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Extraterrestrische Eistemperatur und Leben im Eis

Begonnen von gbwolf, 10. Juli 2010, 14:02:19

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gbwolf

Derzeit arbeite ich an einer SF-Novelle über eine Expedition zum Jupitermond Europa.
Meine Besatzung wird sich dort unter das Eis begeben werden (über dem Eis sind die Witterungsbedingungen ja nicht gerade freundlich) und ich bin ziemlich ins Grübeln geraten, welche Temperaturen in diesen Gängen herrschen. Mit irdischen Höhlen im Eis ist das nicht zu vergleichen. Es liegen keine warmen Gesteinsschichten um das Eis herum und die Luft über dem Eis ist ... kalt genug jedenfalls, um flüssige Schwefelwasserstoffseen zu ermöglichen. Von der Sonne sind nicht wirklich wärmende Strahlen zu erwarten, der Planet ist so klein, dass es höchstens eine rudimentäre "Atmosphäre" gibt, also ein paar Sauerstoffatome in Bodennähe, die sich alle paar Stunden guten Tag sagen. Wärme kann also nur von unten kommen. Die Schwerkraft des Jupiters zieht ordentlich, es wird Vulkanismus vermutet. Ähnliche Bedingungen also wie beim Wostok-See. Zwischen dem vermuteten Ozean und dem Landeplatz meiner Raumfähre liegen allerdings 10-15 Kilometer Eis.
Dazu postuliere ich Lebensformen, bei denen die eine Sorte wie ganz langsame Regenwürmer Tunnel ins Eis gräbt und Bakterien, seltenen Erden und Schwefel für ihren Energiehaushalt verwendet (Ähnlich wie die Gigantic Tube Worms auf der Erde, die an Black Smokern in der Tiefsee leben), die andere Sorte lebt räuberisch und stellt den "Pflanzenfressern" nach. Damit möchte ich natürlich Spannung erzeugen, aber nicht zu weit vom Tugendpfad der Hard-SF abweichen. Jetzt zerbreche ich mir den Kopf, ob diese Lebensformen biologisch zu weit hergeholt sind. In meinem Modell basieren sie nämlcih nur zu einem kleinen Teil auf Kohlenstoff und zu einem großen aus Schwefel, Metall und Kieselsäure (letztere vor allem bei Haut und Skelett).

Die Novelle spielt schon einige Jahre in der Zukunft und ich habe mir ein paar technische Spielereien mit dem Deus Ex Machina-Schlagwort "Nano" erlaubt, um die klobigen Astronautenhelme und -anzüge beispielsweise auf ein Minimum zu reduzieren, weil ich die uncool finde. Außerdem handelt es sich trotz allem um eine Geschichte, die unterhalten soll und darf damit - im Rahmen des glaubwürdigen - ein wenig über die wissenschaftliche Strenge schlagen. Meine Räuber werden wohl schnell sein, obwohl das biologisch betrachtet Unsinn ist.

Meine Probleme und Annahmen sind momentan:


  • Welche Temperaturen herrschen ungefähr in den Gängen in den oberen Eisschichten (Tiefe bis 1 km). Wird es wie in Stollen im Gestein wärmer oder liegen die Temperaturen wie an der Oberfläche bei -100 °C und darunter?
  • Mit welchen Drücken muss ich rechnen? Wird es für meine Leute gefährlich, wenn sie keine druckausgleichenden Anzüge tragen?
  • Könnte es eine Möglichkeit für eine atembare Atmosphäre geben? Es wird postuliert, dass Sauerstoff bis zur Oberfläche durchsickert. Wenn man in einem Gebiet landet, in dem Sauerstoff nach oben kommt und kein Schwefelwasserstoff, dann könnte das vielleicht möglich sein.
  • Ein Lebenskreislauf auf Schwefelbasis ist bei Archaea möglich, aber ist er auch für größere Lebewesen denkbar? Hat meine Konstruktion von Exobiologie den Hauch einer wissenschaftlichen Überlebenschance?

Haltet ihr diese Annahmen für glaubwürdig? Würdet ihr über eine solche Geschichte den Kopf schütteln? Wo habe ich ganz grobe Schnitzer in meinen Überlegungen?
Vielleicht gibt es unter uns ja den einen oder die andere, die von ihrem Studienhintergrund her diese Überlegungen bewerten können. Mit Populärwissenschaft, meinen Fachbüchern und Google komme ich derzeit nicht weiter.

Grüße,
Nadine

Churke

Wie erklärst du die Existez dieser Höhlen? In irdischen Gletschern entstehen Höhlen durch den Abfluss des sommerlichen Schmelzwassers. Auf Europa gibt es das nicht; allenfalls Kryovulkanismus.
Dann dürfte das Eis unter dem Einfluss der Gezeitenkräfte arbeiten und evtl. vorhandene Höhlen rasch schließen. Es übt einen enormen Druck aus.

Bei den Eiswürmen frage ich mich, was die im Eis suchen. Denn die eigentliche Energiequelle (und damit auch die Nahrungskette) ist tief unten im Ozean.

Über den Sauerstoff in der Atomsphäre habe ich gelesen, dass man vermutet, dass die Sonneneinstrahlung das Eis in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Wie kommt der in die Höhlen?

Das sind mal eben meine Gedanken...

Telas

#2
Also ich würde mal schätzen, dass es in den Tunneln unter der Eisschicht wohl kaum noch kälter sein kann, als an der Oberfläche des Mondes, weil dort die Kälte aus dem Weltall, speziell während der Nacht nicht so extrem wirken kann.
Die Sache mit der Atmosphäre klingt ziemlich kompliziert, gibt es denn überhaupt eine Art von Vegetation auf Europa?
Generell fände ich für meinen Teil es realistischer, wenn die Besatzung Raumanzüge trägt, denn diese könnten ja eventuell auch als Schutz gegen die Kälte fungieren.
Ansonsten stellt sich mir vor allem die Frage, was soll mit der Expedition überhaupt bezweckt werden?

Luna

Ohje, du stellst da nicht gerade einfache Fragen ...

So, wir haben wohl eine Temperatur um -80 °C, wenn Schwefelwasserstoff flüssig ist. (Über -60 gasförmig, unter -90 fest).
Laut Wikipedia haben wir man der Oberfläche maximal -150 °C - das ist schon eine ganz andere Hausnummer.

Die Masse ist ungefähr um den Faktor 100 geringer, als der der Erde, spricht also für niedrigeren Druck.

Ob und inwiefern im Inneren Leben möglich ist, kommt ein wenig darauf an, welche Temperaturen im Inneren erreicht werden können, weil gewisse Temperaturen einfach für einen Stoffwechsel nötig sind.

Ich weiß nicht, welches Leben sich in einer - für irdische Verhältnisse Lebensfeindlichen Umgebung mit Schwefel / Schwefelsäure / Wasserstoffperoxid entstehen könnte.
Theoretisch ist - jedenfalls meines Wissens nach - auch Leben auf Basis von Silizium möglich (aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zu Kohlenstoff).

Wenn es vulkanische Aktivitäten gibt, dann ist es im inneren durchaus wärmer, als an der Oberfläche.

Ich fürchte, ich kann ein paar Thesen vielleicht zerschmettern, aber mein begrenztes Wissen reicht nicht aus, um definitive Angaben machen zu können.

gbwolf

Hallo!

Zitat von: Churke am 10. Juli 2010, 15:42:33
Wie erklärst du die Existez dieser Höhlen? In irdischen Gletschern entstehen Höhlen durch den Abfluss des sommerlichen Schmelzwassers. Auf Europa gibt es das nicht; allenfalls Kryovulkanismus.
"Höhlen" ist das falsche Wort. Vor allem meine ich die Gänge meiner Eiswürmer und Brüche, die durch die tektonischen Bewegungen entstehen könnten. Ich schließe nicht aus, dass einige der Spalten bei einer weiteren Bewegung halb verschüttet wewrden könnten. Lange Bestand haben müssen sie nicht. Die Expedition wird nur ein oder zwei Monate vor Ort bleiben. Leider habe ich nichts herausfinden können, ob z.B. Bohrlöcher von Eiskernentnahmen unter dem Druck wieder kollabieren oder aufgrund der runden Form relativ stabil bleiben (Bis das Eis sich halt weiterbewegt).

Zitat von: Churke am 10. Juli 2010, 15:42:33
Bei den Eiswürmen frage ich mich, was die im Eis suchen. Denn die eigentliche Energiequelle (und damit auch die Nahrungskette) ist tief unten im Ozean.
Meine Überlegung ist, dass der Populationsdruck im Ozean zu groß war und sie sich die im Eis eingeschlossenen Bakterien als Nahrungsquelle erschlossen haben. Die Eiswürmer wachsen extrem langsam. 200 Jahre ungefähr, bis sie ungefähr Menschengröße erreicht haben. Interessant könnten für die Viecher die Stellen sein, an denen Stoffe von unten nach oben gedrückt werden und Archaea siedeln könnten.

Zitat von: Churke am 10. Juli 2010, 15:42:33
Über den Sauerstoff in der Atomsphäre habe ich gelesen, dass man vermutet, dass die Sonneneinstrahlung das Eis in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Wie kommt der in die Höhlen?
Danke. Das hatte ich zwar notiert, aber wvor lauter Begeisterung über "Es könnte Sauerstoff geben" vergessen. Du hast natürlich recht.



Zitat von: Telas am 10. Juli 2010, 16:14:51
Also ich würde mal schätzen, dass es in den Tunneln unter der Eisschicht wohl kaum noch kälter sein kann, als an der Oberfläche des Mondes
Ich gehe davon aus, dass es dort wärmer sein wird. Die Frage ist, um wieviel wärmer. Gefrierpunkt und knapp drunter wäre natürlich genial. Da der Jupiter mit seiner Schwerkraft seinen Mond quasi ständig "massiert" halte ich im Eis höhere Temperaturen als auf der Oberfläche für durchaus möglich.
Zitat von: Telas am 10. Juli 2010, 16:14:51Die Sache mit der Atmosphäre klingt ziemlich kompliziert, gibt es denn überhaupt eine Art von Vegetation auf Europa?
Wenn überhaupt, dann im Ozean, der unter dem Eis vermutet wird.
Zitat von: Telas am 10. Juli 2010, 16:14:51Ansonsten stellt sich mir vor allem die Frage, was soll mit der Expedition überhaupt bezweckt werden?
Ruhm und Ehre, einen weiteren Himmelskörper zu betreten, wissenschaftliche Grundlagenforschung, Agrarsubventionen (Nicht lachen, einen satirischen Seitenkniff habe ich immer drin) und ein von mir postuliertes Vorkommen an seltenen Erden, das die Menschheit gerne ausbeuten würde, um weiter mit dem Handy telefonieren zu können.

Zitat von: AngelFilia am 10. Juli 2010, 16:48:34
Ohje, du stellst da nicht gerade einfache Fragen ...
Wenn es geht schreibe ich auch möglichst komplexe Geschichten  ;D

Zitat von: AngelFilia am 10. Juli 2010, 16:48:34
So, wir haben wohl eine Temperatur um -80 °C, wenn Schwefelwasserstoff flüssig ist. (Über -60 gasförmig, unter -90 fest).
Laut Wikipedia haben wir man der Oberfläche maximal -150 °C - das ist schon eine ganz andere Hausnummer.
Entschuldige, ich hätte noch einmal recherchieren sollen. Vermutet werden auf der Oberfläche von Europa Zonen mit Wasserstoffperoxid und konzentrierter Schwefelsäure. Bleibt die Frage, ob der Druck vielleicht dafür sorgt, dass das Zeug flüssig bleibt. Wenn möglich, wird meine Polarstern nicht in sowas landen ...

Zitat von: AngelFilia am 10. Juli 2010, 16:48:34
Ob und inwiefern im Inneren Leben möglich ist, kommt ein wenig darauf an, welche Temperaturen im Inneren erreicht werden können, weil gewisse Temperaturen einfach für einen Stoffwechsel nötig sind.
Da hast du mich gerade zu einem neuen Rechercheversuch gebracht und ich habe einen äußerst interessanten Artikel einer Frau Dr. Helmke vom Alfred Wegener Institut gefunden, die über die Entwicklung des Lebens auf der Erde spricht und über die möglichen Parallelen zu Europa (http://epic.awi.de/Publications/Hel2003h.pdf). Ziemlich spannende Sache. Vor allem die Überlegungen zu alternativen Energiegewinnung und ich weiß jetzt, wie weit unten ich ungefähr noch Licht habe.

Zitat von: AngelFilia am 10. Juli 2010, 16:48:34
Wenn es vulkanische Aktivitäten gibt, dann ist es im inneren durchaus wärmer, als an der Oberfläche.
Es ist auf jeden Fall eine Überlegung, das ganze tiefer spielen zu lassen, aber ich bezweifle, dass sie mit ihren Ressourcen so weit vordringen können. Andererseits lebt die Geschichte auch von der - im wahrsten Sinne des Wortes - bedrückenden Atmosphäre unter dem Eis.


Zitat von: AngelFilia am 10. Juli 2010, 16:48:34
Ich fürchte, ich kann ein paar Thesen vielleicht zerschmettern, aber mein begrenztes Wissen reicht nicht aus, um definitive Angaben machen zu können.
Es ist aber schon sehr gut, wenn jemand, der ein naturwissenschaftlich fundierteres Wissen als ich Halblaie hat, Thesen umschmeißt.

Vielen Dank, Leute! Neben Erkenntnis habe ich schon einige neue Gedankengänge gewonnen. Auf dieser Basis recherchiere ich weiter und suche jetzt noch eine Karte mit den Namen von Kratern und Landmarken. Diese verflixte Namensähnlichkeit zu einem irdischen Kontinent macht die Sache schwierig.
Und: Auch wenn es mir widerstrebt, auf reinrassige Hard-Sf zu verzichten, geht es in der Anthologie darum, einen gewissen Sence of Wonder zu entwickeln und ein bisschen werde ich deshalb weiter spekulieren, als das vielleicht zu belegen ist.

Grüße,
Nadine

Thosuko

Du müsstest mal recherchieren, wie es damals auf der Erde war, als sie vollkommen unter Eis lag. Ist zwar schon ein paar Tage her, aber es haben mehrere Lebensarten diese Extreme überstanden. Aber das waren Kohlestoffeinheiten. Kohlenstoff ist einfach am besten geeignet, große Molekülketten zu bilden. Es gibt zwar auch noch ein anderes Element, das auch gut geeignet wäre, Silizium, aber da spielt sich alles nur in extremen Tiefsttemperaturen ab und bei tiefen Temperaturen ist die Chemie sehr, sehr langsam. Du musst auch klären, wie der Mond entstanden ist, vor allem, wenn es um schwere Elemente geht, die ein Lebewesen, auch ein Wurm, enthält. Kupfer, Eisen etc. Wie wird es gelöst und wie kommt es, ohne Strömung, in den Kreislauf des Mondes.
Selbst hier auf der Erde wird vermutet, erstes Leben entstand eher in einem Schlammtümpel, den Ebbe und Flut bildeten, als im Gewässer selbst.

Grummel

Ja, oder du googlst mal ein wenig über Pluto (der ja leider kein "echter" Planet mehr ist") und seine Monde. Da gibt es einiges über Atmosphäre und Leben auf kleinen Eisplaneten.
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Luna

Ist ja schön, dass ich dich zur Recherche gebracht habe - aber ehrlich gesagt bin ich zu Faul den Artikel selber zu lesen ;-)

Vielleicht solltest du dich über Erdwärme informieren - wie tief man da bohren muss, um sein Heizwasser durch erdwärme erhitzen zu lassen. Daraus könnte man eventuell interpolieren, wie tief man runter müsste, um Temperaturen zu erreichen, bei denen Leben möglich ist.

gbwolf

Abend!

Zitat von: Thosuko am 10. Juli 2010, 19:46:22
Du musst auch klären, wie der Mond entstanden ist, vor allem, wenn es um schwere Elemente geht, die ein Lebewesen, auch ein Wurm, enthält. Kupfer, Eisen etc. Wie wird es gelöst und wie kommt es, ohne Strömung, in den Kreislauf des Mondes.
Europa hat zum Glück wahrscheinlich einiges an Kryovulkanismus und Bewegung im Eisschild, so dass Stoffe aus der Tiefe an die Oberfläche gelangen und es Schichten mit Eisen und Co. gibt. Nach allem, was ich über die "Snowball Earth" und Co. gelesen habe, sollten die Bedingungen ganz passend sein.

Heute Abend hatte ich Glück und ein befreundeter Biochemiker ist zum Fußballgucken vorbeigekommen. Wir haben heiß diskutiert und Silizium für meine langsamen "Pflanzenfresser" scheint sehr geeignet zu sein. Schwefelverstoffwechslung passt ebenfalls. Die "Fleischfresser" werden eventuell eine Symbiose mit Archaea eingehen.
Allgemein ist mein Problem weniger, wie Leben auf Europa entsehen konnte, diese Informationen über vereiste Welten findet man in großen Mengen und sie beziehen sich eigentlich alle auf Extremophile. Mein Problem - das habe ich zu unpräzise formuliert - ist ein Modell für etwa menschengroße Lebensformen.

@Angel: Den Artikel hatte ich verlinkt, weil ich einfach zeigen wollte, was ich Tolles gefunden habe  ;D Keine Angst, den musst du nicht lesen!
Mit dem Bohren wird es (leider) nicht hinhauen. Die Vermutungen gehen ja in die Richtung, dass es unter den 10-15 Kilometern Eis einen Ozean oder eine Eisbreischicht von ca. 100km gibt und die frisst die Wärme der Vulkane wahrscheinlich weg. Da ich geologisch unbeleckt bin, überlege ich, ob allein durch die Drücke in einem 15km dicken Eisschild Wärme vorhanden ist oder zumindest keine sooo große Kälte wie an der Oberfläche. Wahrscheinlich weiche ich auf Nano-Wundermaterial-Raumanzüge aus, um einen ausreichend coolen Bewegungsfaktor zu erhalten und meine Leuten vor Schwefelsäure und Co. zu schützen.

Das Gemeinste für mich ist ja, dass ich ein WKälteabenteuer schreibe und kein Schnee drin vorkommt. Buhuuu!

Grüße,
Nadine

Luna

Zitat von: Die Wölfin am 10. Juli 2010, 22:56:40
@Angel: Den Artikel hatte ich verlinkt, weil ich einfach zeigen wollte, was ich Tolles gefunden habe  ;D Keine Angst, den musst du nicht lesen!
Mit dem Bohren wird es (leider) nicht hinhauen. Die Vermutungen gehen ja in die Richtung, dass es unter den 10-15 Kilometern Eis einen Ozean oder eine Eisbreischicht von ca. 100km gibt und die frisst die Wärme der Vulkane wahrscheinlich weg. Da ich geologisch unbeleckt bin, überlege ich, ob allein durch die Drücke in einem 15km dicken Eisschild Wärme vorhanden ist oder zumindest keine sooo große Kälte wie an der Oberfläche. Wahrscheinlich weiche ich auf Nano-Wundermaterial-Raumanzüge aus, um einen ausreichend coolen Bewegungsfaktor zu erhalten und meine Leuten vor Schwefelsäure und Co. zu schützen.

Na dann ;)

Was ich aber mit dem Bohren meinte war eher zu schauen, wie tief man runter muss, um einigermaßen auf die gleichen Temperaturen zu kommen.
Gut, jetzt habe ich nicht so ganz bedacht, das Wasser ne recht gute Wärmeleitfähigkeit hat, sobald es flüssig ist.

Ich würde da auch nicht von ausgehen, dass du konzentrierte Schwefelsäure hast (die ist a) hygroskopisch und b) recht dickflüssig) sondern eher stark verdünnte. Könnte aber dennoch zu Hautreizungen bei Kontakt führen (rote Haut) - aber je nach dem, aus welchem Material deine Nano-Wunder-Anzüge sind, sollte das kein Problem sein. Nur ein Tipp: Kein Zink verwenden  :vibes:

Da wären Schwefelwasserstoffseen schon schlimmer ... das Zeug ist Atmunsaktiv und hoch giftig (aber riecht bestialisch nach faulen Eiern).

Deine großen Lebewesen auf Siliziumbasis solltest du aber hinbekommen. Ich weiß nur nicht, wie schnell die sich bewegen. Wenigstens kommt denen die geringere Schwerkraft des Mondes zu gute (geringere Dichte und weniger Masse), also dürften die auch nicht von ihrem Eigengewicht zerquetscht werden.

Aber wer weiß, was man sich da noch so alles kaputt rechnen kann, wenn man die Lust drauf hat (wenigstens fallen da schon gut diverse %e der Bevölkerung weg ^^)

Wuo Long

So interessant ich die Idee mit den Siliziumleben finde, muss ich doch meine Skepsis dazu äußern: Silizium besitzt, weil es sich in einer höheren Periode befindet, eine niedrigere Bindungsenergie seiner Elektronen in der Außenschale, ist also chemisch weniger stabil als Kohlenstoff.

Daraus folgt, dass alle Stoffwechselvorgänge temperaturempfindlicher wären, als bei Kohlenstoff. Den Siliziumbasierten Lebewesen würden da besonders Temperaturschwankungen mit Kryovulkanismus nicht gut bekommen. Aber selbst wenn die Lebewesen in einer Eisschicht leben, die kaum Temperaturschwankungen unterliegt, würde es mich doch interessieren, wie bei den niedrigen Temperaturen Stoffwechselvorgänge funktionieren sollten? Da verhält sich Silizium wie jedes andere Element. Die höhere Leistungsfähigkeit von Silizium bei niedrigen Temperaturen bezieht sich übrigens auf seine Eigenschaften als Halbleiter (wichtig bei Computerchips), die mit seiner chemischen Reaktionsfreudigkeit erstmal nichts zu tun haben.

Und nun ja...selbst wenn das alles funktionieren sollte, du möchtest ja menschengroße Viecher. Daraus folgt, dass eine gewisse Evolution dahin stattgefunden hat. Es muss, wie du ja richtig mit deinen extremophilen Archeae angedacht hast, alles mit der einen Zelle beginnen. Europa gehört ja auch zu unserem Sonnensystem, ist also in etwa so alt wie die Erde. Diese hat seit ihrer Entstehung vor ca. 4,6 Milliarden Jahren es erst in knapp 3 Milliarden Jahren geschafft, die ersten mehrzelligen Lebewesen hervorzubringen. Jetzt nehmen wir aber einen Himmelskörper, der sogar nahe seines Kerns im Durchschnitt wahrscheinlich um mehrere zehn Grad Celsius kälter ist. Frei nach der RGT-Regel, bei der Stoffwechselprozess alle zehn Grad um das 3-4 fache zunehmen, oder in diesem Falle abnehmen, wird einfach alles, auch die evolutive Entwicklung, einfach viel langsamer ablaufen.

Ich mag SF, doch die Sache mit dem Silizium kaufe ich dir weniger ab, als Wesen auf Kohlenstoffbasis. Die sind einfach robuster und bei der Gezeitenerhitzung oder der Jupiter-Gravitations-"Massage" halte ich Lebewesen, die innerhalb einer größeren Temperaturamplitude überleben können, für wahrscheinlicher. 

Thosuko

Hallo Wölfin

Am Idealsten wäre ein Kometeneinschlag der vor ca. vier Mrd. Jahren auf dem Mond Europa wie auch auf der Erde stattgefunden hätte. Es könnte sein, das Europa am Anfang noch eine Atmosphäre besaß und ohne Eis um den Jupiter zischte. Ist zwar nur Spekulation, aber das Leben muss ja erst entstehen.
Hier ist mal ein älterer Artikel, der sich lohnt, zu lesen.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,305104,00.html

Nur mit Siliziumlebewesen wäre ich sehr vorsichtig. Wie ich bereits schrieb, bildet Silizium seine Ketten erst bei sehr tiefen Temperaturen. Bis das Vieh den Druck auf der Blase spürt auf dem Lokus hockt, vergehen Milliarden von Jahren.

Hier noch ein Link, da erklärt Harald Lesch in einigen Ausstrahlungen, wie das mit dem Leben auf anderen Planeten so ist. Auch der Rest ist sehr informativ! Es lohnt sich auf alle Fälle.
http://www.br-online.de/br-alpha/alpha-centauri/index.xml

Wuo Long

Zitat von: Thosuko am 11. Juli 2010, 00:41:05
Hier ist mal ein älterer Artikel, der sich lohnt, zu lesen.

Habe den Artikel jetzt gelesen, aber bei Sachen, die der Spiegel publiziert wäre ich skeptisch. So wie bei allem anderen. Dem Herren kaufe ich nämlich seine These nicht so ganz ab, und ein Argument liefert er mir schon im Spiegelartikel selbst:
Er erwähnt an einer Stelle, das in dem Meteoriten die gespiegelten Versionen der Diaminosäuren gefunden wurden, benutzt es sogar als Argument, warum es keine Verunreinigung sein kann, weil in anderen Gesteinen sonst nur eine Version der Aminosäuren vorkommt.

Dieser Effekt, der in der Organik eine wichtige Rolle spielt nennt man Chiralität. Bei der räumlichen Anordnung von asymmetrischen organischen Molekülen gibt es den Effekt, dass sie trotz ihrer identischen atomaren Zusammensetzung und Bindung sich unterscheiden wie unsere linke Hand von der rechten Hand. Fast identisch, bis auf die eine Sache: Sie sind räumlich nicht deckungsgleich.
Lustigerweise hat man bei allen Lebewesen bisher nur die ich glaube L-Aminosäuren gefunden. Die gespiegelte Version der D-Aminosäuren kann man zwar künstlich synthetisieren, kommen aber natürlich nirgends vor.

Mir stellt sich dann aber die Frage bei dem Herren, der ja der festen Überzeugung ist, das Leben komme von seinen gefundenen Meteoriten, warum sich keine Lebewesen mit der D-Aminosäuren-Konfiguration gebildet haben? Die sind ja auch in diesem Gestein enthalten und können genauso durch Wasser "aktiviert" werden. Chemisch gibt es da so viel ich weiß keinen Nachteil. Selbst wenn sich dann irgendwann eine Konfiguration durchgesetzt hätte (also die L-Aminosäuren), halte ich es für seltsam, das keine Spuren von D-Aminosäuren-Lebewesen gefunden wurden. Nun ja, vielleicht haben die Forscher einfach nicht gründlich genug gesucht, aber es ist ein Punkt, der in meinen Augen seine Theorie zum wackeln bringt.

Und so wie ich andere Forscher kenne, bin ich garantiert nicht der erste, der diese Frage aufgreift.

Soll jetzt nicht heißen, dass ich die Idee mit Kometen oder Meteoriten als Träger von Leben ausschließe. Wäre als Vorschlag für Europa auch ganz gut, vorausgesetzt, der Brocken, war groß genug, um in den postulierten Ozean einzudringen. Allerdings halte ich die Theorie, dass sich die "Moleküle des Lebens" unter den Bedingungen im All gebildet hätten, für sehr fragwürdig. Bereits fertige Bakterien, die eingeschlossen im Meteoriten-Gestein bei uns oder Europa landen halte ich da  für viel glaubwürdiger, auch wenn es die Frage nach dem "Ursprung des Lebens" auf den Ort verlagert, von wo der Meteorit/Komet herkommt.

Es gibt übrigens auch Theorien zur Entstehung des Lebens, die ohne Fremdkörper aus dem All funktionieren. Siehe dazu z.B. Miller-Urey-Experiment.

Thosuko

Letztendlich ist alles nur Theorie.
Du musst erklären, wie kommt Leben auf Europa und dazu, wie konnte es sich zu einem komplexen Lebewesen entwickeln. Hier gab es zuerst Pflanzen und die betreiben Fotosynthese und erst dadurch wurde es möglich, dass sich Tiere entwickelten, die deren Reste verwerteten. Sauerstoff!
Auf Europa werden mit Sicherheit keine Pflanzen wachsen, also muss direkt etwas her, woraus sich so etwas wie Tiere bilden, die anderes benötigen wie Sauerstoff. Ich kann mir nicht Vorstellen, dass sich dort so etwas wie ein Cocktail des Lebens bildet, dazu ist es zu komplex und es kommen eine große Menge Zufälle, die wir hier auf der Erde haben, die es auf Europa nie geben konnte.  Das Leben dort kann nur aus dem All kommen und am besten noch von der Erde, als sie noch den Versuch startete erstes Leben zu basteln. Hier kracht ein größerer Komet rein und haut ein paar große Brocken in das Weltall. Der erreicht Europa und los geht´s.

Luna

Habe mal gehört, dass, wenn Silicium auf der Erde noch häufiger vorkäme (ist immerhin nach Kohlenstoff das zweithäufigste Element), wäre es durchaus denkbar, dass viele Lebensformen hier durchaus zum größten Teil aus Siliciumverbindungen wie Kieselsäure bestehen könnten. Warum nicht auch auf dem Jupitermond.