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Beginner's Mistakes For Runaways - Anfängerfehler für Fortgeschrittene

Begonnen von Steffi, 22. August 2010, 21:57:39

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Zit

Vom Winde verweht entstand zu einer anderen Zeit. Auch Karl May hatte andere Maßstäbe. Nur weil irgendwo Weltliteratur drauf steht, muss es noch lange nicht stilistisch perfekt sein, ist dasselbe wie mit Bestsellern.

Wir leben in einer von Zeit=Geld regierten Welt. Unsere Lesegwohnheiten sind andere als die vor zwanzig, fünfzig, hundert Jahren. Sich immer auf die olle "Weltliteratur" zu berufen, finde ich nicht sachdienlich. Wie gesagt, musste sie andere Maßstäbe erfüllen als unsere Literatur heute. Wer solche Literatur gut findet, kann ja gerne so schreiben. Der eigene Stil ist jedem selbst überlassen, sonst wäre er ja nicht eigen. Die Interessen seiner Leserschaft sollte man aber trotzdem nicht völlig vergessen. (Steht zumindest auf meiner Brust.)
Ich behaupte sogar, dass wir alle in der Schule mit Weltliteratur gequält werden, um uns zu zeigen, wie Literatur zu anderen Zeiten aussah. Dass da der Irrglaube entsteht, dass sie auch kategorisch besser ist als heutige Literatur, liegt wohl auch am Früher-war-alles-besser-Syndrom ...

Wichtig ist aber auch letztlich der eigene Geschmack. Wenn ich Bandwurmsätze total toll finde, dann soll ich das auch schreiben - aber bitte auch richtig. Nur weil ein Satz fünfzig Worte hat, ist er noch lange nicht weltliteratur-verdächtig.
(Aktuelles Buch dazu: Rammstedt, Tilman: Der Kaiser von China; Bandwurmsatz an Bandwurmsatz - allerdings völlig schmerzfrei lesbar, weil die Textmelodie stimmt.)

Zitat von: ChurkeÜberhaupt scheinen mir viele der hier aufgeführten "Fehler" eher die fehlerhafte Ausführung zu sein.

DAS ist es wohl. Nicht jdes Adjektiv ist schlecht - aber viele werden überflüssig gesetzt bzw. sind in der Masse dann auffällig.
Leise fuhr der Wind durch die bunten Blätter und ließ sie spielerisch vor dem blauen Himmel tanzen. 3 Nomen, 4 Adjektive. Klar, das kann Stil sein, persönlicher Stil, es kann sogar ein rhetorisches Mittel sein, um Stimmung zu erzeugen, und es mag auch Leute geben, die das mögen - ich find's zu überladen, zu kitschig. Mir liegt es nicht.

Auch show, don't tell ist kein Dogma, sondern ein Hinweis nicht immer nur zu behaupten, jemand wäre traurig oder glücklich oder sonstetwas, sondern es auch wirklich mal aktiv, szenisch zu zeigen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Telas

Vermutlich sind viele der vermeintlichen Fehler auch nur die Quelle der Unzufriedenheit eines Autors am eigenen Stil. Viele von uns Autoren waren wohl schon immer selbst ihre härtesten Kritiker und werden das auch immer bleiben.
Ein Stilrichtung, die man eben selbst beim Schreiben entwickelt hat und die man sich nicht mehr abgewöhnen kann, ist wohl deswegen auch nicht unbedingt als Fehler pauschalisierbar, nehme ich mal an. Was der Eine eben toll findet, widerstrebt dem Anderen zutiefst und er nennt es einen Anfängerfehler.
Geschmäcker sind eben verschiedenen ganz besonders in der Kunst. Und Literatur ist auch irgendwie eine Art Kunst.
Die einzig wahren (Anfänger?)-fehler sind dann wohl doch die in der Rechtschreibung.

gbwolf

Zitat von: Telas am 25. August 2010, 21:19:16
Die einzig wahren (Anfänger?)-fehler sind dann wohl doch die in der Rechtschreibung.
Dem würde ich aus meiner Erfahrung heraus widersprechen und mich Churke anschließen: Die fehlerhafte Anwendung ist es, an der man den Anfängerstil erkennen kann.
Das Gefühl für den Einsatz der Handwerkstechniken und die Sprachmelodie muss erst durch üben, analysieren und korrigieren gelernt werdenw. Das ist wie bei jedem anderen Handwerk auch. Man lernt einen Beruf, denkt, man ist fertig und stellt in den nächsten Jahren fest, dass noch ganz viel vor einem liegt.

Sternenlicht

Zitat von: Zitkalasa am 25. August 2010, 21:06:49
Vom Winde verweht entstand zu einer anderen Zeit. Auch Karl May hatte andere Maßstäbe. Nur weil irgendwo Weltliteratur drauf steht, muss es noch lange nicht stilistisch perfekt sein, ist dasselbe wie mit Bestsellern.
Wir leben in einer von Zeit=Geld regierten Welt. Unsere Lesegwohnheiten sind andere als die vor zwanzig, fünfzig, hundert Jahren. Sich immer auf die olle "Weltliteratur" zu berufen, finde ich nicht sachdienlich.

Es ging es mir einfach darum besonders bekannte Beispiele zu finden, wo bestimmte Regeln eben gerade nicht funktionieren.  Ob etwas in einer bestimmten Zeit geschrieben wurde, ist auch eine Form von Geschmack. Was mir wichtig ist, ist dass man diese Regeln nicht überbewertet.

Sasori

Eine potenzielle Fehlerquelle kann auch aus unpassenden Redewendungen entstehen, besonders wenn diese modernen Ursprungs sind. Beispiel: Ich habe in meiner aktuellen Überarbeitung schon dreimal die Formulierung "was zum Teufel..." rausgeschmissen, was daran liegt, dass es in meiner Geschichte keine(n) Teufel gibt, auf den man fluchen könnte - folglich funktioniert auch die Redewendung nicht. Ähnlich wäre es auch, wenn man im vorindustriellen Zeitalter diese Auto-Metaphern wie "Gas geben" oder "auf die Bremse treten" benutzt - was mir mehrmals fast passiert wäre, weil sich diese Formulierungen teilweise wie selbstverständlich in unseren Wortschatz eingeprägt haben.

LG
Sasori

Luna

@Sasori: Indeed, oh so very indeed ...

Oder auch: Ich hatte mal "das hat eingeschlagen, wie eine Bombe" in einer Fantasywelt benutzt ... da gibts bloß keine Bomben ...

Faol

Das kenne ich auch: ich habe mal eine Ich-Erzählerin eine Bewegung mit der Bewegung eines Aufzugs vergleichen lassen. Erst später ist mir aufgefallen, dass es in meiner Welt keine Aufzüge gibt
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Moa-Bella

Ich finde es generell unschön, wenn man Löcher in der Handlung einer Szene durch eine Zeitangabe überbrückt, z.B. "Sie könnte in den Zoo fahren. Eine halbe Stunde später saß sie in der U-Bahn und beobachtete ihre Mitreisenden."

Lavendel

Ich finde das nicht unbedingt unschön. Manchmal muss man Zeit überbrücken, um der Handlung willen. Wenn in der entsprechenden Zeitspanne nichts relevantes passiert, ist so eine Forumulierung meiner Meinung nach durchaus legitim.

Moa-Bella

Das sind dann wahrscheinlich die Feinheiten, über die man sich dann streiten kann. Ich würde wirklich versuchen, es zu umgehen, weil es mich immer wieder stört.

Lavendel

Tja, ich frage mich gerade ernsthaft, was eine elegante Alternative wäre. "Sie dachte sich, dass sie in den Zoo fahren könnte. Sie schnappte sich ihren Mantel, spazierte aus dem Haus bis zur Haltestelle und stieg in die nächste U-Bahn. Als sie schießlich drinnen saß, lehnte sie sich zurück und beobachtete die anderen Fahrgäste."

Vie kürzer fällt mir nix ein. Ich finde die Lösung zwar ok, aber eigentlich noch weniger schön, weil sie umständlicher ist.

Moa-Bella

Oder die ganze U-Bahnfahrt weglassen. Schwierig, da es hier nur ein zufälliges Beispiel ist. Muss man wahrscheinlich individuell entscheiden.

Lavendel

Zitat von: Moa-Bella am 15. November 2010, 21:10:08
Oder die ganze U-Bahnfahrt weglassen. Schwierig, da es hier nur ein zufälliges Beispiel ist. Muss man wahrscheinlich individuell entscheiden.

Das kommt halt drauf an, ob auf der U-Bahnfahrt was wichtiges passiert.

Romy

Zitat von: Lavendel am 15. November 2010, 20:35:55
Ich finde das nicht unbedingt unschön. Manchmal muss man Zeit überbrücken, um der Handlung willen. Wenn in der entsprechenden Zeitspanne nichts relevantes passiert, ist so eine Forumulierung meiner Meinung nach durchaus legitim.

Das sehe ich auch so.

Diese "sie schnappte sich ihren Mantel"-Sache kann man vielleicht während des NaNos schreiben, würde bei mir aber während des Überarbeitens definitiv rausfliegen. ;)
Wenn während der U-Bahnfahrt nichts Relevantes passiert, würde ich die ebenfalls überspringen und statt einer halben Stunde dann halt eine Stunde schreiben und gleich im Zoo einsetzen. Oder was auch immer, ist ja nur ein Beispiel.
Bei High-Fantasy versuche ich so konkrete Zeitangaben wie Minute und Stunde ohnehin zu umgehen, aber bei allem, was in unserer realen Welt passiert? - Warum nicht?  :hmhm?: Sicherlich ist das Geschmackssache, aber ein NoGo ist es sicherlich nicht.

Zit

#59
Ich denke, die Zeitangaben kann man auch generell kicken. Ob sie nun eine Stunde oder eine halbe brauchte, um letztlich im Zoo vor dem Löwenghege zu stehen, ist doch gehüpft wie gesprungen. ;D Viel wichtiger ist es für mich als Autor, dass ich da zeitlich nicht durcheinander komme. Aber a) ist nur meine Meinung und b) wann liegen Ereignisse derartig eng beieinander oder überschneiden sich gar, dass ich als Schreiber wirklich Probleme bekäme. Und c) ob das wirklich ein Anfängerfehler ist? Ist, denke ich, eher eine Macke, wenn man an unpassenden Stellen zu viel erzählt. (Was, wiederum, Anfängern dann doch passiert, gehäuft. :hmmm:)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt