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[Medizin] Einweisung in eine psychiatrische Anstalt

Begonnen von La Variée, 25. Dezember 2014, 23:57:46

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Tintenvers

Heyho und noch frohe Weihnachten,

mich überkam es nun die letzten Tage, dass ich ein altes Fantasy-Projekt wieder zum Leben erweckt habe. Doch dieses Mal möchte ich es von Anfang an richtig machen und brauche dafür eure Hilfe. Vielleicht ist ja jemand unter euch, der sich damit auskennt.

Es geht um meinen Protagonisten. Dieser befindet sich seit Kindesalter in einer psychiatrischen Einrichtung. Bei ihm wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert, bei der nach allem Anschein keine Medikamente anschlagen. 

Nun ist es in Deutschland ja so, dass niemand einfach mal so weggesperrt werden darf. Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen ja nur bei Selbst- und Fremdgefährdung ohne richterliche Anordnung 24-Stunden lang durchgeführt werden. Mich würde aber nun interessieren, wie die Voraussetzungen aussehen müssen, dass ein Richter ein etwa 10-jähriges Kind dauerhaft in Sicherheitsverwarnung nimmt. Und wie muss solch eine Einrichtung aussehen, welche Voraussetzungen muss die Einrichtung erfüllen, um ein Kind aufzunehmen und "wegzusperren". Und muss das Kind mit dem Heranwachsen dann die Einrichtung wechseln oder darf es, wenn möglich, ewig dort bleiben?

Ich danke euch im Vorfeld!
LG
La Variée

Fynja

Huhu,

Puh. Ich kenn mich nicht supergut aus, was das betrifft, aber um ein so junges Kind jahrelang in die Psychiatrie zu bringen, muss schon etwas Krasses vorgefallen sein. Was die Gesetze angeht, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, ob sowas überhaupt durchführbar ist, aber wenn, dann müsste das Kind vielleicht schon eine gravierende Straftat begangen haben, die auf seine Erkrankung zurückzuführen ist. (Wobei man da aufpassen müsste, dass es nicht so rüberkommt, dass jeder an Schizophrenie Erkrankte gleich gefährlich sei.) Aber schon um einen Erwachsenen so lange gegen seinen Willen wegzusperren, muss eine dauerhafte Fremd- oder Selbstgefährdung vorliegen, von daher reicht die Diagnose allein schon mal sicherlich nicht.
Es könnte natürlich auch etwas passiert sein, woran das Kind gar nicht selbst schuld ist, sondern jemand, der es so darstellen wollte. Oder du gehst weg von der Fremdgefährdung zur Selbstgefährdung, vielleicht hat das Kind schon einige Male versucht, sich das Leben zu nehmen (wobei auch sowas harter Tobak wäre bei einem Zehnjährigen), sodass die Eltern/ Erziehungsberechtigten es durchsetzen konnten, dass das Kind unter ständiger Aufsicht dort sicherer sei.

Darf ich fragen, wozu dein Prota denn unbedingt in der Psychiatrie sein muss? Würde ein einfaches Heim, vielleicht gerade für Kinder mit psychischen Störungen, nicht ausreichen? Sowas beispielsweise, wobei die Kosten für solch eine Unterbringung anscheinend sehr hoch sind.
Spiel die Geschichte in unserer Zeit? Heute dürfte sowas wirklich wesentlich schwieriger zu erwirken sein als noch vor einigen Jahrzehnten.
Auf jeden Fall müssten viele Psychiater und Psychologen ein Gutachten erstellen, es sollte wirklich die "Endlösung" sein, sodass davor schon medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien ausprobiert worden sind. Ich würde auch keine normale Psychiatrie nehmen, sondern eine Kinder- und Jugendpsychiatrie, wobei ich nicht weiß, ob es auch möglich ist, dass Kinder dauerhaft da bleiben.

Meine Einschätzungen entnehme ich einigen Uni-Kursen (Klinische Psychologie und Forensische Psychiatrie), aber mit genauen Gesetzestexten kenne ich mich, wie gesagt, nicht aus, sodass es sich nur um Einschätzungen handelt und ich keine genauen Voraussetzungen liefern kann, falls sich da also jemand besser damit auskennt als ich, darf derjenige gerne mein Halbwissen ergänzen. ;)

Sternsaphir

#2
Ich bin da ganz ähnlicher Ansicht wie Fynja.

Ich würde auch gern wissen, zu welcher Zeit und in welcher Region Dein Roman spielt, denn das bildet die Rahmenbedingungen für die gesetzliche Grundlage. In Ländern, wo man mit psychisch Kranken nicht umzugehen weiß oder sie als Schande ansieht und lieber versteckt, ist es wesentlich leichter, Kinder dauerhaft wegzusperren. Ich erinnere mich da an einen Bericht über ein geistig behindertes Kind, das damals zu DDR-Zeiten sogar ans Bett gefesselt wurde, weil man es nicht ständig überwachen und betreuen konnte/wollte/durfte. Das Kind war ca. 5 Jahre alt und konnte nicht einmal richtig laufen, weil es nie aufstehen durfte.

Hier im heutigen Deutschland muss schon eine extreme Gefährdung der Mitmenschen oder der eigenen Person vorliegen, um ein Kind dauerhaft in eine Klinik zu bringen und selbst da gibt es noch strenge Vorschriften. Es muss schon sehr viel vorgefallen sein, z.B. notorische Brandstiftung, Selbstverletzungen mit langen Klinikaufenthalten etc.

Wie ist dein Prota eigentlich eingewiesen worden? Ist er Waise oder haben die Eltern ihn dorthin geschickt? Oder wurde er ihnen weggenommen?

Churke

Zunächst einmal: Die Unterbringung psychisch kranker Personen ist in jedem Bundesland anders geregelt. Bayern schreitet da mal wieder forsch voran, dort ist eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht zwingend erforderlich. (Was auch bei Gustl Mollath eine Rolle gespielt haben dürfte.)

Mit der Sicherungsverwahrung hat das übrigens nicht zu tun und eine Sicherheitsverwahrung existiert in Deutschland nicht.

Zitat von: La Variée am 25. Dezember 2014, 23:57:46
Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen ja nur bei Selbst- und Fremdgefährdung ohne richterliche Anordnung 24-Stunden lang durchgeführt werden. Mich würde aber nun interessieren, wie die Voraussetzungen aussehen müssen, dass ein Richter ein etwa 10-jähriges Kind dauerhaft in Sicherheitsverwarnung nimmt.

Du weißt es doch schon: Selbst- oder Fremdgefährdung. Mit Schizophrenie alleine kommt man da wahrscheinlich nicht weiter, da müsste man schon einen Amoklauf oder Terroranschlag befürchten. Und wenn die Behörden und Gerichte meinen, dass ein zehnjähriges Kind so gefährlich ist, dass es in die Geschlossene gehört, dann finden die voraussichtlich auch einen Schwachverständungen, der ein entsprechendes Gutachten liefert.

ZitatUnd wie muss solch eine Einrichtung aussehen, welche Voraussetzungen muss die Einrichtung erfüllen, um ein Kind aufzunehmen und "wegzusperren".
Puh. Ich denke mal Geschlossene in der Psychiatrie. Dass es auf Kinder spezialisierte Einrichtungen gibt, wage ich anhand der zu erwartenden Fallzahlen zu bezweifeln.

Tintenvers

Also, erst einmal zur Zeit und Region: Es spielt nahe an unsere Zeit, zwischen 1990 und 2000, also vor der großen Smartphoneinversion. Wobei es auch kein allzu großer Beinbruch wäre, wenn sich bei der Recherche herausstellt, dass es in der DDR-Zeit für mich doch sinnvoller wäre, allerdings müsste es dennoch in Hessen spielen, oder aber notgedrungen noch Rheinland-Pfalz/Mainz, das wäre nicht zu weit von meinem "Zielort" entfernt.

Mal etwas zu meinem Prota bzw. den Hintergrund dazu, damit ihr das Ganze besser einordnen könnt:
Mit ca. 9 Jahren hat er die Babysitterin mit kochendem Wasser überschüttet, zumindest behauptet diese das. Bewiesen konnte es nie werden und Zeugen gibt es auch keine. Im Gegensatz zu Fall Nr. 2. Bei Fall Nr. 2 war er ca. 10 Jahre alt und er hat einen Lehrer tätlich angegriffen, mit dem Taschenmesser, wollte ihm, lt. seiner eigenen Aussage die Genitalien abschneiden, weil die Stimme im Kopf seines Schulkameraden ihm gesagt hätte, was er mit ihm auf der Klassenfahrt getan hätte. Nach diesem Vorfall wurde Eric medikamentös eingestellt, doch die Schulmedizin versagt hier, er behauptete weiterhin "Stimmen in den Köpfen der Menschen" zu hören, neigte zu vermehrtem, aggressiven Verhalten, griff immer wieder Menschen an und versuchte diese zu verletzen, versuchte sogar sich selbst zu verletzten, weil "die Stimmen so erträglicher sind". Der Höhepunkt war als Eric eines nachts am Fenster stand und herausspringen wollte - das war der Punkt, an dem sein Vater den Rat der Ärzte nachgab und Eric in eine psychiatrische Einrichtung gab. Am Anfang schien es, dass es Eric dort besser ginge, dass ihm die tägliche Betreuung gut täte und man fasste etwa zwei Jahre später den Entschluss, Eric nachhause zu lassen, mit der Anweisung, ihn jeden Tag in die Tagesklinik zu bringen. Die Besserung war aber nicht von Dauer - kaum hatte Eric die Anstalt verlassen und lebte wieder bei seinem Vater begann alles von vorne, das aggressive Verhalten nahm vermehrt zu und Erics Vater beschloss ihn dauerhaft einweisen zu lassen, womöglich sein gesamtes Leben.

Mich würde halt interessieren, ob das alles glaubhaft ist. Dieses auffällig aggressive Verhalten ist nicht einmal mein Problem - dennoch habe ich natürlich Angst, etwas zu dick aufzutragen, auch wenn sich relativ schnell löst, dass Eric nicht nur Stimmen hört, sondern auch Gefühle fühlt, die nicht seine sind. (Die Ärzte liegen dahingehend falsch: Die Stimmen sind keine Einbildung und die fremden Gefühle ebenfalls nicht - jedoch spürt Eric die Gefühle um ein vielfaches mehr, als die "Besitzer" dieser Gefühle.) Trotzdem, ich möchte natürlich nicht zu dick auftragen, aber es eben plausibel halten, warum er in dieser Einrichtung lebt (heute ist er 20) und ja, die Einrichtung ist für die Geschichte selbst relevant und auch, dass Eric eben da schon so lange lebt.

Ich danke euch aber schon einmal für eure Hilfe!

Lothen

#5
Ach Mist, jetzt hatte ich einen ewig langen Beitrag geschrieben und er ist weg.  :brüll: Neuer Versuch!

Also, zur Grundproblematik: Ein Kind länger als für Monate in einer geschlossenen Psychiatrie unterzubringen, dürfte nach meiner Erfahrung nicht funktionieren. Zum einen ist das Problem, dass Kinder unter 14 nicht strafmündig sind und im Gegensatz zu erwachsenen oder jugendlichen Straftätern nicht in einer forensischen Klinik für psychisch kranke Straftäter untergebracht werden können. Zum anderen dürfte sich die Krankenkasse irgendwann weigern, einen weiteren Auftenthalt in der Psychiatrie zu zahlen, wenn man dem Kind dort sowieso nicht helfen kann. Diese Einrichtungen sind für eine dauerhafte Unterbringung der Kids auch gar nicht ausgelegt. In kleineren Kliniken gibt es dort z.B. keine Schulen und die Schulpflicht besteht ja weiterhin. Insofern sind schon die zwei Jahre, die du angedacht hast, viel zu lang für die Psychiatrie. Zwei oder drei Monate ist nach meiner Erfahrung das Maximum, gerade für junge Kinder, die man ja nicht zu lange von den Eltern trennen will - zumindest nicht dann, wenn es Alternativen gibt.

Ich halte es da mit Fynja: Eine Einrichtung der Erziehungshilfe (gemeinhin als "Heim für Schwererziehbare" bekant) wäre wesentlich realistischer als dauerhafte Lösung. Dort werden die Kids vom Jugendamt untergebracht, wenn das der Meinung ist, dass die Eltern den Erziehungsauftrag nicht leisten können (augrund psychischer Erkrankung der Eltern, Drogenkonsum o.ä.), wenn das Kind nicht in die Schule geht, wenn es extrem auffälliges Verhalten zeigt usw. Dort arbeiten auch Psychologen und Krankenpfleger, die eine entsprechende Therapie anbieten können. Mithilfe von Google dürftest du da einige Angebote finden. Es gibt im Rahmen dieser Einrichtungen auch geschlossene Gruppen, die sind aber meist für Ältere, die gerichtlichte Auflagen erfüllen müssen. Vielleicht könntest du aber auch eine Einrichtung definieren, die speziell extrem aggressive Kinder < 14 Jahren aufnimmt. So etwas könnte es sicherlich geben, wenn es das nicht sogar schon gibt. Das Problem ist nur, dass Jugendliche aus diesen Erziehungshilfe-Einrichtungen mit 18 Jahren rausgeschmissen werden, weil die Zuständigkeit endet. Sollten Erics Probleme aber fortdauern, dann könnte man ihn in eine andere betreute Einrichtung für Erwachsene übersenden oder in betreutes Wohnen oder eine WG für Personen mit psychischen Störungen. Da wäre allerdings wohl erforderlich, dass er weiterhin aggressiv gegen sich oder andere ist oder nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Wenn es für dich passt, könnte die Einrichtung ja beides beinhalten - eine Abteilung für Jugendliche und eine für Erwachsene. So was könnte ich mir auf jeden Fall gut vorstellen.

Zitatparanoide Schizophrenie
Das bereitet mir noch ein bisschen Bauschmerzen, um ehrlich zu sein. Die Diagnose einer Schizophrenie wird eigentlich erst im Jugendalter gestellt, weil die Krankheit bei jüngeren Kindern nicht in dem Maße auftritt, wie bei Älteren. Es gibt zwar Vorläufersymptome (z.B. sozialer Rückzug, Aggressivität, verqueres Denken), die sind in der Regel aber nicht spezifisch genug, um die Diagnose einer Schizophrenie zu rechtfertigen. Auch ADHS, Störung des Sozialverhaltens oder bestimmte Autismus-Störungsbilder äußern sich sehr ähnlich, da kann man schwer differenzieren. Schizophrenie ist eine ziemlich heftige Diagnose für den Betroffenen, weil es ihn sein Leben lang begleiten wird. Nach meiner Erfahrung (die vermutlich nur ein Ausschnitt der Realität ist) sind Ärzte und Psychologen mit solchen Diagnosen im Kindesalter, wenn die geistige Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, SEHR vorsichtig. Keine Ahnung, ob das für dich relevant ist, aber ich wollte es mal angemerkt haben. :) Wenn die Störung sowieso anhält, bis er 20 ist, wird man die Diagnose vermutlich einfach später stellen, wenn man sich sicher ist.

Ach, übrigens: Sehr viel wahrscheinlicher für die Ärzte wäre vermutlich eine organische Ursache, ein Tumor oder so. Aber den finden sie ja nicht. ;)

Tintenvers

#6
Danke dir! Während ich deinen Beitrag gelesen habe, hatte ich so manche Ideen, wie ich das Problem der Diagnose umgehen könnte bzw. weiß nun auch, wieso sich sein Zustand in einer Einrichtung bessert und daheim verschlechtert. Hier mal meine Grundidee, vielleicht ist das sinniger, als das,  was ich zu Anfang vor hatte:

Mir ist aufgefallen, das Eric typische Symptome für (Asperger) Autismus zeigt. Nicht angefasst werden wollen, sozialer Rückzug etc. pp. Es wäre auch kein Problem, Eric von klein auf als "anders" zu beschreiben, seine Fähigkeiten hat er schließlich nicht erst erworben, aber desto mehr sein selbstständiger Denkprozess einsetzt und sich entwickelt, desto intensiver werden seine Fähigkeiten und demnach auch die Last damit um zu gehen.

Demnach könnte die erste Diagnose Asperger Autismus lauten, auf Grund seiner Intelligenz besuchte Eric eine Integrationsschule. Die ganzen Vorfälle schiebe ich nun noch einmal nach hinten, ca. bis zum Eintritt in die Pubertät, da Schizophrenie, sofern angeboren bzw. erblich bedingt, ja dann oft zu Tage kommt. Die zweite Diagnose, zum Apserger dazu, wäre also Schizophrenie, vielleicht eben auch bedingt durch seinen Asperger (glaubhaft?) Nach dem sich das also immer mehr steigerte und steigerte wandte sich Erics Vater ans Jugendamt und sah selbst ein dass er Erics Erkrankung nicht mehr Herr wird.  Daraufhin gab man Eric letzten Endes in Obhut bzw. in eine Einrichtung, in der ein ganz fester Tagesplan vorherrscht, so wie er in der "normalen" Welt nicht möglich wäre, also speziell auf Autisten zugeschnitten, mit begleitender Schule, Behindertenwerkstätten zugeschnitten auf Autisten, etc. pp. So das diese Menschen dort die Möglichkeit haben, ihr Leben zu verbringen. Und eben dieser feste Alltag, wenn nichts aus der Reihe fällt, erleichtert es Eric sich darauf zu konzentrieren, die "Stimmen" und Gefühle auszuschließen.
Da müsste ich nur schauen, ob es in Hessen so etwas derartiges gibt - ansonsten würde ich mir die schriftstellerische Freiheit nehmen und das Ganze einfach selbst entwerfen oder wäre das zu viel des Guten bzw. käme das am Ende zu sehr gewollt rüber?

Lothen

#7
Gefällt mir so viel besser!

Zum Thema Asperger vs. Schizophrenie: Ich kann mich sogar an einen Fall aus der Kinderpsychiatrie erinnern, wo bei einem Jungen (ich glaub, er war 10?) eine so genannte "Early Onset Schizophrenie" diskutiert wurde, man sich aber letztlich für Asperger Autismus entschieden hat, weil das besser passte und wahrscheinlicher war. Ja, auch die Psychiatrie ist manchmal ein Glücksspiel. :P

ZitatDie zweite Diagnose, zum Apserger dazu, wäre also Schizophrenie, vielleicht eben auch bedingt durch seinen Asperger (glaubhaft?)
Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass man wirklich beide Diagnosen gemeinsam stellen würde. Sowohl Autismus als auch Schizophrenie sind seltene Entwicklungsstörungen, die Chance, dass sie ZUSAMMEN auftreten, geht wohl deutlich gegen null. Da eine Schizophrenie durchaus mit den von dir genannten Symptomen einher gehen kann (sozialer Rückzug, Kontaktprobleme, Kommunikationsschwierigkeiten --> such mal nach "hebephrene Schizophrenie"), Stimmenhören bei Asperger aber in der Regel nicht auftritt, würde man sich wahrscheinlich am Ende für die Diagnose Schizophrenie "entscheiden", weil es wahrscheinlicher ist. Auch Aggressivität ist eher eine Begleiterscheinung von Schizophrenie als von Autismus. Wie gesagt - gerade im späten Kindes- und frühen Jugendalter äußern sich viele Störungen sehr ähnlich, da dauert es oft eine Weile, bis man die richtige findet.

Trotzdem wäre eine Einrichtung, wie du sie beschreibst (fester Tagesplan, enge Struktur, begleiteter Alltag) gut für einen solchen Fall geeignet, unabhängig von der Diagnose. Ich hab selber schon Kontakt mit solchen Einrichtungen gehabt, ich könnte mir gut vorstellen, dass das für Eric eine Option wäre, die das Jugendamt für zielführend hält. Sie wissen es ja nicht besser. ;)

ZitatDa müsste ich nur schauen, ob es in Hessen so etwas derartiges gibt - ansonsten würde ich mir die schriftstellerische Freiheit nehmen und das Ganze einfach selbst entwerfen oder wäre das zu viel des Guten bzw. käme das am Ende zu sehr gewollt rüber?
Nein, ich finde, die Freiheit darfst du dir nehmen. Das solltest du vielleicht sogar. Wenn du eine bestehende Einrichtung nimmst, müsstest du (nach meinem Ermessen) fast einmal dort gewesen sein, die Abläufe und das Angebot kennen usw. Denn wenn jemand die Einrichtung kennt, dein Buch liest und feststellt, dass ganz fundamentale Sachen nicht übereinstimmen, würde das sicher komisch rüberkommen. Wenn du dagegen eine Einrichtung erfindest, deren Programm und Aufbau eng an "typische" Einrichtungen dieser Art angelehnt sind (da kann das Internet ja schon viel weiterhelfen), würde das sicher kaum auffallen.

Imperius

Ich würde einmal die Lektüre folgender Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts empfehlen, um mal ein Gefühl von den Voraussetzungen und der Problematik sowie der schwere des Eingriffs zu bekommen: BVerfG, Beschluss v. 14.6.2007 – 1 BvR 338/07. ( bei google eingeben und du erhälst auch den Link zur Seite des Bundesverfassungsgerichts, das die Entscheidung veröffentlicht hat. )

Es ist zu unterscheiden auf welcher Rechtsgrundlage die Unterbringung erfolgen soll.

Im Strafrecht geht es bei schuldfähigen Tätern um Sicherungsverwahrung ( Voraussetzungen in § 66 StGB geregelt ), bei psychisch kranken Rechtsbrechern ( insbesondere schuld- oder vermindert Schuldfähige ) um die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.´( § 63 STGB ).

Bestrafung kommt aber bei einem Kind unter 14  nicht in Frage. Unter 14 ist ein Kind schuldunfähig und kann nicht bestraft werden.

Bleibt noch die Unterbringung nach dem jeweiligen Landesrecht. In deinem Fall aber eher zivilrechtlich nach § 1631 b BGB.

Die Unterbringung ist danach zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.

Wichtig: Die Unterbringung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung.

Im Ergebnis lässt sich dein Vorhaben also umsetzen. Du musst bei der Begründung der erheblichen ( und ja auch sehr lange andauernden ) Selbst- oder Fremdgefährdung kreativ sein.

Bleib am Besten auch dabei, dass der Vater / die Eltern ( also der Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts ) die Unterbringung wollen.Dann ist es glaubhafter.







Tintenvers

Lothen,
ich habe nun einmal ein bisschen zum Asperger recherchiert. Und es ist ja scheinbar sehr umstritten, das als Krankheit zu bezeichnen - viele vertreten hier die Meinung, dass diese Menschen einfach in einer anderen "Phäre" leben als wir. Im gleichen Zuge habe ich auch zum schizophrenem Autismus gegoogelt bzw. zu Begleiterkrankungen. Es ist wohl so, das viele Autisten zumindest an Depressionen leiden. Es gibt wohl auch einen Psychologen, der eben oben genannter Meinung ist, so wie der Ansicht "warum sollte ein Autist nicht auch Psychosen haben?"
Im gleichen Zuge habe ich natürlich auch zur frühkindlichen Schizophrenie recherchiert und bin auf zwei, drei Fälle gestoßen, bei denen wirklich im frühestem Kindesalter eine Schizophrenie diagnostiziert wurde. In einem wohl sogar von Geburt an, da gibt es wohl ein Buch vom Vater des Mädchens, der den Alltag mit seiner Tochter beschreibt, also eher ein Alltagsbericht. Da bin ich noch am Grübeln, ob es sich lohnen täte, sich das zu Gemüt zu führen. Aber danke dir, für die Denkansätze :)

Imperius,
vielen Dank, das bringt mich auf jeden Fall weiter und ich werde diese Entscheidungen ganz bestimmt lesen! Aber mittlerweile habe ich mir ja eine ganz gute Alternative zurecht gelegt, die es hoffentlich nicht mehr ganz so kompliziert macht (diese ganze Unterbringungsgeschichte wird auch nur angerissen, da sie für Eric selbst wichtig ist und die Erinnerung daran ihn bei seiner "Entwicklung" weiter helfen soll, weil er eben anfängt zu verstehen ...)

Ich danke euch allen, ihr habt mich sehr viel weiter gebracht! :)

Tintenvers

Ich hatte diesbezüglich eine neue Idee was die Umsetzung anbelangt, bin mir aber nicht sicher, ob ich das nicht doch in einen neuen Thread packen sollte .. mal sehen, was ihr meint.

Vielleicht kennt hier der ein oder andere ja das Prinzip der Dementendörfer bzw. der Gedanke, welcher dahinter steckt. So etwas schwebt mir nun immer wieder im Kopf umher. Was, wenn man dieses Konzept auf allgemein psychischerkrankte Leute anwendet? Ein Dorf, in dem mehrere Parteien leben, mehrere WGs, jede WG von einer Fachperson betreut (ambulant aber auch stationär), eigene Geschäfte sind ganz leicht zu Fuß zu erreichen, weshalb bis auf wenige Ausnahmen keine Autos existieren. Aber auch Schulen mit sehr kleinen Klassen und die Möglichkeit, dass Eltern mit einem stark psychischgeschädigtem Kind dort Unterkunft und Unterstützung finden (dann natürlich unter gewissen Voraussetzungen). Diese Einrichtung wurde aber vor Allem für Menschen konzeptioniert, die in einer großen Gesellschaft und alleine nicht überlebensfähig wären.
Das mit den Eltern und Kindern müsste ich mir noch genauer überlegen, weil es im Umkehrschluss bedeuten würde, dass es Eric ermöglicht werden könnte, nicht ganz weg von seinem Vater zu sein. Mal sehen ...

Nach diesem Gedanken stellte sich mir die Frage "wo kann man so etwas errichten?" Und da fiel mir ein, dass es hier in der Gegend (Griesheim/Darmstadt) ein verlassenes US-amerikanisches Kassernengebiet gibt. Dort ist wohl geplant, dass in den nächsten Jahren ein neues Wohngebiet aus den alten Gebäuden errichtet werden soll - was aber, wenn eine Parallelgesellschaft zu unserer schon beim Auszug der Amerikaner beschlossen hat, diese Gegend für meine psychisch Erkrankten zu nehmen und als "Psycho-Dorf" zu errichten? Durch die Umzäunung wäre es sogar möglich zu sagen, das dort Leute wohnen, die ansonsten in geschlossene Einrichtungen leben müssen, sprich das an der Forte jemand kontrolliert, wer ein und aus geht etc. pp.

In meiner Euphorie habe ich also gleich mal recherchiert und geplant  und ein bisschen rum gesponnen ... was haltet ihr von dieser Idee? Oder ist das Ganze zu auffällig groß gestaltet, so dass der Leser gleich zu Anfang denken muss, dass der Autor damit bestimmt etwas bezweckt? Erwecke ich also damit vielleicht eine ungewollte Erwartung?

Nebeldiener

Möglich wäre es, aber es gibt trotzdem ein paar Punkte, die -wie ich es sehe- bedacht werden müssen.

Es gibt ja betreutes Wohnen für psychisch kranke. Da ist aber erstens jeder Bewohner nur für eine bestimmte Zeit im Programm und zweitens braucht es für dieses eine Haus mehr als nur eine Aufsichtsperson. Es muss gekocht werden, das essen geliefert, es muss geputzt werden, die Patienten müssen terapiert werden (auch medikamentös), sie müssen bei Laune gehalten werden, etc. pp. Das alles ohne, dass der Patient nur einen Cent zahlt, weil er ja nicht arbeiten kann.
Baust du dir nun eine Stadt mit x betreuten Wohnheimen braucht es also eine Armee an Helfer und massig Subventionen.
Das mit den Läden ist auch eher problematisch, weil viele der dort lebenden nicht selber einkaufen gehen könnten und wenn sie es können, kein Geld haben, um sich etwas zu kaufen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand freiwillig in so einem Gebiet seinen Laden eröffnen würde.
Auch wenn die Eltern mit ihren Kindern dort leben und selber arbeiten, können sie oft nicht selber für die Behandlung aufkommen und brauchen finanzielle Unterstützung.

Zusammengefasst:
- Spielt deine Geschichte in einem realistischen Deutschland (unsicher da du von Fantasy redest), sehe ich es eher kritisch, da viel zu teuer und es werden zu viele Hilfskräfte benötigt. Der Nutzen dabei ist meines Erachtens zu klein.
- Spielt es in einer Fantsy-Welt (also nicht in Deutschland zu 1990-2000), könnte ich mir so ein Dorf als Handlungsraum sehr gut vorstellen.

Es würde vielleicht gehen, wenn man alle psychisch Kranken in eine vorgebaute Stadt wirft und sagt "macht mal" und schaut, was dabei herauskommt. Also als sozialpsychologisches Projekt.

Tintenvers

Oh okay, ich sehe schon ... der Gedanke hat zwar was, war aber eindeutig eben nicht zu ende gedacht. Ich denke, letzten Endes werde ich dann bei der WG bleiben - wobei der Gedanke mit dem "Psycho-Dorf" trotzdem eine Geschichte wert wäre, so ganz eigenständig ... hmmm ... und eine Idee für eine eigenständige Geschichte habe ich sogar schon. ARG! Ich bekomme hier noch Paranoia, wenn mich noch mehr Plotbunnies anhüpfen!

Sternsaphir

Ich sehe da ähnliche Probleme mit dem Pflegepersonal.
Als damals eine meiner Großtanten nach einem Schlaganfall in ein Pflegeheim musste, habe ich mir mal die Kosten für ihre Unterbringung und Betreuung nennen lassen. Für das Geld, was man monatlich dafür ausgeben musste, könnte man einen schicken Jahresurlaub mit allen Extras machen. Die Krankenkassen übernehmen zwar einen Teil, aber den Rest muss man selbst tragen.

Ich habe auch von dem Demenz-Dorf in den Niederlanden gehört und finde Deine Idee, ein solches auch für psychisch Kranke einzurichten, trotzdem irgendwie gut.
Vielleicht kannst du es ja so auslegen, dass die Bewohner den Großteil ihrer Unkosten selbst tragen müssen. z.B. können verschieden erkrankte Menschen sich gegenseitig unterstützen und Selbsthilfegruppen gründen. Es kann einen Garten geben, wo Gemüse angebaut wird, es gibt Werkstätten, wo handwerklich Dinge hergestellt werden, die in einem eigenen Laden verkauft werden. Es könnte also eine halbwegs autarke Kolonie werden, die nur ein Minimum an bezahlten Pflegern und Betreuern braucht (die sich halt um die Medikamentengabe und professionelle Betreuung kümmern). Das Motto der Kolonie könnte sein, dass die Menschen lernen sollen, sich selbst zu helfen. Es könnte sozusagen eine Versuchs-Kolonie sein, weil man eben diese horrenden Summen an Pflegekräften im Therapie-Bereich einsparen will. Ob das funktioniert oder nicht, überlasse ich dann Deiner Phantasie.
Und wenn doch mal mehr Helfer gebraucht werden, die putzen oder den Alltag organisieren (also keine medizinischen Aufgaben haben), nimmt man halt Billigkräfte wie Praktikanten, Minijobber, oder andere Freiwillige und Ehrenamtliche.

Tintenvers

So eine ähnliche Idee hatte ich ursprünglich auch.  Der Gedanke war das dieses Dorf eine eigene Gesellschaft darstellen könnte,  die Supermärkte etc wurden von solchen Leuten geführt werden, somit verdienen diese Geld,  eine Wirtschaft existiert,   da müsste sich also nur um die medizinische Versorgung gekümmert werden.  Allerdings ist das dennoch eher etwas für ein eigenständiges Projekt und in dem Umfang wie es mir vorschwebt einfach zu groß.  Das Psycho - Dorf würde ja gerade mal ein Drittel der Geschichte einnehmen -  nachfolgendes spielt in einer anderen Welt. Wobei das Dorf an und für sich schon wichtig ist,  weil auch meine  Anthoganist etwas damit zu tun hat und sogar Mitgründer dieser Stadt ist..... Hmmm mal sehen  ich lasse den Gedanken mal noch verweilen  plotte etwas und schaue  ob es in dem Umfang dann trotzdem passt... Das setting kann ich ja trotzdem noch für die neue Idee nehmen (von Ideen w werde ich ja tue Zeit überschwemmt)
Ihr wart mir auf jeden Fall alle eine große Hilfe!