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(Unnötige?) Ausführlichkeit bei Beschreibungen

Begonnen von AZI, 25. Mai 2006, 18:12:41

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Linda

Zitat von: Grey am 16. November 2007, 14:41:37
Womit ich sagen will: Ich denke, man muss hier auch unterscheiden zwischen "normalen" menschlichen Charakteren, wo die Lesenden sicher keine Probleme haben, sich aus wenigen markanten Details ein komplettes Bild zu basteln (jeder sein eigenes, und das finde ich auch gut so)
und anderen, wo man dann schon mal ein detaillierteres Bild zeichnen darf.

das möchte ich (mit deiner Erlaubnis) mal genauer präzisieren. Ein detailiierteres Bild ist nötig, wenn es sich auf nicht-menschliche Figuren bezieht oder andere abweichende Dinge. Wenn also z.B. die Orks bei dir blau sind und Flügel haben, obwohl nach sonstigem Bekanntheitsgrad dieses Volk eher anders aussieht.
Wenn der Sonnenuntergang eine Stimmung vermittelt und nicht bloß da ist.
Es muss bei Beschreibungen meiner Ansicht nach eben einfach auch was Beschreibenswertes da sein, damit es nicht zur Seitenschinderei verkommt. Denn genau das ärgert mich an ausschweifenden Beschreibungen ohne Handlung :-)

Gruß,

Linda

Grey

Danke Linda. Genau das wollte ich sagen :)

Textehexe

Ich denke, Aussehen zu beschreiben ist da wichtig, wo es einen Einfluss auf das Verhalten / den Charakter des Protagonisten hat. Mein Ich-Erzähler, der Spielmann, ist ziemlich schüchtern (ja, ich weiß, blöd bei dem Beruf) und "verschmilzt" gerne mit dem Hintergrund. Dementsprechend ist er ein dünner, mittelgroßer Bursche mit einer großen Nase. Das habe ich nirgends explizit erwähnt, aber indirekt einfließen lassen. Z.B. bekommt er eine "gebrauchte neue" Robe und kommentiert in einer Seitenbemerkung den "Leerstand". Und dass seine Nase groß ist, weiß der Leser, weil sein liebenswerter Reisegefährte ihn immer damit aufzieht. So bekommt die Leserschaft mit der zeit ein Bild von der Figur, das ungefähr meinem entspricht. Welche Haarfarbe der Spielmann nun hat, kann sich das Publikum selbst aussuchen; da es keine spektakuläre ist, ist es wurscht, ob man ihn sich nun matschbraun oder straßenköterblond vorstellt.
Es grüßt
Die Hexe

Füchslein

Nachdem ich anfänglich dachte, ich müsste jeden Charakter haargenau beschreiben, damit der Leser auch wirklich meine Vorstellung davon hat, bin ich dazu übergegangen (und dabei geblieben), nur die nennenswerten Details zu beschreiben. Als Leserin möchte ich ja auch nicht ein bestimmtes Bild aufgezwungen bekommen, sondern meine Fantasie ein wenig laufen lassen. Und das Recht gestehe ich anderen Lesern auch zu. ;) Ich kenne das von mir, dass ich ein halbes Buch lang mein Bild von einem Charakter im Kopf hatte - blond - und irritiert war, als irgendwann beschrieben wurde, dass er braunhaarig war. Mein Bild hat sich trotzdem nicht verändert. Beschreibungen streue ich zwischendurch mal ein, wenn es gerade von Bedeutung ist. Wenn bestimmte Aspekte des Aussehens gerade Rückschlüsse auf die Situation eines Charakters schließen lassen. Oder der erste Eindruck von einem bisher unbekannten, wobei ich versuche, das zu beschreiben, was mir auffallen würde, wenn ich die Person zum ersten Mal sähe. Und was ich mir behalten würde. Die Augenfarbe beispielsweise nicht, wenn sie die Augen nicht besonders auffallen lässt. Grundsätzlich kommt es ohnehin immer darauf an, was die anderen Charaktere sehen. Ich weiß, wie die Leute, die ich kenne, im Normalfall aussehen. Kein Grund also darüber nachzudenken.
Zwischen Frauen und Männern mache ich da keine Unterschiede, höchstens zwischen Haupt- und Nebenfiguren, je nach Wichtgkeitsgrad. Wenn es zur Charakterisierung hilft, bekommen beide ihre Beschreibungen, wenn nicht, eben nicht.

Liebe Grüße,

Füchslein

caity

Hallo,

ich muss sagen ich gehöre zu der Person, die grundsätzlich nur die Standards abklappert und dann relativ viel offen lässt. Es kommt aber imho auch immer darauf an, aus wessen Sicht du wen beschreibst.
Wenn ich beispielsweise bewusst Ekel für eine Person hervorrufen möchte, beschreibe ich das auch entsprechend. Andersherum natürlich auch.
Bei auktorialer Erzählhaltung kann ich dir leider nicht helfen. Das benutze ich nicht, kann ich irgendwie nicht. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, was ich da machen würde ::)

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Artemis

Ich mag dieses stumpfe Beschreiben von Figuren nicht wirklich. Das ist so ein Scan, als würe man die Figur scheibchenweise betrachten. Haarfarbe, Augenfarbe, Gesichtsform, Figur, Größe, Kleidung ... Wenn das alles so runtergeholzt wird, liest man sich das zwar duch, merken tut man es sich aber nicht.

Dann streue ich lieber die Eigenschaften nach und nach in die Geschichte ein, damit es passt und Sinn macht. Wenn die Figur halt einen scharfen, klaren Blick hat, darf sie den Prota mal aus kristallblauen Augen anstarren.
Wenn sie eine dunkle Stimme hat, darf sie gern mal rumbrummeln.
Wenn sie ein markantes Kinn hat, soll sie es in einer Drohgebärde vorschieben.
Wenn sie schöne Haare hat, werden sie abgeschnitten oder durch Schmutz oder Fett hässlich gemacht, um im nächsten Fluss wieder saubergewaschen zu werden.
Wenn sie schöne Hände hat, soll sie damit wild gestikulieren.
Wenn sie einen bestimmten Kleidungsstil hat, darf sie mal eine angebotene Garderobe ablehnen oder sich darüber beschweren, warum man sie statt in blaue Wollhosen in eine grüne Leinentunika gesteckt hat. Ist er Vegetarier, trägt er halt einen Gürtel aus geflochtenen Binsen und Schuhe aus Filz und beäugt alle "Lederfüßler" argwöhnisch.

Natürlich ist es für den Autor einfacher, einfach alles wie in einem Steckbrief runterzusabbeln, aber in dem Punkt ist es wie mit dem Weihnachtsgeschenk: Sobald man weiß, was drin ist, macht es keinen Spaß mehr. Das langsame Auspacken, wenn sich das Geschenk stückweise entblößt, Detail um Detail, macht die Spannung umso größer. Man sieht einen Fitzel, mal malt sich in Gedanken aus, was es sein könnte, man hungert nach dem nächsten Blick auf das Verborgene.
Genauso sollte man es auch mit dem Beschreiben halten. Nie dem Leser den "ausgepackten" Prota vor die Füße werfen, sondern ihn die Figur selbst mühsam auspacken und entdecken lassen  ;)

Grey

#36
Wobei es da aber auch sein kann, Artemis, dass du ein Fitzelchen vom Geschenk siehst, und - wumms - hast du eine ganz genaue Vorstellung davon, was es sein muss.

Und dann ist es doch was ganz anderes. Und dann bist du traurig. ;)

Damit will ich dir nicht grundsätzlich widersprechen, nein grundsätzlich stimme ich dir zu. Nur ich will sagen, *wenn* man Details schon beschreibt, dann darf man sich auch nicht all zu viel Zeit damit lassen sondern sollte das möglichst bald nach Auftreten der Figur etablieren.

Lavendel

Richtig. Man entwickelt nämlich total schnell ein Bild von Figuren, dass ganz unabhängig von irgendeiner Beschreibung ist. Ich zumindest stelle mir Charaktere auch irgendwie vor, wenn sie gar nicht beschrieben werden. Sowas gibt es ja durchaus. Und wenn dann später ein äußerliches Merkmal eingeführt wird, das nicht zu meinem hauseigenen Bild passt - dann baue ich es auch nicht mehr ein. Keine Chance. Dann weigert sich mein Gehirn zu akzeptieren, dass das alles etwas anders sein könnte. (Obwohl Mrs. Coulter auch in den Büchern von Philip Puhlmann blond ist, dachte ich am Anfang irgendwie, sie hätte schwarze Haare. Und die gehen nicht mehr weg. Nicht mal der Film kann mich da glaube ich eines Besseren belehren^^)

Felsenkatze

Off Topic: Ach, Lavendel, du auch? Ich bin auch überzeugt, dass Mrs. Coulter schwarze Haare hat. Schon immer. :D

Lavendel

OT: Ja! Warum eigentlich? Ich lese grade noch mal The Amber Spyglass, und sie ist eindeutig blond ...

Dreamcatcher

Abgesehen davon, wie viel oder wie wenig das Äußere einer Figur beschrieben wird, ich finde, es sollte relativ am Anfang und "geschlossen" passieren. (Also nicht immer mal wieder ein Detail eingestreut werden.)

Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich schrecklich irritiert war, als im dritten Band von HP plötzlich erwähnt wurde, dass Percy Weasley eine Hornbrille trägt.
Ich konnte mich bis heute nicht damit abfinden, hab ich ihn mir doch immer ohne vorgestellt.  :hmhm?:

Nagi Naoe

@Dreamcatcher

Oh, meinst du so etwas wie:
Und dann kam Viktoria auf sie zu, Marias beste Freundin. Sie hatte wunderschönes, ebenholzschwarzes Haar, ein strahlend weißes Lächeln, eine perfekte Figur, alle Jungen liebten sie und manchmal war sogar Maria auf sie neidisch. (Sämtliche weitere Informationen hier einfügen.)

Solche Textstellen sind der Grund, wegen dem ich aufgehört habe, Fanfictions zu lesen, in denen ausgedachte Charaktere die Hauptrolle spielen... Besonders wenn sie Namen wie "Charisma" oder ähnliches haben...  ::)
(Das soll keine Anfeindung an dich oder deinen Schreibstil sein, bitte nicht falschverstehen.)

Liebe Grüße,
Nagi.

Antigone

HI!

Eure Antworten haben mich zu einer überraschenden Erkenntnis gebracht: ich hab bisher eigentlich immer die Augenfarbe meiner Protas beschrieben. So auf die Art, wie sie von einem Betrachter gesehen werden. Und jetzt hab ich mal darüber nachgedacht, von wievielen Leuten, denen ich so am Tage begegne, ich schon jemals die Augenfarbe erkannt habe. Genau - bei keinem Einzigen!

Also werd ich in Zukunft im Auftrag der Authentizität darauf verzichten, außer, meine Protas kommen sich so nahe,dass sie einander tief in die Augen schauen können... da sieht mans dann!

Lg, A.

saraneth

Kleiner Nachtrag und meine Meinung zu dem Ganzen.

Im Allgemeinen bemühe ich mich, die Beschreibung meiner Figuren nur so weit zu schildern, wie es realistisch ist. Dazu dienen mir beispielsweise auch Spiegel- / Wasserszenen. Das ist eine super Gelegenheit. :)


Lord Bane

Wie viele hier beschränke ich mich auch darauf, körperliche Besonderheiten und Merkmale zu beschreiben, die für die Geschichte wichtig sind. Über die Hauptfigur meines jetzigen Manuskriptes ist nur bekannt, dass sie männlich , recht groß und kräftig gebaut ist und meistens etwas mitgenommen aussieht (unrasiert, Augenringe etc...). Haarfarbe usw. sind meiner Meinung nach egal, da dies nichts zur Geschichte beiträgt. Natürlich kenne ich die Haarfarbe meine Hauptfigur (dunkelblond), aber ich muss sie ja nicht dem Leser auf die Nase binden  ;D.