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Eine Logikfrage...

Begonnen von Feuertraum, 31. Juli 2008, 17:48:48

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Coppelia

#15
Na, postet noch einer was? Ich trau mich ja nach Lomax auch kaum noch was zu sagen - dabei hab ich immerhin auch ein super Examen gemacht. ;)

Nachdem ich den Post geschrieben habe, ist mir auch ein Erlebnis mit Literatur (nicht von mir, und ich sehe mein Geschreibe auch nicht als solche an) und einem Leser in Erinnerung gekommen. Der Leser mochte ein berühmtes Gedicht nicht wegen seiner ausgezeichneten Verwendung von Stilmitteln.
Kann man nichts machen. Bei diesem Gedicht war mir völlig klar, was die Stilmittel sagen wollten, dem anderen Leser aber überhaupt nicht.

Wenn ich diesen Satz in einem Buch von Astrid Lindgren oder anderen Autoren gelesen hätte, bei denen ich sicher bin, dass sie genau wissen, was sie tun, würde ich wahrscheinlich darüber nachdenken, ob er nicht einen Sinn hat. Aber in einem Schulaufsatz könnte ich ihn nicht akzeptieren. Bei mir selbst würde ich ihn auch nicht dulden, auch wenn ich mir etwas dabei gedacht hätte.
Ich wüsste also nicht, wie ich in einem völlig unbekannten Buch zwischen Stilmittel und Logikfehler unterscheiden sollte. Das scheint aber auch verbreitet zu sein, z. B. bei dem Autor, den ich übersetzt habe. Da sind sich viele Interpreten nicht einig, ob er toll oder grauenhaft formuliert hat.
Aber je länger ich rede, desto weniger Lust hab ich irgendwie dazu. Daher hör ich jetzt mal auf. :P

Lomax

Zitat von: Skandra am 31. Juli 2008, 22:43:50..., weil es nämlich bereits auf den ersten Blick ganz eindeutig falsch ist.
Nur dann, wenn der Satz so allein für sich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wird. Und selbst dann ist er nicht so "eindeutig" falsch, dass man nicht noch lange darüber nachdenken und diskutieren könnte, ob er falsch ist - wie dieser Thread recht eindeutig beweist ;)
  Wenn der Satz eingebunden in einen Gesamttext steht, wird kaum jemand darüber stolpern. Aber sehr viel mehr Leser werden den emotionalen Gehalt mitnehmen. Und die meisten Leser, die darüber stolpern, werden selbst dann genug Stolpersteine finden, wenn man sich die Mühe macht, solche Dinge penibel zu korrigieren - weil es zu einem großen Anteil Leser sind, die alles sehr wörtlich ausdeuten und auch über korrekte Stilmittel stolpern.
  Und, wie gesagt: Fehler sind relativ. Da dieser Fehler eine Stimmung auf den Punkt bringt, ist er als Stilmittel zu werten - nämlich keine zufällige Regelübertretung, sondern eine, die bewusst und mit Wirkung gesetzt werden kann. Überzeugender wären jetzt eher konstruktive Lösungsansätze - also formal korrekte Alternativen, die ein ebenso prägnantes und emotionales Bild zeichnen. Wie gesagt, mir fallen keine ein - aber so was bräuchte man, um die Formulierung wirklich kritisieren zu können.

Skandra

Hmmh... Ist es nicht eher so, dass man darüber nachdenken und diskutieren könnte, was der Autor uns mit diesem Satz sagen wollte, statt darüber, ob er vielleicht falsch, richtig, halbwahr sein könnte? Es ist mir zu mühsam, mangelhafte Aussagen als gewollt falsch oder gezielt eingesetztes Stilmittel zu interpretieren, wenn sich auch aus dem Zusammenhang nicht erschließt, ob es sich tatsächlich um einen tieferen Sinn handeln könnte.  :hmmm:
Ich will lesen, will den Text erleben und mich am virtuosen Umgang mit der Sprache erfreuen. Glücklicherweise gönnen mir sehr viele Autoren dieses Vergnügen.
Das hat auch nichts mit der Suche nach dem Haar in der Suppe zu tun. Da bin ich nicht so. Aber geradewegs anspringen soll es mich auch nicht. Wie ich mit dem Gedicht "Der Mond schien helle" anzudeuten versuchte, bin ich Stilmitteln nicht abgeneigt, sofern sie gut umgesetzt sind.

Ich bleibe dabei, dieser Satz ist einfach daneben. Alternativen liefern ist so eine Sache. Es ist nicht mein Text, deshalb kann ich nur schlecht einen Satz herauspicken und "verbessern". Aber mir wäre es lange nicht so aufgestoßen, hätte er von einem unbenutzten Teller geschrieben.

Liebe Grüße
Skandra


Lomax

Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 00:46:15Ist es nicht eher so, dass man darüber nachdenken und diskutieren könnte, was der Autor uns mit diesem Satz sagen wollte
Na, das wär doch dann schlechter Deutschunterricht - psychologisieren statt Textarbeit ;) Was der Autor sagen wollte, ist müßige Spekulation. Wichtig ist eigentlich nur, was der Text tatsächlich sagt, wie er wirkt. Und diese Wirkung ist eben nicht so eindeutig, dass du die Wirkung des Textes auf dich persönlich als nüchternes Fazit festlegen kannst.
Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 00:46:15Ich bleibe dabei, dieser Satz ist einfach daneben. ... Aber mir wäre es lange nicht so aufgestoßen, hätte er von einem unbenutzten Teller geschrieben.
Wenn du an der Stelle die Diskussion über Sprache abbrechen willst, gehst du aber mit einer recht ungünstigen Prämisse in die Textarbeit: Dass es nämlich die höchste Priorität ist, mit Sprache nicht anzuecken. Tatsächlich ist das aber nur für den Grundton der Geschichte ein Muss, wohingegen gerade die Stellen über die Textwirkung entscheiden, an denen man hängenbleibt. Du kommst also nicht umhin, wenn du diesen Satz beurteilen willst, dir die Frage zu stellen, ob das "anecken" hier nicht möglicherweise sinnvoll ist.
  Eine Frage, die natürlich aus dem mangelnden Kontext schwer zu entscheiden ist. Was mir allerdings schon auffällt, ist erstens, dass der Satz eine Menge Konnotationen anstieß, nachdem Feuertraum einen groben Abriss vom Kontext nachlieferte. Und dass zweitens alle hier genannten Alternativen entweder nüchtern-beschreibend und "tot" klangen, oder unpassende Assoziationen lieferten. Solche Indizien sollte man zumindest ernst nehmen, gegen die Nachteile einer bei nüchterner Analyse krummen Formulierung abwägen und darauf achten, dass man nicht die unter Beachtung aller Faktoren bestmögliche Formulierung voreilig verwirft. Und dazu wäre es eben sehr hilfreich, zu sehen, ob man denn tatsächlich eine bessere Formulierung findet.

Ich habe gerade in Internet-Schreibwerkstätten eine Menge Texte gesehen, die totredigiert wurden, weil einfach nur jeder danach geschaut hat, worüber man stolpern könnte - aber niemand darauf geachtet hat, wie man formulieren muss, damit es nicht nur niemanden stört, sondern zumindest einigen wirklich gefällt. Und da ist es nicht hilfreich, wenn jedes Hängenbleiben am Text gleich ein automatisiertes Zuschlagen mit dem Rotstift auslöst und mit der Überzeugung einhergeht, dass dieses Hängenbleiben allein schon jedes weitere Abwägen ersetzt.

Feuertraum

Stilmittel...
Ich denke, Stilmittel sind so eine Sache für sich. Es gibt einige Stilmittel, die ich bevorzuge und einige, denen ich ausweiche, die ich vermeide, die mir ein Greuel sind (diese Dreierkombi ist übrigens eines, das ich knorke finde).

Was mich aber nun irritiert: Ich lese einen Abschnitt und denke mir: "Also, ich würde diesen Satz anders formulieren, mehr/weniger ins Detail gehen, die Szene ein wenig anders beschreiben, das Wort kürzen oder durch jenes Wort ersetzen, um der Sprachmelodie gerecht zu werden (sorry, aber ich bin ein Fan der Sprachmelodie). Mich also der Satz, die Szene..."stört", weil sie so nicht mein Stil ist, sich aber 100 Leute nicht dran stören, ist mein Stil dann "falsch" ?
Ich persönlich denke eher nein.
Jeder Schreiberling hat seine Art des Erzählens. Okay, manche kopieren vielleicht andere Autoren, die sie sehr stark beeinflussen (ist mir bei manchen Anfängern aufgefallen, die aufgrund einer Serie angefangen haben zu schreiben). Andere hingegen haben ihren Stil gefunden und haben somit ihr "Markenzeichen".

Aber okay, ich bin auch ein wenig seltsam und nicht unbedingt Mainstream.

In diesem Sinne
LG

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Tenryu

Für mich ist und bleibt das einfach ein schlechter unzutreffender Ausdruck und nicht ein besonderes Stilmittel. Aber vielleicht kann man ja auch Rechtschreibfehler nur als ein Stilmittel betrachten, vermittels welchem uns der Autor die Unzulänglichkeiten der deutschen Grammatik vor Augen führen will...
Da ich den Autor nicht kenne, vermag ich das nicht zu beurteilen, aber ich halte gewöhnlich mich an die naheliegendste Erklärung, die in den meisten Fällen auch die zutreffende ist.

Lomax

Seufz. Meinetwegen, stellen wir die Diskussion vom Bauch auf den Kopf  ;)
Da einige Leute sich ja doch sehr am formalen und dem vermeintlichen "Fehler" festhalten, schiebe ich die formale Analyse des Beispiels hiermit noch nach. Denn natürlich hab ich bei meinen Einwänden auch nicht ganz ohne Bodenhaftung spekuliert. Und der gebotene Kontext reicht natürlich nicht aus, um endgültig zu entscheiden, ob der Satz so angemessen ist - aber für eine grobe, literaturwissenschaftliche Einschätzung, die über das "da stolper ich drüber" hinausgeht, reicht er allemal.

1. Lässt sich der Satz klassifizieren, oder ist er einfach nur falsch.

"Das Brot lag auf dem leeren Teller" lässt sich problemlos als Paradoxon einordnen. Auf einem leeren Teller kann nichts liegen - dem Teller werden damit zwei einander ausschließende Eigenschaften zugeordnet, und damit haben wir das klassische Beispiel für ein Paradoxon.
  Ob das vom Autor "gewollt" war, ist für diese Einordnung zunächst mal irrelevant. Weder für Paradoxon noch für Oxymoron ist eine bewusste Setzung definitionsgemäß vonnöten. Bei einem unfreiwilligem Paradoxon läge anstelle eines Stillmittels eine Stilblüte vor. Aber da Paradoxa prinzipiell als Stilmittel zulässig sind, ist hiermit die Annahme eines einfachen "Fehlers" widerlegt - vielmehr muss man den Satz weiter überprüfen, um zu entscheiden, ob das Stilmittel zulässig verwendet wurde, oder eine Stilblüte vorliegt.

2. Unterstützt dieses Paradoxon eine Aussageabsicht?

Das Paradoxon wird verwendet, um eine schlecht greifbare, gefühlsmäßige Aussage zu vermitteln. Außerdem lenkt es die Aufmerksamkeit auf die unpassend kontrastierten Begriffe, in dem Falle also auf das "Brot" und die "Leere".
  Leider muss ich sagen, dass dieser Fokus anscheinend eine sinnvolle Aussage ergibt: Zum einen entspricht die Gegenüberstellung der nackten Aussage des Textes, dass das Brot für den Protagonisten verloren ist; und zum anderen vermittelt die "Leere" tatsächlich eine gefühlsmäßige Konnotation, die dem Empfinden des Protagonisten zu entsprechen scheint.
  "Leider" deshalb, weil ich mit der Verwendung des Paradoxon an dieser Stelle dennoch nicht glücklich bin. Denn die Aussage, dass der Protagonist den Verlust des Brots als sinnlos empfindet, ergibt sich schon aus dem Kontext. Das durch eine von einem Stilmittel unterstrichene Kontrastierung des "Brots" mit der "Leere" zu unterstreichen, scheint ein wenig wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Insofern finde ich das Stilmittel hier ungeschickt eingesetzt, weil es nach meinem Empfinden eher vom wesentlichen, gefühlsmäßigen Anteil der Formulierung ablenkt, statt sie zu unterstützen.
  Aber, für diejenigen, die lieber nach algorithmischen Regeln für richtig und falsch suchen: Die formale Analyse liefert eher Anhaltspunkte dafür, dass die Formulierung korrekt ist und das Stilmittel im Einklang mit seiner Defintion verwendet wurde.

3. Alternative Analyse

Mir persönlich lieber, aber leider formal nicht so eindeutig, wäre eine Analyse des Satzes als elliptische Konstruktion: "Das Brot lag auf dem [ansonsten] leeren Teller". Üblicherweise sind Ellipsen auf parallele Konstruktionen beschränkt, oder auf solche, wo sich die Ergänzung eindeutig aus dem Kontext ergibt. Prinzipiell erforderlich ist das nicht, denn es gibt genug Beispiele für Ellipsen, die man nur aus dem Kontext interpretieren kann. Dabei ist vor allem die Tilgung des Prädikats zu nennen, die sogar den Satzkern entfernt und trotzdem prinzipiell zulässig ist - und in der Regel aus keinem anderen Grund verwendet wird, als um den eigenständigen Charakter des verkürzten Satzes zu negieren und ihn stärker an das Vorangegangene zu ziehen, oder auch nur um das Tempo eines Textes anzuziehen. Die erzähltechnischen Anforderungen, um eine Ellipse zu rechtfertigen, kann man also auch nicht zu hoch ansetzen.
  Sei's drum: Feststellbare Tatsache ist, dass sich der Satz leicht sinnvoll ergänzen lässt und damit als Ellipse in Frage kommt; und das eine solche Einordnung spekulativer ist als das Paradoxon und damit unter größeren Vorbehalten steht.

Üblicherweise soll eine Ellipse den Blick aufs Wesentliche lenken. In diesem Falle wäre das die "Leere", die durch das fehlende Wort ansonsten ja relativiert würde. Eine Betonung genau dieses einen Begriffs ist im Kontext allerdings sehr sinnvoll, denn genau diese "Leere" trägt den emotionalen Gehalt der Aussage - das Wort beschreibt eben nicht nur nüchtern den Zustand des Tellers, sondern eignet sich gleichzeitig, um die Haltung des Protagonisten bzw. die Rolle, die dieser Teller für ihn einnimmt, zu beschreiben. Als Ellipse würde ich die Formulierung für ein sehr gelungenes Stilmittel halten.
  Und ich denke, dass das Unbehagen, das mit dieser Formulierung einhergeht, darauf zurückzuführen ist, dass durch die Ellipse leider ein Paradoxon entsteht, das die "Leere" zugleich mit dem "Brot" assoziiert und damit wieder die Aussage verwässert und unpassend wirken lässt.

Also: Als Fazit kann man feststellen, dass der Satz ein eindeutiges Paradoxon ist und sich als solches auch nur schlecht angreifen lässt; und dass er mir als reine Ellipse besser gefallen würde ;D

Eindeutig lässt sich durch diese Analyse allerdings auf jeden Fall zeigen, dass die Aussage, er wäre "eindeutig falsch" und müsste nicht mehr analysiert werden, selbst eindeutig falsch ist ;) Wie das halt meistens so ist mit Aussagen auf dem Fundament "das sieht man doch", oder "das sagt doch der gesunde Menschenverstand". Meines Erachtens nach ist das die wichtigste Grundlage, die jeder aus dem Mathematikunterricht mitgenommen haben sollte, dass man eben absolute Aussagen nicht auf Basis einfachen "Hinschauens" und ohne präzises Durchrechnen liefern sollte.
  Das präzise Durchrechnen allerdings hat seine Tücken: Selbst meine Schlussfolgerungen auf Grundlage oben genannter Analyse würde ich noch mit Vorsicht betrachten. Denn der Versuch, ein Phänomen nach "Formeln" aufzuschlüsseln, hängt im Wesentlichen davon ab, dass man auch wirklich alle Formeln kennt. Vermutlich gibt es genug Leute, die das Beispiel noch weit besser aufschlüsseln können und eine breitere "Formelsammlung" von Stilmitteln und ihrer Verwendung haben als ich - und die über meine "Näherung" hinausgehen können. Bei Sprache - vor allem, wenn es Syntax und Orthographie verlässt - kann man selten sicher sein, wirklich alle Formeln zu kennen. Und wenn man die Berechnung dann zu früh abbricht und voreilig seine Näherung doppelt als Endergebnis unterstreicht, läuft man leicht Gefahr, versehentlich ein relativistisches Phänomen mit newtonschen Gleichungen zu berechnen und ganz kräfitg in die Irre zu fliegen.
  Deshalb wollte ich eigentlich nicht mit der oben genannten, formalen Herangehensweise anfangen, sondern auf ein mehr "bildhaftes" Verfahren verweisen, das auch ohne Germanistikstudium funktioniert: Dass man sich bei so unklaren Ausdrücken einfach überlegt, ob sie eine sinnvolle, zusätzliche Botschaft transportieren; oder es andere, unkompliziertere Möglichkeiten gibt, denselben Zweck zu erreichen. Und dann unter den vorhandenen/gefundenen Möglichkeiten die beste behält - was allerdings auch bedeutet, dass man keine Möglichkeit verwirft, solange man keine bessere Alternative kennt, oder die fehlende Aussage des Vorhandenen belegen kann.
  Das wäre dann halt der Workaround für den nicht sprach- und literaturwissenschaftlich vorgeprägten Autor, Lektor oder brauchbaren Testleser, sozusagen ein guter Ersatz für die exakte formale Analyse. Diese Analyse aber ersatzlos unter den Tisch fallen zu lassen und nur durch "da bleib ich hängen", "das stößt mir sauer auf" oder "das ist halt so" zu ersetzen, ist schon ein wenig mager. Auf dieser Stufe ist die Einschätzung nur eine persönliche Meinung, die Grundlage und Einstieg in die Textbetrachtung sein kann, aber nicht abschließendes Urteil und nicht mal für sich genommen sinnvoller Beitrag zur Verbesserung und Betrachtung fremder Texte - oder auch zur Weiterentwicklung des eigenen Stils.

So ... Jetzt hab ich den Beitrag noch mal kurz korrekturgelesen und muss sagen, wäre ich vor zehn Jahren Deutschlehrer geworden, würden meine Schüler mich vermutlich hassen. Aber da ja auch Schlussredakteure traditionell von denen gehasst werden, die sie korrigieren, hätte das dann auch wieder keinen Unterschied gemacht ;D

Skandra

@Lomax: Ja, sehr schön.

Als ich schrieb, ich würde eher darüber diskutieren, was der Autor sagen wollte, bezog ich mich auf Deine Anmerkung, der Satz ansich sei diskussionswürdig, wie man an diesem Thread erkennen könne.
Nichts möchte ich psychologisieren. Hier ging es um die Frage, ob der Autor einen tieferen Sinn in seinem falschen, mangelhaften Ausdruck legen wollte. Wenn ja, so ist es ihm nicht gelungen.

Ich will hier weder guten, noch schlechten Deutschunterricht machen. "Formaler" Fehler, an dem einige Leute sich festhalten? Literaturwissenschaftliche Einschätzung?
@Feuertraum: Handelt es sich um eine Übersetzung?

Ich werde jetzt eine leere Tasse mit Kaffee füllen.  :omn:

Liebe Grüße
Skandra

Feuertraum

@ Skandra: Nein

@ alle anderen: Tut mir leid, dass ich da - wenn auch vollkommen unbeabsichtigt - für "leicht erhitzte" Gemüter gesorgt habe  :-[ :schuldig:
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Lomax

Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 11:12:08Nichts möchte ich psychologisieren. Hier ging es um die Frage, ob der Autor einen tieferen Sinn  ... legen wollte.
Genau das ist die Frage, die sich nur durch Psychologisieren beantworten lässt - solange man den Autor nicht fragen kann. In beiden Fällen erhält man literarisches Kaffekränzchenniveau. Basis literarischer Betrachtung ist der Text, nicht die Spekulation über Autorengedanken.
Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 11:12:08in seinem falschen, mangelhaften Ausdruck
Und genau das ist eine Behauptung und eine Sachaussage, die begründet werden muss. Spätestens dann, wenn sie begründet angezweifelt wird.
Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 11:12:08Wenn ja, so ist es ihm nicht gelungen.
Das ist eine Wertung, über die letztendlich die Gesamtheit des Marktes und der Zielgruppe entscheidet. Da muss dann sicher nicht jede subjektive Meinungsäußerung genauer fundiert werden ;)

Lomax

Zitat von: Feuertraum am 01. August 2008, 11:35:32Tut mir leid, dass ich da - wenn auch vollkommen unbeabsichtigt - für "leicht erhitzte" Gemüter gesorgt habe
Warum sollte man sich entschuldigen, wenn man Beispiele von exemplarischem Wert liefert ;) Letztendlich nutzt es doch allen mehr, wenn man grundlegende Fragen der Methodik ansprechen kann, als wenn man etwas über eine einzelne, konkrete Formulierung hört, die vermutlich nie wieder jemandem der hier Mitlesenden begegnen wird.

Lisande

Okay, um dem ganzen mal 'ne ganz andere Richtung zu geben: meine erste Frage bei sowas ist immer: ist es ein originalsprachlicher Text? Ansonsten kann sich da nämlich ein ganz dämlicher Fehler in der Übersetzung eingeschlichen haben.

Feuertraum

Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Skandra

Uups! Ich wollte keinesfalls wirken, als sei ich erhitzt, und der regen und durchaus lehrreichen Diskussion dadurch einen unangenehmen Unterton verleihen.

@Lomax: Ich hoffe doch sehr, Du bist nicht verstimmt? Es macht doch viel zu viel Spaß, sich auf dem spannenden Feld der Literatur auszustauschen. Und alles andere wäre doch sterbenslaaangweilig.

Liebe Grüße
Skandra

Lomax

Zitat von: Skandra am 01. August 2008, 13:27:42@Lomax: Ich hoffe doch sehr, Du bist nicht verstimmt? Es macht doch viel zu viel Spaß, sich auf dem spannenden Feld der Literatur auszustauschen. Und alles andere wäre doch sterbenslaaangweilig.
Ich werde es überleben, und ich streite ja gern ;)

Eine gewisse Emotionalität kann ich allerdings nicht abstreiten, nicht zuletzt aus persönlicher Betroffenheit. Das Thema ist nämlich sehr sensibel. "Da hab ich mir was bei gedacht", ist sozusagen die Standardeinleitung zu jeder sinnlosen Diskussion bei Lektoraten, und dass sie den armen Journalisten ihre genialen Texte verschandeln, indem sie "jedes Stilmittel als Fehler anstreichen", ist der Standardvorwurf an Schlussredakteure.
  Ich muss zugeben, darauf reagiere ich meist mit genervt verdrehten Augen und versuche, die Sache möglichst kurz angebunden zu regeln. Meine einzige Rechtfertigung für meine Unlust auf Diskussionen über angebliche "Stilmittel" ist es eben, dass ich mir vorher in der Regel sehr wohl Gedanken über die Korrektur gemacht und recht genau geprüft habe, ob die Korrektur nötig ist oder möglicherweise doch ein Stilmittel vorliegt. Und zwar unter Berücksichtigung der meisten denkbaren Sichtweisen.
  Nur, wenn ein Autor wirklich darauf besteht, jede einzelne Änderung in der Ausführlichkeit auszudiskutieren, wie wir es jetzt hier bei diesem Beipiel machen, dann wäre meine Arbeit nicht mehr leistbar. Denn die Zeit, jede banale Stilkorrektur zu diskutieren, hat man in Lektoraten und Redaktionen normalerweise nicht. Ich bin also beruflich sozusagen darauf angewiesen, dass der Autor ein gewisses Grundvertrauen mitbringt und im Zweifel erst mal voraussetzt, dass der Lektor sorgfältig und nicht schlampig oder geschmäcklerisch gearbeitet hat.

Wenn ich dann lese, wie beiläufig Formulierungen als "falsch" klassifiziert werden, sich auf Nachfrage aber herausstellt, dass alternative Sichtweisen eben nicht geprüft wurden und auch nicht geprüft werden wollen, dass eine formale Begründung nicht vorliegt, dann mache ich mir eben Sorgen, was für ein Eindruck von Textarbeit da bei mitlesenden Autoren entsteht. Wie viele Leute dann denken, dass es normal ist, wenn ein Lektor einfach mal was als falsch anstreicht, nur weil er "darüber stolpert", oder es "seine Gefühle verletzen würde", wenn eine gewisse Formulierung so stehen bliebe.
  Das betrifft in gewisser Hinsicht also mein Berufsethos ;)
  "Das gefällt mir nicht", schreibt sich leicht. Um "Das ist falsch" schreiben zu können, muss man vorher allerdings formal sauber einen Regelverstoß nachgewiesen haben - und dazu alle relevanten Regeln der Stilistik geprüft haben. Aber auch ein Positivbeispiel macht aus der bloßen Meinung eine zumindest nachprüfbare These und sollte eigentlich als Minimalanforderung gelten.

Das Prüfen solcher Formulierungen ist jedenfalls ein Standardfall der Textarbeit. Ich möchte nicht, dass der Eindruck hängenbleibt, das unverbindliche und nicht hinterfragbare In-den-Raum-werfen (oder auch das Rot-in-den-Text-schreiben) spontaner Einschätzungen sei das Standard-Lösungsverfahren dazu. Diese Vorstellung hat mich dann tatsächlich ein wenig "erhitzt". ;D