• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

[Kampf] Hinkebein

Begonnen von Berjosa, 12. Januar 2014, 16:18:27

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Berjosa

Liebe Kampfsport-Fachleute,

ich hätte da gern mal eine Frage.

Mein derzeitiges Abenteuer spielt in Deutschland im frühen 21. Jahrhundert, der Fantasy-Anteil ist gering. Darin treibt ein humpelnder Hilfsschurke sein Unwesen. Wie ich ihn bisher kenne, ist die Ursache für das Humpeln ein lange zurückliegender Unfall (könnte auch angeboren sein). Er legt Wert darauf, dass er nicht nur allein zurecht kommt, sondern auch anderen körperlich überlegen ist.

Gibt es eine Kampfsportart, die dieser Mensch mit einiger Aussicht auf Erfolg betreiben und in freier Wildbahn anwenden könnte?
(Einen Kurs "Selbstverteidigung für Senioren" oder so würde er vielleicht leiten, aber auf gar keinen Fall daran teilnehmen.)

Ich würde ihn ungern mit Feuerwaffen ausstatten, zumindest nicht mit modernen. Vorderladerschießen könnte eher zu ihm passen.
Trotzdem sollten Leute, die ihn kennen, wissen, dass er gefährlich werden kann. Die ihn nicht kennen, dürfen ihn gern unterschätzen und damit auf die Nase fallen.

Schon mal vielen Dank für eure Hinweise.

Churke

Er könnte ringen. Wenn er die richtige Statur hat, sagen wir mal 1,90 m groß und 130 Kilo schwer, braucht er darin nicht mal gut zu sein. Wenn er dich zu fassen kriegt, ist es vorbei.  ;D

Aylis

Eine Lösung wäre vielleicht, sich eine eigene Kombination auszudenken, eine eigene Kampftechnik (wenn die Zeit reicht).
Wenn er eine kräftige Statur hat, könnte er zum Beispiel verschiedene Wurftechniken oder Ringtechniken (BJJ artig) lernen,
möglicherweise in Kombination mit solchen nerveinklemmenden Hieben, wie sie Spok zum Beispiel beherrscht oder auch Ty-Lee aus Avatar.

BJJ ist eine brazilianische Kampfart, die sich auf Bodentechniken und verschiedenen Wurftechniken spezialisiert.

Da Kickboxen oder ähnliches ja von dem Hinkebein eingeschränkt wird, musst du dich wohl oder übel auf die Hände beziehen, also würde ich mal alles nennen, was boxen und heben einschließt.
Wo genau sollen wir einbrechen? - In die namenlose Festung.

Churke

Zitat von: Aylis am 12. Januar 2014, 17:12:09
Da Kickboxen oder ähnliches ja von dem Hinkebein eingeschränkt wird, musst du dich wohl oder übel auf die Hände beziehen, also würde ich mal alles nennen, was boxen und heben einschließt.
Beinarbeit ist ein integraler Bestandteil jeder Kampfkunst. Wenn du gehbehindert bist, kannst du dich immer noch verteidigen, aber in einem realen Kampf siehst du kein Land.
Du kannst dem Gegner nicht ausweichen, er dir schon.
Du kannst den Gegner nicht einholen, er dich schon.

cryphos

Wie wäre es mit Bartitsu (siehe Wikipedia)?
So etwas gab es wirklich und es sieht relativ steif aus, passend zu älteren Herren.  ::)
Wobei ein steifes Bein bei jeder Kampfsportart ein Hindernis ist, mit genug Training und Individualisierung aber kompensiert werden kann.

Berjosa

Vielen Dank für die Info.

Ringen klingt schon mal gut, die Figur dazu hat er. Das könnte außerdem auch ein Landei vereinsmäßig betreiben.

Den kreativen Einsatz von Gehstock und Fäusten muss er halt anderswo trainieren, vielleicht von einer Gruppe/Sportart zur nächsten tingeln, sobald er merkt, dass er wohl nicht zu Assen gehört. Es könnte ja eine Truppe mit Personalmangel geben, wo der Trainer stärker auf ihn eingehen kann/will als in einem Verein mit einer Halle voll wettkampfsüchtiger Jungspunde ...

Bartitsu klingt wie etwas, was der Ur-Schurke in diesem Abenteuer gelernt haben könnte (vor allem, wenn es doch eine Ur-Schurkin war; da bin ich mir noch nicht so ganz sicher). Vielleicht hat er/sie das an den Nachfolger weitergegeben, und der traktiert jetzt auch seinen Handlanger damit. Hm ... mal sehen, ob das passt. Die Originalversion scheint ja nicht allzu lange überlebt zu haben.

Churke

Zitat von: Berjosa am 12. Januar 2014, 21:13:00
Es könnte ja eine Truppe mit Personalmangel geben, wo der Trainer stärker auf ihn eingehen kann/will als in einem Verein mit einer Halle voll wettkampfsüchtiger Jungspunde ...

Es kommt halt immer darauf an, zu welchem Zweck und mit welchem Ernst man etwas trainiert. Sportvereine unterscheiden nicht ohne Grund zwischen "aktiven" und sonstigen Mitgliedern. Wenn einer mit starker körperlicher Behinderung jede Trainingseinheit mitnimmt und ein anderer nur einmal im Monat vorbei schaut, sofern seine Freundin ihm das erlaubt, ist klar, wie das nach einigen Monaten aussieht. Er wird halt nie King of the Ring werden, aber sich immerhin behaupten können.

Und wegen dem Bartitsu... Es gab/gibt in den meisten europäischen Ländern diverse Stockkampfsysteme zu Sport und Selbstverteidigung. Da wird er zwar auch nach massivstem Training niemals Wettkampfniveau erreichen - aber die Wahrscheinlichkeit, dass man Leuten dieses Levels im Ernstfall begegnet, ist verschwindend gering. 

cryphos

#7
Baritsu gibt es noch heute, ist aber eher exotisch geworden. Bekannter ist Canne (Link zu Wikipedia) - auf deutsch als Spazierstockfechten bekannt.
Baritsu sieht aus wie ein Kombination von Boxen und Fechten für britische Adlige. Die Kämpfer stehen sich steif gegenüber, die Kampfhaltung orientiert sich stark an klassischen Fechtfiguren.
Kennt ihr die Boxkarikaturen aus schlechten Filmen, wenn ein britischer Adliger den Rücken durchdrückt, die Fäuste hoch nimmt und dann nach Gentleman Regeln boxen möchte?
Kombiniert das mit einem sehr stilisiertem und statischen Fechten und ihr habt den Eindruck, den ich bei einer Vorführung von Baritsu bekam.

Canne habe ich noch nicht live gesehen, stelle es mir aber etwas dynamischer vor.

Coehoorn

#8
Jemandem mit Gehbehinderung würde ich zu Stockkampf raten. Der Hanbo (kurzer Stock, bis einen Meter) von den Japanern dient für viele Schlag und Hebeltechniken. Beim Escrima, das meines Wissens als eine der brutalsten Kampfsportarten gilt, wird teilweise mit noch kürzeren Stöckern gekämpft.
Hier sind ein paar Techniken dargestellt. Die zweite wäre zum Beispiel geeignet.
http://www.youtube.com/watch?v=O5WBaCU0ygs


Solltest du eine geeignete Waffe suchen, rate ich auf jeden Fall zu einem Gehstock aus Polypropylen. Das folgende Video beschreibt eindeutig wieso (von meinem Fechtlehrer in Selbstverteidigung an einem vorbestraften Messerstecher erprobt! Funktioniert super das Ding)
http://www.youtube.com/watch?v=XwpaQVF_ICk
Kann dein Protagonist für um die 80 Euro bei Amazon bestellen  ;D
Wo das Teil hinschlägt, wächst kein Gras mehr. Dazu ist es absolut unscheinbar und wiegt fast nichts.

Churke

Zitat von: Coehoorn am 14. Januar 2014, 13:33:50
Beim Escrima, das meines Wissens als eine der brutalsten Kampfsportarten gilt, wird teilweise mit noch kürzeren Stöckern gekämpft.

Ja, aber das heißt nicht, dass man stehen bleibt wie bei der studentischen Mensur.

In diesem Video zeigt "Lonely Dog" die Kombination von Schlag- und Beinarbeit und deren Training.
http://www.youtube.com/watch?v=nx4CDgnEhkI

Okay, Lonely Dog ist ein Tier, aber sein Stil ist nicht untypisch.

ZitatSolltest du eine geeignete Waffe suchen, rate ich auf jeden Fall zu einem Gehstock aus Polypropylen.
Sieht aus wie ein Irish Walking Stick. Fällt aber durch die Zweckbestimmung möglicherweise unters Waffengesetz, damit wäre ich vorsichtig...  ::)

Anj

Also mir fällt spontan auch Escrima oder Combat Arnis (philippinischer Stockkampf) ein. In dem Dojo, in dem ich früher trainiert habe, wurde Combat Arnis trainiert und dort werden nicht nur Stöcke als Waffen eingesetzt, sondern auch andere klassische Waffen wie Messer und Machten, aber auch T-Shirts, Kugelschreiber, Handtücher, Taschen. Also alles, was man so dabei hat. Und Kugelschreiber beispielsweise können verdammt schmerzhaft sein. Die Wirbeltechniken sind gut, um Gegner auf Abstand zu halten und empfindlich zu treffen, die Hebeltechniken zum Entwaffen und/oder den Gegner zu Fixieren.
Wobei ich dazu sagen muss, das unser Shihan Karate und Combat Arnis in der Selbstverteidigung gern kombiniert hat.
Eine kurze Zeit habe ich auch mal beim Aikido reingeschnuppert. Das ist ja dem Jiujitsu recht ähnlich und arbeitet vor allem mit dem Schwung des Gegners.

Allerdings ist auch sehr wichtig, wie das schwache Bein dargestellt ist. Wie stark kann er das Bein belasten? Ist eine echte Einschränkung (Schmerzen, Schwäche ...) oder nur ein fehlerhafter Bewegungsablauf? Viele kann, gerade wenn es das ganze Leben schon besteht, auch so kompensiert werden, dass man gar nicht so eingeschränkt ist, selbst wenn man einen massiven Gehfehler hat.

Davon abgesehen würde ich ihm auch ein Wissen über schmerzhafte Nervenpunkte verpassen. Wobei da vieles was im TV gezeigt wird, eher Wunschdenken als Realität entspricht, aber zumindest um den Gegner abzulenken, oder Griffe zu lockern ist sowas sehr hilfreich.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Berjosa

Nochmal vielen Dank, auch für den Hinweis auf den Stock.
Ich glaube, der Herr hat ein berechtigtes Interesse, in fast allen Lebenslagen einen stabilen Gehstock zu führen. Ob auf der Verpackung explizit "zur Selbstverteidigung geeignet" stand, ob das Ding vorwiegend als Goth- oder Dandy-Accessoire verkauft wurde, ob er es am Ende selbst geschnitzt oder vom Opa geerbt hat, kann ich mir ja noch überlegen.

Escrima werde ich mir auf jeden Fall mal näher anschauen, auch die Sache mit den Nervenpunkten.

Ich sehe schon, meine Heldin hat allen Grund, sich Sorgen zu machen, wenn ihr Schatz zu diesem Kerl ins Auto steigt. Mal sehen, mit wem er sich im Lauf des Abenteuers noch alles anlegt.
Letzten Endes erwischt ihn die Wilde Jagd, da wird ihm auch gutes Training nicht viel helfen.


Nycra

Ich will ja nicht der Buhmann sein, aber bei allen Kampfsportarten sollte auf keinen Fall außer Acht gelassen werden, dass das Hinkebein immer seine Schwachstelle sein wird. Ein Angreifer würde immer versuchen, zuerst das verletzte Bein zu attackieren, sofern das Hinken offensichtlich ist. Vermutlich sogar schon, bevor er mir nahe genug kommen kann. Je nachdem wie schwer die Verwundung war, kann auch ein leichter Tritt oder Schlag schon irre Schmerzen verursachen.
Daher scheint mir der Stockkampf auch realistischer, weil du damit einen Gegner auf Abstand halten kannst/könntest.

Berjosa

Na ja, vorerst geht es mir auch nur darum, den Herrn ans Trainieren zu kriegen und ihm einen gewissen Ruf zu verpassen. Dass der vielleicht übertrieben ist und der Hilfsschurke sich eventuell auch überschätzt, kann ja plottechnisch noch ganz nützlich sein

Coehoorn

#14
Bei keiner Kampfsportart bleibt man stocksteif stehen. Beim Degenfechten nach den Regeln des Ehrengerichts geht man zwar nicht zurück aber da die Geschichte Anfang 21. Jahrhundert spielt dürfte das Ehrengericht keine Rolle spielen. Man muss eben schauen bei welcher Kampfsportart man Teile machen kann. Das Komplettpacket wird niemals drin sein.

edit/ Da fällt mir noch eine andere Waffe ein, die man gut verdeckt tragen kann. Die Kukri-Machete. Eine gebogene Machete, die sich verdeckt auf dem Rücken tragen und mit einer Hand ziehen lässt. Bishnu Shrestha, (http://en.wikipedia.org/wiki/Bishnu_Shrestha) ein Gurkha-Soldat aus Afrika, hat damit 15-40 (Augenzeugen wiedersprechen sich hier) Banditen bei einem Zugüberfall gewaltig den Hintern versohlt. Dazu würde dein Protagonist zwar nicht in der Lage sein, nichts desto trotz eine tödliche Nahkampfwaffe (und die fällt garantiert unter das Waffengesetz) Einfach mal bei Amazon nach Kukri suchen und die Modelle begutachten. Ich kenne mich leider nicht so mit der Klinge aus. Ich hab davon nur zufällig erfahren.

Im übrigen gibt es auch Gehstöcke mit eingebauter Klinge. Der Stock bildet praktisch die Scheide, die Klinge ist mit dem Griff verbunden. In Deutschland übrigens illegal.