Nöö, hatte nur den Eindruck, dass dem so war, und kann deine Argumentation schon nachvollziehen. So ist es ja nicht.
Ich glaube, wir verwenden das Wort "aktuell" mit unterschiedlicher Bedeutung. Ich habe den ideellen Anspruch, dass meine Bücher möglichst lange lesbar sind, will heißen, dass selbst nach zehn Jahren nach der Veröffentlichung die Leser*innen keine großen Erklärungen brauchen, um diesen Roman zu verorten, sondern dass er für sich stehen kann. Je mehr (jetzt) aktuelle Zeitmarker eingebaut werden, desto schneller altert er und desto mehr Erklärungen braucht es für ein späteres hypothetisches Publikum.
Meinst du nicht, dass du dir da zu viele Gedanken drum machst?
Also wenn ich jetzt von mir als Leserin ausgehe. Wenn ich ein Buch nach 10 Jahren noch mal lese, dann weiß ich eben das es 10 Jahre alt ist. Außerdem habe ich es ja bereits schon mal gelesen und kenne auch die geschichtlichen Fakten. Und (sorry) dass ein neuer Leser nach so langer Zeit noch mal darüber stolpert ... eher unwahrscheinlich.

Andererseits könnte man jetzt auch so argumentieren, wenn man Corona einbaut, dass der Leser sich dann erinnert mit einem "ah ja, so war das damals", was u.U. auch ein positiver Effekt sein
könnte.
Aber gut. Das ist ja jedem selbst überlassen. Wenn das dein Anspruch ist, alles fein.
Natürlich hat Corona andere Auswirkungen als die Dreifachkatastophe bei Fukushima oder die Anschläge auf das World Trade Center, doch die Frage für die Autor*innen damals ist dieselbe, wie sie hier gestellt wird: Wie viel Platz räume ich dem Tagesgeschehen in meinem Roman ein? Erwähne ich das, was eh den meisten bewusst ist, dass es passiert ist, oder lasse ich es außen vor?
Jaein. Also ja, das ist grundsätzlich immer die Frage. Wie detailverliebt bin ich und natürlich können die Leser*innen Lücken auch aus ihrer Erfahrung schließen. Der große Unterschied ist tatsächlich, dass jeder (wirklich jeder) persönlich betroffen ist. Wie du in dem Beispiel schon geschrieben hast, es hat geprägt und tut es auch noch.
Ich muss dir auch ehrlich sagen, dass ich es schwierig finde, gute Beispiele zu finden. Z.B. bei deinem würde ich ehrlich gesagt nicht so weit gehen. In dem Zusammenhang wird (Unterstellung) jeder Teenager sämtliche Regeln in dem Moment vergessen und sich wie ein Keks freuen. Weil huuii Love Interest und so.

Bei dem Beispiel könnte man höchstens im Nachgang ein schlechtes Gewissen bekommen und dann sind wir bei folgenden Punkt, was sich auch ein wenig noch auf
@Yamuri Post bezieht: Authentizität und Identifikation. Und die bekommt man u.a. auch durch Tiefe und Details.
Das habe ich zuvor versucht zu erklären, alle haben die Coronakrise mitbekommen, alle haben einen Bezug dazu. Sie haben selbst persönliche Erfahrungen gemacht und können sich identifizieren und das ist der große Unterschied zu allen anderen Katastrophen.
In wiefern man das nutzt, oder nicht, und wenn ja, wie tiefgehend, ist ja jedem frei überlassen. Aber, und das möchte ich zu bedenken geben, haben wir nun zwei Manuskripte beide Urban Fantasy, beim einen wird ein Bezug hergestellt beim anderen nicht. Welches wird ein Verlag aller Wahrscheinlichkeit nach nehmen?
Zugegeben, das ist eine Unterstellung. Aber zeitgemäß ist eindeutig das mit Corona. Vor allem, wenn das noch gut umgesetzt ist. Sich also u.U. wirklich mit den Problem der Zielgruppe auseinandergesetzt und damit Identifikation geschaffen wird. Wie gesagt, persönlicher Bezug, von jedem von uns.
Deshalb hat auch das zu anfangs erwähnte Buch Eindruck hinterlassen. Es hat sich eben genau damit auseinandergesetzt. Die Leser haben diesbezüglich Gefühle und die werden genutzt (und sei es nur, dass man es von Nachrichten gehört hat).
Mal folgende Fragen: Was würdet ihr tun, wenn die Coronakrise 5 Jahre her ist? Ignorieren oder nicht? Und dann sind wir bei meinem Beispiel mit dem/der Arzt/in. Es wirkt sich ja auch auf die Charaktere aus. Selbst wenn es abgeschlossen sein sollte. Die haben eine Vergangenheit damit. (Außer wir schaffen eine andere Realität, was man ja machen kann und was auch legitim ist). Wenn ich jetzt also über einen Vampirarzt schreibe, der immun ist, weil Vampir halt, dann kann ich das durchaus reinbringen und wenns nur eine Anspielung und ein Nebensatz ist mit "ja ja, damals und so, musste ich mich auch um alles kümmern". Wenn das nicht passen sollte, weil der Vampir - tja, ehrlich gesagt fällt mir gerade auf Anhieb kein Beruf ein, der nicht betroffen ist ... also, sollten sich die Auswirkungen in der Vergangenheit (2020) im Rahmen halten, muss man da natürlich nichts bringen. Aber anders wüsste ich nicht, warum man so ein gravierendes Ereignis unter den Tisch fallen lassen sollte.
Unabhängig davon: Ganz ehrlich, ich werde das bei Band 2 und 3 auch nicht ausarten lassen und zugegeben, es ist zeitgenössisch und kein Fantasy. Aber Erwähnung müssen die Ereignisse bei mir irgendwo finden. Sonst steigt mir sicherlich auch meine Lektorin aufs Dach.
