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[Reitkunde] Reittiere für einen Wanderritt

Begonnen von Churke, 09. Oktober 2013, 11:56:30

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Churke

Hallo,

es geht mal wieder um meine Ritterin. Die Dame reitet aus offensichtlichen Gründen einen Hengst, ein Thüringer Warmblut, im Wert von 10 leibeigenen Bauern. (einschließlich Land, versteht sich, die Bauern werden nicht einzeln verkauft)

Sie hat auch ein "Packpferd" mit sich - aber was nimmt man da am besten?

Ich bin gerade bei einer Noriker-Stute, aber ich frage mich, ob das so clever ist, wenn frau mit einem Hengst unterwegs ist. Handelt man sich da nicht unnötigen Ärger ein?
Wäre ein Wallach nicht besser? Oder ein wirtschaftlicheres Maultier? Die Konstellation muss vor allem plausibel sein.

Luna

#1
Zitat von: Churke am 09. Oktober 2013, 11:56:30
Ich bin gerade bei einer Noriker-Stute, aber ich frage mich, ob das so clever ist, wenn frau mit einem Hengst unterwegs ist. Handelt man sich da nicht unnötigen Ärger ein?
Wäre ein Wallach nicht besser? Oder ein wirtschaftlicheres Maultier? Die Konstellation muss vor allem plausibel sein.
Ein Hengst und eine Stute? Bloß nicht! Die Hengste hat man kaum unter Kontrolle, wenn man sie nur an einer Koppel oder einer Box mit einer Stute vorbeiführt :seufz:.
Und Hengst und Hengst geht auch nicht gut. Die muss man dann dauernd voreinander schützen ;D oder einen riesen Sicherheitsabstand halten. Das Problem hatten wir mal in Tunesien, die sind ständig gestiegen, wenn sie sich zu nahen kamen und wollten sich an die Gurgel. Am besten wäre da echt ein Wallach.
Maultier oder Maulesel als Packpferd finde ich gut, die sind sehr ausdauern. Gute Gewichtsträger, trotz ihrer Ponygröße sind auch Haflinger, die wurden in den Tiroler Alpen extra als Packpferde gezüchtet, und als Fleischlieferant ;). Allerdings sind die sehr bockig.

Antonia Assmann

Wenn sie einen Hengst reitet, würde ich von jeder Stute abraten. Selbst wenn er noch so erzogen ist, wird er sich einfach immer mal wieder beweisen müssen und in Pose werfen, was nur unnötig Kraft kostet.
Jetzt kommt es darauf an. Reitet sie schnell, oder langsam. Das Packpferd muss ja nicht nur stämmig sein, um die Sachen zu schleppen, sondern dann auch schnell sein.
Ungefähr die gleiche Größe haben. Die gleiche Kondition. Also müsste es auch ein gutes Pferd sein.
Stämmiger, vielleicht nicht so edel und elegant wie der Hengst, aber auch fit.

Einen kleinen Esel kann ich mir da nicht vorstellen. Ein gutes Warmblut müsste es schon sein, am besten ein Wallach.

Pygmalion

Warum kein Maultier?
Ausdauernd sind die allemal... Schnell kan so ein voll beladenes Tier sowieso nicht den ganzen Tag sein, weil es dann irgendwann erschöpft zusammenbricht. Da ist vermutlich die Ausdauervariante am Ende schneller als die kurzfristig schnelle...

Eh, wäre es insgesamt nicht sowieso stimmiger, wenn der Hengst für den Krieg, der ja wirklich besonders wertvoll ist, nicht bei normalen Reisen nebenher geführt wird, um ihn zu schonen?
Beim Reisen wurden da auch eher sog. Zelter benutzt, nicht die sauteuren Schlachtrösser... nur als Anregung :)

Churke

Danke für die Infos. Ich denke, Antonia hat recht, dass man ein Packtier auswählen würde, das das Tempo mitgehen kann. So eine Aventüre ist schließlich gefährlich, da kann eine Menge passieren.  ;D

Zitat von: Pygmalion am 09. Oktober 2013, 12:26:29
Beim Reisen wurden da auch eher sog. Zelter benutzt, nicht die sauteuren Schlachtrösser... nur als Anregung :)
Und dazu hatte man 1 Knappen, 2 Leibdiener, 1 Pferdeknecht, 1 Koch, 2 Reisige, 1 Beichtvater und 10 Waffenknechte immer am Mann...   ;)

Pygmalion

:D  :P

Ein Knappe kann nicht schaden, der muss danneben alle Aufgaben gleichzeitig erledigen :D

Stell dir vor, die Dame reitet über unwegsames Gelände und das teure Pferd verknackst sich den Knöchel O_O

Coryza

quote author=Luna
Zitat von: Luna am 09. Oktober 2013, 12:13:12
Gute Gewichtsträger, trotz ihrer Ponygröße sind auch Haflinger, die wurden in den Tiroler Alpen extra als Packpferde gezüchtet, und als Fleischlieferant ;). Allerdings sind die sehr bockig.
Ich würde auch sagen Haflinger eigenen sich sehr gut als Packpferde. Eben weil sie speziell dafür gezüchtet wurden.
Das mit dem sehr bockig kann ich nun wiederum nicht bestätigen. Mein Opa hat 4 Haflinger und die sind alle samt sehr brav und lieb und alles andere als bockig.

Rhiannon

Also Esel sind nicht so langsam, wie man sich das gemeinhin vorstellen mag. Gut, im Galopp wären sie dem Pferd schon aufgrund der deutlich kürzeren Beine unterlegen, aber im Zweifelsfall, wenn man fliehen musste, hat man früher doch eher das Packtier Packtier sein lassen. Von daher könnte ich mir auch einen Esel, oder auch ein Maultier (je nachdem, was da an Pferd drinsteckt, kann ich mir da auch ein recht schnelles Tier vorstellen) als Packtier vorstellen.
Hafis können bockig oder brav sein, so wie alle Ponys.
Aber ich muss da mal etwas anderes zu bedenken geben: Einen Hengst halte ich als Schlachtross für eine doofe Idee. Einmal eine rossige Stute vorgeführt und die Ritterin dürfte Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Reittier haben. Ich weiß nicht, ob ich das an ihrer Stelle  riskieren würde. Und außerdem, wenn das Pferd so schweineteuer war, würde ich es sowieso ganz sicher nicht als Schlachtross benutzen und auch nicht unbedingt zum Reisen, Pygmalions Bedenken mit dem verknacksten Bein sind nämlich gar nicht mal so falsch. Ganz abgesehen davon, dass so ein Zelter auch deutlich bequemer ist. Zelter = Tölter und Tölt = deutlich bequemere Gangart. Nicht umsonst wählte man für die Damen Zelter, auch wenn das weniger erhaben aussieht, als so ein feuriges Ross, aber wir wollen ja nicht auf eine Parade und am Ende der Reise mag sich deine Ritterin wahrscheinlich auch noch so halbwegs bewegen können.

Judith

Zitat von: Rhiannon am 09. Oktober 2013, 18:11:52
Aber ich muss da mal etwas anderes zu bedenken geben: Einen Hengst halte ich als Schlachtross für eine doofe Idee. Einmal eine rossige Stute vorgeführt und die Ritterin dürfte Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Reittier haben. Ich weiß nicht, ob ich das an ihrer Stelle  riskieren würde.
Rein historisch betrachtet waren Hengste allerdings als Schlachtrösser durchaus üblich. Je nachdem, in welcher Epoche man unterwegs ist bzw. an welche Epoche man sich anlehnen möchte, ist ein Hengst daher durchaus passend.

Pygmalion

Also im Prinzip war so ein Hengst tatsächlich die häufigste Variante. Warum... keine Ahnung. Vielleicht aggresiver, robuster und stärker als Stuten? Müsste man mal nachlesen.
Die vermutlich teuersten Pferde des Mittelalters (die frühmittelalterlichen Leute sind entgegen mancher Meinungen nicht wirklich standardmäßig in den Kampf geritten, sondern haben ihre Pferde nur zum reisen benutzt. Das waren kleine Ponys, die recht witzig ausgesehen haben müssen mit den Menschen oben drauf) waren gute Schlachtrösser. Das Training eines Pferdes, bis es eine Schlachtformation einhält, im Kampf nicht wegrennt und dem Reiter ohne kompromiss gehorcht, kostet eben Geduld, Ressourcen und Geld. Normalerweise rennen Pferde ja bei jeder Gelegenheit weg. Darf ein Schlachtross natürlich nicht. Daher eben auch der exorbitante Preis... Aber ich würde es eben so gut schonen, wie ich kann und ganz sicher keinen Wanderausflug darauf machen.
Man kann das ja ganz einfach hinter das Packpferd binden und dann hat man nichtmal Arbeit damit :D

Churke

Ich denke, dass Aggressivität ("Killerinstinkt") bei einem (Wett-)Kampfpferd durchaus erwünscht ist. Und dann ist es natürlich auch so ein Punkt, dass auch der beste Wallach der Welt genetisch eine Sackgasse ist. Zuchtmäßig geht da nichts mehr...  ::)

Maran

Warum Hengste? Erstens aus Prestigegründen. Zweitens sind sie nicht so zickig wie Stuten. Drittens, und das ist am wichtigsten: Man kann am ehestens auf sie verzichten - züchterisch gesehen. Maultiere rennen übrigens nicht so leicht weg. In den USA werden sie unter anderem dazu benutzt, Rinder- und Schafherden vor Räubern zu schützen. Die Maultiere und Esel greifen nämlich an, anders als Pferde, und gehen dabei alles andere als zimperlich mit ihren Gegnern um.

Haflinger sind nicht bockig. Sie können aber äußerst stur sein. Das ist der Gebirgspferdescheuklappenblick. Heillose Flucht tut in unwegsamen Gelände nicht gut, wenn man Gefahr läuft, in Abgründe zu stürzen. Ein Haflinger bleibt i.d.R. erst einmal stehen und schaut, bevor er in Panik davonläuft, ob es die Panik auch lohnt. Nerviger ist bei dieser Rasse die Einstellung: Der kürzeste Weg von A nach B ist eine Gerade, schnurzpiepegal, was oder wer im Weg steht. Sie sind übrigens hervorragende Springer.

Hengst und Stute würde m.M.n. gehen, sofern die Reiterin ihr Reittier zu gewissen Zeiten unter Kontrolle halten kann - oder es egal ist, ob die Stute tragend wird. Wenn die Tiere sich gut kennen, geschieht das "Auf-schöner-Junge-Machen" eigentlich nur, wenn die Stute rossig ist, oder aber, wenn männliche Konkurrenz in Sicht kommt. Ein Wallach wäre wahrscheinlich besser, aber auch den wird der Hengst, so er denn der ranghöhere ist und nicht der Wallach, gegen andere "Jungs" verteidigen, frei nach dem Motto: "Das hier ist meine Herde."

Alles in allem ist das Hengstgebaren nicht wirklich schlimm. Man kann es handhaben.

Julia

#12
Wer im Mittelalter etwas auf sich hielt, ritt einen Hengst. Wallache waren nur was für Bauern, Kirchenmänner und Frauen. Davon abgesehen ritten Edelfrauen fast ausschließlich auf Zeltern (töltende Pferde), ansonsten waren für lange Reisen auch Pferde mit Passveranlagung üblich, da sie einfach bequemer zu sitzen sind als ein trabendes Pferd. Überhaupt hatte ein (Reise-)Pferd vor allem bequem zu sein - Kutschen im heutigen Sinne gab es noch nicht, nur ungefederte Reisekarren (eine Qual auf den damaligen Schlaglochpisten). Damen im Damensattel saßen seitlich, die Füße auf einem Trittbrett (der sog. Planchette) und mussten von einem Knappen geführt werden, da sie keinerlei Einwirkung auf das Pferd hatten (weitere Informationen z.B. hier: http://www.damensattel.org/2Geschichte/index2.htm). Erst 1580 kam der erste "echte" Damensattel auf, der dann nach und nach bis zum heute bekannten Modell verbessert wurde. Allerdings gab es auch im Mittelalter schon Frauen, die allein aus praktischen Gründen im Herrensitz ritten (nur waren es dann meist keine hochadligen Damen, denn von denen wurde natürlich ein untadeliges Verhalten erwartet).
Das aber nur als Randbemerkung  ;)

Über Hengste ist ja schon einiges gesagt worden, wobei ich davon ausgehe, dass die Hengste des Mittelalters anders als heute erzogen waren - ein Pferd hatte (vor allem während der Schlacht) zu funktionieren und sich nicht von den Damen ablenken zu lassen. Ein Hengst, der nicht funktionierte, wurde funktionierend gemacht - üblicherweise mit scharfen Hebelgebissen und handspannlangen Sporen. Trotzdem halte ich die Reiskombi Hengst - Stute auch für sehr gewagt - ständiger Körperkontakt lässt sich beim Handpferdereiten einfach nicht vermeiden. Bleibt also tatsächlich nur ein Wallach. Wobei ich bei genaueren Rassebezeichnungen zurückhaltend wäre - die meisten Pferderassen gab es im Mittelalter noch gar nicht. Auch die "richtigen" Warmblutzuchten (mit Zuchtbüchern) entwickelten sich erst ab etwa dem 18. Jahrhundert (die hannoversche Zucht wurde beispielsweise 1735 begründet). Bis dahin züchtete jeder so, wie er es für richtig hielt, wobei bei den adligeren Herrschaften häufig Pferde iberischen Schlages oder blutgeprägte Reitpferde (d.h. mit arabischen Einschlag) zum Reisen und schwere Schläge (= Kaltbluttypen) für die Schlacht geritten wurden.
Für eine Frau könnte ich mir aber auch die Kombination Stute - Stute vorstellen. Nicht ganz so prestigeträchtig wie ein Hengst, aber ich kenne Stuten, die mindestens genauso viel Ausstrahlung und Mut haben wie jeder Kerl - und im Zweifelsfall stellen sie auch nicht ständig die Rangordnung mit dem Reiter in Frage.

Soviel zum historischen Hintergrund. Wenn sich Deine Geschichte jetzt nicht zwingend an diesen Gegebenheiten orientieren muss, kann Deine Prota natürlich reiten, was immer sie will - und wie sie will ...  ;)

caity

Hallo Julia,

ich bin zwar nicht Churke, aber dein Beitrag ist super informativ und hilft mir gerade sehr, also ein herzliches Danke schön dafür!  :jau:

Alles Liebe,
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Luna

Du wirst Deine Prota, eine gestandene Ritterin, doch nicht im Damensattel reiten lassen :bittebittebitte: :bittebittebitte:, oder? So ein mittelalterliches etepetete Verhalten passt doch bestimmt gar nicht zu Deiner Ritterin ;). Sie muss ja garantiert auch mal vom Pferd aus kämpfen können und im Damensattel hat sie da keinen guten Halt.
Ich habe eine ausgerägte Abneigung gegen Damensättel :zombie: und würde mich da nie im Leben drauf setzen :no:.