• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Brutale/ Blutige Szenen - wie weit würdet ihr gehen?

Begonnen von Darielle, 07. Oktober 2011, 04:26:49

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Lomax

Zitat von: FeeamPC am 25. Oktober 2011, 15:53:35Es ist die Intention , die wirklich böse macht.
Das ist eine Ansicht, die ich in meinen Büchern auch gerne hinterfrage - ich denke oft, dass es den Schrecken und die Anmutung von "Böse" noch unterstreichen kann, indem man etwas etabliert, was Dinge tut, die Angst und Schrecken bei Leser wecken können, und zugleich deutlich macht, dass dem Verursacher entsprechende gerichtete Absichten völlig fremd sind, indem man womöglich sogar Verständnis für seine Abweichungen weckt.
  Denn was ist letztendlich böser, als eine böse Tat, bei der dem Verursacher letztlich überhaupt das Verständnis für das fehlt, was daran als "böse" aufgenommen werden könnte - und damit aber gerade auch die Kontrollinstanz, die sein Verhalten zügeln könnte. Das erzeugt ein Gefühl von Fremdheit und Unkontrollierbarkeit, das sich sehr gut für einen beängstigenden Bösewicht eignet.
  Und schlimmer noch, wenn einem die Intentionen nicht fremd sind, sondern man sich als Leser dabei ertappt, dass man in irgendeiner Hinsicht selbst mit dem Bösewicht übereinstimmt und schon damit anfängt, dessen Taten rechtfertigen zu wollen, selbst wenn es Taten sind, die man an sich nicht rechtfertigen will. Das lässt einen Leser auch zurückzucken und eignet sich, einen Bösewicht zu etablieren, den der Leser mit einer Ambivalenz von Faszination und Abscheu verfolgt und der darum umso leichter unter die Haut geht.

HauntingWitch

@FeeamPC: Ich glaube, du hast mir gerade eine ganz wesentliche Erkenntnis eingebracht. Dem stimme ich zu, dass die Intention es ausmacht.

Nun, wie aber Lomax sagt: Wenn dem Bösewicht nicht bewusst ist, dass das, was er da tut, böse ist bzw. sogar ein nachvollziehbares Motiv hat. Aber das ist wohl dann das, was dieses subtile Böse macht, wenn es nicht schwarz oder weiss ist. Wenn es verwischt und die Moral des Lesers während dem Leseerlebnis in Frage gestellt wird. Aber ist dann diese Kreatur noch von Natur aus böse? Oder ist es einfach nur neutral deren Natur, weil sie ja nicht weiss, dass sie böse ist? Somit wäre die Gewalt, die dann wiederum von dieser Figur ausgeht, auch nicht Gewalt, sondern natürliches Verhalten. Das wir aber als Gewalt verstehen.

Nirathina

Blutige Szenen ... hm...

Nun, ich schreibe das, was mir mein Kopfkino zeigt. Das kann unter Umständen Enthauptungen und Blutfontänen enthalten, aber auch schlimmer kommen.
Eine Freundin von mir war ein wenig schockiert, als ich plötzlich einen überaus blutigen Spießrutenlauf, eine Arena zur Belustigung der bösartigen Leute, in meine Geschichte einbaute und mein Protagonist dazu gezwungen war, einem kleinen Kind das Genick zu brechen.
Man will ja das Fantastische ein wenig realistisch rüberbringen und ich für meinen Teil gehe dabei schon über die ein oder andere Grenze hinaus. Allerdings könnte ich diese blutige Linie nicht über mehrere Kapitel hinweg verfolgen, weil mir das wiederum zu geschmacklos wäre; ich will ja nicht das Drehbuch für den nächsten "Saw"-Streifen schreiben.
Ich denke, dass man ab und zu auch mal den Finger in die Wunde legen muss, wenn man bei seinem Leser etwas anstoßen will.

Gruß,
Nirathina

FeeamPC

Meine bisher blutigste Szene spielt hinter einer verschlossenen Türe und läßt sich nur indirekt erahnen durch das, was die Wachen draußen hören, und durch ihre Kommentare.
Aber es reicht vollauf.

Schakka

#64
Zitat von: Nirathina am 25. Oktober 2011, 16:46:02
Eine Freundin von mir war ein wenig schockiert, als ich plötzlich einen überaus blutigen Spießrutenlauf, eine Arena zur Belustigung der bösartigen Leute, in meine Geschichte einbaute und mein Protagonist dazu gezwungen war, einem kleinen Kind das Genick zu brechen.
Man will ja das Fantastische ein wenig realistisch rüberbringen und ich für meinen Teil gehe dabei schon über die ein oder andere Grenze hinaus.

Stimmt, irgendwie gehört so ein Funke Grausamkeit und Brutalität zum Fantastischen dazu, das haben meine Armen Protagonisten auch schon öfter erfahren müssen.
Aber ich glaube man darf beim Schreiben nicht zu weit von dem moralischen Ansichtspunkt abweichen. Wenn du jetzt also deinen Prota einem Kind das Genick brechen lässt finde ich musst du vorsichtig sein. Der Leser erwartet ja (außer in wenigen Ausnahmefällen) einen moralisch korrekten und "guten" Protagonisten. So wie auch oft ein Happyend erwartet wird.
Es ist sicher spannen und schrecklich, einen Charakter so auf die Probe zu stellen, aber man sollte sich glaube ich davor hüten, dass seine Psyche zu sehr verkommt...

l.g.
Toni

Nirathina

@Schakka:

Ja, natürlich ist es schon sehr grenzwertig, das gebe ich zu; es ist ja auch noch nicht die feste Version, da ich es am Ende ohnehin überarbeiten werde (und muss, so wie auch beim ersten Teil). Es ist nur so, dass ich meine Charaktere gerne an ihre psychichen Belastungsgrenzen bringe und gerne auch in die tiefsten Tiefen des menschlichen Bewusstseins vorstoße und ausgraben will, was viele oft begraben lassen - die dunkle, bösartige Seite. Okay, das hier so zu beschreiben, was mein Prota tut, kommt wohl nicht so rüber, wie wenn man es in einem zusammenhängenden Text liest und die Vorgeschichte und den Charakter kennt, der eigentlich normalerweise ein "Guter" ist.
Es ist ein gefährlicher und spannender Weg, den ich da eingeschlagen habe und ich hatte auch anfangs gezögert, aber da ich ja ohnehin in wenigen Kapiteln die Hölle betreten und die dortigen Auswüchse menschlicher (und göttlicher) Grausamkeit präsentiere, werde ich ihn auch vorerst weiter beschreiten. Vielleicht kommt mir das ganze dann am Ende doch zu brutal vor und ich ändere es - wir werden sehen.
Aber danke für den Hinweis - das hat mich noch einmal nachdenklich gemacht und das ist ganz gut so  :hmmm:

Nirathina

Runaway

Zitat von: Schakka am 26. Oktober 2011, 09:24:21
Der Leser erwartet ja (außer in wenigen Ausnahmefällen) einen moralisch korrekten und "guten" Protagonisten. So wie auch oft ein Happyend erwartet wird.
Laaangweilig! Es leben die Ausnahmen!! ;)

Nirathina

ZitatLaaangweilig! Es leben die Ausnahmen!!

Ich stimme zu  ;D

HauntingWitch

Stimme Dani da auch zu. Ausserdem, was ist schon ein "moralisch korrekter" Prota. Das sieht ja auch jeder wieder anders. Da braucht es vermutlich einge ganze Menge Inkorrektheit (oder eben in besonderem Ausmass), bis ein Prota wirklich ein Antipath wird. Von dem her geht da so einiges rein. Aber da ja der Leser gerne mit den Protas mitfühlt, quäle ich lieber die Protas und verwische die Moral der Antas.  ;D

Kisara


Gewalt gegen Tiere ist mir bisher auch nicht untergekommen - vielleicht, weil ich das nur von Leuten ausführen lassen würde, die ich sofort als verabscheuungswürdig darstellen wollen würde. Mit Gewalt gegen Menschen komme ich gut zu Recht, aber gegen Tiere ist das Letzte.

Aber Abscheu bei blutigen & brutalen Szenen empfinde ich nicht. Die herbsten Szenen, die ich geschrieben habe, waren Folterszenen aus Sicht des Protagonisten - und er war der, der gefoltert wurde. Das einzige, was mir wirklich Sorgen gemacht hat dabei, war, dass Wörter wie "Schmerz" und "Blut" sich nicht ständig wiederholen. Aber ansonsten bin ich beim schreiben ganz ruhig und gelassen.

HAPPY-ENDs mag ich nicht! Und meine Protas haben alle irgendwann den ein oder anderen Schaden - obwohl der junge Mann, der seine eigene, vierjährige Tochter ermordet hat, nur weil sein Hauptmann ihm das befohlen hat, einigen meiner Leser sehr bitter aufgestoßen hat. Besonders weil sie ihm nicht wirklich böse sein konnte - da war ich sehr stolz.
Es muss nicht blutig sein um einen Charakter zu brechen & ich bin ein grausamer Autor - ich breche gern Charaktere oder treibe sie an den Punkt, an dem sie sich am liebsten in eine Klinge stürzen würden, einfach um zu sehen a) ob ich stärker bin als der Chara und er an den Punkt kommt & b) weil ich den Weg dahin gerne beobachte. Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.

Nirathina

Zitat von: Kisara am 26. Oktober 2011, 15:36:15Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.

Genau so ist es! Wenn man seinen eigenen Charakter leiden, ihn Höhen und Tiefen durchleben lässt, die einen selbst vielleicht niemals erreichen würden, dann lernt man sich selbst viel besser kennen: Man geht in sich und fragt sich: Wie hätte ich mich verhalten? Wie würde ich mich fühlen?

Gewalt gehört in einen Fantasy-Roman genauso wie sie auch zum Leben gehört. Wir Menschen sind nicht dazu gemacht, friedlich zu sein. Gewalt ist allgegenwärtig. Ohne sie gäbe es keine Kriege und Revolutionen, die die Welt zum Besseren hin verändern könnten. Das ist eine Tatsache, die man hinnehmen muss.

Wollmütze

#71
Nunja, inwiefern Kriege die Welt zum Besseren verändern ist sicher ein anderes Diskussionsthema.

Zitat von: Kisara am 26. Oktober 2011, 15:36:15
Es muss nicht blutig sein um einen Charakter zu brechen & ich bin ein grausamer Autor - ich breche gern Charaktere oder treibe sie an den Punkt, an dem sie sich am liebsten in eine Klinge stürzen würden, einfach um zu sehen a) ob ich stärker bin als der Chara und er an den Punkt kommt & b) weil ich den Weg dahin gerne beobachte. Es ist wie ein Kampf zwischen mir und der Figur. Und es ist jedes Mal eine ganz neue Erfahrung, die mir und ihr viel beibringt.

Da stimme ich vollkommen zu. Man muss nicht selbst dem Tode nah gewesen sein um darüber schreiben zu können, denn man erlebt es durch die selbsterschaffene Figur und man lernt daraus. Irgendwie verrückt, aber ich merke manchmal wirklich, dass ich durch das Schreiben Erfahrungen in meinem Kopf habe, die ich am eigenen Leib noch gar nicht erlebt habe. Vielleicht aus meinem vorherigen Leben?  ;D Nein, aus dem Leben meiner Charaktere.  ;)

Edit: Damit das nicht in OT abdriftet. Ich war eine ganze Zeit auch sehr blutig, vielleicht weil meine Lektüren zum Großteil blutige Fantasy waren. Ich hab beschrieben, wie die Gedärme aus dem Bauch rutschen, wie der abgetrennte Kopf durch die Gegend fliegt und das Blut nur so herumsprüht. Folterszenen mochte ich besonders gerne. Aber inzwischen ist das ganze stark zurückgegangen, trotzdem bleibe ich realistisch, aber manchmal ist zu viel einfach zu viel. Früher gerne, heute eher weniger. Toll finde ich heute seelische Qual oder Folterungen, vielleicht in Kombination mit etwas physischer Gewalt - yippi!  :snicker:

LG,
Wolli

Golden


Es kommt halt immer auf die Szene und die Geschichte drauf an - entweder es passt oder es passt nicht ;)

Ich versuche, wenn ich eine blutige Szene o.ä. schreibe, möglichst nüchtern zu bleiben. Also dass es sich nicht nach einem Selbstzweck anhört(okay, das ist eher im Kontext wichtig) und auch nicht nach "Sensation" sondern eine einfache Wiederspiegelung ist.

Ich glaube der Unterschied zwischen Tieren und Menschen ist einfach, dass Menschen durch Menschen Gewalt erfahren und erfahren haben und nicht durch Tiere. Und halt weil es fast keine für Menschen gefährliche Tiere mehr gibt, alle ausgerottet. Mitleid mit den Dinosauriern in JurasicPark o.ä. haben die meisten ja nicht!? :D

Das meiste wurde ansonsten ja schon gesagt.

LG

Arcor

Zitat von: Golden am 26. Oktober 2011, 20:42:14
Es kommt halt immer auf die Szene und die Geschichte drauf an - entweder es passt oder es passt nicht ;)

Das unterschreibe ich mal so. Wenn es einen Zweck hat, darf es ruhig brutal und blutig zugehen, auch bei Haupt- oder liebgewonnenen Figuren. Wenn dadurch der Charakter einer Figur dargestellt wird oder ihr Seelenleben, ihre Gefühle, dann ist - dem Setting angemessene - Brutalität völlig in Ordnung.

Auch die Bildlichkeit/der Detailgrad hängt von der Szene ab. Ich stimme FeeamPC durchaus zu
Zitat von: FeeamPC am 26. Oktober 2011, 09:00:46Meine bisher blutigste Szene spielt hinter einer verschlossenen Türe und läßt sich nur indirekt erahnen durch das, was die Wachen draußen hören, und durch ihre Kommentare.
Aber es reicht vollauf.
So eine Szene kann auch durchaus ausreichen, manches muss nicht bis in den letzten Blutstropfen ausgeschrieben sein. Den Mord an einem Kind habe/werde ich auch nur andeuten (die Szene muss noch etwas geändert werden, aber die Perspektive bleibt relativ unverändert), das passt da einfach besser. Wohingegen ein Herr, der aus Frust und Wut seine Sklaven umbringt, kann das ruhig detailreich tun, da dient es der Charakterdarstellung für den Leser.

Ich stelle gerade beim darüber nachdenken auch fest, dass die Darstellung von Gewalt bei mir auch figurenabhängig ist. Es gibt definitiv ein paar, bei denen wird es immer blutiger als bei anderen. Liegt vermutlich wirklich an deren Geschichten  :P
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

HauntingWitch

Huhu

Hier geht seit heute eine (ursprünglich etwas ältere, aber meiner Ansicht nach) hoch interessante Diskussion weiter: http://www.literaturschock.de/literaturforum/index.php/topic,4182.msg111314.html#msg111314. Es geht hier nicht mehr nur um "blutig / brutal", sondern um die Art und Weise der Gewaltdarstellung und wie sie empfunden wird.


*P.S: Ich hoffe, das gilt jetzt nicht als Werbung, weil ich das so verlinke.*

LG Witch