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Unterschiede deutscher zu angelsächsischer Fantasy

Begonnen von Kaipi, 16. Januar 2014, 19:23:15

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Debbie

ZitatFür so alte Herrschaften wie mich ist das nicht so. Am Anfang war Episode 4, die damals auch noch einfach nur »Krieg der Sterne« hieß. Dann kamen 5 und 6 und damit hätte es Herr Lucas belassen sollen.

Ah, sorry - Missverständnis. Für mich sind die alten Filme 1-3, und die neuen 5-6. Auf die chronologische Reihenfolge reagiert mein Gehirn irgendwie nur, wenn es in römischen Zahlen geschrieben wird  ;)

Aber ich mag die Episoden I-III trotzdem total gern. Gut, das kann ein bisschen an Hayden Christensen liegen - aber nur ein gaaaaaanz kleines Bisschen  :vibes:

Churke

Zitat von: Debbie am 17. Januar 2014, 17:55:46
@Churke:
- nur weil Armageddon nicht glaubwürdig und sehr konstruiert ist, muss das für Werke gleicher Art nicht zwangsläufig gelten!
Nein, aber es reiht sich zwanglos in die Topoi abgedroschener amerikanischer Filmmotive ein. Dazu gehört auch, dass man den Opfertod des Einzelnen ins Mythische überhöht. Man kann das Thema auch ganz anders angehen. In "Stalingrad" muss sich auch einer opfern und die Handgranate werfen. Kommentar des Kommandeurs: "Das war er mir schuldig." Aus, basta.

Zitat
- in den Heldensagen sterben die Helden vielleicht nicht um die Welt zu retten (wobei in der nordischen Mythologie (Ragnarök), Maya Mythologie, Indischen Mythologie - kurz, in jeder, in der es ein Weltuntergangsszenario gibt - klar ist, dass die alten Helden im Kampf gegen das Böse mitunter sterben müssen, um die Entstehung von etwas Neuem einer besseren, "gereinigten" Welt zu ermöglichen), aber im Kampf gegen das Böse und für das Gute (ein Volk, etc.)
Ich behaupte, dass das nichts mit "opfern" oder "für andere" oder "Gut vs. Böse" oder "Weltrettung" zun hat, sondern schlicht die Faszination des Untergangs ist. Der entfaltet die größte dramatische Wirkung, wenn er einzig das Scheitern in den Mittelpunkt stellt. Beispiel: Untergang des 3. Reiches, Regie: Dr. Joseph Goebbels. Der ließ den Volkssturm durch die Ruinen von Berlin marschieren und singen: "Durch deutsches Land marschieren wir/ Für Adolf Hitler sterben wir!"

Zitat
- selbstverständlich ist es unwahrscheinlich, dass die Welt durch den Tod eines Einzelnen gerettet werden kann - aber wenn du mit den Grundregeln des Schreibens vertraut bist (und soweit ich weiß, ist das der Fall), dann weißt du ja, dass es keine Geschichte gibt ohne Konflikt.
Wenn sich einer opfern muss, um ein Problem zu lösen, kann ich darin keinen dramatischen Konflikt erkennen.

Debbie

#32
Ähm, ja ...  :hmhm?:

Da ich keine deiner Ansichten teile, werden wir wohl auch darin übereinstimmen müssen, dass wir eben nicht übereinstimmen - alles andere habe ich ja weiter unter schon geschrieben und komme anhand deiner (mir teilweise nicht einleuchtenden) Argumentation auch in keinem Punkt von meiner Meinung ab.

Punkt 1 hatte ich ja unten schon erläutert, und dass dir das nicht gefällt, ist einfach Präferenzsache. Punkt 2 sehe ich komplett anders - alle Mythen und Sagen haben eine Moral, merkt man, wenn man sie selbst gelesen hat. "Sensationsgeilheit" oder die Faszination am Untergang, wie du es beschreibst, ist eine neumodische Sache. Und Punkt 3, naja, wenn du darin keinen Konflikt siehst ... dann macht es wohl auch nicht viel Sinn, dir einen aufzuzeigen, da der Konflikt ja doch schon ziemlich offensichtlich ist  ???

Lavendel

Ich muss jetzt mal ehrlich sagen, ich weiß nicht, was ihr hier diskutiert. Erst mal, es gibt im Anglo-amerikanischen Raum eine Menge verschiedener Autoren, und weil in 10 oder 15 Romanen ein Opfermotiv vorkommt, lässt sich hier wohl kaum eine generelle Tendenz für einen so komplexen Kulturraum ableiten. Hollywood ist nebenbei auch kein Indikator für Tendenzen in der Literatur - und das Opfermotiv ist ein sehr gängiges, seit es Literatur gibt. Ihr werdet es in der Literatur aller Kulturen finden. Ob man dieses Motiv dann als überhöht empfindet ist etwas anderes. Es ist aber durchweg populär, weil der Mensch durch seine Entwicklungeschichte hindurch zwei sehr effiziente Strategien entwickelt hat, nämlich Egoismus und Altruismus. Das Selbstopfer ist nicht umsonst das zentrale Motiv des Neuen Testaments, von dem der Kulturraum,  in dem wir leben, nachhaltig beeinflusst ist. Das da eine große Zahl an Reproduktionen dieses Motivs geschieht, ist doch nur folgerichtig. Ob die in einer christlich geprägten Gesellschaft öfter auftritt als in er einer anderen christlich geprägten Gesellschaft, ist eine Frage, die sich nicht mit einer larifari "ich habe zwanzig Bücher gelesen und habe den Eindruck ..." Einstellung beantworten lässt. Da  bräuchte es schon Literaturwissenschaftler, Kulturhistoriker, Soziologen und am besten ein paar Statistiker, die das Problem wissenschaftlich beleuchten.
Im Augenblick, es tut mir Leid, aber ich sag es jetzt mal so klar, lese ich hier wenig sinnvolle Beiträge, sondern nur ein unterschwellige "Amerika nervt" . Ja, Amerika nervt mich auch oft, und Hollywood erst recht, aber das führt so eine Diskussion trotzdem nirgends hin. Wenn man Unterschiede diskutieren will, dann muss man zumindest halbwegs saubere Unterscheidungskriterien auf einer halbwegs soliden Basis herausarbeiten, sonst ist es doch einfach nur: "Ich finde jenen Film und jenes Buch so dooooof!" oder: "Hey geil, ich kenne auch eine Geschichte mit Opfermotiv! Und doof fand ich's irgendwie auch."
Das Motiv ist einfach ein sehr wichtiges in der abendländischen Literatur - und auch wenn viel englischsprachige Literatur zu uns importiert wird, sie wird immer noch für den deutschen Markt importiert, der immer noch anders ist als der US-Markt, der wiederum anders ist als der britische oder australische oder sonst ein englischsprachiger Markt. So einfach ist das alles eben nicht zu kategorisieren, schon gar nicht aus dem Bauch heraus.

Churke

Zitat von: Debbie am 17. Januar 2014, 20:00:09
"Sensationsgeilheit" oder die Faszination am Untergang, wie du es beschreibst, ist eine neumodische Sache.
Das findet man in der antiken Tragödie, bei Shakespeare (namentlich "Macbeth"), im Nibelungenlied, in der geschichtlichen Überlieferung. Hätte Leonidas bei den Thermopylen gesiegt, würde das heute kein Sau mehr interessieren und es gäbe auch keinen Film mit Gerard Butler.

Debbie

Zitat von: Churke am 17. Januar 2014, 21:12:28
Das findet man in der antiken Tragödie, bei Shakespeare (namentlich "Macbeth"), im Nibelungenlied, in der geschichtlichen Überlieferung. Hätte Leonidas bei den Thermopylen gesiegt, würde das heute kein Sau mehr interessieren und es gäbe auch keinen Film mit Gerard Butler.

Hast du dich schon mal mit der Katharsis nach Aristoteles auseinandergesetzt? Falls nicht, würde ich dir das dringend raten! In den von dir genannten Werken, gibt es keine Selbstopferung zum Wohle des großen Ganzen - aber in den antiken Tragödien, bei Shakespeare und im Nibelungenlied ist nicht die Faszination am Untergang das Motiv, sie vermitteln alle eine gewisse Moral:

- Oedipus: Das Schicksal lässt sich nicht aufhalten und ist größer als der Mensch, bzw. erklärt es das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung.
- MacBeth & Siegfried: Sterben, weil sie nicht ehrenhaft handeln und sich Dinge "aneignen", die nicht für sie bestimmt sind - oder sich Dinge aneignen, die zwar für sie bestimmt sind, diese dann aber "verschmähen" (im Falle von Siegfried)

Die Götter müssen im Ragnarök sterben, weil sie zuviel Schuld auf sich geladen haben und für ihre Sünden bezahlen müssen (und wissen das übrigens auch). Dies tun sie, indem sie das Böse vernichten und somit Platz machen, für eine neue, bessere Welt, die von Sündern gereinigt ist.

Der Heldentod ist nur eines von vielen moralisch geprägten Motiven - und im Endeffekt sollte bei jeder guten Geschichte die Katharsis des Lesers stattfinden. Dafür sind Geschichten da. Und der Tod des Helden soll den Leser daran erinnern, dass es im Leben um mehr geht als das eigene Wohlergehen, ihm bewusst machen, dass er nur ein kleiner Teil des Ganzen ist, aber trotzdem alles verändern kann. Ich sehe also immer noch nicht, was an diesem, oder anderen moralischen Motiven das Problem ist?!

Churke

Zitat von: Debbie am 17. Januar 2014, 21:37:03
Und der Tod des Helden soll den Leser daran erinnern, dass es im Leben um mehr geht als das eigene Wohlergehen, ihm bewusst machen, dass er nur ein kleiner Teil des Ganzen ist, aber trotzdem alles verändern kann. Ich sehe also immer noch nicht, was an diesem, oder anderen moralischen Motiven das Problem ist?!

Grundsätzlich bestreite ich das überhaupt nicht. Ich vertrete allerdings den Standpunkt, dass der Heldentod seine maximale Wirkung in der Tragödie erreicht. Zur Tragödie gehört das Scheitern; wenn durch den Tod ein Sieg erkauft wird, ist es keine Tragödie mehr. Und wenn die Geschichte nicht tragisch ist, dann frage ich mich, welchem dramaturgischen Zweck der Opfertod dient. Ich betone dramaturgisch - Moralisieren ist keine Dramaturgie.

Grey

 :wache!:

Churke und Debbie, ihr seid längst weit ab von der Frage, was die Unterschiede zwischen deutscher und angelsächsischer Fantasy sind. Genau wie übrigens auch der ganze Rest der Diskussion. Lavendel hat das in ihrem Beitrag schon ausführlich deutlich gemacht. Hier hat von Anfang an kein wirklicher Austausch über die im Titel genannten Unterschiede stattgefunden, sondern nur eine Diskussion darüber, wie ihr persönlich die Opferrolle eines Helden in der Literatur und im Film findet, und ob das ein primär amerikanisches Phänomen ist. Dabei wurde vieles bedenklich vermischt und sehr unsaubere und daher wenig aussagekräftige Vergleiche gezogen. Entweder, ihr diskutiert von jetzt an über das Thema, das im Titel steht, oder Kaipi passt seinen Threadtitel und den Eingangsbeitrag entsprechend an (indem er z.B. die Opferrolle eindeutig als Beispiel kennzeichnet). Darüber hinaus wäre es wohl angebracht, Beiträge von Moderatoren nicht einfach zu ignorieren.
Danke.

Kaipi

Zitat von: Grey am 18. Januar 2014, 13:30:24
ihr seid längst weit ab von der Frage, was die Unterschiede zwischen deutscher und angelsächsischer Fantasy sind.
Da stimme ich zu, irgendwie haben wir uns auf die Opferrolle (die ja nur ein mögliches Beispiel für einen Unterschied ist) fixiert. Ich fand auch diese Diskussion sehr interessant, würde mich aber jetzt gerne noch mit dem eigentlichen Thema auseinandersetzen.

Mein Fazit bisher ist, dass wir mit den grimmschen Märchen, die in ganz Europa zusammengesammelt wurden, keine deutschen Wurzeln für Fantasy vorfinden. Auch die Nibelungen, in denen immerhin ein Drache und magische Eigenschaften seines Blutes irgendwie Fantasy-mäßig rüberkommen, sind doch einfach zu alt für einen Vergleich mit Harry Potter.

Beispiele aus der angelsächsischen Welt haben wir ja nun genug. Von Harry Potter bis Herr der Ringe, Narnia u.v.m. wurden einige genannt. Um Unterschiede festzumachen, brauchen wir aktuelle deutsche Fantasy-Titel.

Mir fallen dazu folgende »Klassiker« ein:

       
  • Die unendliche Geschichte
  • Märchenmond
  • Tintenherz
Nun ist es sehr lange her, dass ich diese Bücher gelesen (verschlungen) habe, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, ob dort ein »ultimatives Selbstopfer« eine Rolle spielte oder nicht. Ich kann auch keinen gemeinsamen Nenner bei den drei Werken ausmachen. Vielleicht hat ja einer von Euch frischere Erinnerungen an diese Klassiker.

In der Diskussion »Ein repräsentatives Buch für die deutsche Fantasy?« werden ein paar weitere Titel genannt.

Klecks

Ich finde, ein gemeinsamer Nenner von Tintenherz und Die unendliche Geschichte - tut mir leid, Märchenmond kenne ich nicht - ist zum Beispiel die Bedeutung von Geschichten an sich. In beiden Werken taucht jemand in eine andere Welt ein, und zwar in eine, die nur durch eine Geschichte erreichbar ist. Die Geschichte, die jemand im Buch erzählt oder in die jemand eintaucht, steht im Mittelpunkt jener Geschichte, die uns vom eigentlichen Autor erzählt wird - und in die wir wiederum eintauchen.  :D


KaPunkt

Ich meine mich zu erinnern, dass bei Märchenmond Kim am Ende stirbt. Ob das allerdings ein bewusstes Selbstopfer war ...
Kurze Zusammenfassung: Kim blickt ganz am Anfang in einen Spiegel und 'trennt' sein Gutes Ich von seinem Bösen Ich. Kim weiß davon den größten Teil der Handlung nichts. Das Böse Ich hilft den Bösen, das gute Ich den Guten. Am Ende bringt das Böse Ich das Gute Ich um.
Daraufhin vereinigen sich Gutes Ich und Böses Ich wieder, weil Böses ohne Gutes nicht existieren kann und vice versa.

Die Tintentrilogie mag ich zwar in vielen Bereichen sehr gern, aber sie kommt mir nicht gerade 'typisch Deutsch' vor. Die Autoren lebt doch auch schon seit vielen Jahren in den USA. Übrigens habe ich mal in einem Interview mit ihr gehört, dass sie selbst ihre Geschichten auch nicht besonders deutsch findet, sondern eher typisch englisch, während ihren nicht deutschen Freunden ihre Geschichten sehr deutsch finden.

Wenn ich so in mein Bücherregal schiele, komme ich zu folgendem Schluss:
Zumindest für mich und in der Belletristik gibt es keinen ausgeprägten Unterschied der Nationalitäten in der aktuellen Literatur mehr.
Das liegt, denke ich, darin begründet, dass Bestseller und Trends zum großen Teil global geworden sind. Was ich lese ist Internationale Pop-Kultur, und aus welchen Ländern Kai Meyer, Neil Gaimann, Patrick Rothfuss, Jennifer Robinson oder Cornelia Funke stammen, merkt man zumindest ihrer Themen Wahl oder Charakter-Gestaltung nicht an.
Wohl aber dem Ton, in dem sie schreiben, zumindest manchmal. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Pygmalion

Das Ende von Märchenmond ist folgendes: Kim wird von seinem Bösen Ich getötet, erwacht dann aber zu neuem Leben, genau wie alle anderen Leute, die gestorben sind, das böse hat sich quasi selbst getötet, indem es das gute getötet hat und danach ist die ganze Welt wie der Phönix aus der Asche auferstanden. Ganz am Ende sind dann auch alle wieder in der "realen" Welt, das ganze spielte in irgendeiner Traum-Parallelwelt. Das mag Hohlbein übrigens ziemlich gerne und taucht bei seinen Büchern häufig auf. Damit hätte es wohl auch den gemeinsamen Nenner zu den anderen beiden Titeln gefunden...

Was ich vielleicht noch ans Denkansatz beisteuern könnte: Ich glaube, deutsche Fantasy ist viel mehr ahistorisch als britische. Das heißt, es werden sehr häufig eigene Welten gebastelt, die nichts mit der Realen zu tun haben. Zumindest ist das mein Eindruck, was die bekannten Werke angeht. Die Briten benutzen die reale Welt, um dort Fantasyelemente unterzubringen. Ich kann da natürlich einen völlig falschen Eindruck haben, aber das sagt ihr mir dann ja jetzt gleich :D