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Eindeutschungen: Gräuslich oder sinnvoll?

Begonnen von Luna, 19. März 2012, 10:48:12

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Szazira

Gerade bei Harry Potter fand ich die Übersetzungen schauderhaft. Es wurde kein Gedanke an die Lautmalerei und die Bedeutung verschwendet, sondern stumpf übersetzt. :brüll:

Während ich mit den Übersetzungen der Scheibenwelt tatsächlich leben kann und gut finde.

Wirklich schlimm finde ich es, wenn englische Titel mit englischen Titeln 'übersetzt' werden. Mir fällt im Moment nur die amerikanische Serie "No ordinary family" ein, die im deutschen "My superhero family" genannt wurde. Viel schlimmer geht es meines Erachtens nicht mehr  :wums:.

Ich finde nur sehr selten Übersetzungen, die sich gut anhören und von der Bedeutung her passen. Das Problem mit deutschen Übersetzungen, ist für mich, dass sie sich sehr schnell albern anhören. Ich habe gerade "Old Possum's Book of Practical Cats" (Übersetzung 1978) neben mir liegen und frage mich jedes mal, wenn ich das Buch aufschlage, wie zur Hölle ich von Macavity auf Bibistibos komme, oder was es bringt Rum Tum Tugger mit Rem Tem Trecker zu übersetzen, oder Bustopher Jones mit Schleckerjan.

Mir ziehts bei diesen Übersetzungen regelmäßig die Fußnägel hoch und ich frage mich WARUM?!

Vielleicht stehen die Übersetzer zu sehr unter Druck um wirklich gute Übersetzungen machen zu können, aber dann brauchen sich die Verlage :dollars: nicht wundern, warum die, die dessen mächtig und nicht auf Übersetzungen angewiesen sind, die Originale kaufen. :pfanne:

Pestillenzia

Zitat von: Szazira am 15. November 2012, 19:59:18
Vielleicht stehen die Übersetzer zu sehr unter Druck um wirklich gute Übersetzungen machen zu können

Vielleicht stehen sie aber auch vor dem großen Problem, einen Weg zu finden, einerseits dem Original gerecht zu werden, andererseits aber auch die lautmalerischen Anspielungen, die viele Deutsche eben nicht verstehen, weil sie die englischen Wörter, auf die sie sich beziehen, nicht kennen, auf deutsche Lautmalereien/Anspielungen zu übertragen.

Ary

Manche Übersetzungen müssen aber wohl wirklich unter großen Zeitdruck erstellt werden, ich habe da mal was gelesen, ich weiß nur nicht mehr wo. Und demendtsprechend lieblos runtergeholzt liest sich das dann leider auch. Aber das ist wieder mal ein Auswuchs unserer überschnellen Welt.  :seufz:
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Pestillenzia

Zitat von: Aryana am 16. November 2012, 08:41:03
Aber das ist wieder mal ein Auswuchs unserer überschnellen Welt.  :seufz:

Ja, leider. Zeit ist Geld...  >:(  Da bekommt eben der den Zuschlag, der am schnellsten liefert und gleichzeitig noch am wenigsten kostet. Ergebnis:  :nöö:

Sonnenblumenfee

Obwohl mein Englisch wirklich sehr gut ist (Auslandsjahr als ich zwölf war, Englisch-Leistungskurs) und ich ohne Probleme und auch sehr gerne englische Bücher in der Originalsprache lese, bilde ich mir nicht ein, alle Wortwitze und Anspielungen zu verstehen - im Englischen nicht, aber auch nicht im Deutschen. Und Wortwitze sind ja auch gerade deshalb so toll, weil sie versteckt sind und man vielleicht erst beim zweiten oder dritten Mal lesen (oder auch gar nicht von selbst sondern erst nach Hinweis) drauf kommt. Natürlich ist es schade, wenn diese Möglichkeit beim Lesen einer Übersetzung verloren geht, aber manchmal gibt es vielleicht keine adequate Übersetzung, bei der der Witz erhalten bleibt. Auch Lautmalerei ist nur begrenzt etwas, das bei allen Lesern gleich ankommt bzw. gleich stark ausgeprägt ist. Und wenn dann beides noch verbunden werden soll - da möchte ich kein Übersetzer sein. Letztlich steht für mich der Lesefluss des Ganzen und das verständnis im Vordergrund. Und da kann es sinnvoll sein einzudeutschen oder auch nicht, je nach Wichtigkeit der versteckten Bedeutungen oder Assoziationen und nach Atmospäre des ganzen Buchs.

Und natürlich ist das auch alles immer ein sehr persönlicher Eindruck. Ich fand zum Beispiel die Übersetzungen in Harry Potter sehr gelungen, mitunter sogar besser als das Original (was daran liegen mag, dass ich auf deutsch angefangen habe zu lesen, das weiß ich nicht) während andere die Übersetzungen anscheinend gar nicht gut finden. Die hier vielfach genannte Hermine finde ich zum Beispiel sehr gut: der Name ist noch so nah am Original, dass er ohne Probleme zu erkennen ist. Dabei bleibt der altmodische, etwas sperrige Klang für mich absolut erhalten. Und wenn ich als Kind Hermione gelesen hätte, wäre ich absolut überfordert gewesen (wobei viele Muttersprachler das auch sind), wohingegen Ron und Harry überhaupt kein Problem waren. Andererseits glaube ich auch nicht, dass ich als Kind Dumbledore richtig ausgesprochen hätte, meine mich zu erinnern, es tatsächlich einfach Buchstabe für Buchstabe gelesen zu haben, ohne dass ich das je als störend empfunden hätte. Vielleicht wäre es mit Hermione genauso gewesen, wer weiß.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Maja

Hermine ist eine Oma-Name, Hermione ein Amazonen-Name. Und ich mute den Lesern auch zu, Dumbledore auszusprechen, was für ein deutsches Kind ohne Englischkenntnisse ein arger Zungenbrecher ist. Und in der deutschen Fassung des ersten Harry Potters habe ich kein einziges Wortspiel wiederfinden können.

Natürlich sind Puns schwer zu übersetzen, aber es ist besser, der Übersetzer lässt einen unübersetzbaren Pun links liegen und baut dafür an anderer Stelle einen ein, der nur im Deutschen funktioniert, als dass der Leser anfangen muss, Stellen im Geiste ins Englische zurückzuübersetzen, damit sie einen Sinn ergeben. Das ist mir passiert mit der deutschen Fassung von "Charlie und die Schokoladenfabrik", da gab es "eckige Bonbons, die rund aussehen", was völliger Nonsense war. Die Bonbons hatten kleine Augen, mit denen sie sich umschauten - they looked round.

Aber ich bin ja auch ein gebranntes Kind. Nachdem ich für meine Diplomarbeit 32 deutsche Übersetzungen von "Alice im Wunderland" durchgearbeitet habe, glaube ich nicht mehr, dass Sprache übersetzbar ist, und lese nur noch Originale. Außer, wenn mich ein Buch wirklich interessiert und ich die Ursprungssprache gar nicht spreche.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt