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Schreiben muss man nicht lernen, man braucht nur Fantasie

Begonnen von Alana, 20. Februar 2009, 00:55:58

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Alana

Hallo,

gerade habe ich mich mit dem Freund meiner Mutter freundschaftlich über das Thema Schreiben lernen gestritten .  ;D
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr denke ich, dass es viel zu lernen gibt und die meisten Leute die gut schreiben, das auch in irgendeiner Form gelernt haben. Ob nun richtig professionell oder im Selbststudium, sei dahingestellt.
Ich glaube, es gibt sehr wenige erfolgreiche Autoren, die sich einfach ohne Vorkenntnisse hingesetzt und einen Bestseller geschrieben haben.

Ich merke auch an mir selbst, dass die Kenntnis des Handwerklichen viele Blokaden löst und hilft, Ideen fest zu nageln, den Plot zu entwickeln etc.

Natürlich merke ich auch, dass es nichts bringt, sich einer dogmatischen Lehre unterwerfen zu wollen. Aber ich sehe das eben wie in der Malerei. Man findet kaum einen erfolgreichen Maler, der nicht alle Grundlagen beherrscht. Selbst die, die nur eine Leinwand blau anmalen, können einen richtig proportionierten Körper zeichnen.
Ich denke, man muss die Grundlagen verinnerlichen und dann seinen eigenen Stil finden, was dann auch so enden kann, dass man sich über die Grundlagen hinweg setzt.

Der Freund meiner Mutter fand es absurd, dass man sich als Autor mit der Technik des Schreibens auseinandersetzt, er denkt, das muss eben so aus einem rausfließen, man braucht nur genug Fantasie.

Was denkt ihr?
Welche Argumente würdet ihr in so einer Diskussion bringen?

Alhambrana

FeeamPC

Ein Baby kann auch schwimmen, ohne es gelernt zu haben- aber Olympiasieger wird es später nur mit Training.

Manja_Bindig

Aus einem herausfließen... schön wärs. (ich kann jedem ein Lied trällern, was passiert, wenn 15jährige Mädchen ihre Fantasie einfach aufs Papier fließen lassen...) Dass dem nicht so ist, beweist ja schon die Tatsache, dass ein Schreibstil sich im Laufe der Jahre verändert, weiterentwickelt, feiner wird - der Freund deiner Mutter soll das mal mit klassischer Malerei vergleichen. Das war ein Kunsthandwerk, bei dem erstmal die Grundlagen der Anatomie und der ganzen Späße gelernt wurden... oder Goldschmiedekunst.

Schreiben ist meiner Meinung nach Kunsthandwerk. Und das funktioniert nur, wenn man sein Handwerk genug liebt, um die nötige Disziplin aufzubringen, sich die technischen Grundlagen anzueignen, die notwendig sind, um Talent zur Blüte zu bringen.

Diese Momente von "Erleuchtung" hat man natürlich auch mal... und einer meiner besten Kurztexte ist daraus entstanden.
Aber zum einen habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese "Erleuchtungen" sehr selten sind(es ist ganz einfach ein "Einen Nerv direkt und hart treffen") und zum anderen... es erschöpft. Solche Blitzmomente, wo man loslegt und alles rausschreibt sind bei mir eigentlich nur mit persönlichen Sachen verbunden und entsprechend greift es mich an. Ich bin da doch sehr froh, dass diese Sorte Schreibflash bisher nur ein, zwei Mal war.

Allerdings habe ich sehr oft diese "kontrollierten Flashs" - eine Geschichte packt mich, lässt mich nciht los, ich muss sie schreiben - aber zum einen reißt es mich nicht vollkommen weg, zum anderen kommt es vor, dass ich das recht gut herbeiführen kann, indem ich mir einfach viele Gedanken drüber mache, was ich wie schreibe - irgenwann muss das mal auf Papier, aus diesem Gefühl heraus entsteht das.

So viel zu dieser "Es herausfließen lassen"-Sache... immer lustig, so was zu hören.

Tenryu

Ich würde sagen lernen im Sinne einer Ausbildung braucht man das Schreiben nicht. Hingegen braucht man Talent und viel Übung. Insofern lernt man durch Anschauung, Wiederholung, durch Lesen und durch die kritische Analyse von Texten.

Es ist wie mit der Sprache allgemein. Gutes Deutsch lernt man nicht in der Schule, sondern, indem man viele, gute Bücher liest.

Natürlich gibt es auch formale Ausbildungen, Schreibkurse, Seminare und dgl., die durchaus hilfreich sein können. Sie können dem Autor theoretische Grundlöagen vermitteln, und ihm so das Lernen erleichtern. Aber man wird kein Goethe durch einen VHS-Kursus, ebenso wenig, wie man ohne einen solchen nicht doch einer werden könnte.

Coppelia

#4
Neulich hab ich erst darüber nachgedacht, dass die Grundsätze der antiken Rhetorik häufig auch fürs Schreiben gelten. Cicero schreibt, ein Redner bräuchte drei Grundvoraussetzugen, um gut zu sein: ingenium (das meint: Talent), ars (das meint: Fachkenntnis, das Wissen um die "Handwerkskunst", die dahinersteckt, und wie man sie richtig anwendet) und usus (das meint: üben, üben, üben, bis sich eine Art professioneller Routine einstellt). Er meint, es könne keinen guten Redner geben, dem ein Punkt fehlt, am wichtigsten wäre aber wohl, dass man immerzu übt und an sich arbeitet.
Ich glaube nicht, dass das beim Schreiben so viel anders ist. Begeistern kann man sich ja trotzdem dafür - und natürlich hat sich Cicero auch sehr fürs Reden begeistert. Wer wirklich Freude an etwas hat, dem macht auch die Arbeit daran Spaß.

Grey

Ach ja ... wenn man schreiben nicht lernen müsste und es nur um Phantasie ginge ... das hätte mich vor vielen Nächten bewahrt, die ich durchgeheult habe, weil ich mein Geschreibe so fürchterlich fand. Ich hab schon so oft die Erfahrung gemacht, wie weit der Weg ist von der Idee, die man im Kopf so klar vor sich sieht, bis hin zum formulierten Satz.

Ist doch eigentlich logisch: Der Mensch denkt nun mal nicht in Worten. Habt ihr schon mal versucht, mitzuverfolgen, was ihr gerade denkt? Das schafft ihr nicht. Während ihr noch damit beschäftigt seid, eure Gedanken auszuformulieren, ist euer Kopf schon längst wieder woanders.

Ich für meinen Teil fände es sehr frustrierend, wenn man schreiben nicht lernen könnte. Das hat ja schon fast was von pädagogischem Pessimismus.

Falckensteyn

Es kann ja durchaus sein, dass solche Genies existieren, denen das Schreiben ab den ersten Wörtern leicht fällt. Den meisten von uns geht das aber wohl nicht so.

Ich bin der Meinung, dass Schreiben erlernbar und verbesserbar ist. Übung macht den Meister, das ist auch mit unserem geliebten Handwerk so. Dass es Leute gibt, die eine besseres Flair dazu haben, mag sicher stimmen.

Fantasie spielt natürlich eine wichtige Rolle hierbei, aber die schönsten Ideen sind nutzlos, wenn der Träumer sie nicht zu Wort bringen kann. D.h. sie nicht so ausformulieren kann, dass sie beim Leser das entstehen lassen, was der Schreiber wollte.

Sag doch dem Freund deiner Mutter mal, er solle sich halt mal hinsetzen und es "so aus sich rausfliessen" lassen. Dann sieht er vielleicht, dass pure Fantasie alleine nicht ausreichend ist.

Manja_Bindig

Oh, Fackelsteyn, ich glaub schon, dass uns das Schreiben leicht fällt. Üblicherweise hat ein Schriftsteller ja einen sehr leichten Zugang zur Sprache und nur eine geringe Hemmschwelle, sie zu verwenden.
Ob was gutes bei rauskommt, steht ja noch mal auf nem ganz anderen Blatt. ;)

Aber ich denke, beim Usus (schön dass die alte Kichererbse da meiner MEinung war, Coppi. ;) ) ist es durchaus von Vorteil, eine niedrigere Hemmschwelle zu haben.

(Und ja, das meine ich so. Wenn jemand per se Angst davor hat, zu schreiben, ihm immer jedes Wort schwerfällt, es eine reine Qual ist - vielleicht sollte man dann doch lieber zeichnen oder malen, um seine Künstlerische Ader auszuleben.

Hanna

Wer so etwas behauptet, hat Glück: er hat wahrscheinlich noch nie ein richtig schlechtes Buch gelesen  ;D oder aber es nicht bemerkt.

Diese Aussage mag zutreffen auf jemanden, der für sich selbst schreibt. Wenn man aber daran geht, mit seinem Geschreibsel etwas verdienen zu wollen, sollte man es wirklich können.

Phantasie kann manchmal sogar hinderlich sein. Ich weiß noch, als ich angefangen habe zu schreiben, hatte ich total durchgeknallte Ideen und habe sie alle tatsächlich aufs Papier fließen lassen. Damals floss es wirklich, aber ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, zu plotten oder über die formulierung von Sätzen nachzudenken. Und später saß ich über 1000en Blatt Papier voll guter Ideen, die niemand verstand, weil ich sie nicht deutlich machen konnte. Aus den ganzen erfunden Kreaturen und merkwürdigen Wandlungen könnte ich heute ein gutes Dutzend Bücher machen.

Trotzdem war diese Phase gut und wichtig, denn ich habe viel dabei gelernt. Heute weiß ich, dass Schreiben harte Arbeit ist und es macht nicht immer Spaß. Manchmal ist es einfach nur anstrengend und ich muss mich zu jedem Satz zwingen. Schreiben ist da wie jede andere Arbeit auch.

Früher habe ich mich immer aufgeregt über Sätze wie: "Irgendwann schreibe ich auch mal ein Buch." Heute lächle ich darüber.

Ich denke, dass das aber auf wirklich alles zutrifft: man kann Talent haben, aber besser wird man nur durch Übung. Warum also sollte dieser Grundsatz auf das Schreiben nicht zutreffen?

Lg, Hanna
#notdeadyet

Antonia Assmann

Hallo zusammen,
ich schließe mich der Hauptmeinung an: Talent und Ideen, natürlich das ist die Voraussetzung. Aber dann kommt das Üben, üben, üben. Nur durch das eigene Praktizieren und durch die Analyse von fremden Texten kann daraus was werden.Wenn ich ein Buch lese, das wirklich gut ist, frage ich mich mittlerweile, wie der Autor das gemacht hat. Wenn ich ein Buch in die Ecke schmeiße, weil ich es schrecklich finde, frage ich mich auch wie er das geschafft hat. (Ich bin Schnell-und Vielleser, das ich ein Buch in die Ecke werfe, passiert kaum.)In diesem Sinne: Fantasie strömen lassen, sich selber hinter den Tisch klemmen! ;D
Lg
Antonia

Drachenfeder

Das Talent zu schreiben war bei mir schon extrem früh da, aber von meiner ersten Kurzgeschichte bis zu den jetzigen oder auch zu meinen Romanen ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Durch jahrelanges Schreiben, durch Übungen und Erfahrungen lernt man das Schreiben noch mehr. Ist doch klar, je öfter und intensiver man etwas macht desto besser wird man. Solche Diskussionen mit Nichtschreibern kann ich gar nicht leiden, die lassen nie locker und hören gar nicht richtig zu. Also ich persönlich schreibe immer weiter um mich auch zu verbessern!

LG Drachenfeder



Kerimaya

So ein Schwachsinn - natürlich muss man schreiben lernen! Es glauben noch viel zuviele Leute, daß der Text "einfach so aus einem rausfliesst". Oder warum kriegt man sonst noch ständig Sprüche gedrückt, wie "Ach ja, wenn ich mal Zeit habe, schreibe ich auch irgendwann mal eben einen Roman..."  :happs:

Leon

#12
Meiner Meinung nach, sollte beides vorhanden sein. Fantasie und handwerkliches Können. Je nachdem was ich schreibe, kommt das eine oder andere, mehr oder weniger zum tragen. Zum Beispiel: will ich ein Kochbuch schreiben, ist mit Sicherheit weniger die Fantasie, als mehr das handwerkliche Können gefragt. (Damit möchte ich keinem Sachbuchautor zu Nahe treten und ihm Fantasielosigkeit unterstellen.) Beabsichtige ich dagegen meine Leser in fremde Welten zu entführen geht das nicht, ohne dabei eine Menge Fantasie mit ins Spiel zu bringen.

Koriko

Ich bin auch der Meinung, dass man beides mitbringen soll... sicherlich liegt dem einen das Schreiben an und für sich mehr als dem anderen, einige haben einfach auch einen ganz anderen Sinn für den Einsatz der Sprache oder einen breiteren Wortschatz.. doch lernen muss man nach wie vor und ich glaube selbst wenn man Bestsellerautor ist, hört man nicht auf sich weiterzuentwickeln und zu lernen.

Fantasie ist der Anfang, doch eine Geschichte im Kopf zu haben und sie auch stilistisch passend aufs Papier zu bringen, ist ein himmelweiter Unterschied.  :engel:
"Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen." - Mark Twain

www.assjah.de
www.juliane-seidel.de
www.like-a-dream.de

Romy

Nach meiner Meinung braucht man zum (guten) Schreiben ein Drittel von diesem ominösen intuitivem Talent/Phantasie, ein Drittel erlernbares, handwerkliches Können und ein weiteres Drittel Begeisterung und Spaß an dem, was man tut - eine Quälerei sollte es nicht sein!
Nein, das ist keine offizielle Statistik, das hab ich mir selbst ausgedacht.  ;)
Jedenfalls denke ich, dass EINS von diesen drei Dingen allein nicht ausreicht, zwei auch nicht, man braucht sie alle drei!  :D

Wenn man natürlich sowieso nur für sich selbst schreibt und keine Ambitionen auf Veröffentlichung hat, dann reicht sicherlich auch allein "Talent" und Phantasie und/oder Spaß an der Sache.