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Geschichten, die sich nicht „rentieren“

Begonnen von kathy, 13. September 2019, 08:21:57

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Erin

Ich arbeite derzeit an meinem ersten Buch, dass ich veröffentlichen will. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, ob es irgendwann irgendjemand kaufen wollen würde. Aber ich habe mir gedacht, dass der Versuch ja nicht schadet.

Willst du eine Geschichte schreiben, tu es. Egal, ob du sie für dich schreibst, oder ob du sie veröffentlichen willst. Ich denke nicht, dass es sich wirklich lohnt, wenn man eine Geschichte den Erwartungshaltungen von anderen anpasst. Diese sind nämlich sehr verschieden. Gut, es gibt allgemeine Dinge, die im Allgemeinen besser ankommen. Zum Beispiel ein ordentlicher Spannungsbogen, Konflikte etc. Und all das würde ich auch sofort berücksichtigen, vor allem, weil es mein Buch auch in meinen Augen besser machen würde, denn im Prinzip ticke ich ja auch, wie die meisten anderen Menschen, aber NUR, wenn dadurch die Grundidee keinen Schaden nimmt.
Man muss nämlich nicht nur wissen, warum man schreibt, sondern warum man eben dieses eine Buch schreibt. Wenn man weiß, worum es einem wirklich geht, dann weiß man, ob man ein Story-Element, oder was auch immer, zu Gunsten der Leser verändern kann.
Wenn du dich jetzt aber fragst, ob du eine eigene Sprache und eine komplette Welt für deinen Roman erfinden solltest, nun ja, dann würde ich sagen: Tu es ausschließlich dann, wenn du wirklich Lust darauf hast. Das ist eine riesen Arbeit, und wenn du keinen Spaß daran hast, könnte das unter Umständen die Qualität deiner Geschichte negativ beeinflussen. Der wohl wertvollste Tipp, den ich je zum Thema "Schreiben" gefunden habe, ist der, dass man in der Art seines Erzählens aufrichtig sein sollte. Wenn du etwas erzwingst, obwohl du nicht das Gefühl hast, dass es in die Geschichte reingehört, und es zu dem noch nicht mal von primärer Wichtigkeit wäre, dann hat das wenig Sinn. Letzten Endes brauchst du nur das wirklich, was deinen Plot voran bringt. Das sehen die meisten Leser, glaube ich, genau so.
Und wenn es dann am Schluss doch keiner lesen will, dann bist du wenigstens dir selbst und der Geschichte treu geblieben, und da man mit jedem Satz, den man schreibt, ein wenig dazu lernt, hat sich auch das am Ende rentiert.

Ich würde also niemals von vorne herein davon überzeugt sein, dass aus meinem Buch nie was richtiges wird. Steiger dich nicht in irgendwelche Erwartungen hinein, denn dann kannst du enttäuscht werden, natürlich, aber erlaube dir, an dein Buch zu glauben! Versuch es! Wer weiß, vielleicht wird aus dem Buch doch mehr, als gedacht? Soweit ich weiß wurde der erste Teil von "Harry Potter" sehr oft abgelehnt, bis sich irgendein Verlag erbarmt hat, und heute ist eine gewisse Autorin die reichste Frau Englands. (...Hoffentlich bin ich da richtig informiert, sonst erzähle ich gerade Unsinn! ;D)

Um auf den Punkt zu kommen: Tu was du willst! Im wahrsten Sinne des Satzes.

canis lupus niger

#16
Zitat von: Arcor am 13. September 2019, 08:34:22
Das hängt ja auch ein bisschen von der eigenen Zielsetzung ab.

[...]

Schreibe ich primär für mich selbst, um Spaß am Schreiben und der Geschichte zu haben, und denke nur sekundär ans Veröffentlichen (z. B. via Selfpublishing)? Dann sehe ich kein Problem darin, etwas für eine Nische zu schreiben, die vermutlich nicht so viele Leute interessiert.

Genau so sehe ich das auch. Ich persönlich schreibe meine Geschichten, weil sie mir Freude machen.

Lesergeschmack ist nicht Verlegergeschmack, und selbst der letztere ändert sich über kurz oder lang. Vielleicht wird eine "unrentable" Geschichte doch irgendwann mal verkäuflich. In der Autobiografie von Stephen King stand, dass seine Frau das Manuskript von "Carrie" irgendwann mal aus seinem Papierkorb fischen musste. Bekanntermaßen wurde das Buch ein Weltbestseller.

Der erste Band von Harry Potter ... siehe oben!

Andererseits gibt es Leute im Verlagswesen, die sagen, ein Roman wie der "Herr der Ringe" würde heutzutage von keinem Verlag mehr zur Veröffentlichung angenommen. Dieser Roman wurde immerhin von den Mitgliedern der Britischen Literarischen Gesellschaft per Abstimmung zum besten englischsprachigen Roman aller Zeiten gekürt. Wie gesagt, Geschmäcker ändern sich.

Wenn man eine Geschichte für schreibenswert hält, sollte man sie aufschreiben, notfalls für sich selber.

Telas

Bei mir steht beim Schreiben der Spaß an erster Stelle und nicht, ob mein Werk eine Perspektive auf dem Buchmarkt haben könnte oder nicht. Ich bin auch ehrlich zu mir selbst und bin der Meinung, dass meine Schreibe einfach nicht ausreicht, um sich wirklich verkaufen zu können. Aber deswegen kann ich mein Hobby trotzdem für mich ausüben und meine Ideen kreativ umsetzen. Es ist einfach ganz erstaunlich, was für tolle Welten der eigene Verstand erschaffen und entwickeln kann.
Wenn man nur für Verkaufszahlen schreiben würde, so könnte ich mir nur schwerlich vorstellen, dass dies ebenso erfüllend sein kann, wie einfach nur aus Spaß an der Freude zu schreiben.

Rewa Kasor

@Telas: Für mich kann ich nur jedes deiner Worte 1:1 übernehmen. :jau: Danke für die Ausformulierung!  ;D

Yamuri

Ich finde ja ehrlich gesagt, es gibt keine Geschichte, die sich nicht rentiert. Wenn sie geschrieben werden will, will sie geschrieben werden und sollte hinausgetragen werden in die Welt.

Die Zukunft ist eine lange Straße, die überall hinführen kann. Bevor die Geschichte nicht fertig ist, kann niemand wissen, was aus ihr wird. Ich finde es vermessen von den Menschen immer zu versuchen Prognosen über die Zukunft anzustellen. Wir kennen die Zukunft nicht. Sie ist noch nicht geschrieben. Und leben, können wir nur im heute, nicht im morgen.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Zit

Hm... Wir nennen es vielleicht Prognosen, aber am Ende sind es auch nur Ziele, die wir uns setzen und/ oder der ehrliche Blick darauf, ob wir (unsere) Ziele erreichen können oder nicht. Und sich hin und wieder zu fragen, ob das, was man da gerade tut, irgendwann auch Früchte trägt ist sicher nicht verkehrt, um herauszufinden, ob man mit Projekt X, Y, Z weiterhin Zeit verbringt oder ob man nicht lieber etwas anderes tut.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Wordzombie

Ich glaube auch, dass es in dem Sinn keine sinnlosen bzw. nutzlosen Geschichten gibt. Wenn sie sich nicht für den Büchermarkt eignen, dann doch immer noch für mich oder mein kleines, privates Publikum aus Freunden und Familie  :)
Ich hoffe nach wie vor, mein aktuelles Manuskript nebst Fortsetzungen einmal an den Mann bringen zu können, bin im Grunde aber auch einfach stolz darauf, es überhaupt geschaffen zu haben.
Abgesehen davon, wenn ich mir ansehe, was heutzutage so alles in den Regalen steht bzw. als "Bestseller" in den Himmel gelobt wird, zweifle ich manchmal ohnehin am Geschmack meiner Mitmenschen...   :seufz:
Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Oder Steine. Solange du nur triffst!

Trippelschritt

Ursula LeGuin hat einmal in einem ihrer Essays über das dreifache Vertrauen eines Autors geschrieben. Er muss sich selbst vertrauen können, seiner Geschichte, die er schreibt, und dem Leser, der sie liest.

Ich kann dem nur zustimmen, denn der Leser ist ein Teil des (Kunstwerkes). Auch der Behauptung, dass eine Geschichte ohne Leser gar nicht exisitiert, obwohl dass schon hart an der Grenze und ganz bestimmt diskutabel ist. Ist ein bild, das ein Künstler malt und anschließend für immer im Keller gelagert wird, wirklich ein Bild? Oder nur Farbe auf Leinwand?

Aber unabhängig davon, ob man diese Ansicht teilt, gibt es viele Geschichten oder Bilder, die trotzdem etwas bewirken, auch wenn sie nicht gleich die Rente erhöhe (s. Titel). Denn einen Leser gibt es immer. Es ist der Autor selbst. Außerdem verändert das Schreiben einer Geschichte den Schreiber. Es gibt viele Gründe zu schreiben, die das Publizieren nicht unbedingt einschließen. Und trotzdem:

Eine Geschichte braucht seine Leser, um fertig zu werden. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich hundertprozentig für den Markt schreibe. Denn das führt dazu, dass der Autor sich selbst vergisst, seine Geschichte die Kraft verliert und von einem Kunstwerk zu einem reinen Handelsprodukt wird.

Wäre jetzt nicht gerade Nano würde ich vielleicht mal ganz gern einen Thread starten, der sich mit fiktiven Geschichten als Kunstwerke beschäftigt, auch wenn ich weiß, dass bereits bei dem, was man unter Kunst zu verstehen hat, kein konsens zu erzielen sein wird. Kunst zu definieren haben schon klügere Leute versucht als wir. Und trotzdem steht so mancher kleine Hobbyschreiber irgendwann vor der Frage, ob das Kunst ist, was er da macht.

Ich halte das für eine lohnende Frage.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Yamuri

ZitatEr muss sich selbst vertrauen können, seiner Geschichte, die er schreibt, und dem Leser, der sie liest.

Dem stimme ich auch zu  ;D  :knuddel:

Und ich hoffe ich hab gestern nicht zu harsch geklungen. Irgendwie hat mich das Threadthema wieder mal etwas getriggert, daher kann sein, dass ich mich etwas harsch ausgedrückt habe.

ZitatWäre jetzt nicht gerade Nano würde ich vielleicht mal ganz gern einen Thread starten, der sich mit fiktiven Geschichten als Kunstwerke beschäftigt, auch wenn ich weiß, dass bereits bei dem, was man unter Kunst zu verstehen hat, kein konsens zu erzielen sein wird. Kunst zu definieren haben schon klügere Leute versucht als wir. Und trotzdem steht so mancher kleine Hobbyschreiber irgendwann vor der Frage, ob das Kunst ist, was er da macht.

Ich kann hier nur für mich sprechen, aber meiner Meinung nach sind fiktive Geschichten Kunstwerke. Literatur, das Schrieben an sich ist für mich eine Form von Kunst.  Aber da scheiden sich vermutlich die Geister.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Amanita

ZitatIst ein bild, das ein Künstler malt und anschließend für immer im Keller gelagert wird, wirklich ein Bild? Oder nur Farbe auf Leinwand?
Zumindest, wenn er es in seiner Wohnung an die Wand hängt, statt es im Keller zu lagern, ist es ein Bild. Was soll es denn sonst sein?

Zit

Was soll es denn sein, wenn es im Keller steht? Die Definition eines Bildes ist nicht davon abhängig, ob jemand es sich anschaut.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Trippelschritt

Genau das ist die große Frage. Einmal aus philosphischer Sicht. Existieren Dinge auch dann, wenn niemand sie wahrnimmt? Aber darauf wollte ich nicht hinaus.
Und zum anderen: Ist ein bild ein Bild im sinne von Kunst, wenn ihm die Begegnung mit dem Betrachter vorenthalten wird?

In diesem Zusammenhang gab es einmal eine lebhafte Diskussion, ob Affen Kunstwerke erschaffen können. Etliche Menschenaffen (fast alles Schimpansen, wenn ich mich recht erinnere) malten mit den fingern, wenn man ihnen Unterlage und Farbe vorsetzte. Die "Affenbilder" wurden später ausgestellt und waren in der Tat verblüffend. (Ich finde die Bücher grad nicht. Mindestens eines war von Desmond Morris, Muss so in den Siebzigern gwesen sein.) Was aber zunächst niemand erzählt hat, war, dass der Versuchsleiter den Affen die Bilder weggenommen hatte, wenn er meinte, dass sie fertig waren. Hätte er das nicht getan, hätten die Affen gemalt, bis die Farbe verbraucht war oder die Fläche schwarz war.

Kunst bracht den menschlichen Betrachter, denn nur durch den Menschen wird sie zur Kunst. Und das gilt auch für Bücher/Geschichten. Zumindest für mich.
Aber das soll niemanden davon abhalten zu schreiben. Außerdem gibt es Menschen, die können nicht ohne Schreiben.

Liebe Grüße
Trippelschritt

canis lupus niger

#27
Zitat von: Trippelschritt am 15. November 2019, 20:53:04
Genau das ist die große Frage. Einmal aus philosphischer Sicht. Existieren Dinge auch dann, wenn niemand sie wahrnimmt? Aber darauf wollte ich nicht hinaus.
Und zum anderen: Ist ein bild ein Bild im sinne von Kunst, wenn ihm die Begegnung mit dem Betrachter vorenthalten wird?

Ein Gedanke, mit dem auch Pratchett sich immer wieder beschäftigt hat. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann meinte er wohl, dass das so sei. Die Schrödinger-Katze, die man in einen Karton steckt, so dass man sie nicht sehen kann. Ist sie also drin, oder nicht?

Rewa Kasor

Ich geh mal wieder in den Klugscheiss-Modus: Bei Schrödingers Katze ist nicht die Frage, ob sie in der Kiste ist oder nicht. Dass sie darin ist, wird vorausgesetzt. Es geht vielmehr darum, dass sie in einen Zustand gebracht wird, in dem sie gleichzeitig lebendig und tot ist.

Yamuri

@Trippelschritt: Wenn Kunst den menschlichen Betrachter braucht, dann braucht es nur eine Person, die das Bild, den Film, die Geschichte betrachtet. Und das ist bereits die kreative Person selbst. Indem die kreative Person erschafft und ihr Werk als Kunstwerk betrachtet, wird es nach deiner Theorie zur Kunst.  ;D
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- Harriet Tubman