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Die Frage nach dem Sinn

Begonnen von Der Inspektor, 16. März 2022, 14:56:44

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Der Inspektor

#15
@Mondfräulein
Deine Nachricht ist genau der Grund, aus dem ich diese Begriffe in Anführungszeichen gesetzt habe. Ich habe diese Kategorien nicht erfunden, aber weil ich etwas ausdrücken wollte, habe ich sie eben benutzt. Ich hätte auch lang und breit umschreiben können, was ich genau meine und was ich damit nicht implizieren möchte, aber so war es nunmal einfacher. Ich hatte nicht vor eine bestimmte Literatur "abzuwerten", anders als du mir scheinbar unterstellst. Wie alle Kategorisierungen sind auch diese nur in manchen Kontexten hilfreich und selbstverständlich nicht universell anwendbar.
Ich habe mich bewusst so ausgedrückt wie ich es getan habe, weil ich eine Diskussion darüber vermeiden wollte. In diesem Thread geht es ausdrücklich nicht darum, dass ich Unterhaltungsliteratur ihren Wert absprechen oder diese Kategorisierungen befürworten will.

Zu vielem was du schreibst, möchte ich mich gar nicht äußern, weil das weit am Thema vorbeigeht, aber zu einem doch:
Zitat von: Mondfräulein am 17. März 2022, 16:57:22Was macht einen komplexen Schreibstil aus? So wie du das beschreibst, meinst du damit einen Schreibstil, der schwieriger zu lesen ist, viele Metaphern, Sinnbilder, langer und komplexer Satzbau, ungefähr so?
Du legst mir hier Worte in den Mund, die ich nicht benutzt habe. Ich schreibe, dass die Sprache oft "präziser" und "gewählter" ist. Dass sie "auch schwieriger" sein kann, stimmt, aber ich behaupte doch gar nicht, dass das irgendeine Form von Selbstzweck hätte. Das ist das glatte Gegenteil von dem, was du mir unterstellst gesagt zu haben. Ich verstehe, dass das deiner Argumentation dient, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was das soll. Das ist weder konstruktiv, noch hat es (wie gesagt) wirklich etwas mit dem Thema zu tun. Ich schreibe auch, dass "U-Literatur" Sprache "eher dazu verwendet, Dinge so reibungslos wie möglich darzustellen". Dass das selbstverständlich effektiv und zielführend ist, bestreite ich doch gar nicht. Der Anspruch ist nunmal ein anderer. Es ist der Anspruch möglichst unkompliziert zu unterhalten, und nicht der, eine möglichst schöne oder kreative Sprache zu verwenden. Worin meiner Meinung nach auch ein Wert liegt. Das wirst du mir hoffentlich nicht absprechen.
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Mondfräulein

Es geht mir überhaupt nicht darum, dir etwas zu unterstellen. Die Abwertung bestimmter Literatur unterstelle ich der gesamten Gesellschaft und dem Literaturbetrieb. Worauf ich hinaus wollte war, was anspruchsvolle Literatur eigentlich ist und was wir meinen, wenn wir darüber sprechen, denn nur dann können wir beurteilen, ob es sich bei einem Werk um anspruchsvolle Literatur handelt und nur dann können wir lernen, selbst anspruchsvolle Literatur zu schreiben, falls wir das wollen. Aber die Diskussion hier existiert ja nicht in einem Vakuum und wird hier auch nicht zum ersten mal geführt, deshalb ist der Kontext des Literaturbetriebs, in dem wir uns bewegen, hier wichtig. Es gibt schon Ansätze, das zu definieren, aber jeder davon kommt auch mit entsprechenden Problemen daher.

Bezüglich des Schreibstils: Das war, was ich aus deinen Worten herausgelesen habe, als ich versucht habe, das was du schreibst etwas konkreter herunterzubrechen. Danke, dass du mich da korrigiert hast! Es geht mir auch hier nicht darum, dir etwas zu unterstellen. Es geht mir vielmehr darum zu verstehen, was du eigentlich genau meinst. Unter einem präzisen Schreibstil würde ich zum Beispiel das verstehen, was du dann wiederum als Schreibstil der Unterhaltungsliteratur beschreibst. Unter dem Wort verstehen wir offensichtlich unterschiedliche Dinge, insofern: Was genau ist ein präziser Schreibstil?

Letztendlich geht es mir dabei aber auch nur darum, zu hinterfragen, wovon wir eigentlich reden, wenn wir von anspruchsvoller Literatur reden. Das ist für die Debatte glaube ich unerlässlich.

Siara

#17
Ein bisschen was zur letzten Diskussion darum, was E- und U-Literatur ausmacht, aber auch meine Meinung zum Thema:

Es gibt ja ganz offenbar Definitionsprobleme in diesem Thread. Die Kategorien als Schubladen können in meinen Augen insofern einen Zweck erfüllen, als dass man als Autor grob seine Zielgruppe im Kopf hat bzw. als Leser einen Überblick bekommt, was einem gefallen könnte. Auch dass die Sprache tendenziell mehr oder weniger Konzentration oder Wortschatz braucht, um verstanden zu werden, mag hilfreich sein. Aber wenn die Schubladen beginnen, einen beim Lesen oder Schreiben einzuschränken, hilft es vielleicht, sie anders zu betrachten. Für mich persönlich sind E und U in diesem Fall nicht zwei Kategorien, sondern eher Enden eines Spektrums. Ich persönlich kenne keinen Roman, der "nur" Aussagen getrieben ist, ohne dabei in irgendeiner Form zu unterhalten (das wäre dann ja auch mehr ein kreatives Essay), genauso wenig wie mir einer einfällt, der ausnahmslos unterhält und dabei keinerlei Botschaft transportiert oder einen Mehrwert bietet.

Ein interessantes Beispiel zum Aufbrechen der starren Kategorien zwischendurch: Markus Zusak mit "Die Bücherdiebin" oder "Der Joker". Die Sprache würde man spontan U zuordnen, denke ich. Es gibt kurze, teils umgangssprachliche Sätze und einfache Begriffe. Aber Inhaltlich ist gerade der zuerst genannte Roman extrem gehaltvoll und voll von Aussagen und Denkanstößen. Warum also sich für eins entscheiden, wenn man beides nach Belieben mischen kann?

Was dein konkretes Problem angeht, @Der Inspektor: Auf Krampf versuchen, nach einer wertvollen Aussage (oder ähnlichem) zu suchen, um sie dann in einem Roman zu verpacken, kann als Experiment sicher interessant sein, ob es aber auf Dauer zielführend ist, weiß ich nicht und bezweifle es. Meiner Meinung nach sollte man schreiben, was einen begeistert, denn das ist, was man dem Leser am mühelosesten nahebringen kann. Wenn dich philosophische Fragen beschäftigen und du sie in einer Geschichte auf kreative Weise durchspielen möchtest - cool, mach das. Wenn dich Drachen oder fremde Planeten begeistern und du davon erzählen willst - cool, mach das. Wenn du an deinem Schreiben interessiert bist (und das Handwerk beherrscht, aber das ist ein anderer Punkt), werden Leser darin etwas finden, das sie aus der Geschichte mitnehmen. Das kann ein komplett neuer, tiefgründiger Denkanstoß aus einem gesellschaftskritischen Drama sein, der sie lange nicht loslässt - oder vielleicht in einem romantischen Elfenroman nur die Beschreibung einer Emotion, die sie selbst schon hatten und nicht in Worte fassen konnten. Letzteres ist nicht weniger wert als der erste Punkt. Ich habe schon "anspruchsvolle" Literatur gelesen und wurde davon kein Stück berührt. Und ich habe U-Literatur gelesen, die mich noch monatelang beschäftigt hat. Andersherum natürlich auch.

Und was die Sprache angeht: Gerade wenn man "seine eigene Stimme" noch nicht gefunden hat, kann man sich ja einfach mal in verschiedene Richtungen ausprobieren und sehen, was einem liegt und wie man am besten ausdrücken kann, was man ausdrücken möchte. Dabei sollte die Sprache meiner Meinung nach in den allermeisten Fällen Mittel zum Zweck bleiben. Wenn du komplexe Themen angehen möchtest, der für dich passende Tonfall aber schnörkellos und direkt ist, kann das super funktionieren. Kannst du mit Metaphern und vielfältiger Sprache besser transportieren, was du rüber bringen möchtest, ist das auch gut.

Kurz: Ausprobieren, was funktioniert, sich trauen, in alle Richtungen reinzuschnuppern - und am Ende seinen eigenen Weg finden. Wenn es dich gerade zu schwierigeren Themen zieht, dann versuch es doch einfach mal. Aber das sollte meiner Meinung nach nicht abwerten, was du bisher geschrieben hast. Für mich kommen Schreib- und Leseinteressene in Phasen, mal tiefgründiger, mal einfach nur Fantasy-Abenteuer. Go with the flow. :engel:
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Der Inspektor

#18
@Siara Ich glaube, du hast gut zusammengefasst, was ich bis jetzt auch etwa aus dem Thread gezogen hatte. Schön das nochmal aus deiner Perspektive und in geraffter Form zu lesen, danke.  :vibes:
Es ist sicher so, dass ich noch nicht ganz weiß, wo es für mich hingehen wird, aber ich versuche das vielleicht auch als große Chance zu sehen. Solange ich mich noch mal hierhin und mal dorthin gezogen fühle, kann ich mich ja ausprobieren, ohne das Gefühl zu haben, mein ganzes bisheriges Lebenswerk wäre für die Tonne. So groß ist es ja bis jetzt auch noch gar nicht. ;D
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Felix Fabulus

Die Frage ist auch, wie in Büchern/Filmen eine von Autor*in beabsichtigte Botschaft vermittelt wird: Sprechen die Handlungen und Figuren aus sich selbst oder merken wir, dass uns Autor*in etwas predigen wollte? Bei letzterem fühle ich mich bevormundet. Für Pitches wird uns ja oft empfohlen, die Story auf einen einzelnen Satz zu reduzieren.

Bsp. Don't Look Up (Achtung Spoiler!)
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Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.