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Die Erzählperspektive aus Marketingsicht

Begonnen von Vaporea, 17. August 2018, 20:04:08

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Alana

#15
@Vaporea: Tut mir leid, wenn ich etwas in deinen Post interpretiert habe, was du nicht schreiben wolltest. Ich habe deinen Startpost auch noch mal gelesen, aber für mich liest es sich immer noch so.

ZitatDer Plot dreht sich sehr stark um die Protagonistin und es gibt in meinen Augen keine Szene, die von einer anderen Perspektive profitieren würde.

Daraus lese ich, dass du nur die Ich-Perspektive für deine Geschichte passend findest, und habe darauf meine Antwort aufgebaut. Wenn du das gar nicht sagen wolltest, dann müsstest du mir bitte noch mal erklären, was mit diesem Satz gemeint war.

ZitatDenn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.

Dieser ganze Abasatz (vor allem die fett markierten Teile) sagt mir, dass du Romance doof findest (was natürlich okay ist, Geschmäcker sind verschieden), evtl. sogar minderwertig (wobei ich zugebe, dass ich da empfindlich bin) und auf gar keinen Fall Berührungspunkte damit haben möchtest.

Dazu kommt, dass es nur wenige Möglichkeiten der Perspektivenwahl gibt und du hier in deinem Post in meinen Augen schreibst, dass du eine davon, noch dazu die, die dir richtig scheint, komplett ausschließen möchtest, damit niemand denkt, dein Buch könnte evtl. Romance sein. Das verstärkt bei mir den Eindruck, dass du Romance für minderwertig hältst.

Natürlich ist das meine, sicherlich subjektive Lesart, und ich möchte auch nicht darauf herumreiten, ich wollte dir nur deutlich machen, warum ich deinen Post so gelesen und entsprechend geantwortet habe.

Eine neutrale Fragestellung wäre für mich zum Beispiel gewesen:

Gibt es euerer Meinung nach Perspektiven, die sofort ein bestimmtes Genre vermuten lassen? Oder: Meine Geschichte ist High Fantasy (nur als Beispiel), findet ihr, dass die Ich-Perspektive dazu nicht passt? Glaubt ihr, dass High Fantasy-Leser eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht kaufen / Lektoren eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht auswählen werden? Findet ihr, dass die Ich-Perspektive sofort vermuten lässt, dass meine Geschichte romantische Fantasy ist? Denn meine Geschichte ist High Fantasy und ich möchte eine Perspektive wählen, die dazu passt. Oder: Was glaubt ihr, welchen Einfluss die Wahl der Perspektive auf die Verkaufbarkeit einer Geschichte hat und wie wird sich das in den verschiedenen Genres auswirken?

ZitatAuch, wenn ich für jedes Mutmachen dankbar bin, wäre es mir mittlerweile lieber, wenn die gestellten Fragen beantwortet werden,

Soweit ich das sehe, haben alle, die hier gepostet haben, deine Fragen beantwortet. Wenn du das nicht so siehst, müsstest du vielleicht noch mal genauer beschreiben, was du eigentlich wissen möchtest. :)

Alhambrana

Vaporea

Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41
@Vaporea: Tut mir leid, wenn ich etwas in deinen Post interpretiert habe, was du nicht schreiben wolltest. Ich habe deinen Startpost auch noch mal gelesen, aber für mich liest es sich immer noch so.

ZitatDer Plot dreht sich sehr stark um die Protagonistin und es gibt in meinen Augen keine Szene, die von einer anderen Perspektive profitieren würde.

Daraus lese ich, dass du nur die Ich-Perspektive für deine Geschichte passend findest, und habe darauf meine Antwort aufgebaut. Wenn du das gar nicht sagen wolltest, dann müsstest du mir bitte noch mal erklären, was mit diesem Satz gemeint war.

Ah!

Stimmt, diesen Satz habe ich missverständlich formuliert. Gemeint war eigentlich: "Es gibt keine Szene, die von einem anderen Perspektivträger profitieren würde". Ich bezog mich also nicht auf die Wahl zwischen "Ich" oder "Er/Sie", sondern auf die Wahl zwischen Protagonistin oder anderer Figur als PoV.

Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41
ZitatDenn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.

Dieser ganze Abasatz (vor allem die fett markierten Teile) sagt mir, dass du Romance doof findest (was natürlich okay ist, Geschmäcker sind verschieden), evtl. sogar minderwertig (wobei ich zugebe, dass ich da empfindlich bin) und auf gar keinen Fall Berührungspunkte damit haben möchtest.

Dazu kommt, dass es nur wenige Möglichkeiten der Perspektivenwahl gibt und du hier in deinem Post in meinen Augen schreibst, dass du eine davon, noch dazu die, die dir richtig scheint, komplett ausschließen möchtest, damit niemand denkt, dein Buch könnte evtl. Romance sein. Das verstärkt bei mir den Eindruck, dass du Romance für minderwertig hältst.

Der Absatz (auch das Fettgedruckte) ist in meinen Augen völlig wertungsfrei formuliert, was ja auch meine Absicht war. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich ein Stilmittel (weibliche Ich-Perspektive) als sehr starkes Indiz für ein bestimmtes Genre (Romance) halte.

Dieser Eindruck kommt ja nicht aus dem Bauch heraus, sondern entstand durch diverse Romantasy-Bücher, die bei mir im Regal stehen, die ich gerne gelesen habe und die allesamt eben aus der weiblichen Ich-Perspektive geschrieben wurden. Würde ich Romance nicht mögen, würde ich wohl kaum genug Leseerfahrung darin haben, um ein bestimmtes Stilmittel damit zu assoziieren.

Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41Eine neutrale Fragestellung wäre für mich zum Beispiel gewesen:

Gibt es euerer Meinung nach Perspektiven, die sofort ein bestimmtes Genre vermuten lassen? Oder: Meine Geschichte ist High Fantasy (nur als Beispiel), findet ihr, dass die Ich-Perspektive dazu nicht passt? Glaubt ihr, dass High Fantasy-Leser eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht kaufen / Lektoren eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht auswählen werden? Findet ihr, dass die Ich-Perspektive sofort vermuten lässt, dass meine Geschichte romantische Fantasy ist? Denn meine Geschichte ist High Fantasy und ich möchte eine Perspektive wählen, die dazu passt. Oder: Was glaubt ihr, welchen Einfluss die Wahl der Perspektive auf die Verkaufbarkeit einer Geschichte hat und wie wird sich das in den verschiedenen Genres auswirken?

Soweit ich das sehe, haben alle, die hier gepostet haben, deine Fragen beantwortet. Wenn du das nicht so siehst, müsstest du vielleicht noch mal genauer beschreiben, was du eigentlich wissen möchtest. :)

Ich habe, wortwörtlich, gefragt:

1. Macht es aus Marketingsicht einen Unterschied welche Erzählperspektive man wählt?
2. Signalisiert eine bestimmte Art Erzähler auch eine bestimmte Art Geschichte?

Meiner Ansicht nach sind beide Fragen sogar noch neutraler formuliert als deine Beispiele, weil ich mich auf gar kein Genre beziehe. Ich habe aber den Fehler gemacht, sie ans Ende einer Einleitung zu setzen, die dem Thread eine Richtung gegeben hat, die ich eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte. Oder glaubst du, dass in den Antwortposts auch dann der Schwerpunkt auf Ich-Perspektive und Romance gelegt worden wäre, wenn ich nur die beiden Fragen gestellt hätte?

Wie schon in meinem vorherigen Beitrag gesagt: Bei der nächsten Threaderstellung achte ich darauf, meine Fragen unmissverständlich in den Vordergrund zu rücken.

Um aufzudröseln, was ich wissen möchte bzw. worüber ich eigentlich diskutieren wollte:

1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?

Trippelschritt

Zitat von: Vaporea am 21. August 2018, 11:42:48

Um aufzudröseln, was ich wissen möchte bzw. worüber ich eigentlich diskutieren wollte:

1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?

Ich will mal versuchen eine vorsichtige Antwort zu geben.
1. Bei mir ganz bestimmt nicht. Bei Verlagen generell auch nicht. Ich kann aber nicht ausschließen, dass in einer Zeit, wo man jedem kurzzeitigen Trend hinterherzulaufen versucht, das vorübergehend einmal anders ist. Für die Leser kann ich als Einzelperson nicht sprechen. Ich kenne auch keine entsprechende Erhebung, kann mir aber vorstellen, dass es in bestmmten Altersgruppen und Genrevorlieben sein könnte.
2. Klares Nein, weil das Standard ist.
3. Entfällt wegen 2.
4. Niemals. Viel wichtiger ist es, eine Erzählperspektive zu beherrschen. Gerade die Ich-Perspektive hat ein paar Tücken. Sie verzeiht keine Fehler, aber kann eine ungeheure Kraft entwickeln. Solange ein Autor nicht von sich behaupten kann, dass er alle Perspektiven ausreichend beherrscht, sollte er damit herumexperimentieren - vieleicht in Kurzgeschichtenausschreibungen oder so - und nicht versuchen die Marketingchancen eines Romans zu erhöhen.
5. Nein. Ich habe einen Roman in der Ich-Perspektive geschrieben, alle anderen nicht. Es juckt mir in den Fingern, einen zweiten Anlauf zu unternehmen, aber mein Verlag redet mir da nicht rein.

Ist vieles Spekulation, von dem was ich sage. Aber über den Erfolg entscheiden andere Dinge als die Perspektive. Viele Bestsellerautoren schreiben in der Ich-Perspektive. Aber es kommt immer drauf an, was der Autor will.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Araluen

#18
1. Ich glaube nicht, dass die Perspektive an Genreerwartungen gekoppelt ist. Die Ich-Perspektive tritt in verschiedenen Genres auf, tatsächlich oder gefühlt etwas gehäufter in derRomance, was ich auch recht natürlich finde. In der Romance geht es um große Emotionen. Was liegt da näher als die emotionalste Perspektive zu wählen?
Die Ich-Perspektive kam mir desweiteren aber auch in Dystopien, Low-Fantasy, Coming of age und Urban-Fantasy (mit und ohne Lovestory)und Krimi/Thriller unter.
Ich persönlich mag Ich-Erzähler im Präsens nicht als Leser. Aber vielleicht hab ich auch einfach noch nicht den Autor gefunden, dr mich damit umhauen konnte ;).

2. Wie @Trippelschritt sagt.

4. Da bin ich ganz bei Trippelschritt. Wichtiger als hipper Style ist gut beherrschtes Handwerk.

Daher mein allgemeiner Rat: Die Geschichte so erzählen, wie es sich richtig anfühlt und gerne auch rinmal Experimente in Kurzgeschichten wagen, um den Horizont zu erweitern.

Sascha

Ich kann da nur aus Lesersicht auf die Fragen 1 und 2 nochmal zusammenfassend sagen:
Nein, ich verbinde keine Genre-spezifischen Erwartungen mit der Perspektive. Nur läßt sich gerade so etwas wie Selbstironie in der Ich-Perspektive meines Erachtens besonders gut transportieren, insofern würde ich möglicherweise Erwartungen in dieser Richtung damit verknüpfen. Beispiele wären eben die genannten, Tinas Valkyrie und Tad Williams' Bobby-Dollar-Reihe.
Aber selbst Ungewöhnliches wie auktorialer Erzählstil im Präsens kann toll sein und sehr gute Innenansichten vermitteln, gerade erst in Stephen King's Mind Control erlebt. Insofern sind spezifische Erwartungen aufgrund der Perspektive meiner Erfahrung nach unsinnig. Was nicht heißt, dass manche Leute sie nicht trotzdem haben könnten, aber die kenne ich nicht.

Alana

#20
Dann antworte ich mal.

1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?

Ich kann nur von mir sprechen, aber ich würde generell sagen, dass die Perspektive allein keine Erwartungen weckt. Andersrum kann es aber sein, dass ein bestimmtes Sub-Genre möglicherweise in mir die Erwartung weckt, in einer bestimmten Perspektive geschrieben zu sein, zum Beispiel Dystopie. Oder dass ich mir wünsche, dass es in dieser Perspektive geschrieben ist. Ich kenne nur tatsächlich einige Lektoren, die von der Zunahme der Ich-Perspektive nicht so begeistert sind und sich über Manuskripte in der 3. Person freuen. Allerdings sind das Liebesromanlektoren, da die Ich-Perspektive da tatsächlich im Moment vorherrschend ist. Ob das auf Lektoren anderer Genres zutrifft, ist fraglich, zudem könnten diese Lektoren auch die Ausnahme sein und die anderen lieben die Ich-Perspektive. Das ist schwer zu sagen.

2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?

Kann ich mir nicht vorstellen. Siehe oben.

3. Wenn ja, welche Genre sind das?

Siehe oben. Aber trotzdem, ich denke, dass die Ich-Perspektive mittlerweile in allen Genres gut zu Hause ist, es gibt ja auch schon lange Krimis (von Agatha Christie z.B.) und auch Thriller in der Ich-Perspektive. In der Fantasy ist sie auch im Jugendbuch ganz ohne Romantik stark vertreten (Bartimäus z.B.) und natürlich im Bereich Dystopie.

4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?

Unter Umständen schon. Allerdings ist dazu eine sehr genaue Marktrecherche nötig (bis runter auf die Verlage) und ob das am Ende ein Buch voranbringt oder behindert, ist trotz allem fraglich. Ich weiß aber, dass Leser mancher Verlage, die ein besonders enges Profil und eine sehr treue Käuferschaft haben, mitunter eine bestimmte Perspektive bevorzugen, so wie Leser bestimmter Subgenres. So scheint es, als würden New Adult Leser die Ich-Perspektive deutlich lieber mögen. Ähnliches könnte auch bei Verlagen wie Impress oder Drachenmond möglich sein, dazu weiß ich aber nichts. Im Übrigen denke ich, dass das alles bei einer Kurzgeschichte keine Rolle spielt, sondern vor allem für Romane wichtig ist. Natürlich kann es sein, dass der Herausgeber der Anthologie bestimmte Vorlieben hat. Da könnte man überlegen, ob man vorsichtig unter dem Ausschreibungspost nachfragt (wenn möglich).

5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?

Nein. Aber ich habe tatsächlich Marktrecherche in meinem Genre betrieben und mir viele der Bestseller angesehen, um mir einen Eindruck zu verschaffen, welche Perspektive vorherrscht. Ich denke, letztendlich ist es der Stoff, der ein Buch erfolgreich macht, auch wenn die Perspektive vielleicht anders ist, als in dem (Sub-) Genre üblich.

Ich würde allerdings meinem Roman niemals aus Marketinggründen eine Perspektive aufzwingen, die für mich nicht passt. Aber wenn ich unentschlossen bin und beides möglich ist, dann kann es sein, dass ich mich danach richte.
Alhambrana

Kunstmut

#21
Zitat
1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?

Ich habe kein Insiderwissen, bin aber seit der Grundschule ein Vielleser und weiß daher, dass Psychologie wichtiger ist, als sämtliche Analysen oder blau-rosa Segmentierungen in den Buchhandlungen. Mit etwa zehn las ich Sherlock Holmes, da tauchen so kindgerechte Dinge auf wie Opiumkonsum oder eine Illustration eines Mannes, der mit einer Harpune an die Wand gespießt ist. Und weitere liebevolle Dinge. Beim Twilight lesen als Jugendlicher war es dagegen wichtig, es zu Hause zu tun, um in der Öffentlichkeit die Schubladen gar nicht erst klappern zu lassen.

Hier mein Allgemeinwissen: 10-15 Prozent sind Allesleser, die genervt sind von kindlich einfacher Sprache, auch Ich-Perspektive Präsens genannt. Die wollen etwas, das sich flüssig liest, gleichzeitig aber nicht die Intelligenz beleidigt. Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich in einer Buchhandlung zwanzig Bücher anrühre und alle wieder weglege. Geschwafel und schon so oft gelesen und gesehen. Ich bremse mich dann und denke um. Werden die meisten Leser allerdings nicht machen. Übrigens ist mein Eindruck, dass mehr Leute auf den Preis schauen, als auf Schriftart oder das Coverbild. Wobei ich zugeben muss, dass ich bei Thomas Hardy u.a. wegen dieser tollen Blumenschnörkel hängen geblieben bin. Sonst hätte ich das wohl glatt übersehen.

Ansonsten - ignorieren wir mal die Nichtleser und schauen uns die Gelegenheitsleser an. Oft sind das Fans einer Nische, die in ihrer Nische bleiben, die kommen bei allem Marketing und Zureden nicht hinterm Ofen hervor. (Allerdings kaufen die dann fleißig alles aus einer Reihe, selbst wenn die Kritiker schon abwinken. Ist auch bei Musik und Filmen so). Ich hab mal ein Kreativ Schreiben Seminar mitgemacht und einer hat sich sehr böse gegen Fantasy geäußert. Da kann es dir egal sein, ob Ich-Perspektive ja oder nein. Der wird deinen Roman nie lesen, weil er den Inhalt kategorisch ablehnt. Geh auf amazon oder goodreads und lies dir hundert Rezensionen durch. Es ist völlig egal, ob es sich um Klassiker wie "Herz der Finsternis" handelt - am Ende gewinnt die Psyche, der eigene Geschmack. Es soll ja Leute geben, die "Fifty Shades Of Grey" toll finden oder die Groschenromane lesen oder kein Problem mit Szenen der Vergewaltigung in Schmuddelgeschichten aus dem Internet haben. Alles Realität. Was auch Realität ist: Einfacher Satzbau möglichst wenig schwierige Vokabeln und du wirst gelesen. Wäre es anders, wären philosophische Wälzer Bestseller und eben nicht der fünfmillionste Krimi und das sechsmillionste Liebesdreieck mit Sixpack-Werwolf auf dem Cover.

Die meisten Menschen haben Bücher gelesen wie "Der kleine Prinz". Die wenigsten lesen Schopenhauer oder Thomas Mann. Goethe hatte mit Werther einen riesigen Erfolg. Einfach lesbar, Liebe und Tod. Kann jeder Leser verstehen und aufs eigene Leben übertragen. Genauso lieben es Menschen, psychologisch betrachtet, das Unbekannte, Verruchte und Mysteriöse zu erkunden. Batman, der auf einer Insel einen Tempel samt Schatzkarte findet, am besten als Comic, weil es das Lesen einfacher macht, wird ein Bestseller. Die Lebensunlust eines Tuchhändlers im Vietnamkrieg mit vielen Gedankenströmen über blöde Finanzpolitik und Kürzungen in Bildung und Kultur in wirtschaftlich schweren Zeiten, wird, surprise, surprise, mit Garantie kein Bestseller. Es sei denn, es ist leicht verständlich geschrieben, es wird ein Mord aufgeklärt und es gibt Sexszenen à la pulp magazine.

Bevor du an der Perspektive bastelst, solltest du auf Satzbau und Umfang der Vokabeln achten. Und: Kurze Texte werden eher durchgelesen. (Selbst in Fantasykreisen stoße ich immer wieder auf Leute, die den Herrn der Ringe nicht gelesen haben. Wenn nicht mal Fantasyfans das lesen, weil zu viel und zu schwer, wer dann? :D)


FeeamPC

Alles ist möglich. Nur einen Fehler darf man nicht machen: Mitten in einer Serie die Perspektive umkrempeln. Das irritiert Leser. Und irritierte Leser sind oft verlorene Leser.