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Regeln und Gesetze des Schreibhandwerks - darf man sie brechen?

Begonnen von Ratzefatz, 04. Mai 2016, 07:00:17

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Aircaina

Zitat von: Sturmbluth am 19. Mai 2016, 09:39:37
Jeder Autor sollte sich die Frage stellen "Was will ich?"
Veröffentlicht werden ==> Besser an die Konventionen halten
Kunst schaffen ==> Aus dem Bauch heraus schreiben, aber im Hinterkopf behalten, dass es wahrscheinlich nicht viele Leser finden wird.

Ich persönlich gehöre zu denen, die (irgendwann) veröffentlicht werden wollen. Das, was ich zu sagen habe, steckt in den oben genannten 10%. Und für diese 10% ist es mir wichtig, Leserschaft zu finden.
Wenn man "einfach nur" veröffentlichen will, gibt es heutzutage zumindest die Möglichkeit des Selfpublishing und BoD. Gerade bei Amazon kann man dahingehend sehr viele Ratgeber kaufen, die sich auch mit dem Marketing beschäftigen und damit für jemanden der ins Geschäft einsteigen will wirklich hilfreich sind. Ob man damit das große Geld macht und eine riesige Leserschaft erreicht ist natürlich die andere Sache.
Vielleicht habe ich auch einfach die falschen Vorbilder, und gehe deshalb recht locker mit dem Thema Schreiben als Handwerk um. Aber wenn man sich jemanden wie Juli Zeh oder Dietmar Dath ansieht, die so unglaublich gute, tiefgehende literarische Texte schreiben, die stark von der Norm abweichen und zugleich zumindest einigermaßen erfolgreich sind, macht das etwas risikofreudiger. Und die beherrschen ihr Handwerk definitiv, trotz ungewöhnlichen Schreibstils und Themen.

Dann gibt es noch eine andere Frage, die man sich stellen muss, wenn man veröffentlichen will: Will ich vom Schreiben leben können? Und wenn ja, wie viel Geld muss ich verdienen, damit ich zufrieden bin? Wie will ich veröffentlichen? Auch für die Verlagsuche, das Verfassen eines Exposé und so weiter gibt es viele gute Ratgeber. Da könnte man sich Anregungen holen, um sich darüber klar zu werden, in welche Richtung man überhaupt gehen will. Wenn man sich denn noch nicht für eine entschieden hat.

In vielen Fällen ist es wohl die beste Möglichkeit, eine gesunde Mischung zu schaffen. Seine ganz spezielle, unkonventionelle Handschrift und/oder Botschaft zwischen Konventionen zu verstecken. Eine ziemliche Herausforderung.  :-\

Sturmbluth

Zitat von: Aircaina am 19. Mai 2016, 09:58:06
Wenn man "einfach nur" veröffentlichen will, gibt es heutzutage zumindest die Möglichkeit des Selfpublishing und BoD.
Oh ja, da habe ich mich ungenau ausgedrückt. Ich meinte damit nicht nur die Tatsache, dass es das Bucht gibt (physisch und als eBook), sonder eher "Leserschaft finden". Das geht meiner Meinung nach besser mit einem (großen) Verlag, der über Vertriebsketten und Marketing verfügt. Und ich bin der Meinung, dass dafür die oben genannten "90% Handwerk" das Mittel der Wahl ist, um da hin zu kommen.


Zitat von: Aircaina am 19. Mai 2016, 09:58:06In vielen Fällen ist es wohl die beste Möglichkeit, eine gesunde Mischung zu schaffen. Seine ganz spezielle, unkonventionelle Handschrift und/oder Botschaft zwischen Konventionen zu verstecken. Eine ziemliche Herausforderung.  :-\
Sehe ich auch so. Man darf halt nur nicht vergessen, dass das Handwerk einen großen Teil einnimmt. Vielleicht nicht strikt diese 90%, aber ganz ohne, wird es schwierig.

Churke

Zitat von: Aircaina am 19. Mai 2016, 09:58:06
Dann gibt es noch eine andere Frage, die man sich stellen muss, wenn man veröffentlichen will: Will ich vom Schreiben leben können?

In diesen Dunstkreis fällt auch das Thema, dass Regelbruch gemeinhin mehr Aufwand erfordert, als die Regel einzuhalten. Man muss sich Gedanken machen, die Alternative entwickeln und vielleicht mehrfach verbessern und verändern, bis es "stimmt." Und für den Autor im Vollberuf ist Zeit Geld...

Fianna

Verkauft sich auch nicht so gut wie die anderen Autoren, die das nicht tun.
Ich glaube, die meisten Vollzeit-Autoren sind Teil einer Erwerbsgemeinschaft und können nur deswegen schreiben.

Ich war vor ein paar Jahren mal ganz neugierig auf die Bücher von Oliver Pötzsch, der beim 4. Band oder so war und es war noch in jeder Buchhandlung, die ich in 2 Bundesländern besucht habe, der erste Band im Regal, teilweise sogar alle Bände.
Da er auch aus einer alten Henkersfamilie kommt, habe ich ein bisschen nach Interviews mit ihm gegoogelt.
Bei einem ging es um die Übersetzung des ersten Bandes mit Amazon Crossing ins Englische, und er antwortete auf eine Frage, dass er erst jetzt vom Schreiben leben kann und vorher quasi immer von seiner Frau mit durchgezogen wurde.
Der hatte schon 4 oder 5 sehr gut laufende Bücher raus und ich glaube, auch seine Thriller schon geschrieben - und sagte, er konnte bis vor kurzer Zeit (=vor der Übersetzung) noch nicht vom Schreiben leben.
Das fand ich ziemlich schockierend, weil ich ja aus dem TiZi soviel über Buchhandel und Remittenden usw erfahren hatte und es ziemlich ungewöhnlich fand, dass der erste bzw. alle Bücher seiner Reihe in so vielen Buchhandlungen präsent waren, ich hatte daraus direkt auf (finanziellen) Erfolg geschlossen.

Sturmbluth

#64
Zitat von: Fianna am 19. Mai 2016, 12:18:45Das fand ich ziemlich schockierend, weil ich ja aus dem TiZi soviel über Buchhandel und Remittenden usw erfahren hatte und es ziemlich ungewöhnlich fand, dass der erste bzw. alle Bücher seiner Reihe in so vielen Buchhandlungen präsent waren, ich hatte daraus direkt auf (finanziellen) Erfolg geschlossen.
Habe ähnliche Sache gelesen. Mir stellt sich dann immer die Frage, wieviel ein Autor vom Verkaufspreis des Buches erhält. 10%? Weniger? Klar, hängt vom Vertrag ab und der hängt am eigenen Status. Aber nimmt man 10% an, dann erhält man 1,40€ von einem Buch, das 14€ kostet. eBooks noch viel weniger.
Jeder hat unterschiedliche Ansprüche im Leben. Aber man kann mal die 1,40€ nehmen und ausrechnen, wieviele Bücher man pro Jahr verkaufen muss, um seine Lebenshaltungskosten zu decken (natürlich muss man Steuern noch abziehen!) Und dann stellt sich schnell raus, dass man entweder ganz viele Bücher schreiben muss, oder Bestseller...

Fianna

#65
Laut Normvertrag sind es eher so 7 oder 8 %, es gibt da aber oft Staffelungen. Wenn man den Mega-Bestseller schreibt, bekommt man nach dem xten Exemplar mehr Prozent.

Außerdem bekommt der Autor erstmal nix pro verkauftem Exemplar, es muss erstmal der gezahlte Vorschuss "abgearbeitet" werden. Der Vorschuss wird meist in Teilen bezahlt, das heisst: man hat lange vor der Veröffentlichung schon einen Teil des Geldes bekommen, das erst noch "verdient" werden muss. Und wenn man Pech hat, ist es für die damaligen Fixkisten drauf gegangen und um die aktuellen darf man sich trotz frischer Buchveröffentlichung wieder neu kümmern. Da gibt es zur Veröffentlichung 1/3 oder 1/2 des Vorschusses, aber das ist ja auch schnell weg. So ein Vorschuss für ein Buch scheint sich bei Jungautoren in dem zu bewegen, was man (je nach Beruf) in  1-3 Monaten als Netto-Gehalt bekommt. Da muss man schnell nachliefern.

Und da gehen nicht nur die Steuern ab, sondern auch Krankenverischerung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, alles Mögliche. Krankenversicherung für Selbstständige / Selbstversicherte bewegt sich bei manchen Krankenkassen so um 300-400 € im Monat. War jedenfalls bei den gesetzlichen vor einigen Jahren noch so.

Das Geld ist schnell weg und Neues gibt es erst, wenn mehr als x Exemplare verkauft sind. Oder wenn Du ein neues Buch verkauft hast, das erst noch erscheinen muss etc, für dass es aber schon einen Bruchteil des Vorschusses bei Vertragsabschluss gibt.

Ratzefatz

#66
Ob Autoren vom Schreiben leben können, ist wieder eine andere Frage.

Mich beschäftigt eben die Frage, ob Verlage (und Leser!) wirklich nur Bücher lesen wollen, die sich an die althergebrachten Regeln halten. Wobei wir uns alle, denke ich, darüber einig sind, dass ein Buch gut sein muss - sprich: Es nützt nichts, sich sklavisch an alle Regeln zu halten und ein langweiliges Buch zu schreiben. Nur meinte eben meine Bekannte (soweit ich sie verstanden habe), dass ein Buch per Definition gar nicht gut sein KANN, wenn es sich nicht an alle Regeln hält.
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Trippelschritt

Einer Meiner Lieblingsautoren in den Siebzigern war SF-Autor John Brunner, der u.a. solche Klassiker geschrieben hat, "Stand on Zanzibar" und "Zhe Sheep Look up". Ich war viele Jahre später sehr betroffen, dass ein Autor dieser Klasse jedes Jahr einen Roman raushauen musste, um davon leben zu können. Er wollte seiner Frau nicht auf der Tasche liegen, die glücklcherweise nicht ohne Geld war. Die rausgehauenen Bücher lasen sich auch so. Zum Teil gute Idee und Super-Atmosphäre, aber durchaus etwas schludrig. Und das war ein Star, wenn auch nicht der Top-Riege.

@ Arcaina Und dann noch zu dem Evergreen Kunst gegen Handwerk, eine Diskussion, von der Kenner der internationalen Szene behaupten, dass sie nur in Deutschland und da nur bei der Schreiberei geführt wird: Ich gebe das einfach mal so wieder, denn ich gehöre nicht zu der Szene. Aber ich habe mehrere Jahre in einer Galerie gearbeitet und war außerdem mit einer Musikerin verbandelt. In der Malerei und der Musik, kommt niemand auf die Idee, dass Kunst ohne Handwerk möglich ist (Notenlesen gehört nicht dazu). Warum sollte das beim Schreiben anders sein. Das muss mir mal jemand erklären, auch wenn ich wenig Probleme damit habe einzugestehen, dass es Naturtalente gibt, die mit wenig Übung Großes geschaffen haben. Das gilt vor allem in der Lyrik.

Wo steckt denn die Kunst in der Literatur, wenn man vom Dadaismus mal absieht? In den Ideen, in den Sichtweisen oder Pespektiven, in der Kraft der Bilder und was einem da noch so einfällt. Das sind die 10%. Aber für die Umsetzung dieser Ideen braucht es Handwerk. Auch dann, wenn man das eine oder andere intuitiv richtig machen kann. Selbständig kraftvoll gestalten kann nur, wer das Handwerk auch beherrscht, ohne darüber nachdenken zu müssen. Wie in der Musik und wie in der Malerei. Klar ist aber auch, dass nicht jeder begnadete Handwerker gleich ein Künstler ist.

Liebe Grüße
Trippelschritt


Shedzyala

"Vom Schreiben leben" ist aber imo auch immer eine Definitionssache. Für einige bedeutet das Hartz 4-Niveau, während andere sich andere darunter 2k+ pro Monat vorstellen. Zumindest H4-Niveau soll als fleißiger SPler in nicht so weiter Ferne liegen, habe ich zumindest gelesen, und für die Versicherungen darf man ja zum Beispiel auch nicht die KSK vergessen. Wer aber den Druck hat, spätestens alle 2 Monate ein fertiges Wert raushauen zu müssen, wir in der Tat nicht die Muße für große Experimente haben. Da hilft das Handwerksgerüst sicher sehr weiter – was jetzt keine Wertung in Bezug auf die Qualität sein soll. Aber wer etwas Neues ausprobieren will, braucht Zeit zum Testen und auf sich wirken lassen, und die hat man dann vermutlich nicht immer in dem Maße, wie man sie gern hätte.

Zitat von: Ratzefatz am 19. Mai 2016, 13:16:13
Mich beschäftigt eben die Frage, ob Verlage (und Leser!) wirklich nur Bücher lesen wollen, die sich an die althergebrachten Regeln halten.
Zumindest bei Lesern würde ich die Theorie aufstellen, dass viele die Regeln gar nicht kennen und deshalb vor allem etwas lesen wollen, was funktioniert. Und bei den regeln weiß man, dass sie funktionieren, bei allem anderen muss man erst noch experimentieren und das kann auch schief gehen. Dieses Risiko wollen wohl nicht alle Verlage eingehen.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Fianna

Schwierig. Der Buchhandel ist ja eher auf Leser eingestellt, die das altbewährte Rezept A, das ihnen so gut gefallen hat, in anderem Gewand nochmal lesen wollen.
Wir dürfen nie vergessen, dass wir die Ausnahme der Ausnahme sind. Der durchschnittliche Bücherkauf pro Person liegt wesentlich niedriger, die meisten Leute, die nur 1 Buch pro Monat lesen, gelten schon als Viel-Leser. Tatsächliche Vielleser sind selten, kritische Vielleser oder Noch-mehr-Leser, die sich eng mit dem Stoff auseinander setzen (z.B. Blogger, Rezensenten) sind noch seltener und Leute, die die Regeln kennen und viel lesen (z.B. lesende Autoren) sind die absolute Ausnahme.

Ein Bekannter von mir liest nur wenig mehr als 1 Buch pro Jahr. Als ich ihm in einem Jahr mehrere Bücher zum Geburtstag schenkte (weil es einige nur antiquarisch gab und ich ihm noch ein neues holte, insgesamt 3 oder 4) habe ich seinen Leserhythmus vollkommen durcheinander gebracht.

Loki

Stimme Fianna nur teilweise zu. Der Durchschnitt sagt in dem Fall glaube ich weniger aus als man denkt. Ich kann mir eher vorstellen, dass sagen wir fünf Personen kein Buch lesen und dafür 5 dann zwei im Jahr, wenn ihr die Richtung meiner Vermutung versteht.  :winke:
Allerdings denke ich ebenfalls, dass grundsätzlich wenig über die gelesenen Bücher reflektiert wird. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich außerdem, dass die meißten nicht einmal mehr den inhalt der Bücher kennen, den sie vor mehr als einem Jahr gelesen haben.  :'(

Aircaina

Zitat von: Trippelschritt am 19. Mai 2016, 13:32:22
@ Arcaina Und dann noch zu dem Evergreen Kunst gegen Handwerk, eine Diskussion, von der Kenner der internationalen Szene behaupten, dass sie nur in Deutschland und da nur bei der Schreiberei geführt wird: Ich gebe das einfach mal so wieder, denn ich gehöre nicht zu der Szene. Aber ich habe mehrere Jahre in einer Galerie gearbeitet und war außerdem mit einer Musikerin verbandelt. In der Malerei und der Musik, kommt niemand auf die Idee, dass Kunst ohne Handwerk möglich ist (Notenlesen gehört nicht dazu). Warum sollte das beim Schreiben anders sein. Das muss mir mal jemand erklären, auch wenn ich wenig Probleme damit habe einzugestehen, dass es Naturtalente gibt, die mit wenig Übung Großes geschaffen haben. Das gilt vor allem in der Lyrik.

Wo steckt denn die Kunst in der Literatur, wenn man vom Dadaismus mal absieht? In den Ideen, in den Sichtweisen oder Pespektiven, in der Kraft der Bilder und was einem da noch so einfällt. Das sind die 10%. Aber für die Umsetzung dieser Ideen braucht es Handwerk. Auch dann, wenn man das eine oder andere intuitiv richtig machen kann. Selbständig kraftvoll gestalten kann nur, wer das Handwerk auch beherrscht, ohne darüber nachdenken zu müssen. Wie in der Musik und wie in der Malerei. Klar ist aber auch, dass nicht jeder begnadete Handwerker gleich ein Künstler ist.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Da hast du natürlich Recht.
Ich hoffe, es ist gerade nicht so rüber gekommen, als sei ich total ignorant der Meinung, das man das Kreative Schreiben niemals lernen kann. Ich wollte eigentlich nur darauf hinaus, dass ich es nie als Handwerk wahrgenommen habe, bzw. nicht erkannt habe, was für ein großer Anteil davon Literatur ausmacht. Vielleicht auch deshalb, weil ich noch nie Inspiration brauchte, sodass es mich vor einigen Jahren sehr verwirrt hat, als ich in einen Schreibratgeber gesehen habe und ein ganzes Kapitel dem Finden von Inspiration gewidmet war. Oder dem Kreieren von Figuren, was ich schon etwas Naheliegender fand, aber trotzdem nicht so recht verstanden habe, weil ich noch nie Figuren gezielt konstruiert habe. Da waren Ratgeber für mich direkt unten durch. Jetzt bin ich wohl etwas erwachsener geworden, will nicht beim reinen Hobbyschreiben bleiben und merke, wie wichtig es ist, die Tricks und Kniffe des Handwerks zu beherrschen. Es fühlt sich nur immer noch sehr seltsam an, dem eine so hohe Bedeutung zukommen zu lassen, da viele Dinge, die ich in ihnen lese für mich so selbstverständlich sind wie das Halten eines Stiftes, weil man sich manche Dinge im Laufe der Jahre zufällig selbst angeeignet hat. Und eben diese Dinge habe ich nie als handwerklich wahrgenommen.

Eigentlich interessant, dass diese Diskussion hinsichtlich Musik und Kunst nicht aufkommt.

Zitat von: Loki am 19. Mai 2016, 16:01:20
Stimme Fianna nur teilweise zu. Der Durchschnitt sagt in dem Fall glaube ich weniger aus als man denkt. Ich kann mir eher vorstellen, dass sagen wir fünf Personen kein Buch lesen und dafür 5 dann zwei im Jahr, wenn ihr die Richtung meiner Vermutung versteht.  :winke:
Man merkt aber schon, dass immer weniger Leute Bücher lesen, wenn man sich einmal umhört. Das hat sicherlich auch mit den neuen Medien zu tun. Ich kenne viele Menschen, die es hassen zu lesen, aber jeden Abend leidenschaftlich Hörbücher hören.

Zitat von: Loki am 19. Mai 2016, 16:01:20
Allerdings denke ich ebenfalls, dass grundsätzlich wenig über die gelesenen Bücher reflektiert wird. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich außerdem, dass die meißten nicht einmal mehr den inhalt der Bücher kennen, den sie vor mehr als einem Jahr gelesen haben.  :'(
Vielleicht hat der Inhalt den Leser einfach nicht gepackt. Sein Lieblingsbuch behält man natürlich länger in Erinnerung als eines, das man "mal eben" runter gelesen und erleichtert aus der Hand gelegt hat, sobald man die letzte Seite hinter sich hatte.
Das Problem, den Inhalt eines Buches sehr schnell zu vergessen, habe ich selbst sehr häufig. Da kann das Buch froh sein, wenn ich es überhaupt schaffe, es ein Jahr lang abzuspeichern.  :versteck:

Gabryel

Als spät dazustoßender kann ich Trippelschritt nur zustimmen; ich glaube das Problem an der Sache ist, wenn wir schreiben lernen (im Sinne von schriftlich Worte festhalten), denken wir schnell, dass wir auch schreiben könnten (im Sinne von Kunsthandwerk). Ich habe die Erfahrung im grafischen Bereich gemacht, dass viele Leute ein Bild sehen und plötzlich zu Grafikern und Kunstkritikern werden. Ja, Dinge wie eine falsche Perspektive kann man auch so erkennen lernen. Es sind dann Dinge, die auf den ersten Blick vom persönlichen Geschmack abhängen: Farben, Kompositionen, Schriftarten. Tatsächlich ist es aber so, dass es Gründe gibt, warum bestimmte Dinge gehen und andere nicht, und das muss man lernen. Die Regeln sind nie so rigide, dass sie sagen "genau so und nicht anders", sondern "dieses und jenes wird so und so wahrgenommen". Was man daraus macht, ist Sache des Künstlers / Autors.

Ganz wichtig für mich ist aber: Man muss es erstmal können. Naive Malerei mag auch ein Ding sein, aber wenn mir jemand drei Tupfen aufmalt und behauptet, er sei Expressionist, muss ich leider seine Nase in die Jugendwerke von Picasso drücken. Man muss Regeln kennen, um sie brechen zu können, und gerade bei der Schreiberei bilden sich extrem viele Leute ein, sie könnten etwas, was schlicht nicht wahr ist. Messen kann man allerdings erstmal nur das Beherrschen der deutschen Sprache, und alle Bewertung darüber hinaus obliegt eben dem eigenen Niveau. Ich persönlich denke, es schadet nicht, demütig zu sein, denn wenn du meinst, es besser zu wissen, wirst du auch nie etwas dazu lernen.

canis lupus niger

#73
Manches ändert sich aber auch, weil es Moderichtungen unterworfen ist. Wenn man sich alte Bücher anguckt, wie zum Beispiel den Weltbestseller "Exodus", dann muss man sagen, dass darin gegen etliche heutige Schreibregeln verstoßen wird. Das Buch könnte man heutzutage vermutlich nicht mehr so leicht an den Mann, sprich: Verlag bringen.

Und: Der Herr der Ringe mag nach Schreibregeln ein "schlechtes" Buch sein, trotzdem haben es zigtausende Mitglieder der britischen Literarischen Gesellschaft als bedeutendstes englischsprachiges Werk aller Zeiten gewählt. Nicht als am besten geschriebenes. In dem Zusammenhang möchte ich auch eine Aussage von GRR Martin heranziehen, in der er singemäß sagt, ob jemandem ein Buch gefällt, hängt nicht immer von den Kriterien eines Verlages ab. Inhalte, die nicht plotrelevant sind, könnten zum Beispiel für den Leser höchsten Lesegenuss bedeuten, weil diesem gerade das Umstreifen im Setting Freude bereitet. Danach könnten nach meiner Ansicht gerade die epischen (und völlig ereignislosen) Ausführungen Tolkiens über die Völker und Landschaften von Mittelerde das sein, was die o.g. Leser so herausragend fanden. Terry Pratchett schrieb einmal, dass der eigentliche Hauptcharakter von Mittelerde die Mittelerde selber sei. Ich bleibe dabei: Ein Buch kann gegen Schreibregeln verstoßen, deswegen auch unverkäuflich sein. Trotzdem kann es ein Buch sein, dass Viele gerne lesen würden. Kriegt bloß keiner mit, weil es nicht auf den Markt kommt.

Man "darf" Schreibregeln schon brechen, wenn es einem nicht so wichtig ist, ob man das Manuskript verkaufen kann.

Fianna

Es kann aber auch genau deswegen ein Erfolg werden. Agatha Christie hat einen Roman geschrieben, in dem der Ich-Erzähler der Mörder ist. Das ist heute einer ihrer bekanntesten Romane und dieses Konzept wurde gerade im Thriller-Bereich (ob Film oder Buch) gerne nachgemacht.