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[Nautik] Wie schnell segelt man flußaufwärts?

Begonnen von Sascha, 28. Februar 2015, 10:44:06

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Sascha

Hallo an alle Hobbysegler, idealerweise auf Flüssen!
Da ich wie üblich mit Suchmaschinen auf Kriegsfuß stehe und nur irgendwelche Physik-Aufgaben mit vorgegebenen (und evtl. wenig realistischen?) Geschwindigkeiten finde und irgendwas zur Rumpfgeschwindigkeit, die in meinem Szenario aber eher keine Rolle spielt (da kaum erreichbar), muß ich nun hier fragen.
Also, um folgendes geht es:
Ein Transportboot von, sagen wir mal, 10-15 Metern Länge (so etwa im Stil einer Feluke) fährt nur von Segeln getrieben einen Fluß hinauf. Der Fluß ist relativ breit und hat keine allzu hohe Fließgeschwindigkeit. Also nicht grad die 5-10 km/h des Rheins, eher so 3-5, zumindest jetzt im Sommer (also, in der Geschichte ist Sommer!).
Das Boot ist als flaches Transportboot ausgelegt, da es sehr weit den Fluß hochfahren soll. Das bedeutet am Oberlauf, es muß getreidelt werden, aber momentan segeln die Leuts noch. Windbedingungen sollten ganz gut sein, rundum flaches Land auf mehrere hundert km.  Es ist voll beladen, hat also momentan ziemlichen Tiefgang (für seine Bauweise...). Im Laufe der Reise wird die Ladung zwar etwas weniger werden, weil man unterwegs einen Teil verkauft, dafür wird aber das Flußbett etwas enger, die Strömung somit auch etwas stärker. Bis dann eben spätestens ab Erreichen des Waldes getreidelt werden muß.
Die Technologie ist so etwa auf mittelalterlichem Stand, aber es können durchaus einige modernere Kenntnisse eingebaut werden (man war dort mal weiter...), falls die mit einem Holzboot, kalfatert mit Werg und Holzpech, und vermutlichst nur einem Segel (Dreieck, denke ich, eben Feluken-Stil) umzusetzen sind.
Nun also die Preisfrage: Wie hoch kann eine realistische Reisegeschwindigkeit angesetzt werden? Schafft man drei Knoten gegen die Strömung? Mehr? Weniger? Sie haben 1000 km zurückzulegen, zwei Drittel davon mit Segel, dann wird getreidelt (das Ziel ist nur auf dem Fluß zu erreichen). Ich brauche einfach nur eine einigermaßen glaubhafte Reisezeit. Vielleicht kann ich das Boot bei der Länge ja auch mit zwei Segeln ausstatten und dadurch etwas mehr Speed rausholen?
Wasserratten vor!

Arcor

Geschwindigkeit finde ich gerade schwierig, da habe ich auch keinerlei Erfahrung - wobei mich die Antworten auch interessieren.  ;)

Ich wollte nur schnell was zum Segel sagen und da würde ich auf jeden Fall auf dreieckige Lateinersegel setzen. Rahgetakelte Schiffe machen auf einem Fluss nicht viel Sinn, da sie schlecht nah am Wind segeln können - ergo geht es nicht weiter, wenn der Wind parallel zur Fließrichtung weht. Und zum Kreuzen ist auf den meisten Flüssen nicht genug Spielraum. Mit einem Felucken-Stil bist du da glaube ich absolut auf der richtigen Fährte. Zwei Masten auf 10-15 Meter Länge finde ich aber fast etwas viel, sehe da nicht den Nutzen drin.
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Faye - Finding Paradise

Windstoß

Ich kenne nur eine Quelle für die Nilschiffahrt im alten Ägypten:
20 - 24 Tage für 650 km, bei einer Fließgeschwindigkeit des Nils zwischen 1,6 km/h bei Niedrigwasser (im Frühjahr) und 6-7 km/h bei Hochwasser (im Herbst).
Praktischerweise weht in Ägypten von Februar bis Dezember fast immer ein Nordwind, so dass die Ägypter flussaufwärts segeln konnten und flussabwärts mit der Strömung fuhren.  :)  Kann man ja in einem Fantasysetting ähnlich gestalten.  ;)

Sascha

Zu den Masten: In der Beschreibung von Feluken steht halt irgendwo "meist einmastig", deshalb die Idee mit zweien. Aber wenn das auf die Bootslänge übertrieben ist, bleib ich bei einem.
Lateinersegel hatte ich eh vor, klar.
Was die antike Nilschiffahrt angeht, weiß ich nicht, ob sie damals schon ordentliche Holzboote oder noch Schilf verwendet haben. Wobei ... die Römer und andere Völker hatten schon Triremen, da wird man in Ägypten wohl auch schon so weit gewesen sein, ordentliche Holzrümpfe zu nutzen.
Wenn man im Herbst bei 6-7 km/h Fließgeschwindigkeit noch aufwärts kam, müßte man ja doch einiges an Schwung draufgekriegt haben. Klar, je nach Wind. Der könnte auch theoretisch schön von hinten kommen, obwohl das von der Geologie vielleicht nicht ganz hinhaut. Sie fahren vom Äquator weg, es gibt kein Gebirge in der Nähe, das den Wind so leitet, nach allen Seiten viel Platz, also dürfte der Wind schon aus verschiedenen Richtungen kommen.
Aber 650 km, das ist auch so eine Hausnummer für die Strecke, die sie segeln. Insofern kann ich ja auch etwa diesen Zeitraum ansetzen, bis sie dann treideln müssen. Andererseits darf der Schiffsbau etwas weiter sein als in Ägypten, falls man da noch geniale Verbesserungen der Rumpfform oder so gefunden hat. Das Treideln geht dann in Schrittgeschwindigkeit der Mulis voran, wobei die auch locker ihre 5 km/h schaffen sollten, das ist ja Fußgängergeschwindigkeit.

Irgendwer noch mit genaueren Infos?

Golden

#4
Naja, kommt darauf an wie stark der Wind ist. ;D (edit: sorry)

Pygmalion

Also: kreuzen müsstest du mit einem Lateinersegel auch, wenn du Am Wind segeln willst (Wind von schräg vorne)
Experimente haben ergeben, dass Rahgetakelte Schiffe durchaus gut kreuzen konnten.

Also mittelalterliche Schiffe waren grundsätzlich nicht soo schnell und dann noch mit Gegenströmung musst du aufpassen, das das Schiff überhaupt fährt und nicht wieder flussab getrieben wird.
Ich würde dem Teil auf jeden Fall Ruder mitgeben ;)

Getreidelt wurde durchaus auch auf breiteren Flüssen, weil das eben viel zuverlässiger flussauf ging als segeln, gerade wegen der Strömung. Das haben auch nicht selten Menschen gemacht, nicht nur Tiere :)
Als Geschwindigkeit würde ich so 3-6 Knoten annehmen, da dann natürlich die Gegenströmung abziehen... Ich glaube, Treideln geht einfach insgesamt viel schneller und das war auch der Grund, warum auf den meisten Flüssen flussauf getreidelt wurde. Also 3 Knoten pro Stunde, Sagen wir, man fährt solange, wie es hell ist und geht dann an Land: 30-40 Meilen am Tag?

Schilfboote sind nicht schlechter als Holzboote, aber das war eben verfügbarer und günstiger als Holz. Die konnten auch große Lasten tragen ;) Antikes Ägypten wird ja gemeinhin auch etwa 2000 Jahre vor dem Bau von römischen Triremen datiert, deswegen hingt der Vergleich vielleicht ein wenig :P

Volker

Die Maximalgeschwindigkeit eines Verdrängerschiffes nennt sich Rumpfgeschwindigkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/Rumpfgeschwindigkeit. Schneller geht's nicht, egal wie viel Energie man 'reinsteckt. Darüber hinaus wird es ... ungemütlich, es sei denn, das Boot ist ein (Halb)Gleiter. Aber das wäre kein Transportboot.

Bei Deinem 10-15m-Schiffchen liegt das Tempo gegen Wasser auf jeden Fall deutlich unter Rumpfgeschwindigkeit -  also deutlich unter 8kn = 15km/h

In der Praxis ist bei einer Feluke allerdings meist schon bei der HälfteSchluss. marina-online.ch/uploads/Dokumente/rs_nil_d.pdf]http://www.marina-online.ch] marina-online.ch/uploads/Dokumente/rs_nil_d.pdf
Der Fluss sollte daher also besser träge und der Wind stark sein. Oder man treidelt von vornherein - das ist selbst unter idealen Segelbedingungen nicht langsamer.

Sascha

@Golden: Ah, danke für den Tip, daran hatte ich ja gar nicht gedacht! ;)
@Pygmalion: Ich hab ja nu wahnsinnig viel Ahnung vom Segeln, aber solange der Wind von hinten oder der Seite kommt, kann man ihn mit entsprechender Segelstellung ausnutzen, um direkt gradaus zu fahren, ne? Ruder haben sie natürlich an Bord, allerdings nur zwei Mann Besatzung (plus Bootsführerin und Gast), die reißen jetzt auch nicht sehr viel. Also muß ich den Wind entsprechend kräftig machen. Weil, das mit dem Treideln hat einen Nachteil: Es ist enorm personalintensiv. Ob jetzt mit Mulis/Pferden/Eseln oder auch Menschen. Und da hier Waren von der Mündung über tausend Kilometer bis in eine größere Stadt transportiert werden müssen, die nicht anders versorgt werden kann (mit dem, was sie nicht selbst hat), sind da ziemlich viele Boote unterwegs. Okay, man kann dann die Boote wieder zusammenhängen und mit großen Gespannen ziehen, aber auf die Strecke ist das trotzdem sehr aufwendig. Auf anderen Flüssen, mit stärkerer Strömung, mach ich das schon. Deshalb sollen sie lieber mit dem Segel vorankommen, wenn auch langsamer (sind keine verderblichen Waren, Salz und so).
Die Welt/Kultur/Technik ist einerseits höchstens mittelalterlich, andererseits war man da eben schon mal sehr viel weiter, und manches fortschrittliche Wissen hat sich ein wenig gehalten. Wenn also eine schlaue Rumpfform, die man bei uns erst später entdeckt hat, mehr Geschwindigkeit verspricht, dann kann die da ruhig bekannt sein.
Ach so, ja, Ägypten war natürlich schon "etwas" früher dran...
@Volker: Ja, das mit der Rumpfgeschwindigkeit hatte ich gefunden, aber so schnell werden die eh nicht. Dein Link ist sicher interessant, wenn man die Sprache kann.
Zitatin starken Böen ist Anluven, Schwert runter, Wenden, Schwert hoch und Abfallen sicherer als Halsen, denn die Eigenschaften der Feluken-Takelungsart (ein Lateinersegel, das aber mit einem Baum am Unterliek gefahren wird) erlauben es beim Halsen nicht, das Backstag ständig belegt zu halten.
Ahhhh ja. :rofl:
Da ist von 3,5 bis 4 Knoten die Rede. Allerdings ist das wohl relativ zum Wasser (ist ja ein Treibkörper), und sie kreuzen. Die effektive Geschwindigkeit wird also weit darunter liegen...

Also, ich mach das jetzt mal so: Es herrschen zu dieser Jahreszeit Windverhältnisse, die ausreichen, um gegen die Strömung anzusegeln. Vor allem, da das bißchen Schnee aus dem Gebirge schon abgetaut und abgeflossen ist (Die Berge liegen an der Grenze zwischen Subtropen und warmgemäßigt), die Strömung also entsprechend schwach. Lassen wir den Fluss 4 km/h haben, die Segelgeschwindigkeit theoretisch 4 Knoten (rel. zum Wasser), das wären rund 7 km/h, dann blieben gegen den Strom noch 3 km/h übrig. Mit gelegentlichen Zwischenstops in Dörfern am Fluß, um Ladung zu verkaufen und andere aufzunehmen, kommen sie auf 8-9 Stunden Fahrt am Tag (da sind die Tage immer gleich lang, Jahreszeiten kommen durch die Bahnexzentrik zustande), also etwa 25 km. Bei 700 km bis zum Beginn der reinen Treidelstrecke sind das 28 Tage, geben wir noch etwas zu, 30. Ach was, eine Woche hin oder her, 35. (Die haben 5-Tage-Wochen). Sind halt ein paar Tage mit schlechtem Wind dabei, an denen sie nicht weiterkommen. Dann bin ich, denke ich, auf der sicheren Seite. Zumindest insoweit, daß mir das nicht sofort als völlig illusorisch um die Ohren geknallt wird.
Was meint Ihr?

Christopher

Danke für die Infos Volker! Mit Booten hab ichs zwar nicht so, aber das werde ich sicher nicht vergessen. Interessante Dinge prägen sich bei mir stets ein. Das wird sicher noch mal nützlich, sollte ich doch mal in nautische Gefilde geraten ;D
Be brave, dont tryhard.

Arcor

@Volker
Vielen Dank für den Link zur Rumpfgeschwindigkeit. Man lernt nie aus, das war mir völlig neu.

@Pygmalion
Natürlich kann man auch mit Rahseglern kreuzen und muss es mit Lateinern auch auf einem Fluss. Aber generell sind Lateiner auf einem Fluss in meinen Augen von Vorteil, da sie einfach näher an den Wind gehen können und damit weniger Probleme bei Gegenwind bekommen als ein Rahsegler. Der müsste bei Gegenwind ständig kreuzen und hat dazu auf den meisten Flüssen kaum den Platz, die Fahrtrinne ist ja oftmals noch schmaler als das eigentliche Flussbett.

@Sascha
In meinen Augen kann man das so gelten lassen. Du machst dir finde ich mit Schneeschmelze und Bahnexzentrik sowieso schon reichlich Gedanken, die ich mir z. B. nie gemacht habe. Wenn du in der Geschichte betonst, dass da einige nervige Tage mit schlechtem oder keinem Wind dabei sind, wo sie kaum vorwärts kommen etc., dann sollte das schon passen.
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Faye - Finding Paradise

Sascha

Okay, da jetzt auch niemand mehr STOP geschrie(b)en hat, hab ich's so umgesetzt. Somit Dank an alle, die mir Tips gegeben haben!