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Historische Einflüsse / Versatzstücke im Roman (Abercrombie)

Begonnen von Fianna, 29. Oktober 2012, 02:46:59

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Mithras

Zitat von: Lomax am 15. November 2012, 14:03:06Lustigerweise fand ich genau das erst vor kurzem in einem Artikel abgestritten ;). Da war die Aussage, dass selbst genetisch die Verwandtschaft zu den Germanen beim Durchschnittsbürger im heutigen Deutschland durch all die Verschiebungen in den letzten 1000 Jahren kaum noch größer ist als die Verwandtschaft zu anderen europäischen Völkern der Vormodernen Zeit.
Wenn man bedenkt, dass die eurasische Bevölkerung von einer Gruppe von Homines sapientes abstammt, die vor 40 000 Jahren lebte und nicht mehr als 5000 Individuen umfasste (Kontakte mit Neanderthalern und Homo erectus nicht berücksichtigt), darf man auch nicht zu viel erwarten! ;) Es ist bemerkenswerterweise so, dass die höchste genetische Vielfalt innerhalb einer menschlichen Population vorherrscht und nicht zwischen mehreren Populationen, soll heißen, dass die Menschenvölker auf der ganzen Welt aus genetischer Sicht einander im Mittel ähnlicher sind als z. B. die Einwohner Deutschlands untereinander. Trotzdem kann man geringfügige, nichtsdestotrotz aber deutliche Unterschiede zwischen den europäischen Völkern erkennen. Briten, Iberer, Franzosen, Italiener und Deutsche haben genetische Merkmale in den nicht codierenden Regionen des Erbgutes, die für sie charakteristisch sind und die sie mit keinem weiteren europäischen Volk teilen. Das reicht sogar so weit, dass man Menschen recht deutlich der deutsch-, der italienisch- oder der französischsprachigen Schweiz zuordenen kann.
Nichtsdestotrotz hat der genetische Aspekt im Grunde nichts damit zu tun, was ein Volk denn nun tatsächlich ist. Die "eigentlichen" Germanen stammen aus dem Norden und haben dem Süden Deutschlands zwar ihre Sprache und ihre Kultur aufgedrückt, aber keinen wirklichen Unterschied in der genetischen Ausstattung bewirkt. Oder nehmen wir die Etrusker: Molekularbiologische und linguistische Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass dieses Volk von der nordägäischen Insel Lemnos stammt, doch zur Untersuchung standen bislang nur die Überreste einflussreicher Angehöriger dieses Volkes zur Verfügung. Es ist unwahrscheinlich, dass "die" Etrusker komplett aus Kleinasien stammen - viel näher liegt der Schluss, dass lediglich die Oberschicht auf Einwanderer zurückgeht, die dem einfachen Volk ihren kulturellen Stempel aufdrückten. Mit "den" Goten dürfte es sich ähnlich verhalten haben, denn während ihrer Langen Wanderung nach Osteuropa im Verlauf des dritten Jahrhunderts schlossen sich den ursprünglichen germanischen Stämmen zahlreiche Begleiter an, die zwar ihre Kultur mitbrachten, im Wesentlichen aber "germanisiert" wurden. Der Anteil "germanischer Gene" war in den Vandalen, den Ost- und den Westgoten sicher zum Schluss nicht höher als bei uns, dennoch würde wohl die meisten der Aussage anschließen, es handle sich bei ihnen im Wesentlichen um germanische Völker.

Zitat von: Lomax am 15. November 2012, 14:03:06Ich würde die Abhängigkeit eher anders herum sehen: Die (materielle) Kultur erschafft sich ihre Religion - zumindest diejenigen praktischen Auswirkungen der Religion, von denen man tatsächlich sagen kann, dass sie den Alltag einer Kultur durchdringen (im Gegensatz zu dem eher abgehobenen teologischen Überbau einer Religion, der in der Alltagskultur weniger Einfluss entfaltet).
Du versuchst, mich von etwas zu überzeugen, das ich so nie bestritten habe! ^^
Über den tatsächlichen Einfluss der Religion auf die anderen Bereiche der Kultur bzw. umgekehrt kann man sicher nicht erschöpfend diskutieren, aber es ist wohl unbestritten, dass ein solcher existiert, denn Religion beeinflusst das Denken der Menschen in einem hohen Maße. Letztlich ging es mir nur darum, zu zeigen, dass Religion einen wichtigen kulturellen Faktor darstellt und diese beiden Kategorien nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können, wie es Churke in seinem Beitrag angedeutet hat.

Zitat von: Lomax am 15. November 2012, 14:03:06Religion als alles motivierender Bestandteil einer Kultur, und nicht nur als ein verstärkender, formgebender und aus anderen Einflüssen abgeleiteter Faktor, ist meines Erachtens zumindest viel schwerer mit Evidenz zu verknüpfen - und schafft dementsprechend bei literarischer Adaption viel mehr Probleme und Quellen für Plausibilitätsfehler des Autors, als dass er die dargestellte Kultur tatsächlich vertieft.
Nur, wenn man meint, eine Religion eins zu eins adaptieren zu müssen. Religion beeinflusst das Denken von Menschen und verlangt daher nach einem sensiblen Umgang seitens des Autors, aber das kann durchaus gelingen und zur Tiefe einer Welt beitragen. Gerade in der Fantasyliteratur, in der man der Religion dank der prinzipiellen Möglichkeit, Magie einzubauen, eine viel größere Rolle zuteil werden lassen kann, ergeben sich da ganz neue Möglichkeiten. Natürlich darf man nichts überstürzen, denn da man hier natürlich nicht auf reale Beispiele und Vorbilder zurückgreifen kann, sollte man sich gründlich überlegen, welche Konsequenzen eine Entscheidung haben kann.