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Frauen in der High Fantasy - ein deutsches Problem?

Begonnen von Franziska, 04. August 2016, 15:43:02

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Denamio

Zitat von: Aljana am 04. August 2016, 19:53:49
Aber fallen 'gutaussehende' Gesichter, oder Figuren dann bei dir direkt unten durch? Also auch ein striktes: Keine Personen auf dem Cover, außer sie sind hässlich, nichtmenschlich, oder irgendwie aus der Norm fallend?

Falls ich gemeint war: Nicht unbedingt. Aber es fehlt für mich eine Aussage darin. So wie es jetzt ist, erinnert es mich an Plastikblumen. Hübsch anzusehen, aber völlig ohne Sinn, aalglatt ohne Konturen. Natürlich kann man hübsche Gesichter verwenden, aber dann auf eine Art, die irgendwie mit der Story im Zusammenhang steht.
So wie es da geschieht? Leer, leblos. Keine Substanz. Photoshop to the max.

ZitatUnd wenn du dir dann die Rezis durchliest (die schlechteren bevorzugt) dann wirst du merken, dass es doch wieder genau darum ging.

Dafür liest man dann Reviews. Nach dem Text hätte ich es auch nicht instinktiv gekauft, sondern nachgeschaut. Dann hätte ich immer noch abwägen können.

Maja

Ich möchte übrigens an dieser Stelle noch  mal @Sturmbluth und den anderen Herren ein Dankschön aussprechen, dass sie sich der überwiegend weiblichen Mehrheit in diesem Forum stellen und uns zum einen bestätigen, dass wir es nicht mit einem eingebildeten Problem zu tun haben, zum anderen helfen können, die Hintergründe dieses Problems zu verstehen, damit wir langfristig an einer anderen Lösung als männlichen Pseudonymen arbeiten können.

Es ist eine Sache, die sich imho in den letzten zehn Jahren deutlich verschärft hat. In den 90ern, als ich den wesentlichen Teil meiner Fantasybibliothek aufgebaut habe, waren Fantasybücher noch nicht so konsequent durchgegendert wie heute (und es gab auch noch keinen Männersenf und keine Stifte speziell für Frauenhände). Es mag daran liegen, dass damals Fantasyleser überhaupt als sehr nerdig betrachtet wurden und man irgendwie davon ausging, dass diese Freaks unabhängig vom Geschlecht alles kaufen, wo irgendwie Fantasy drauf steht - und es war nicht nötig, das noch irgendwie aufzudröseln, weil die Zielgruppe an sich schon zu klein war. Wer sich noch an die schwarzen Goldmann-Fantasycover erinnert: Damals wurden die Bücher sehr billig produziert, und die Coverillustrationen waren oft aus dem Genre "naive Kunst" (es gab ja auch kaum Möglichkeiten für Computerkünstler, und so war man für die fantasytypischen Motive auf malerische Talente angewiesen).

Dann kam um die Jahrtausendwende das große Fantasyrevival mit den Herrn-der-Ringe-Filmen, und dann kamen die Verlage auf die Idee, Frauen gezielt als Zielgruppe zu erschließen mit gegenderter Frauen-Fantasyliteratur - viel Herz, viel Schmerz, viel Pastell. Und es ging ein Wandel in der Wahrnehmung vor: Plötzlich gingen alle davon aus, dass Frauen ausschließlich solche Fantasy a) lesen und b) schreiben. Vorher gab es so eine Trennung praktisch nicht. Es gab erfolgreiche weibliche und männliche Fantasyautoren, die auch jeweils vom gesammelten Klientel gelesen wurden - Zimmer Bradley, Jennifer Robertson, Robin Hobb, Anne MacCaffrey, Ursula K. LeGuin wurden genauso als Fantasyautoren, nicht als Frauenfantasyautoren, wahrgenommen.

Heute, wo es Männer- und Frauenstifte, Grillwürstchen, Seife, Schokostreusel etc. gibt, wird deutlich stärker als früher davon ausgegangen, dass Männer und Frauen aus verschiedenen Universen kommen, keinerlei gemeinsame Interessen haben und für Mädchen/Frauen per se alles pink sein muss. Und ich erinnere mich an ein sehr interessantes Interview mit George R.R. Martin, in dem er für seine vielschichtigen weiblichen Figuren gelobt wurde und gefragt, wie es dazu kommt. Und er antwortete (sinngemäß): "Hm, das mag daran liegen, dass ich Frauen grundsätzlich als Menschen sehe". Viele tun das offenbar nicht mehr.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Sturmbluth

#17
Zitat von: Maja am 04. August 2016, 18:32:50
@Sturmbluth
Schaust du dir bei Büchern von Frauen den Klappentext an, oder reicht der weibliche Vorname, um dich pauschal einen Bogen um das Buch machen zu lassen? Ich verstehe voll, dass Bücher meidest, auf deren pastelligen Covern sich Heldin und Held anschmachten, aber wenn es jenseits des weiblichen Namens keine Anhaltspunkte auf Romantik finden - z.B., weil im Buch einfach keine Romantik vorkommt - wie sieht es dann aus?
Das hängt vom Cover ab. Spricht mich ein Cover an, dann lese ich den Klappentext.

Also meine ursprüngliche Aussage war vielleicht auch etwas zu hart. Es ist keineswegs so, dass ich Bücher von weiblichen Autoren meide wie die Pest. Es geht mehr um eine Suchstrategie. Denn wenn ich durch eine Reihe von Büchern browse, z.B. auf einer Verlagsseite, dann klicke ich meist nur auf die, bei denen ein männlicher Name steht. Aber: ist das Cover cool, dann klicke ich da auch drauf.

Vielleicht könnte man meine Suchpräferenz so zusammenfassen:
1. Titel
2. Cover
3. Geschlecht des Autors
4. Klappentext
5. Geschlecht des Helden

Wohlgemerkt, ich bin beileibe kein Frauenfeind und bin mir sicher, dass es fantastische weibliche Autoren gibt. Aber oft werden eben Dinge thematisiert, die mich weniger interessieren (z.B. Romantik). Und bei der Menge der gebotenen Bücher, tendiere ich dann dazu, denn männlichen eher den Vorzug zu geben.

Aljana

Ich vermute, @Maja, an dem, was du sagst, ist leider zu viel Wahres dran. In einer Welt in der es nunmehr nicht mehr zwei Geschlechter sondern über 50 Gender gibt, ist aber vermutlich nichts anderes zu erwarten.

Allerdings muss ich sagen, dass dieser Thread hier das erste war, was mir zumindest mal in der Wahrnehmung von Bildern weitergeholfen hat. Und auch, was Schlagworte und ihre Bedeutung auf den Plattformen angeht, und dabei habe ich oft nach Artikeln darüber gegoogelt. Also auch von mir herzlichen Dank an die männlichen Zirkler und es dürfen ruhig noch mehr.

Sturmbluth

#19
Zitat von: Maja am 04. August 2016, 20:14:07Dann kam um die Jahrtausendwende das große Fantasyrevival mit den Herrn-der-Ringe-Filmen, und dann kamen die Verlage auf die Idee, Frauen gezielt als Zielgruppe zu erschließen mit gegenderter Frauen-Fantasyliteratur - viel Herz, viel Schmerz, viel Pastell. Und es ging ein Wandel in der Wahrnehmung vor: Plötzlich gingen alle davon aus, dass Frauen ausschließlich solche Fantasy a) lesen und b) schreiben. Vorher gab es so eine Trennung praktisch nicht.
Ich glaube, damit bringst du es auf den Punkt. Eine meiner absoluten Lieblingsserien, die Drachenlanze, wurde von zwei weiblichen Autoren geschrieben. Das hat mich nie gestört (geschweige denn, dass es mir bis vor Kurzem aufgefallen wäre) und enthält thematisch all das, was mir persönlich an Fantasy gefällt. Und tatsächlich ist es wohl so, dass sich meine Wahrnehmung, wie von dir beschrieben, gewandelt hat. Irgendwie verbinde ich "Frauen-Fantasy" heute mit Pastell, Herzschmerz und Sixpack auf dem Cover. Sicher ein Ergebnis der Diversifizierung des Marktes und des damit verbundenen Marketings

Und nun fällt es mir schwer, alte Gewohnheiten abzulegen, vor allem weil ich immer ängstlich bin, mit einem Buch zu starten, das mir nicht gefällt, denn ich lese alles bis zum bitteren Ende.

Maja

#20
Zitat von: Aljana am 04. August 2016, 20:25:37In einer Welt in der es nunmehr nicht mehr zwei Geschlechter sondern über 50 Gender gibt, ist aber vermutlich nichts anderes zu erwarten.
Eigentlich sollte es dann doch genau umgekehrt sein. Eigentlich sollte sich rumsprechen, dass es eben nicht ein binäres System ist, namentlich eines, in dem alle Männer so und alle Frauen so sind, sondern ein fließendes System mit vielen Zwischentönen. Der Prozentsatz an Leuten, die sich tatsächlich wie ich als genderfluid betrachten, ist ausgesprochen niedrig, denke ich. Trotzdem ist nicht jede Frau rosa, gibt es auch Frauen (sich selbst ganz klar als Frauen definierende Frauen), die gern ein knackiges Grillwürstchen mit Barbequeue-Soße wollen und nicht nur Putenbrust an Joghurt-Balsamico-Dressing. Je mehr Vielseitigkeit sich eigentlich entwickeln sollte und je mehr sich die Leute von den eingefahrenen Rollenbildern lösen, desto mehr wird uns durch die Werbung eingeprügelt, dass Mädchen pinke Prinzessinnen sind, Piraten nur war für Jungs, dass die Welt der Mädchen rosa ist und alle anderen Farben den Jungs gehören, und dass Literatur für Frauen/Mädchen grundsätzlich romantisch sein muss.

Diese Entwicklung zieht sich ja nicht nur durch die Fantasy, sondern hat auch die gesamte Kinder- und Jugendliteratur korrumpiert. Letztes Jahr hat die Arena-Lektorin für mein Manuskript gleich abgewinkt, als sie gehört hat, dass das Buch eine weibliche Hauptfigur, aber keine Romanze hat - sondern "nur" das Thema Vertrauen und Freundschaft behandelt. Ich nehme an, der Markt wird dem Verlag da recht geben, aber es ist doch schlimm genug. Mädchen gehen nicht ohne Romantik, Jungen nicht mit Romantik (was natürlich blöd ist, denn wenn sich kein Mann für Romantik interessiert, wo sollen die Frauen dann ihre romantischen Märchenprinzen hernehmen?).

Zitat von: Sturmbluth am 04. August 2016, 20:33:08
Ich glaube, damit bringst du es auf den Punkt. Eine meiner absoluten Lieblingsserien, die Drachenlanze, wurde von zwei weiblichen Autoren geschrieben.
Ich bringe dein Weltbild nur ungern durcheinander, aber Tracy Hickman ist ein Kerl. Wie Mandy Patinkin. Das irritiert mich jedes mal wieder, ist aber so.
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Robert Gernhardt

Aljana

#21
Okay, wir scheinen uns dem Kern des Pudels ja zu nähern. Was aber können nun die High-Fantasy schreibenden Damen tun, um anzukommen und ernstgenommen zu werden?

Mal zurück zu den Frauen auf dem Cover (nicht zuletzt, weil auch mein Cover von meiner Protagonistin geziert wird): Zu Zeiten von MZB, als es noch keine Fotoshop-Welle gab, die billige und nicht so billige Modeladaptionen in allen Varianten bereithielt, da mussten Cover noch gezeichnet werden. Auch die Nebel von Avalon ziert eine Frau. Und sämtliche Nachfolger auch. Es sind alles hübsche Frauen. Was ist daran anders? Oder würde man solche Cover heute auch nicht mehr nehmen?

Ich denke ein Fakt, dem wir uns nicht entziehen können, ist, dass heute viel mehr nach Cover gekauft wird. Also müssen wir jetzt eindeutig weibliche besetzte Attribute meiden? Schöne Augen, die Farben pink und violett? (Wobei Violett oder lila - ich kenne den Unterschied echt nicht- für mich eigentlich eher die Farbe der Magie und der Spiritualität ist)

Edit: zu Majas Post, da wir wohl gleichzeitig geschrieben haben.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass dieses starre Beharren auf Rollen und diese Binarität gerade DURCH die Zwischentöne verstärkt wird. Die Leute haben so viel Angst vor der Diversität, dass sie sich mit Macht an vorhandene (wenn auch archaische) Rollenbilder zu klammern versuchen.

Sturmbluth

Zitat von: Maja am 04. August 2016, 20:41:04Ich bringe dein Weltbild nur ungern durcheinander, aber Tracy Hickman ist ein Kerl.
Hahaha, ich kugele mich gerade auf dem Boden vor Lachen ;-)


@Aljana
ZitatWas aber können nun die High-Fantasy schreibenden Damen tun, um anzukommen und ernstgenommen zu werden?
Ich weiß nicht, ob es darum geht, dass die Damen nicht ernst genommen werden.

Mich, als einzelner Leser und nicht als Repräsentant irgendeiner Mehrheit, würde - wie oben geschrieben - ein ansprechendes Cover, nun, ja, eben ansprechen ;-)   Als Beispiel mal bei Google Bildersuche nach "graham mcneill das erste imperium" machen. Wenn ich so ein Cover sehe, springe ich sofort zum Klappentext.

Das gilt natürlich nur für mich als Individuum mit meinem eigenen persönlichen Geschmack.


Maja

Zitat von: Sturmbluth am 04. August 2016, 20:58:46
Zitat von: Maja am 04. August 2016, 20:41:04Ich bringe dein Weltbild nur ungern durcheinander, aber Tracy Hickman ist ein Kerl.
Hahaha, ich kugele mich gerade auf dem Boden vor Lachen ;-)
Ich denke, das sagt eine Menge darüber aus, dass man einem Buch selbst jetzt nicht unbedingt anmerkt, ob es ein Mann oder eine Frau geschrieben hat.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Aljana

ZitatIch weiß nicht, ob es darum geht, dass die Damen nicht ernst genommen werden.

Hm .. ein Stück weit empfinde ich das schon so. Bitte korrigiert mich und rückt meine Weltsicht zurecht, wenn es anders ist. Aber wenn man heute sagt, ich bin Autorin und ich schreibe Fantasy, dann haben alle gleich sowas im Kopf.  https://www.amazon.de/Elfenfehde-Zweimal-Leben-Mariella-Heyd-ebook/dp/B01ILANQ7E

Davon fühle ich mich in eine Schublade gestopft, nicht ernst genommen und kann mich damit auch nicht einen Deut identifizieren.
Ich meine, ich habe nichts gegen Leute, die bewusst so etwas schreiben und lesen. Wessen Genre das ist, bitte. Aber es wird einem nicht zugetraut, dass man etwas anderes macht. Und ich kenne viele Autorinnen, die dann echt hingehen und einen Klischee-Romantasy-Schinken 'produzieren' (Es gibt auch sehr liebevoll und gut durchdacht geschrieben Romantasy, das sit jetzt nicht eine Abwatschen für das ganze Genre), um eben Aufmerksamkeit zu bekommen.

Maja

Wenn ich in den 90ern gesagt habe, ich bin Autorin und schreibe Fantasy, hatten die Leute sowas im Kopf: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/2b/13/75/2b13755ddaf6b5a4c2a00e7f1e3de100.jpg - das hat mich auch nicht repräsentiert (und tut es bis heute nicht). Und es gibt bestimmt heute immer noch Leute, die Fantasy komplett mit lendenschurzbehangenen Barbaren gleichsetzen (und keine Fantasy lesen). Mir ist das Liebste, wenn ich heute sage, dass ich Fantasyautorin bin, dass die Leute gleich ihren persönlichen Lieblingsfantasyroman vor Augen haben, ohne sich jetzt an dem "in" von Autorin aufzuhängen.

Wenn ich heute meine Gaslicht-Romane schreibe, dann muss ich mir vor Augen führen, dass ich da ein mindestens zu 80% weibliches Publikum habe. Und dann halte ich mich an die Spielregeln und baue eine Romanze ein, nicht wegen der Zielgruppe, aber weil das Genre es verlangt. Aber ich schreibe seit zwanzig Jahren gegen den schlechten Ruf der Fantasy an sich an. Ich habe wirklich keine Lust, dann auch noch Energie darauf aufwenden zu müssen, gegen den schlechten Ruf meines Geschlechts anzuschreiben. Fantasy habe ich mir ausgesucht - mit dem anderen wurde ich geboren.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Aljana

Tja, ich gebe zu, es muss vor 20 Jahren noch schwieriger gewesen sein. Immerhin die Fantasy hat sich ja etabliert. (Denke ich doch)
Und was du sagst ist auch ein wesentlicher Punkt: Frauen lesen viel mehr als Männer. Ist es da also nur recht und billig, dass auch mehr  für Frauen geschrieben wird?
Aber das bringt mich dann zu der Frage: Warum setzt es sich dann in der HF nicht auch durch? Interessiert dieses Genre Frauen schlichtweg weniger und folglich wird weniger für sie angeboten und es können sich halt 'typisch' männliche Romane durchsetzen?

Maja

Eigentlich muss man es andersherum betrachten: Es ist ein ziemlich neues Phänomen, dass es überhaupt deutsche Autoren in der High Fantasy gibt. Als ich meinen ersten Roman angeboten habe, und auch noch, als wir vor fünfzehn Jahren den Tintenzirkel gegründet haben, hatte die deutsche Fantasy einen Namen, genau einen, und der lautete Hohlbein. Hohlbein ist jetzt natürlich männlich (aber statistisch wenig aussagekräftig, zu kleines Delta N), veröffentlichte die Jugendfantasy aber unter seinem Namen und dem seiner Frau, um eine breitere Zielgruppe zu erreichen, Mädchen und Jungen gleichermaßen.

Es kamen erst später andere deutsche Autoren hinzu, und irgendwann zeichnete sich ab, dass das auch irgendwie alles Männer waren. Wenn es zwei sind, oder drei, fällt das noch nicht so ins Gewicht. Ab fünf muss man sich wundern. Vor allem, wenn man weiß, dass es durchaus Frauen gibt, die diese Art von Literatur schreiben - den Beweis haben wir hier im Forum. Der Tintenzirkel ist zu mindestens zwei Dritteln weiblich, was nicht daran liegt, dass wir Bewerbungen von Männern aussortieren, sondern dass drei Viertel unserer Bewerbungen von Frauen stammen. Das will irgendwie nicht zusammenpassen.

Natürlich schreibt nicht jede Frau im Tintenzirkel High Fantasy, dafür hat sich unser Genre zu einer erfreulich großen Bandbreite entwickelt, und eines von vielen Untergenres ist die romantische Fantasy. Sie hat auf jeden Fall ihre Existenzberechtigung, und ich möchte auch nicht die Bücher oder Autoren schlecht machen, es ist einfach nicht mein Genre, und ich möchte nicht auf etwas reduziert werden, das ich weder lese noch schreibe. Mich hat einfach Romantik nie interessiert. Selbst dass ich inzwischen glücklich verheiratet bin, hat sich eigentlich nie über eine romantische Schiene entwickelt, wir sind einfach zwei Nerds, die irgendwann nicht mehr ohneinander leben mochten.

Was auch zu der Trennung Literatur/Frauenliteratur beitragen hat, war sicher in den Achtzigern und Neunzigern auch die Frauenbewegung. Da hat es zum Beispiel in der Emma immer wieder Artikel gegeben zum Thema "Frauen als Autor schreiben anders", und wo es auf der einen Seite wichtig ist, dass es auch eine weibliche Sicht auf die Dinge gibt, ist es von da aus nur ein kleiner Schritt hin zu "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus". Die - durchaus lang männlich dominierte - Literatur wurde als unweiblich wahrgenommen, aber was den Autorinnen von damals vorschwebte, war sicher nicht eine rosa durchgegenderte Romantikliteratur, sondern eine feministische Alternative. Aber so wurde eine Trennung vollzogen, wo eigentlich keine hätte sein dürfen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Churke

Die "weibliche Sicht der Dinge" ist zu kurz gesprungen. Der Autor ist weniger Beobachter als vielmehr Arrangeur und Gestalter, zumal in der Fantasy. Es läuft ja derzeit die neue Staffel von "The 100". Mir reicht eine Folge, um zu sehen, dass sich das eine Frau ausgedacht hat. Ich kann mir schon vorstellen, dass das manchen nervt.
In gewisser Weise entspricht das Gebotene aber dem Zeitgeist.

Ich müsste jetzt lange suchen, aber aus früheren Zeiten habe ich keine Autorinnen im Kopf, die dermaßen in Social Fantasy versumpfen.

Man muss einem Buch das Geschlecht des Autors nicht ansehen. Aber ich habe den Eindruck, dass es heute die Norm ist.

Maja

Ich habe mir auch immer eine weiblichere Fantasyliteratur gewünscht - nicht weiblicher im Sinn von rosa Romantik, aber im Sinne von differenzierten, interessanten Frauenfiguren. Mich stört bei Tolkien durchaus, dass er komplett auf weibliche Haupt- oder sogar Nebenfiguren verzichtet und es nur ein paar Alibi-Winzrollen für Frauen gibt. Mich hat auch die Welle der "starken Heldinnen" gestört, die dann so perfekt waren, Schwertmeisterinnen, geborene Anführungskräfte, haben jeden Mann in die Tasche gesteckt, immer und überfall, und waren nur das gleiche alte Klischee, nur mit neuem Vorzeichen, und so weit vom differenzierten Realismus entfernt wie die in ihren Türmchen auf Rettung wartenden Prinzessinnen.

Die Vorstellung, keine Frauenfigur mit Ecken, Kanten und Schwächen erschaffen zu dürfen, hat bei mir dazu geführt, dass in meinen High Fantasy-Romanen so ein klarer Männerüberschuss im Hauptfigurbereich herrscht, weil ich meine Helden gerne kaputt und gebrochen mag, Fußabtreter, die sich erstmal wieder vom Boden aufkratzen müssen, und es hat lange gedauert, bis ich negative Frauenfiguren gestalten konnte. ohne Angst haben zu müssen, meine Geschlechtsgenossinen schlechtzumachen. Ich bin ja, was High Fantasy angeht, keine zeitgenössische Autorin. Meine Genreprägung habe ich in den Neunzigern erlebt und schreibe heute das, was ich damals schreiben wollte, nur besser. Aber ich sehe mich, wenn, mehr in der geistigen Tradition von David Eddings oder Weiß&Hickman als den modernen Autoren und Autorinnen, von denen ich deutlich weniger gelesen habe.

Die Frage ist nur, wie viel ich als genderfluide anachronistische Autorin dann heute zu dieser Diskussion überhaupt sagen darf. ;)
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt