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Jugend gesucht, Ältere wollen wir nicht.

Begonnen von Maria, 12. März 2020, 20:20:16

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Ratzefatz

Zitat von: Coppelia am 13. März 2020, 07:48:29
Vielleicht wird damit eine neue Art von Ghostwriting oder Ghost-Showing etabliert. Ich schreibe gute Bücher, und ein süßes Model tut so, als wäre es ich.

https://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/frauen-luegen-besser,1312180,ApplicationMovie.html ;-)
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

commanderlara

Wieso sollte einem bei einem Verlagssegment, das junge Genreautorinnen bevorzugt, als erstes das Attribut "oberflächlich" in den Sinn kommen?
Was spricht dagegen, exklusiv auf diesem Feld die Spreu vom Weizen zu trennen?

Ich könnte mir ohne Probleme vorstellen, dass es viele ältere Frauen gibt (ich neige inzwischen selbst eher zu sechzig als zu fünfzig), die sich das eine oder andere Fantasymärchen auf das eigene Leben dichten, völlig unbeleckt von Fragen nach der Zielgruppe, nach Schreibstil oder Aufbau eines Romans, und weder willig noch vielleicht fähig, sich den Anforderungen irgendeines "Marktes" zu unterwerfen.

Dagegen könnte ich mir viele junge Autorinnen vorstellen, die dank des Internets sehr viel mehr über die Rolle einer Verlagsautorin wissen und das Thema gezielt und energisch angehen.
Außerdem - klar - geht es da auch um Marketing in Form von Autorenseiten, Fb-Acounts usw. Wenn man junge Leser erreichen will, ist man entweder gleichaltrig oder die coole Tante. Gleichaltrige haben es leichter, mit der Zielgruppe in Kontakt zu kommen, und gerade bei Genreliteratur geht es ums Geschäft.
Coole Tanten wären vielleicht dann ein anderes Segment wert :)

Ich nehme das auf jeden Fall nicht zum Anlass, mich irgendwie diskriminiert zu sehen. Ich lass mir ja auch nichts von irgendwelchen Küken erzählen, die noch die Eierschalen hinter den Ohren tragen ;)

LisaKober

Über das Verlagwesen kann ich nicht viel beitragen, da ich mit meinem Buch noch lange nicht soweit bin. Aber ich kenne Ähnliches aus dem Journalismus. Bei uns war es oft so, dass gestandene Männer die besseren Themen bekommen haben und in der Redaktion viel Frustration auf Seiten der Frauen herrschte. Es ist nie schön, sich ungerecht behandelt zu fühlen oder auf Merkmale reduziert zu werden, die nichts mit der eigentlichen Leistung/Talent zu tun haben. Ich habe mir in dieser Zeit eine Haltung angewöhnt, die mich gut durch diese Herausforderungen trägt: mein Unmut ist bei den "Bevorzugten" nicht richtig platziert, denn natürlich freuen die sich über ihr Glück und nehmen es gerne an. (Ich würde mich ja genauso freuen, wenn ich eine tolle Reportage bekäme, die darauf beruht, dass ich weiblich bin, weil der Chefredakteur denkt, dass ich das Thema besser verstehe.) Aber ich versuche, mehr auf mich zu schauen, nicht auf die anderen. Wenn mir etwas sauer aufstößt, gehe ich davon aus, dass ich nicht die einzige bin und somit habe ich vielleicht wieder eine Zielgruppe, die von anderen übersehen wird.

Vielleicht ist es etwas naiv zu denken, dass sich gute Leistung oder ein tolles Produkt am Ende doch immer durchsetzt. Vielleicht fühlt man sich benachteiligt, weil keine Chancengleichheit herrscht, aber das bedeutet nicht, dass man nicht das beste Buch überhaupt schreiben kann! Vielleicht hilft diese Naivität einem auch, seine Energie nicht in Ärger zu stecken, sondern noch besser zu werden. Und das finde ich auch einen anspornenden Gedanken: gerade als jemand, der unterschätzt oder übersehen wird, einen Erfolg zu landen. "Die werden schon noch sehen!", das denke ich mir so oft  ;D

Felix Fabulus

An alle mit Verlegerhintergrund: Ist der Newcomer ein derartiger Marketingboost ("Der neue Stern am Autorenhimmel" oder was weiss ich), dass es sich für die Verlage ausbezahlt, andere Manus gar nicht mehr anzuschauen?

@Lisa Kober: Das Schwanken zwischen grenzenloser Selbstüberschätzung und der totalen Erniedrigung des eigenen Geschreibsels kennt wohl fast jeder hier. Mir jedenfalls geht es immer wieder so. Das Beste sind Rückmeldungen von Beta-Lesern, die mir helfen, die geerdete Mitte wiederzufinden und eine realistische Einschätzung über meine Texte zu gewinnen.  ;)
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.

Linda

@Felix Fabulus

kein Verlegerhintergrund, aber ja, so einige Erfahrung in der Branche. Erstlingsautor ist ein Bonus. Allerdings wirklich in erster Linie für die Vermarktung (und auch eher für größere Verlage mit einem entsprechenden Budget) und weil man noch keinen "Malus" hat, wie ihn fast jeder Autor in der Karriere früher oder später mal erlebt: Wenn das Cover Scheiße war, wenn das Marketing die Zielgruppe nicht getroffen hat, wenn der Lektor suboptimal gearbeitet hat, wenn es ein unglücklicher Zeitpunkt war, wegen Corona, wenn das Buch durch Weggang des Lektors 'verwaist' ist - am Ende zählen nur Verkäufe und mangelt es daran, ist (nach Sicht des Verlags, denn wie wir wissen, hat der Erfolg viele Mütter und Väter, das Scheitern aber nur einen Grund) grundsätzlich der Autor bzw die Qualität des Werkes schuld.
Darum hat der schlaue Schreiberling (oder sein Agent) auch das Pseudonym erfunden - schwupps wieder ein Debüt, oder schlimmstenfalls ein Lektor, der das denkt und deshalb das Manuskript ohne 'Vorbehalt' prüft!
  Aber - auch eine 60-jährige kann Debütantin sein - wobei es hier in der Ausschreibung ja eher um eine Generationenfrage geht, nicht, wieviele Titel man bereits veröffentlicht hat.

Aphelion

#20
TL;DR:
1. Debütanten werden vielleicht unbefangener bewertet, aber der Eindruck, sie hätten einen Bonus, ist auch teilweise eine Täuschung.

2. Ich finde es gut, dass Oetinger mit einem Jugendbuch-Label jüngeren Autoren eine Chance gibt. Vielleicht führt das auch zu Büchern, die mehr Jugendliche ansprechen und nicht ganz so peinlich sind.




Ob es ein Vorteil ist, Debütant zu sein, weiß ich nicht. Sicherlich ist es besser, ein Debütant zu sein, als auf Flops zurückzublicken. Die bisherigen Verkaufszahlen wecken Erwartungen (die zwangsläufig bei den meisten Zweitbewerbern eher schlecht sein müssen, weil nicht alle Bestsellerautoren sein können). Ich glaube aber nicht, dass das alles erklärt.

Mit neuen Autoren geht der Verlag ein Risiko ein, aber dieses Risiko zahlt sich manchmal mehr als aus. Wenn ein Autor hingegen jahrelang mittelmäßige Verkaufszahlen einbringt, ist das eben nur mittelmäßig. Meiner Beobachtung nach versuchen Verlage, eine Mischung aus Risiko und Stabilität zu erzielen.

Für uns Autoren ist das Problem, dass nicht alle von uns zu den mittelmäßig-stabilen gehören können. Nehmen wir an, ein Verlag (Imprint, Label, ...) hätte 20 Programmplätze pro Jahr für neue Titel. Die Hälfte wird durch Stabilitäts-Autoren gestemmt, bei der anderen Hälfte geht der Verlag auf Risiko und nimmt Manuskripte von Neulingen, von denen noch niemand sagen kann, wie sie sich verkaufen.

Wenn die 10 Stabilität-Autoren im Schnitt jedes Jahr einen neuen Roman vorlegen, sind pro Jahr 10 Programmplätze weg - aber eben nicht nur in einem Jahr, sondern über z.B. 10 Jahre hinweg. Die Beständigen "blockieren" also Plätze für andere Autoren. Bei den Debütanten gibt es eine höhere Fluktuation, nämlich 10 pro Jahr. Wenn einer der Debütanten großen Erfolg hat, wird der Verlag wahrscheinlich auch das nächste Buch veröffentlichen.

Wenn der Erfolg aber nur mittelmäßig ist, ist die Abwägung viel schwerer, ob der Verlag den Debütanten in die Riege der mittelmäßig-beständigen Autoren auf nimmt - oder ob der Verlag den Debütanten einfach wieder fallenlässt. Wenn der Verlag den mittelmäßigen Debütanten weiter verlegt, geht er wieder ein Risiko ein, weil der Autor zwar mittelmäßige Verkaufszahlen erzielt hat, aber es noch völlig unklar ist, ob die Verkaufszahlen sich bei mehreren Büchern als stabil erweisen werden. Im Vergleich zu einem mittelmäßig-stabilen Autor hat der mittelmäßige Debütant in diesem Beispiel schlechtere Karten.

Jetzt schreiben also unsere 10 mittelmäßig-beständigen Autoren in 10 Jahren 10 Bücher, also insgesamt 100. Die andere Hälfte des Verlagsprogramms, also ebenfalls 100 Bücher, kommen aber im Extremfall von 100 anderen, unterschiedlichen Autoren. Langfristig ist das Verhältnis zwischen Bestandsautoren und Debütanten also 10:100. Die 10 Stabilitäts-Autoren müssen irgendwann auch ausgetauscht werden, aber das geschieht viel langsamer.

Die Wahrscheinlichkeit, als Autor eine einzige "richtige" Chance zu erhalten, ist deshalb höher. Auch daher kommt mMn der Eindruck, Debütanten hätten einen Bonus.




Ich finde es schön, dass Oetinger mit einem Label jüngeren Autoren eine Chance geben will. Es geht hier um Jugendbücher! Eigentlich finde ich es eher skurril, dass Jugendbücher von jungen Autoren anscheinend so selten sind, dass es absolut bemerkenswert ist, wenn eine Verlagsabteilung in erster Linie auf eben jene setzen will.

Es gibt im Kinder- und Jugendbuchbereich in Deutschland mMn einen sehr stark erzieherischen Ansatz "von oben herab", wenn auch oft gut gemeint. Vielleicht sollten wir mal darüber diskutieren... Es gibt Jugendliche, die lesen würden, sich aber von Büchern und speziell auch von Jugendbüchern nicht angesprochen fühlen. Als Jugendliche fand ich die meisten Jugendbücher damals furchtbar peinlich, weil Jugendliche darin wie Karikaturen wirkten. Jugendbuchautoren, deren Jugend noch nicht so lange her ist und die vllt. sogar selbst noch zur Zielgruppe gehören, können daran möglicherweise etwas ändern.

Interessanterweise hat die "own voice" Diskussion ebenfalls @AngelikaD gestartet*, und im Prinzip läuft das, was tatsächlich in dem eingangs verlinkten Text steht, auf etwas sehr Ähnliches hinaus. Nirgendwo steht, dass andere Autoren nicht schreiben können - aber was ist bitte so schlimm daran, Jüngeren auch mal ein paar Plätze zu geben? Oetinger hat ja nicht angekündigt, nur noch mit Autoren unter 20 Jahren zusammenzuarbeiten. Es geht hier nur um ein Label im Taschenbuchsegment eines Verlages.

Es gibt extrem viel Oberflächlichkeit und Diskriminierung. Keine Frage. Aber im klassischen Literaturbetrieb (wir reden hier ja nicht von Instagram) werden eher die jüngeren Autoren diskriminiert, und damit meine ich wirklich Diskriminierung und keine Unterscheidung aufgrund von Sachgründen wie der Ausdrucksfähigkeit. Ich bin heilfroh, nicht mehr als jung zu gelten. Wenn sich ein Verlag (wenn auch sicherlich nicht primär als Anti-Altersdiskriminierung-Maßnahme) in einem Segment auf jüngere Autoren konzentrieren will... Ist das dann nicht eher zu begrüßen?

Und ja, das bedeutet, dass der demografische Literaturdurchschnitt ein paar Plätze abgeben muss. Genauso wie die Gleichberechtigung der Geschlechter darauf hinausläuft, dass nicht mehr jeder Posten von einem Mann besetzt wird.


* Ich habe das nachgesehen, weil manche Beiträge in diesem Thread mich stark an die "own voice"-Diskussion erinnert haben.

Klecks

Jugendbücher und vor allem New Adult und Romantasy werden überwiegend von jungen Frauen (und Mädchen im späten Teenager-Alter) gelesen, also verstehe ich, dass die Verlage versuchen, entsprechende Autorinnen anzulocken, damit die Leserinnen sich mit ihnen identifizieren können. Und wenn ein wirklich gutes Maniskript in dem Bereich abgegeben wird, bin ich zu 100 % überzeugt, dass es den Verlagen egal ist, wie alt die Autorin ist. Hauptsache, das Buch ist verkäuflich und bringt dem Verlag Erfolg ein.

Bitte nicht falsch verstehen: Mir gefällt das auch nicht. Es sollte egal sein, wer man ist, wenn man ein gutes Buch geschrieben hat. Aber ich verstehe, wie es dazu kommt.

Übrigens ist mein Eindruck, dass das früher genau anders herum war, da wollte man vor allem ältere, erfahrenere Autor*innen. Als ich mich damals beim Tintenzirkel beworben habe, mit zarten 18 Jahren, wenn ich mich richtig erinnere, war ich total deprimiert, weil es so schien, als hätte man als (sehr) junge Frau keine Chance auf einen Buchvertrag, geschweige denn auf eine Agentur.