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Falsche Autorenpersona, wenn Autoren sich unethisch verhalten

Begonnen von Franziska, 11. März 2018, 15:08:36

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Franziska

Ich bin gerade auf diese Geschichte gestoßen. Sowas ist aber schon öfter vorgekommen.

Da hat ein MM Romance Autor behauptet, er wäre ein bisexueller alleinerziehender Vater und hätte Krebs. Einige Fans haben ihm Geld gespendet. Jetzt kam raus, das stimmt alles gar nicht. Außerdem soll er intime Bezihungen zu Fans aufgebaut haben und dann ihre persönlichen Erlebnisse in seinen Büchern verwendet haben. Und Leute manipuliert haben  etc. Die Verlag haben daraufhin die Bücher aus dem Programm genommen. Blogger löschen Rezensionen.
Nachlesen kann man das hier.
https://thesaltminers.tumblr.com/post/171680546960/the-santino-hassell-debacle

Und hier ist ein Artikel dazu, was in Ordnung ist zu tun und was nicht. Das finde ich ziemlich gut erklärt.
http://jennytrout.com/?p=12013

Ähnliche Diskussion hatten wir schon mit Marion Zimmer Bradley, oder Autoren, die Plagiat begehen. Im Zusammenhang damit, inwiefern man Sutor und Werk trennen kann. Aber Fans zu verarschen ist nochmal eine andere Nummer. Vor allem das Vortäuschen einer Identität, wie zu einer Gruppe zu gehören, um mehr Bücher zu verkaufen, oder zu behaupten, Dinge wie Drogensucht erlebt zu haben. Wo seht ihr da die Grenze?

Maubel

Na, das da oben ist eindeutig Betrug. Ansonsten kann man sicherlich ein wenig flunkern, wobei ich das eher nur im Bereich von Hobbies, Interessen und Eigenarten zulässig fände (weil man sich eben eine andere Persönlichkeit aufbaut), allerdings nicht bei harten Fakten wie Beruf, Sexualität, Familienstand, geschweige denn Krankheiten oder Behinderungen, die man gar nicht hat. Da zweifle ich dann auch die Motivation dahinter an.

Linda

Wenn du dir für ein Pseudonym eine eigene Vita ausdenken musst, kommst du automatisch dazu, einiges zu verschleiern. Ich und mir bekannte Autoren stellen dann halt andere Teile der Persönlichkeit in den Vordergrund, als beim echten Autorennamen, oder man drückt alles ein bisschen anders aus. Autoren sollten in der Lage sein, das gleiche auf unterschiedliche Weise zu beschreiben.
Irgendwann (bei x Pseudos) gehen aber vermutlich die Möglichkeiten aus ...

Betrug/Täuschung und glatte Unwahrheiten kämen für mich aber nicht in Frage. Obiges Verhalten im Beispiel (Fans/Leute ausnehmen) hat auch wenig mit dem Job Autor zu tun.
Aber wäre etwa ein englischsprachiges Pseudonym schon so eine Grauzone?   

PBard

Ich finde, Linda wirft da eine interessante Frage auf. Wo zieht man denn nun die Grenze?

Wir haben ja drüben beim "Frauen schreiben für Frauen" auch über Pseudonyme gesprochen, und daß es Frauen gibt, die unter männlichem (oder zumindest androgynem) Pseudonym schreiben. Fällt die Angabe eines anderen Geschlechtes auch schon unter Täuschung, und wenn nein, wo liegt der Unterschied zur Angabe einer anderen Sexualität?

Nicht falsch verstehen, wenn das im beschriebenen Beispiel so abgelaufen ist, dann müssen wir nicht drüber diskutieren, ob das unter aller Sau war! Aber die Frage, wo Harmlosigkeit anfängt und Täuschung anfängt, ist wirklich interessant.

Alana

Die Grenze ist für mich da, wo Gutgläubigkeit oder Mitleid der Menschen ausgenutzt wird oder es dazu genutzt wird, einem Roman mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, die er nicht verdient. Falsche Autorenvitas finde ich unnötig und lächerlich, selbst bei einem geschlossenen Pseudonym kann man eine Vita im Normalfall trotzdem so schreiben, dass sie wahr ist. Und nur weil der Autor behauptet, in Irland zu wohnen, verkauft sich sein Irlandroman auch nicht besser. Dass man das andere Geschlecht annimmt - geschenkt. Das nutzt nicht die Gutgläubigkeit von Menschen aus, sondern umgeht Vorurteile. Nicht, dass ich das gut finde, aber das ist für mich ein anderes Level.
Alhambrana

Franziska

@Alana sehe ich genauso. So wird es auch in dem Artikel gesehen. Wenn ich behaupte, homosexuell zu sein, es aber nicht bin, nehme ich die Identität einer marginslisierten Gruppe an, um glaubwürdig zu sein. Da gab es ja auch so eine Gay Romance Autorin, die Ratgeber geschrieben hat, angeblich aus der Sicht eines schwulen Mannes, da fühle ich mich schon verarscht.
Oder die Frau, die behauptet hat, sie wäre schwarz und es gar nicht war.
Wenn man behauptet, man wäre Kapitän und schreibt einen Seefahrtsroman und die Leute kaufen es deswegen, finde ich das schon Betrug.

Tintenteufel

Ich brech mal eine Lanze für Pseudonyme mit falschen Lebensläufen (ausdrücklich nicht für die Hassells, wie viele das auch sein mögen. Solches Verhalten ist inakzeptabel, illegal und unmoralisch).

Soweit ich es sehe, gibt es hier zwei Probleme. Einmal die Sache mit der Persona und ein anderes Mal der allgemeine Markt, in dem das stattfindet.

Das, worauf der Artikel mit den Do's und Don't's und der Standpunkt mit der Identität letztlich beruht, ist das Authentizitätsargument.
Aber machen wir uns bitte nichts vor: Wir reden hier von Romanen. Kommerzialisierten Romanen, die von vorn bis hinten durch-gemarketingt worden sind. Authentizität ist da genau so eine Marketingmasche wie Cover, Name und Genre auch. Das läuft bei Büchern und Craft Beer nicht anders.

Social Media und der ganze Firlefranz sind per definitionem fake. Niemand ist auf Social Media Kanälen "er selbst" und schon gar nicht Autoren, die das gleichzeitig als Marketingkanal betrachten. Schon gar nicht Nischenautoren, bei denen das Werk und der Absatz vom Wert so dermaßen mit der Identität verwoben ist.
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso man sich echauffiert, wenn Marketingprodukte nicht "real" sind. Warum man auch von YouTubern immer wieder entsetzt ist, wenn die nicht den Vorstellungen der Fans entsprechen. Authentizität ist eine Marketingmasche, seit dem verdammten Marlboromann schon. Das für Autoren zu verlangen, nur weil die aus irgendeinem Grund mit ihrer finanziellen Basis näher am Publikum zu stehen scheinen, halte ich für weltfremd.

Auch wenn ich einige Punkte in dem Artikel voll einsehe. Allen voran, dass man bitte seine Persona nicht außerhalb des Internets aufrecht erhalten oder anderen Menschen damit schaden zufügen möge. Aber damit hört es auch auf.
Wer von einer Person, real oder nicht, die ihr Geld damit verdient, eine Marke zu sein, "Authentizität" jenseits des Marketings verlangt...hat irgendeine Ausfahrt verpasst.

Dass die *Umgebung* in der dieses Verhalten passiert - meinetwegen der Markt, der so ein Verhalten befeuert, weil aus gewissen Günden sich eben weiße Männer in der Sci-Fi und bisexuelle Japaner in der Gay Romance besser verkaufen z.B. - dass die zu kritisieren ist, sehe ich völlig ein und unterstütze ich. Vor allem, da - wie Troutnation nochmal bemerkt - keine Äquivalenz zwischen dem Vortäuschen einer privilegierten Position und dem Vortäuschen einer unterprivilegierten Position herrscht.
Das spricht aber in meinen Augen nicht gegen die Gründe, sich ein Pseudonym zuzulegen und auch nicht dafür, dieses Pseudonym zu einem Charakter auszustaffieren - immer unter der Voraussetzung, dass dieser Charakter nicht schädlich ist.
"Nähe" zum Publikum und der Fanbasis (und damit meine ich die vorgetäuschte, illusorische Nähe von Social Media und co) ist für gewisse Bereiche ein absolutes Muss. Bereiche, bei denen das Produkt und die eigene Identität sehr, sehr eng miteinander verwoben sind und die nicht unbedingt offen sind für alles, was nach einer Übernahme aussieht. Da muss man etwas vorspielen, das über einen bloßen falschen Namen hinaus geht, oder man wird raus geworfen.

Zauberfrau

Zitat von: Linda am 11. März 2018, 16:11:19

Aber wäre etwa ein englischsprachiges Pseudonym schon so eine Grauzone?


Hallo Linda,


also irgendwo habe ich mal gelesen, dass man sich als deutscher Autor lieber ein englischsprachiges Pseudonym zulegen soll, weil es in Amerika eben das Studienfach "Schriftsteller" gibt und damit ein gewisses Gütesiegel gegeben ist. In Deutschland gab es lange Zeit keine Ausbildung in dieser Hinsicht (ist, glaube ich, jetzt im Kommen). Deshalb waren deutsche Autorennamen lange verpönt. - So hieß es jedenfalls in diesem Artikel damals. Hm. Könnte was dran sein. Obwohl das für die heutige Zeit wohl nicht mehr gilt (vor 20 Jahren hingegen schon).
Aber es gibt auch genug Menschen in Deutschland, die schon lange hier sind und immer noch einen englischsprachigen Namen tragen. Also für mich ist ein Name in einer anderen Sprache keine Grauzone.


Liebe Grüße,
Zauberfrau

Alana

#8
ZitatNiemand ist auf Social Media Kanälen "er selbst" und schon gar nicht Autoren, die das gleichzeitig als Marketingkanal betrachten. Schon gar nicht Nischenautoren, bei denen das Werk und der Absatz vom Wert so dermaßen mit der Identität verwoben ist.

Das sehe ich überhaupt nicht so. Jedenfalls nicht bei Autoren und ich kann dir unzählige Beispiele dafür nennen - Autoren, die ich persönlich kenne und denen ich auf mehreren Kanälen folge, und die gerade deswegen erfolgreich sind, WEIL sie 100% sie selbst sind. Bei Schauspielern etc. mag das anders sein, aber ganz besonders die erfolgreichen Autoren sind gnadenlos sie selbst. Heutzutage merken die Menschen sehr genau, ob jemand authentisch ist oder nicht und sie bestrafen bzw. belohnen das. Sicher trägt man nicht alles an die Öffentlichkeit, sondern nur den Teil von sich, den man vermarkten kann oder möchte. Man bekommt durch Social Media selten das ganze Bild einer Person. Man zeigt vielleicht nur einen Teil, den man besonders herausstellt und beleuchtet. Aber der Teil, den die erfolgreichen Vermarkter von sich zeigen, ist authentisch, jedenfalls meiner Erfahrung nach. Denn alles andere funktioniert nicht. (Wie gesagt, bezogen auf Autoren.) Ausnahmen bestätigen die Regel. Und genau deswegen halte ich gefakte Viten für Quatsch. Normalerweise schreibt jeder Autor seine Bücher, weil er es liebt, sie zu schreiben. Weil er sich dafür begeistert und das aus einem bestimmten Grund. Und genau daraus lässt sich immer eine medienwirksame, echte und wahre Vita bauen, auch mit einem vollkommen geschlossenen Pseudonym und einem falschen Namen und Geschlecht.
Alhambrana

Maubel

Ich möchte @Alana noch hinzufügen, dass man ja in jedem Bereich nur einen Teil von sich zeigt. Am ehesten 100% sieht wohl nur mein Mann, alle anderen einen je nach dem großen Teil von mir (Kinder, Arbeit, Autorennetzwerk, Follower) - das ist also völlig normal, dass man natürlich nicht alles von einer Person kennt, aber das macht sie nicht weniger authentisch auf Social Media.

Linda

#10
Zitat von: Zauberfrau am 11. März 2018, 19:44:59
Zitat von: Linda am 11. März 2018, 16:11:19

Aber wäre etwa ein englischsprachiges Pseudonym schon so eine Grauzone?
also irgendwo habe ich mal gelesen, dass man sich als deutscher Autor lieber ein englischsprachiges Pseudonym zulegen soll, weil es in Amerika eben das Studienfach "Schriftsteller" gibt und damit ein gewisses Gütesiegel gegeben ist. In Deutschland gab es lange Zeit keine Ausbildung in dieser Hinsicht (ist, glaube ich, jetzt im Kommen). Deshalb waren deutsche Autorennamen lange verpönt. - So hieß es jedenfalls in diesem Artikel damals. Hm. Könnte was dran sein. Obwohl das für die heutige Zeit wohl nicht mehr gilt (vor 20 Jahren hingegen schon).
Aber es gibt auch genug Menschen in Deutschland, die schon lange hier sind und immer noch einen englischsprachigen Namen tragen. Also für mich ist ein Name in einer anderen Sprache keine Grauzone.
Liebe Grüße,
Zauberfrau

Liebe Zauberfrau,

dass englische Pseudonyme früher in gewissen Genres für verkaufstechnisch günstiger gehalten wurden, ist wohl keine Frage. Die Schriftsteller-"Ausbildung" hat damit aber eher weniger zu tun, mehr der deutsche Ruf, verkopft und pseudointellektuell zu schreiben, auch bei Genre-Literatur. 
  Und mir ging es oben rein um extra gewählte Pseudonyme - nicht um echte, zufällig englischklingende (wie meinen) oder aus dem Angelsächsischen stammende Namen.   

Frau S.

Viele Autor/innen entscheiden sich imho für ein Pseudonym, um eben nicht komplett in die Öffentlichkeit treten zu müssen - was ich absolut nachvollziehen kann. Es ist eben nicht jeder ein Mensch für das Rampenlicht.
Ich finde es auch absolut nachvollziehbar, wenn man als Mensch in der Öffentlichkeit nur Teile der eigenen Persönlichkeit präsentiert oder manches vielleicht etwas 'aufhübscht' - vielfach möchte man ja nur sich, sein Privatleben und evtl. Angehörige/Freunde schützen.
Natürlich kommt irgendwann der Punkt - wie im anfangs genannten Beispiel - wo eine Grenze gezogen werden sollte, weil es unethisch wird.

Churke

Zitat von: Franziska am 11. März 2018, 17:47:39
@Wenn ich behaupte, homosexuell zu sein, es aber nicht bin, nehme ich die Identität einer marginslisierten Gruppe an, um glaubwürdig zu sein.

Na und?
Wenn dich das hinterher stört, dann doch nur deshalb, weil du nicht das Buch gekauft hast, sondern den Autor.
Aber so lange das so ist (und ich sehe nicht, weshalb sich das ändern sollte), wird es immer zweifelhafte Vermarktungsstrategien geben. Zudem ist es so, dass die Leute im Zweifel auch angelogen werden wollen. Das ist eben Geschäft.Kann man das nicht einfach sportlich sehen?

Koriko

Zitat von: Churke am 12. März 2018, 09:49:12
Na und?
Wenn dich das hinterher stört, dann doch nur deshalb, weil du nicht das Buch gekauft hast, sondern den Autor.
Aber so lange das so ist (und ich sehe nicht, weshalb sich das ändern sollte), wird es immer zweifelhafte Vermarktungsstrategien geben. Zudem ist es so, dass die Leute im Zweifel auch angelogen werden wollen. Das ist eben Geschäft.Kann man das nicht einfach sportlich sehen?

Stimmt schon - gerade im Gay Genre gibt es viele Pseudonyme, die männlich klingen und bei denen man nicht auf den ersten Blick einen weibliche Autorin im Hintergrund vermutet. Das mit der Sexualität und dem fiktiven Lebenslauf - gut, kann man auch noch irgendwie verstehen, zumindest wenn ich mir die aktuellen Hetzkampagnen schwuler Männer gegen Autorinnen dieses Genres ansehe, die per se allen Autorinnen das Schreiben absprechen wollen und die Fähigkeit sich in einen Mann hineinzuversetzen. Wie weit ich das als Leser akzeptiere, liegt natürlich ganz bei mir - da ist jeder anders gestrickt.

Was aber nicht geht, ist das was SH gemacht hat, indem er/sie sein fiktives Leid (Krankheiten, alleinerziehender Vater etc.) genommen hat, um Spenden zu sammeln und sich an der Gutmütigkeit der Fans zu bereichern. Das geht in meinen Augen schon mehrere Schritte zu weit. Da steckt definitiv Vorsatz dahinter. Auch, dass er/sie Lebensgeschichten von anderen in seine/ihre Romane eingebaut hat, geht gar nicht, wobei sowas wirklich schwer zu beweisen ist.

Für mich persönlich ist es schwierig - ich kenne seine/ihre Bücher und fand sie wirklich gut. Sie hätten diesen unsinnigen Push gar nicht gebraucht, finde ich, denn sie sind gut genug, um sich auch ohne solch ein doppeltes Spiel zu etablieren.
"Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen." - Mark Twain

www.assjah.de
www.juliane-seidel.de
www.like-a-dream.de

Alana

ZitatKann man das nicht einfach sportlich sehen?

Kann man nicht. Denn sobald das in einen Bereich geht, in dem es dem Buch Glaubwürdigkeit verleihen soll, wird das Buch aus dem Bereich der reinen Fiktion in einen Bereich von gewisser Realitätsnähe transportiert und das ist Betrug, sofern es nicht stimmt. Man könnte in Deutschland gegen sowas evtl. sogar mit der Begründung der Wettbewerbsverzerrung vorgehen. Würde ich persönlich zwar nicht machen, aber möglich wäre es wahrscheinlich.
Alhambrana