch scheut sich nicht davor, mal ein paar neue Dinge auszuprobieren. Aber ohne den Plot und die Charaktere wäre die Idee wertlos. Die Charaktere sind gut geschrieben und ich fieberte beim Lesen mit ihnen mit, der Plot ist spannend und ich wollte immer wissen, wie es weitergeht.

Wenn der Plot aber langweilig ist und die Charaktere flach, dann reizt selbst die ungewöhnlichste Idee nicht mehr zum weiterlesen. Für mich ist der Plot am wichtigsten, gefolgt von Charakteren und Idee auf etwa derselben Stufe.

2. Ein wirklich gut geschriebenes Klischee-Fantasybuch mit einem Helden der als Bauernsohn aufwächst und irgendwann erfährt dass er der prophezeite Weltenretter ist ist besser, als ein richtig innovatives Buch das schlecht geschrieben ist. Wenn der Plot spannend ist und die Charaktere vielschichtig, dann macht das Buch Spaß. Wenn der Plot langweilig ist, dann wurde die gute Idee leider verschwendet und alles, was beim Lesen bleibt, ist das Gefühl dass hier eine gute Idee vorhanden war, die Potential gehabt hätte...

Wenn ich jetzt zwei Bücher vor mir hätte, eins voll mit tollen Ideen und eins voller Klischees, und beide sind eher mittelmäßig geschrieben, würde ich natürlich das mit den tollen Ideen nehmen. Wenn die Ideen gut genug sind, dann können sie eine mittelmäßige Geschichte etwas aufwerten. Aber insgesamt ist die Umsetzung wichtiger als die Ideen dahinter!

3. Kommt drauf an. Es macht Spaß, mit bekannten Klischees zu spielen, und wenn ich was mit Humor schreibe bediene ich mich auch an den Klischees. Bei seriöserer Fantasy versuche ich lieber, alten Ideen einen neuen Twist zu geben, oder ein Setting zu kreieren, das einen einzigartigen Touch hat. Es wurde in der Fantasy zwar schon verdammt viel gemacht, nicht nur in der Literatur sondern auch im Film, in Rollenspiel-Regelwerken, in Computerspielen... aber viele der interessanten Ideen wurden später gar nicht oder nur selten aufgegriffen, während sich die bekannten Klischees hatnäckig halten.

Aber auch wenn ich versuche innovativ zu sein ist mir völlig klar, dass ich von dem beeinflusst bin, was ich in meinem Leben bisher gelesen habe. Ideen entstehen nicht aus einem Vakuum. Innovative Fantasy ist innovativ weil sie sich aus verschiedenen Sachen bedient, die vorher noch nicht kombiniert worden sind, oder weil sie sich mit Bekanntem auf neue Art und Weise auseinandersetzt. Ich bin mit Computerspielen aus den 90ern aufgewachsen und habe in meiner Jugend viele Romane mit interessanten und unkonventionellen Ideen gelesen. Die haben mich alle als Autor beeinflusst, und irgendwo im Hinterkopf werden die immer verbleiben. Wenn ich mir eine neue Geschichte oder ein neues Setting ausdenke, dann fließen die Einflüsse unbewusst mit hinein.

Ich würde sagen dass so ein unbewusster Einfluss von schon gelesenem bei jedem Autor mit dabei ist.

HauntingWitch

Ohne jetzt alle anderen Antworten genau durchgelesen zu haben, hier meine Meinung:

1. Was ist für euch beim lesen/schreiben am wichtigsten und warum - die Idee dahinter oder eher die sprachliche Formulierung oder die spannende Handlung?

Weder noch. Wichtig ist für mich, dass mich die Geschichte berührt. Die Charaktere, die Botschaft, irgendetwas daran. Damit das funktioniert, muss es glaubwürdig wirken und das hat wiederum mit der Umsetzung zu tun (nicht nur sprachlich, auch ob die Charaktere nachvollziehbar sind etc.). Die Idee an sich ist aber eigentlich egal. Deine drei Beispiele finde ich besonders gut, um das festzumachen. Was diese Bücher erfolgreich macht, ist meiner Ansicht nach nicht die Einzigartigkeit des Plots.
In "Herr der Ringe" und "Game Of Thrones (oder Song Of Ice And Fire ;))" geht es um zutiefst menschliche Gefühle. Freundschaft, Loyalität, Verrat, Liebe, Machtgier, Cleverness, Intrigen, Unterdrückung, Freiheit. Das sind alles Dinge, die die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben in irgendeiner Form betreffen. Gerade bei "Game Of Thrones" wird das deutlich. Wer z.B. niemals mit dem Thema Macht in Berührung kommt, kann sich immer noch mit den vielen anderen Themen identifizieren. In "Harry Potter" geht es um Dinge, die jeder Teenager in seinem Leben durchmacht. Alles andere bildet nur einen Rahmen dafür, einen Aufhänger sozusagen. Warum verschlingen die Leute King-Bücher wie warme Brötchen? Etwa weil sie brutal, schrecklich, abstrakt und schwer zugänglich sind? Bestimmt nicht. Zwei Dinge: Menschliche Abgründe (1), glaubwürdig und spannend umgesetzt (2).
Langer Rede kruzer Sinn: Was ein Buch in meinen Augen gut oder schlecht macht, ist nicht die Idee im Sinne von Plot, sondern, ob es mich berührt oder nicht. Die meiste erfolgreiche Unterhaltung (seien es Bücher, Filme oder Musik) spricht Themen an, die viele Menschen beschäftigen. In der Musik sind die grössten Charthits immer Love-Songs. Warum? Weil zu dem Thema jeder Mensch einen Zugang hat.   

2. Entschädigt eine gute Idee eher für ein ,schwaches' Buch oder würdet ihr umgekehrt lieber ein gut geschriebenes Buch mit wenig (innovativen/interessanten) Ideen lesen?

Ich denke, dass eine gute Umsetzung eine "schwache" Idee retten kann, siehe oben. :)

3. Nun gibt es das ganze Fantasy-Genre schon eine Weile und viel wurde schon getan und geschrieben – fällt es euch da schwer mit neuen Ideen aufzuwarten? Orientiert ihr euch lieber an bekanntem?

Früher wollte ich immer unbedingt originell sein. Wer möchte das nicht? Aber mittlerweile habe ich das aufgegeben, weil a) sowieso kaum eine Idee wirklich neu ist, weil es b) halt nun einmal nur so und so viele menschliche Themen gibt. Ich frage mich bei neuen Ideen schon gar nicht mehr, ob es etwas ähnliches schon einmal gegeben hat. Auf die Umsetzung kommt es an. Ich könnte jetzt mehrere Bücher nennen, in denen ein Vamprivirus die Menschen in die Apokalypse stürzt (da wären z.B. "Der Übergang" von Justin Cronin, "Die Saat" von Guillermo del Torro) und die sind alle völlig unterschiedlich.
Vermutlich gibt es Plots, die mehr Spielraum für Originalität lassen als andere ("Mädchen verliebt sich in Vampir/Werwolf/etc" bietet vermutlich nicht so viel Spielraum), aber letztendlich ist auch das egal, weil siehe oben. :)

Cailyn

#17
Hmmm... im Grunde versuchst du hier, hinter das Rezept des perfekten Buches zu kommen. Das möchte ich natürlich auch gerne kennen. Aber so viele Geschmäcker es gibt, so viele Antworten gibt es wohl auch auf die Frage, ob die Idee oder die Umsetzung wichtiger ist. Ich vermute, je mehr man es schafft, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Ansichten von vielen Lesern zu erreichen, desto erfolgreicher wird ein Buch. Und das hat dann mit beidem zu tun: Idee und Umsetzung.

Dass aber eine Idee nur dann gut ist, wenn sie neu ist, glaube ich nicht. Auch Tolkien, den du erwähnst, hat ja vieles nicht erfunden. Sein "Trick" war u.a., dass er sich vieler Mythen und Sagen wie auch anderer Völker (bezüglich Sprache, z.B. Isländisch) bedient, diese aber anders verwendet hat. Er hat aus dem einen "Genre" (Sagen und Mythen) etwas genommen und es in ein anderes transportiert. An sich ist das ja auch was Neues, aber nichts, was aus dem Nichts in seinen Kopf gesprungen ist.

Ein weiteres Beispiel: Shakespeare. Auch er hat seine Werke nicht aus dem Nichts erfunden, sondern die Themen aus der griechischen Mythologie entnommen. Also auch hier wurden Ideen von einer Quelle in eine andere Form gebracht.

Unser Pech ist halt, dass es diese Form der Übertragung nun nicht mehr gibt. Aktuelle Autoren müssen sich damit begnügen, sich zu anderen bereits bestehenden Ideen aus Büchern und Romanen einzureihen und versuchen, diese anders zu interpretieren. Aber so schlimm ist das ja nicht. Als Leserin habe ich auch nicht das Bedürfnis, immer etwas total Neues und noch nie Dagewesenes zu lesen. Oftmals wünschte ich mir sogar, es gäbe von einer Art Geschichte noch mehrere im genau gleichen Stil (nur mit anderen Figuren und Schauplätzen), gerade weil ich es eben mag.

Meine persönliche Präferenz kann ich so nicht konkret benennen. Es muss eine Mischung sein, die auch nicht immer gleich sein muss. Eine banale Idee, die von super interessanten Figuren getragen wird, findet bei mir sicher Anklang. Aber auch eine geniale Idee mit austauschbaren Figuren, jedoch einem verzwickten und komplexen Plot entfacht mein Interesse. Was bei mir auf keinen Fall fehlen darf, ist Spannung. Egal, ob jetzt die Idee oder die Figuren ein Buch tragen, wenn es langweilig und langfädig ist, wandert es bei mir in den Müll. Darum lese ich auch selten hochstehende Literatur. Ich mag es zwar, innerhalb eines Buches auch etwas zu lernen (z.B. in Historienromanen) oder an philosophische Themen herangetragen zu werden, aber wenn keine Spannung da ist, brauche ich dafür keinen Roman zu lesen. Dann wähle ich lieber Sachliteratur, denn dort ist für mich Spannung kein Thema.

Fianna

#18
Das würde ich so jetzt nicht unterschreiben. Es sind noch beileibe nicht alle Mythen "weg" und wenn man (angesichts Deiner Beispiele) den Punkt mit der Reichweite / Auflagenhöhe berücksigt, sind da noch ganze Kulturkreise "frei".

Und man kann sich ja neben einzelner Mythen auch noch kleinere Bereiche rauspicken. Ich habe einmal als Erklärung für die Kreuzzüge den Satz einer Romanfigur gelesen, dass zwei Parteien Krieg gegeneinander geführt hätten mit Hilfe desselben Heeres (Jasper, "Tod und Teufel, Frank Schätzing).

Diesen Satz habe ich als Grundlage genommen für einen Plot, und durch die Gegebenheiten ist es garantiert etwas, was es so nicht 1:1 gibt.

Beim Beispiel Hintergrund / Weltenbau denke ich sowieso, dass man unverwechselbarere Ergebnisse bekommt, wenn man eine Situation oder ein Problem wählt und dann darauf passend eine Welt entwickelt (oder ein Land), in dem die Gegebenheiten diese Situation begünstigen oder zwingend hervor rufen.
Welten, die zuerst erfunden werden und dann wird eine Geschichte dazu gebaut, überraschen mich als Leser meist nicht so sehr.

Beim frei erfinden ist man dann aber wieder bei dem "Problem", dass in der Menschheitsgeschichte zu irgendeiner Zeit in irgendeiner Kultur schonmal jemand darauf gekommen ist (z.b. Totenmaske/Ahnenkult) und auch wenn der Rest der Welt nicht zu der Kultur passt, aus der der Leser dieses Element kennt, kann es sein, dass er wegen dieser Parallele meint, das wäre ja wie bei Land X, Epoche Y (auch wenn der Rest nicht daraus entnommen ist).


Also bleibt zwar die "Das ist nicht neu"-Reaktion als mögliches Problem, ich sehe es aber nicht so gravierend wie Du. :)

Amberle

1. Was ist für euch beim lesen/schreiben am wichtigsten und warum - die Idee dahinter oder eher die sprachliche Formulierung oder die spannende Handlung?
Die Idee ist es jedenfalls nicht. Brandon Sanderson hat in einer seine Schreibklassen mal die Geschichte hinter Codex Alera von Jim Butcher erzählt. Butcher wollte beweisen, dass man auch aus einer dämlichen Idee ein gutes Buch machen kann und hat deshalb seinen Diskussionspartner gebeten ihm die schlechteste Idee zu geben die ihm einfällt. Das Ergebnis war "die verlorene römische Legion und Pokemon". Und Codex Alera ist eine ziemlich gute Reihe.

Die Umsetzung ist mir viel wichtiger. Wenn eine Idee schon tausendmal da war, aber ich die Figuren mag, die Handlung glaubwürdig finde und mir das Buch gute Gründe gibt weiterzulesen, dann verzeihe ich auch eine schwache Idee.

Ich denke im Grunde will ich ein Buch, das a) dafür sorgt, dass ich weiterlesen will. Ob das nun wegen einer spannenden Handlung, guten Figuren, einer tollen Sprache oder allen drei Dingen ist nebensächlich.
Und b) darf das Buch mich nicht soweit frustrieren, dass ich nicht weiter lesen kann. Jeder hat da seine eigenen Trigger und reagiert unterschiedlich stark auf Dinge wie Rechtschreibung, Grammatik und unlogische Handlung.

Wenn ein Buch dieses Gleichgewicht hinbekommt, bin ich oft schon zufrieden.

2. Entschädigt eine gute Idee eher für ein ,schwaches' Buch oder würdet ihr umgekehrt lieber ein gut geschriebenes Buch mit wenig (innovativen/interessanten) Ideen lesen?
Eine gute Idee kann für mich nie eine schlechte Umsetzung gutmachen. Andersherum geht das schon viel eher.

3. Nun gibt es das ganze Fantasy-Genre schon eine Weile und viel wurde schon getan und geschrieben – fällt es euch da schwer mit neuen Ideen aufzuwarten? Orientiert ihr euch lieber an bekanntem?
Nicht wirklich. Es gibt immer genug Möglichkeiten um die Ideen zu kombinieren. Manchmal kommt man in die Situation, dass Teile der eigenen Geschichte oder des Settings einem anderen Buch ungemütlich nahe kommen. Aber solange es nicht zu urheberrechtlichen Problemen kommt, konzentriere ich mich einfach weiter auf meine Geschichte und vergesse die Ähnlichkeiten. Oft löst sich das Problem von selbst. Und selbst wenn nicht, ist mein Ziel ein gutes Buch. Ich muss dafür nicht das Rad neu erfinden.

Cailyn

Fianna
Natürlich gibt es noch viele Sagen und Mythen, welche man für Bücher heranziehen kann. Aber dass dies eben überhaupt gemacht wurde, war ja die Neuheit an sich. Wenn dann andere Autoren andere Mythen und Sagen als Inspiration nehmen, ist es ja nicht mehr das gleiche wie beim ersten, der das gemacht hat.

Fianna

Okay, das habe ich dann anders verstanden als von Dir gemeint... Du hattest doch zwei Beispiele, die nicht zeitgleich waren. Dann dürfte Tolkien nach dieser Logik doch auch kein Positiv-Beispiel sein, er war dann ja nicht mehr der Erste.

~~~

Je nach Mythos (*pst* "The Quarrel of Horus and Seth") ist das so abgedreht, dass man als Leser es als neu und ungewöhnlich empfindet, obwohl das mit dem Mythos so ein alter Hut ist.

(Ein Teil des Mythos ist relativ langweilig, da sich viel wiederholt (spannend sind da die grammatikalischen kleinen Variationen), lest bis zum Kürbis.)

Cailyn

Stimmt, Tolkien war auch nicht der erste, Fianna. Aber dass zwischen Shakespeare und Tolkien ein paar Jahrhunderte verstrichen, ist ihm sicher zugute gekommen.  ;D

Feuertraum

Zitat von: Schneerabe am 12. März 2016, 00:48:51

1. Was ist für euch beim lesen/schreiben am wichtigsten und warum - die Idee dahinter oder eher die sprachliche Formulierung oder die spannende Handlung?
2. Entschädigt eine gute Idee eher für ein ,schwaches' Buch oder würdet ihr umgekehrt lieber ein gut geschriebenes Buch mit wenig (innovativen/interessanten) Ideen lesen?
3. Nun gibt es das ganze Fantasy-Genre schon eine Weile und viel wurde schon getan und geschrieben – fällt es euch da schwer mit neuen Ideen aufzuwarten? Orientiert ihr euch lieber an bekanntem?

Ich befürchte zwar, mit meiner Antwort ein wenig an dem vorbeizuschrammen, was Sie eigentlich im Sinne haben, aber für mich ist die Idee am wichtigsten, wobei Idee nicht im Sinne von Grundidee im Plot vermittelt, sondern Ideen, die den Leser überraschen, ihn zum Staunen, Lachen, Schmunzeln bringen, die ihm zeigen, dass Fantasie weitaus mehr kann als das übliche Schema F, dessen man sich bedient, weil man einen Abgabetermin hat bzw. sich keine großartige Mühe machen will.
Leider wird das, was ich meine, gar nicht mal selten als Effekthascherei verunglimpft. In meinen Augen ist diese Bezeichnung jedoch mehr als ungerecht; sich solche ungewöhnlichen Situationen und Ideen auszudenken und auszuformulieren ist weitaus schwieriger als es den Anschein hat.

2) ist etwas schwierig zu beantworten. Grundsätzlich ist es erstmal so, dass ich eher bei einer tollen Idee Interesse zeige als am Autorennamen oder Genre. Es kommt dann aber vor, dass ich ein wenig enttäuscht bin, wenn ich den (von mir erwarteten) Knaller nicht zu lesen bekomme. In diesem Fall ist es eine Mischung aus beidem.

3) kann man tatsächlich nicht so wirklich beantworten, da man eigentlich kaum etwas findet, was es nicht schon gab, man dieses aber in ein anderes Gewand kleiden kann (wobei dann wieder 1. als Applikationen dienen soll).

Allerdings teile ich Witchs Meinung, dass Figuren berühren sollen, nur bedingt. Es ist zumindest mir zuwider, wenn Protas soviel Tränen vergießen müssen, dass man damit ganze Seen füllen können. Es widerstrebt mir, dass ein Held soviel Leid erfahren muss, dass selbst der Teufel Mitleid mit ihm hat.
Mich jetzt bitte nicht falsch verstehen. Das soll jetzt nicht heißen, dass der Held keine Schicksalsschläge bekommen soll, die ihm einen Dämpfer versetzen. Aber zumindest mir geht es auf den Keks, wenn es heißt, dass die Figur sich voller Selbstzweifel durch die Geschichte hangeln soll, sich mit Vorwürfen zerfleischen und immer wieder über seine Schuld nachdenkt.
Ein bisschen Drama ist okay, aber mir kommt es vor, dass der moderne Autor dieses Badewannengrößentechnisch über seine(n) Prota(s) auskippt und es keine Menschen mit kleinen Sorgen gibt.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Fianna

Zitat von: Cailyn am 21. März 2016, 09:13:24
Stimmt, Tolkien war auch nicht der erste, Fianna. Aber dass zwischen Shakespeare und Tolkien ein paar Jahrhunderte verstrichen, ist ihm sicher zugute gekommen.  ;D
Dann verstehe ich endlich was Du meinst, aber ich habe ein Problem: ich lebe doch nicht mehrere Jahrhunderte! Verdammt!

HauntingWitch

Zitat von: Feuertraum am 21. März 2016, 09:55:47
Allerdings teile ich Witchs Meinung, dass Figuren berühren sollen, nur bedingt. Es ist zumindest mir zuwider, wenn Protas soviel Tränen vergießen müssen, dass man damit ganze Seen füllen können. Es widerstrebt mir, dass ein Held soviel Leid erfahren muss, dass selbst der Teufel Mitleid mit ihm hat.

Das meinte ich auch nicht mit "berühren." Ich meinte, dass sie etwas an sich haben sollten bzw. die Geschichte etwas an sich haben sollte, dass die Menschen allgemein "berührt", im Sinne von beschäftigt. Ein Thema, das vielen wichtig ist z.B., wie Liebe. Oder etwas, womit sich Leute identifizieren können, sich selbst wieder finden. Schwierig zu erklären.
Ein Beispiel: In "So ruhet in Frieden" von John Ajvide Lindqvist stehen eines Tages die Toten auf. Soweit nichts, was einen speziell berühren sollte, einfach eine weitere "Zombie"-Story (sind eben keine richtigen Zobmies, aber das führt zu weit). Jedenfalls ist unter diesen Aufgewachten auch ein kleiner Junge. Seine Mutter holt ihn zu sich und möchte ihn auf eine einsame Insel bringen, um ihn nicht wieder zu verlieren. Das brennt sich einem in die Erinnerung ein. Eine Mutter, die die wandelnde Leiche ihres Sohnes entführt, um ihn nicht wieder zu verlieren. Wie viele Menschen können sich vorstellen, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren und wie viele fragen sich an dieser Stelle, wie sie sich wohl verhalten würden. Und wie viele würden sich möglicherweise gleich verhalten? So etwas meine ich.
Wie gesagt, "Harry Potter" oder auch "Twilight" beinhalten Dinge, die die meisten Teenager im Verlauf ihres Lebens beschäftigen. Deshalb berühren die Charaktere sie. Bella ist sturzdumm, aber wie viele Mädchen wünschen sich den Mr. Right für's Leben? Bella findet ihren Mr. Right. ;) (Die fragliche Darstellung einer Beziehung jetzt mal aussen vor gelassen).
Ich meine eher solche Dinge, nicht, dass ein Charakter geschlagen und gebeutelt und heulend aus der letzten Seite hervorgehen muss.  ;)

Cailyn

Zitat von: Fianna am 21. März 2016, 12:51:52
Zitat von: Cailyn am 21. März 2016, 09:13:24
Stimmt, Tolkien war auch nicht der erste, Fianna. Aber dass zwischen Shakespeare und Tolkien ein paar Jahrhunderte verstrichen, ist ihm sicher zugute gekommen.  ;D
Dann verstehe ich endlich was Du meinst, aber ich habe ein Problem: ich lebe doch nicht mehrere Jahrhunderte! Verdammt!

Vielleicht finden wir ja auch noch was zum Abgucken, was irgendwer vor 1000 Jahren gemacht hat.

Feuertraum
Haben Sie denn kein Problem damit, wenn sie sich in keiner Art und Weise mit der Figur identifizieren können oder es einen gemeinsamen Nenner gibt?
Ausserdem denke ich nicht, dass eine Figur nur dann gut ausgearbeitet und "tief" ist, wenn sie unendlich leidet. Das darf ja auch eine Frohnatur oder jemand sehr glückliches sein.

Feuertraum

Zitat von: Cailyn am 21. März 2016, 09:13:24

Feuertraum
Haben Sie denn kein Problem damit, wenn sie sich in keiner Art und Weise mit der Figur identifizieren können oder es einen gemeinsamen Nenner gibt?

Ehrlich gesagt: Nein

Zitat
Ausserdem denke ich nicht, dass eine Figur nur dann gut ausgearbeitet und "tief" ist, wenn sie unendlich leidet. Das darf ja auch eine Frohnatur oder jemand sehr glückliches sein.

Bei mir rennen Sie mit dieser Aussage offene Türen ein. Nur ich habe in den letzten Jahren feststellen müssen, dass diese Einstellung blankes Entsetzen hervorruft. Sei es von Autorenseite, seien es gestandene Rollenspieler: kaum eine Hauptperson, die nicht mit ihrem Schicksal hadert, die frei ist von Selbstzweifeln . Ob als Kind die Eltern verloren, eine Behinderung, Vergewaltigung, die Palette ist groß. Natürlich gibt es Ausnahmen. Einmal hat ein Bekannter einen Barbaren gespielt, dessen oberstes Ziel es war, ein Schönling zu werden und im Lexikon sein Bild unter "Höflich und zuvorkommend" zu sehen. Aber das waren wirklich Ausnahmen. Selbst in manchen Actionfilmen findet man Sequenzen, in denen die Seelenpein des jeweiligen Protas gezeigt wird, und das nur, weil ein Charakter dreidimensional sein "muss" und der Leser ja tiefschürfende Probleme "verlangt".
Wie gesagt: Ich kann mich mit dieser 3D-Charakterisierung nicht anfreunden, aber die Masse bevorzugt und zeichnet sie so.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Churke

Zitat von: Feuertraum am 21. März 2016, 19:32:36
Selbst in manchen Actionfilmen findet man Sequenzen, in denen die Seelenpein des jeweiligen Protas gezeigt wird, und das nur, weil ein Charakter dreidimensional sein "muss" und der Leser ja tiefschürfende Probleme "verlangt".

Schlimme Kindheit - Check
Vater-Sohn-Konflikt - Check
Trauma - Check

Das ist keine dreidimensionale Figur, das ist ein Armutszeugnis.

Cailyn

Tja, offenbar sind wir ein Volk von Pessimisten und Elendstouristen  ::)